TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/24 W108 2226803-1

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Veröffentlicht am 24.02.2021
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Entscheidungsdatum

24.02.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
GEG §6c Abs1 Z1
GGG Art1 §1 Abs1
GGG Art1 §2 Z1 lita
GGG Art1 §32 TP1
VwGVG §28 Abs2
ZustG §13 Abs1
ZustG §17

Spruch


W108 2226803-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 15.11.2019, Zl. 100 Jv 6769/19m-33a (003 Rev 15453/19z), betreffend Rückzahlung von Gerichtsgebühren zu Recht:

A)

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass dem Antrag des Beschwerdeführers auf Rückzahlung von Gerichtsgebühren in der Höhe von EUR 557,25 stattgegeben wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang/Sachverhalt:

1.1. Der Beschwerdeführer begehrte mit Klage vom 11.07.2019 zur Aktenzahl XXXX des Bezirksgerichtes XXXX (in der Folge: Grundverfahren) zusammengefasst, die beklagte Partei für schuldig zu erkennen, den vom Beschwerdeführer der beklagten Partei zu Handen der Hausverwaltung in barem übergebenden Kautionsbetrag für eine näher genannte Wohnung im Betrag von EUR 9.300,00 auf einem Sparbuch oder auf andere Art, soweit dies eine gleichhohe Sicherheit wie eine Spareinlage biete […], zu veranlagen, den Kläger darüber zu informieren und die Kosten des Rechtsstreits zu bezahlen.

Für die Einbringung der Klage wurde basierend auf einer Bemessungsgrundlage von EUR 9.300,00 die Pauschalgebühr gemäß Tarifpost (TP) 1 Gerichtsgebührengesetz (GGG) in Höhe von EUR 743,00 vom Konto des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eingezogen.

1.2. Die Klage wurde samt Ladung zur vorbereitenden Tagsatzung mit RSb-Briefsendung an die vom Beschwerdeführer in der Klage angegebene Adresse des Beklagten in XXXX (in der Folge: Adresse 1) geschickt und am 18.07.2019 (Beginn der Abholfrist) bei der Post-Geschäftsstelle XXXX , XXXX , zur Abholung hinterlegt.

Am 06.08.2019 wurde diese Briefsendung dem Gericht als „nicht behoben“ retourniert.

1.3. Mit Schriftsatz vom 05.09.2019 erklärte der Beschwerdeführer die Klagsrücknahme und stellte einen Antrag auf Rückzahlung von ¾ der Pauschalgebühr gemäß der Anmerkung 3 zur TP 1 GGG.

Dazu wurde vorgebracht, dass die Klage der beklagten Partei nicht zugestellt worden sei. Die in der Klage angeführte Adresse sei eine bereits historische Wohnanschrift des Beklagten, an der keine Zustellungen erfolgen könnten. Nach aktueller ZMR Auskunft wohne der Beklagte tatsächlich an der Adresse XXXX (in der Folge: Adresse 2). Die Zurückziehung der Klage vor Zustellung an den Beklagten erfolgt.

Dem Schriftsatz beigelegt wurde eine ZMR Auskunft hinsichtlich des Beklagten vom 04.09.2019, welche den aktuellen Hauptwohnsitz des Beklagten an der Adresse 2 ausweist.

1.4. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 09.09.2019 wurde die Zurückziehung der Klage zur Kenntnis genommen und das Verfahren für beendet erklärt sowie ausgesprochen, dass die Tagsatzung am 06.09.2019 entfallen ist.

1.5. Am 28.10.2019 stellte der Beschwerdeführer abermals einen Antrag auf Rückzahlung der Pauschalgebühr und brachte vor, dass sich gemäß Anmerkung 3 zur TP 1 GGG die Pauschalgebühren auf ein Viertel ermäßigen würden, wenn die Klage vor Zustellung an den Verfahrensgegner zurückgezogen werde oder – ausgenommen den Fall einer Überweisung nach § 230a ZPO – von vornherein zurückgewiesen werde. Für die Reduktion der Gerichtsgebühr dürfe der Zivilprozess daher noch nicht bis zur Streitanhängigkeit iSd § 232 ZPO fortgeschritten sein. Im vorliegenden Fall sei jedoch zu keinem Zeitpunkt Streitanhängigkeit bewirkt worden, da an der in der Klage angegeben Adresse 1 keine Zustellung habe erfolgen können, zumal der Beklagte an dieser Adresse nicht wohnhaft sei. Vorliegenfalls liege daher eine Zurückziehung der Klage vor und sei der Zivilprozess noch nicht bis zur Streitanhängigkeit iSd § 232 ZPO fortgeschritten. Dessen ungeachtet werde dem Beschwerdeführer die Rückzahlung von 75 % der Pauschalgebühr (EUR 557,25) verwehrt, weshalb ein Antrag auf bescheidmäßigen Abspruch über das Rückzahlungsbegehren gestellt werde.

2. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid gab die Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) dem Rückzahlungsantrag des Beschwerdeführers keine Folge (Spruchpunkt I.). Überdies wurde der Antrag auf Kostenersatz des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers in Höhe von EUR 64,19 zurückgewiesen (Spruchpunkt II.).

Nach Darstellung des Verfahrensganges/Sachverhaltes führte die belangte Behörde begründend aus, dass gemäß § 2 Z 1 lit. a GGG der Anspruch des Bundes auf die Gebühr für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz mit der Überreichung der Klage entstehe.

Als Zustellzeitpunkt gelte gemäß § 17 Abs. 2 Zustellgesetz (ZustG) bei der Hinterlegung im Falle eines vorangegangenen Zustellversuches der erste Tag der Abholfrist. Die Ermäßigungsbestimmung Anmerkung 3 zur TP 1 GGG finde hier keine Anwendung, da die Zustellung der Klage an den Verfahrensgegner am 19.07.2019 durch Hinterlegung erfolgt sei und ohne besondere Mitteilung der Post als nicht behoben retourniert worden sei.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, in welcher er seine Ausführungen aus dem Antrag vom 28.10.2019 wiederholte und vorbrachte, dass dem Bescheid Rechtswidrigkeit anhafte, da die belangte Behörde ungeachtet der Beweisanträge des Beschwerdeführers keine Feststellung darüber getroffen habe, ob es sich bei der in der Klage genannten Adresse 1 um eine (aktuelle) Wohnadresse des Beklagten gehandelt habe und ob der Beklagte zum Zeitpunkt der Klagseinbringung tatsächlich an der Adresse 2 wohnhaft gewesen sei. Eine Abgabestelle gemäß § 2 Z 4 ZustG könne nur eine Wohnung sein, die vom Empfänger tatsächlich benutzt werde. Der Beschwerdeführer habe den Gegenbeweis geführt, dass vorliegendenfalls keine Zustellung durch Hinterlegung bewirkt worden sei, da die in der Klage genannte Adresse 1 keine Abgabestelle sei, zumal der Beklagte zum Zeitpunkt der Klagseinbringung dort nicht mehr wohnhaft gewesen sei. Es werde daher beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und dem Rückzahlungsantrag Folge zu geben.

4. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Ausführungen oben unter Punkt I. zum Verfahrensgang (Verwaltungsgeschehen) und Sachverhalt werden festgestellt.

Insbesondere steht fest: Die Zustellung der Klage des Beschwerdeführers vom 11.07.2019 wurde vom Bezirksgericht samt Ladung zur vorbereitenden Tagsatzung dem Beklagten an der Adresse 1 mittels RSb-Briefsendung veranlasst, in der Folge wurde diese Briefsendung am 18.07.2019 (Beginn der Abholfrist) zur Abholung bei der Post hinterlegt und am 06.08.2019 mit dem Vermerk „nicht behoben“ retourniert.

Zum Zeitpunkt der Klagseinbringung und der Hinterlegung war der Beklagte nicht mehr an der Adresse 1, sondern an der Adresse 2 wohnhaft.

Der Beschwerdeführer zog die Klage mit Schriftsatz vom 05.09.2019 zurück. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes vom 09.09.2019 wurde die Zurückziehung der Klage zur Kenntnis genommen und die Beendigung des Verfahrens ausgesprochen.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang/Sachverhalt bzw. die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus den Eingaben des Beschwerdeführers vom 05.09.2019 und 28.10.2019, dem angefochtenen Bescheid, der Beschwerde sowie aus der Klage vom 11.07.2019 und der bezughabenden (retournierten) Briefsendung bzw. dem Zustellschein (RSb-Rückschein). Die Zustellung der Briefsendung an den Beklagten des bezirksgerichtlichen Verfahrens wurde an der Adresse 1 angeordnet. Nach der Dokumentation des Zustellers wurde diese bei der Post, Geschäftsstelle XXXX , zur Abholung mit Beginn der Abholfrist am 18.07.2019 (und nicht wie die belangte Behörde im Bescheid angeführt hat am 19.07.2019) hinterlegt und in der Folge am 09.08.2019 mit dem Vermerk „nicht behoben“ retourniert. Aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten ZMR Auszug ergibt sich, dass der im Grundverfahren Beklagte bis 28.01.2013 an der Adresse 1 wohnhaft gemeldet war, ab 28.01.2013 an der Adresse 2.

Die für die Entscheidung wesentlichen Umstände im Tatsachenbereich sind geklärt und die relevanten Ermittlungsergebnisse und Urkunden liegen in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten ein. Der für eine abschließende rechtliche Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes maßgebliche Sachverhalt steht anhand der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens fest und ist nicht ergänzungsbedürftig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles sowie andere näher genannte (im vorliegenden Fall nicht relevante) Gesetze und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu den Prozessvoraussetzungen:

Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG fristwahrend erhoben und es liegen auch die sonstigen Prozessvoraussetzungen vor.

3.3. In der Sache:

3.3.1.1. Gemäß § 1 Abs. 1 Gerichtsgebührengesetz (GGG) unterliegt den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren die Inanspruchnahme der Tätigkeit der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Justizverwaltungsbehörden einschließlich der an diese gerichteten Eingaben sowie die Führung der öffentlichen Bücher, Urkundensammlungen sowie einsichtsfähigen Register nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen und des angeschlossenen, einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifs.

Gemäß § 2 Z 1 lit. a GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Gebühr, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, hinsichtlich der Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz mit der Überreichung der Klage […] begründet.

Tarifpost (TP) 1 des § 32 GGG legt Gerichtsgebühren (Pauschalgebühren) in zivilgerichtlichen Verfahren erster Instanz in abgestufter Höhe nach dem Wert des Streitgegenstandes fest.

Nach der TP 1 in der maßgebenden Fassung (zum Zeitpunkt der Klagseinbringung) beträgt die Pauschalgebühr EUR 743,00 bei einem Streitwert über EUR 7.000,00 bis EUR 35.000,00.

Gemäß Anmerkung 3 zur TP 1 GGG ermäßigen sich die Pauschalgebühren auf ein Viertel, wenn die Klage […] vor Zustellung an den Verfahrensgegner zurückgezogen wird. Bereits entrichtete Mehrbeträge sind zurückzuzahlen.

Gemäß § 232 Abs. 1 erster Satz ZPO wird die Rechtsanhängigkeit der Streitsache (Streitanhängigkeit) durch die Zustellung der Klageschrift an den Beklagten begründet.

Gemäß § 6c Z 1 Gerichtliches Einbringungsgesetz (GEG) sind die nach § 1 einzubringenden Beträge mit Ausnahme der Beträge nach § 1 Z 6 zurückzuzahlen, soweit sich in der Folge ergibt, dass überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde und der Rückzahlung keine rechtskräftige Entscheidung entgegensteht.

Die Rückzahlung ist von Amts wegen oder auf Antrag der Partei, die die Beträge entrichtet hat, zu verfügen. Insoweit sich jedoch der Rückzahlungsanspruch als nicht berechtigt erweist, ist er von der Behörde (§ 6 GEG) mit Bescheid abzuweisen (§ 6c Abs. 2 GEG).

Gemäß § 13 Abs. 1 erster Satz Zustellgesetz (ZustG) ist das Dokument dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen.

Abgabestelle im Sinne des § 2 Z 4 ZustG ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort.

§ 17 ZustG lautet:

„(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.“

3.3.1.2. Umgelegt auf den hier vorliegenden Fall ergibt sich daraus Folgendes:

3.3.1.2.1. Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer am 11.07.2019 eine Klage mit Streitwert EUR 9.300,00 erhoben hat und dafür eine Pauschalgebühr in korrekter Höhe von EUR 743,00 vom Konto des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers abgebucht wurde. Ebenfalls unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer am 05.09.2019 die Klage zurückzog und erstmalig den Antrag auf Rücküberweisung von ¾ der Pauschalgebühr stellte, da nach Ansicht des Beschwerdeführers die Klage nicht an den Beklagten zugestellt worden und somit keine Streitanhängigkeit eingetreten sei.

Demgegenüber vertritt die belangte Behörde die Meinung, dass eine Zustellung der Klage an den Beklagten nach der Zustellfiktion des § 17 Abs. 3 dritter Satz ZustG am 19.07.2019 - und somit vor Zurückziehung der Klage - erfolgt sei.

Der Meinung der belangten Behörde kann nicht beigetreten werden:

Wie oben ausgeführt, ermäßigen sich gemäß Anmerkung 3 zur TP 1 GGG die Pauschalgebühren auf ein Viertel, wenn die Klage vor Zustellung an den Verfahrensgegner zurückgezogen wird. Für die Reduktion der Gerichtsgebühr darf der Zivilprozess daher noch nicht bis zur Streitanhängigkeit im Sinne des § 232 ZPO fortgeschritten sein (VwGH 28.02.2014, 2011/16/0183).

Im vorliegenden Fall wurde die Klage samt Ladung zur vorbereitenden Tagsatzung mittels RSb-Briefsendung an die in der Klage angegebene (vermeintliche) Abgabestelle des Beklagten an der Adresse 1 geschickt. In der Folge wurde die Briefsendung gemäß § 17 ZustG mit Beginn der Abholfrist am 18.07.2019 bei der Post hinterlegt und am 06.08.2019 mit dem Vermerk „nicht behoben“ retourniert.

Es ist zu prüfen (bzw. hätte bereits die belangte Behörde prüfen müssen), ob die Hinterlegung nach § 17 ZustG rechtmäßig war und damit die Zustellung rechtswirksam erfolgte.

Für die Frage der Wirksamkeit der Zustellung kommt es zunächst auf den Zustellschein im Sinne des § 22 Abs. 1 ZustG an.

Beim Zustellschein handelt es sich um eine öffentliche Urkunde, die den Beweis dafür erbringt, dass die Zustellung den Angaben auf dem Zustellschein entsprechend erfolgt ist, jedoch steht der Gegenbeweis gegen diese Vermutung offen, wozu es konkreter Darlegungen und eines entsprechenden Beweisanbots bedarf (VwGH 23.10.2008, 2006/16/0183).

Im vorliegenden Fall ist die Zustellung nach den Angaben auf dem Zustellschein wirksam erfolgt. Der Beschwerdeführer hat jedoch einen tauglichen Gegenbeweis, der die gesetzliche Vermutung der Richtigkeit der Angaben im Zustellschein zu widerlegen im Stande ist, erbracht. Denn er hat konkret dargelegt und mit Beweisanboten untermauert, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Hinterlegung nicht mehr an der Adresse 1, wo die Zustellung erfolgen sollte, wohnhaft war bzw. eine Abgabestelle hatte. Er hat dazu der Behörde einen Auszug aus dem ZMR vorgelegt, welcher den Hauptwohnsitz des Beklagten an der Adresse 2 ausweist. Aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten ZMR Auszug ergibt sich, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Klagseinbringung und der Hinterlegung nicht mehr an der Adresse 1 wohnhaft gemeldet war. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beklagte an dieser Adresse eine andere Art von Abgabestelle (sonstige Unterkunft, Betriebsstätte, Arbeitsplatz etc.) besaß bzw. besitzt.

Daraus folgt, dass die Adresse 1 im Zeitpunkt der Klagseinbringung und Hinterlegung keine Abgabestelle im Sinne des ZustG für den Beklagten mehr darstellte.

Damit scheidet eine rechtswirksame Zustellung (durch Hinterlegung nach § 17 ZustG) an dieser Adresse schon mangels der Voraussetzung des Vorhandenseins einer Abgabestelle aus.

Die belangte Behörde hat auch übersehen, dass die Zustellfiktion des § 17 Abs. 3 dritter Satz ZustG, wonach hinterlegte Dokumente mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt gelten, nicht zur Anwendung gelangt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (§ 17 Abs. 3 vierter Satz ZustG). Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Klagseinbringung und der Hinterlegung an der Adresse, wo die Zustellung hätte erfolgen sollen, nicht mehr wohnhaft war, eine mangelnde Kenntniserlangung wegen Abwesenheit von der Abgabestelle im Sinne des § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustG konkret und substantiiert dargetan. Für die Annahme, dass der Beklagte innerhalb der Abholfrist an diese Adresse zurückgekehrt und die Zustellung dadurch wirksam geworden wäre, fehlen alle Anhaltspunkte.

Die in Rede stehende Hinterlegung am 19.07.2019 war somit nicht rechtmäßig im Sinn des § 17 Abs. 3 ZustG, sodass die Zustellfiktion des § 17 Abs. 3 dritter Satz ZustG nicht eintrat. Eine Zustellung der Klage und der Ladung zur vorbereitenden Tagsatzung an den Beklagten ist daher nicht wirksam erfolgt. Die Briefsendung ist dem Beklagten auch nicht tatsächlich zugekommen, sondern wurde mit dem Vermerk „nicht behoben“ dem Gericht retourniert.

Mangels wirksamer Zustellung der Klage ist sohin keine Streitanhängigkeit eingetreten. Der Beschwerdeführer hat die Klage mit Schriftsatz vom 05.09.2019 somit vor Zustellung der Klage an den Beklagten bzw. Streitanhängigkeit zurückgezogen. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes vom 09.09.2019 wurde die Zurückziehung der Klage zur Kenntnis genommen und die Beendigung des Verfahrens ausgesprochen.

Die Voraussetzungen der Anmerkung 3 zur TP 1 GGG sind sohin erfüllt, die eingezogene Pauschalgebühr in Höhe von EUR 743,00 ermäßigt sich auf ein Viertel, sohin auf EUR 185,75. Bereits entrichte Mehrbeträge sind zurückzuzahlen, woraus sich ein Rückzahlungsanspruch des Beschwerdeführers in Höhe von EUR 557,25 ergibt.

3.3.1.2.2. Für die Rückzahlung von Gebühren gemäß § 6c GEG ist es erforderlich, dass überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde. Nach dem Gesagten schuldet der Beschwerdeführer einen geringeren als den eingezogenen Betrag, womit sich der Rückzahlungsanspruch als berechtigt erweist.

Dem Rückzahlungsantrag des Beschwerdeführers war daher in Stattgabe der Beschwerde im Umfang von EUR 557,25 Folge zu geben und der angefochtene Bescheid dahingehend abzuändern.

Der genannte Betrag ist dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Rechtsvertretung zurückzuzahlen.

3.3.2. Sofern der Beschwerdeführer bzw. dessen Vertreter in seiner Beschwerde, durch Abbildung eines Kostenverzeichnisses, Kosten in Höhe von EUR 208,32 anspricht, ist Folgendes auszuführen:

Kostenersatz käme nur in Betracht, wenn hierfür eine Rechtsgrundlage bestünde und die sachliche Zuständigkeit des erkennenden Gerichts darüber vorliegen würde, über einen solchen Antrag abzusprechen (Art. 18 Abs. 1 B-VG).

Gegenständlich besteht weder im VwGVG, noch im subsidiär anzuwendenden AVG eine Rechtsgrundlage für einen Kostenersatz im Verfahren über eine Bescheidbeschwerde, da § 35 VwGVG einen Kostenersatzanspruch lediglich über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt iSd. Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG vorsieht. Mangels materienspezifischer Sonderregelung im GGG oder GEG ergibt sich auch aus § 74 Abs. 2 AVG kein Kostenersatzanspruch.

Ein Kostenersatz war daher nicht zuzusprechen.

3.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG und gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen. Im vorliegenden Fall wurde vom Beschwerdeführer die mündliche Verhandlung in der Beschwerde nicht beantragt. Überdies lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten und ist die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht ersichtlich (vgl. dazu auch VwGH 26.06.2003, 2000/16/0305, wonach die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung/Einbringung von Gerichtsgebühren nicht erforderlich ist, und VwGH 11.01.2016, Ra 2015/16/0132 [betreffend ein Nachlassverfahren nach dem GEG], wonach Angelegenheiten der Gerichtsgebühr nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK fallen).

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die vorliegende Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich im konkreten Fall eine Rechtsfrage stellt, die über den (hier vorliegenden konkreten) Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Ausgehend davon ist auszusprechen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.

Schlagworte

Abgabestelle Entstehung Pauschalgebühren Gerichtsgebühren Klagszustellung Pauschalgebühren Rückzahlung Rückzahlungsantrag Rückzahlungsverpflichtung Streitanhängigkeit Wohnsitz Zurückziehung der Klage Zustellmangel Zustellung durch Hinterlegung Zustellwirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W108.2226803.1.00

Im RIS seit

18.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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