TE Vwgh Erkenntnis 2014/2/28 2011/16/0183

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Veröffentlicht am 28.02.2014
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
22/02 Zivilprozessordnung;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;

Norm

GGG 1984 §1;
GGG 1984 §2 Z1 lita;
GGG 1984 TP1 Anm1;
GGG 1984 TP1 Anm3;
GGG 1984 TP1;
VwRallg;
ZPO §226 Abs1;
ZPO §230a;
ZPO §232;
ZPO §75 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Thoma und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde 1. des Ing. H P und 2. der M P, beide in K, beide vertreten durch Mag. Wolfgang Steflitsch, Rechtsanwalt in 7400 Oberwart, Hauptplatz 14, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Eisenstadt vom 21. März 2011, Zl. Jv 504/11s-33, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben zu gleichen Teilen dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 11. Februar 2010 langte beim Oberlandesgericht Wien eine Wiederaufnahmsklage ein, in welcher beide beschwerdeführenden Parteien am Deckblatt namentlich genannt sind. Nach Überweisung der Klage an das Landesgericht Eisenstadt wurde beiden beschwerdeführenden Parteien mit Beschluss vom 9. September 2010 der Auftrag erteilt, die Klage durch Unterfertigung eines Rechtsanwalts binnen vier Wochen zu verbessern. Beide beschwerdeführenden Parteien erstatteten ein ergänzendes Vorbringen und stellten den Antrag, ihnen die Verfahrenshilfe zu bewilligen. Mit Beschluss vom 11. Februar 2011 wies das Landesgericht Eisenstadt die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Klage auf Wiederaufnahme ab. Dem Auftrag zur Verbesserung der Klage kamen die beschwerdeführenden Parteien nicht nach.

Am 16. September 2010 erließ die Kostenbeamtin des Landesgerichtes Eisenstadt eine Zahlungsaufforderung an die beschwerdeführenden Parteien für die Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG in Höhe von EUR 1.383,80. Mit Zahlungsauftrag vom 17. Jänner 2011 schrieb die Kostenbeamtin des Landesgerichtes Eisenstadt den beschwerdeführenden Parteien die Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG in der Höhe von EUR 1.383,80 zuzüglich der Einhebungsgebühr gemäß § 6 Abs. 1 GEG im Betrag von EUR 8,-- vor.

In ihrem dagegen erhobenen Berichtigungsantrag machten die beschwerdeführenden Parteien geltend, es müsste auch im Interesse des LG Eisenstadt sein, dass der Titel im wiederaufzunehmenden Verfahren "im Sinne einer 'Garantie-Reparatur' aufgehoben und durch eine tatsachengerechte und gesetzeskonforme Entscheidung ersetzt wird, ohne dass uns daraus Kosten entstehen." Sie beantragten unter anderem, das LG Eisenstadt möge den Zahlungsauftrag vom 17. Jänner 2011 "auf Null berichtigen".

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Berichtigungsantrag der beschwerdeführenden Parteien nicht Folge. Begründend führte sie aus, die im Gerichtsgebührengesetz vorgesehenen Gebühren seien für die konkrete Inanspruchnahme der Tätigkeit der Gerichte zu entrichten. Die Gebührenpflicht knüpfe bewusst an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Der Pauschalgebühr nach TP 1 GGG unterlägen alle mittels Klage einzuleitenden gerichtlichen Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen und die Gebühr sei entsprechend der Anmerkung 7 zu TP 1 GGG auch in einem Verfahren über eine Wiederaufnahmsklage zu entrichten. Der Anspruch des Bundes auf die Gebühr werde für das zivilgerichtliche Verfahren mit der Überreichung der Klage begründet, womit die Gerichtsgebührenpflicht entstanden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die beschwerdeführenden Parteien die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehren.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Gemäß TP 1 Gerichtsgebührengesetz - GGG (idF BGBl. II Nr. 188/2009) beträgt in zivilgerichtlichen Verfahren erster Instanz bei einem Wert des Streitgegenstandes über EUR 36.340,-- bis EUR 72.670,-- die Pauschalgebühr EUR 1.258,--. Sie erhöht sich nach § 19a GGG, wenn in einer Rechtsache mehrere Personen gemeinsam einen Anspruch gerichtlich geltend machen. Die Erhöhung beträgt 10 v.H., wenn zumindest auf einer Seite zwei Streitgenossen vorhanden sind.

Der Pauschalgebühr nach Tarifpost 1 unterliegen gemäß Anmerkung 1 zu TP 1 alle mittels Klage einzuleitenden gerichtlichen Verfahren u.a. in bürgerlichen Rechtsachen. Die Pauschalgebühr ist ohne Rücksicht darauf zu entrichten, ob das Verfahren bis zum Ende durchgeführt wird.

Gemäß § 2 Z. 1 lit. a GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühr für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz u.a. mit der Überreichung der Klage begründet. Die Klageerhebung ist ein formaler äußerer Tatbestand, der die Gerichtsgebührenpflicht begründet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 2013, Zl. 2010/16/0082).

Eine Klage hat gemäß § 226 Abs. 1 ZPO ein bestimmtes Begehren zu enthalten, die Tatsachen, auf welche sich der Anspruch des Klägers in Haupt- und Nebensachen gründet, im Einzelnen kurz und vollständig anzugeben, und ebenso die Beweismittel im Einzelnen genau zu bezeichnen, deren sich der Kläger zum Nachweis seiner tatsächlichen Behauptung bei der Verhandlung zu bedienen beabsichtigt.

Gemäß § 75 Z. 3 ZPO hat jeder Schriftsatz die Unterschrift der Partei selbst oder ihres gesetzlichen Vertreters oder Bevollmächtigten und im Anwaltsprozess die Unterschrift des Rechtsanwaltes zu enthalten.

In ihrer Beschwerde bestreiten die beschwerdeführenden Parteien nicht, dass der gegenständliche Schriftsatz die wesentlichen Merkmale einer Klage enthielt und vom Gericht auch als solche behandelt wurde. Sie wenden sich aber gegen die Gebührenvorschreibung mit dem Vorbringen, dass die Wiederaufnahmsklage nicht durch anwaltliche Unterfertigung verbessert worden sei und trotz Vorschreibung der Gerichtsgebühr an beide beschwerdeführenden Parteien nur eine einzige eigenhändige Unterschrift aufweise.

Im Beschwerdefall wurde die Klage sowohl vom Oberlandesgericht Wien anlässlich der Überweisung an das Landesgericht Eisenstadt als auch vom Landesgericht Eisenstadt bei Erteilung des Verbesserungsauftrages und bei der Entscheidung über die Verfahrenshilfeanträge ausdrücklich beiden beschwerdeführenden Parteien zugerechnet, obwohl die Eingabe nur eine Unterschrift trägt. Das Landesgericht Eisenstadt führte dazu aus, die Klage sei von den beschwerdeführenden Parteien "inzwischen durch die Beibringung der Unterschrift der beiden Kläger und die Stellung von Anträgen auf Verfahrenshilfe verbessert" worden.

Weist ein bei Gericht eingebrachter Schriftsatz sämtliche Merkmale einer Klage auf und behandelt das Gericht diesen Schriftsatz als Klage, so entsteht mit der Überreichung des Schriftsatzes die Gebührenpflicht gemäß TP 1 GGG. Dies gilt auch dann, wenn in der Folge die Klage - wegen Fehlens der Anwaltsunterschrift - (nach erfolglosem Verbesserungsversuch) zurückgewiesen worden ist. Das für die Gebührenberechnung zuständige Justizverwaltungsorgan ist bei der Gebührenfestsetzung an die Beantwortung der Frage, ob es sich um ein "mittels Klage einzuleitendes gerichtliches Verfahren" handelt oder nicht, durch das Gericht gebunden (vgl. das schon genannte hg. Erkenntnis vom 18. März 2013 und die bei Wais/Dokalik, Gerichtsgebühren10, E 5 zu TP 1 angeführte hg. Rechtsprechung). Daraus ergibt sich aber, dass die Kostenbeamtin und mit ihr die belangte Behörde auch ohne weiteres Ermittlungsverfahren von der Einbringung einer Klage durch die beschwerdeführenden Parteien ausgehen musste.

Gemäß Anmerkung 3 zu TP 1 GGG ermäßigen sich die Pauschalgebühren auf ein Viertel, wenn die Klage vor Zustellung an den Verfahrensgegner zurückgezogen wird oder - ausgenommen den Fall einer Überweisung nach § 230a ZPO - von vornherein zurückgewiesen wird. Für die Reduktion der Gerichtsgebühr darf der Zivilprozess daher noch nicht bis zur Streitanhängigkeit im Sinn des § 232 ZPO fortgeschritten sein. Letzteres Merkmal ist allerdings - entgegen der von den Beschwerdeführern vorgetragenen Auffassung - nicht die einzige Voraussetzung für die Ermäßigung der Pauschalgebühren, weil das Gesetz dafür zusätzlich eine Zurückziehung der Klage oder eine Zurückweisung der Klage a limine ohne nachfolgenden Überweisungsantrag nach § 230a ZPO verlangt. Die belangte Behörde war daher nicht gehalten, ohne Zurückweisung oder Zurückziehung der Klage auf die in der Anmerkung 3 zu TP 1 GGG angeordnete Ermäßigung der Gerichtsgebühren Bedacht zu nehmen. Somit ist auch die von der Kostenbeamtin vorgeschriebene und von der belangten Behörde bestätigte Höhe der Gerichtsgebühr nicht zu beanstanden.

Der Mängelrüge betreffend das Unterlassen einer Aufschlüsselung der geschuldeten Beträge fehlt es an der Relevanz, weil nicht aufgezeigt wurde, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde bei Aufgliederung der vorgeschriebenen Pauschalgebühr auf den Grundbetrag und den Streitgenossenzuschlag hätte kommen sollen.

Soweit die beschwerdeführenden Parteien im Zahlungsauftrag eine Aufforderung zur Zahlung vermissen, stellt das eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung dar (§ 41 VwGG).

Letztlich machen die beschwerdeführenden Parteien noch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes geltend und begründen dies damit, dass sich der Bund nach § 6 Gerichtliches Einbringungsgesetz - GEG die bloße "Rechnungslegung" abgelten lasse, während anderen Rechnungslegungspflichtigen diese Möglichkeit nicht offen stehe.

Damit berufen sie sich jedoch ausschließlich auf die Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes. Dem Verwaltungsgerichtshof kommt aber eine Zuständigkeit zu einer Sachentscheidung insoweit nicht zu, als die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet wird (vgl. beispielsweise die hg. Beschlüsse vom 24. Februar 2011, 2011/16/0021, und vom 8. Mai 2008, 2008/16/0017, mwN).

Aus diesen Erwägungen erweist sich die Beschwerde daher als unbegründet, sodass sie in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der im Beschwerdefall noch anzuwendenden VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 28. Februar 2014

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2011160183.X00

Im RIS seit

21.03.2014

Zuletzt aktualisiert am

06.06.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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