TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/25 W280 2236874-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.02.2021
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Entscheidungsdatum

25.02.2021

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs5
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs4

Spruch


W280 2236874-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Wolfgang BONT über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX .1971, StA. Serbien, vertreten durch Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 4 Stock, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, vom XXXX .09.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.01.2021 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf 8 (acht) Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Gegen den am XXXX .1971 in Wien geborenen und vom seinem XXXX . bis zu seinem XXXX . Lebensjahr in Serbien aufhältigen Beschwerdeführer (BF), der auch die serbische Staatsbürgerschaft besitzt, wurde am XXXX .03.2019 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA, belangte Behörde) ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet.

Diese Maßnahme gründete in der zu diesem Zeitpunkt über den BF verhängten Untersuchungshaft wegen des dringenden Tatverdachtes der Begehung einer strafbaren Handlung gemäß §§ 15, 75 StGB.

Mit Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht XXXX vom XXXX .2019, bestätigt durch das Oberlandesgericht XXXX am XXXX .2020, wurde der BF wegen des Verbrechens des versuchten Mordes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 13 Jahren verurteilt.

Am XXXX .09.2020 wurde sodann mit dem am XXXX .10.2020 zugestellten und nunmehr angefochtenen Bescheid gegen den BF gemäß § 52 Abs. 5 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Zif. 5 FPG gegen den BF ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Zif 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Mit dem am XXXX .10.2020 beim BFA eingebrachten Schriftsatz erhob der BF, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid.

Am XXXX .11.2020, eingelangt am XXXX .11.2020, wurde die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt vom BFA dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vorgelegt und beantragt diese als unbegründet abzuweisen.

Mit Vollmacht vom XXXX .012021 wurde seitens des BF die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH mit seiner Vertretung im Beschwerdeverfahren betraut.

Am gleichen Tag fand vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger der Republik Serbien und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Zif 10 FPG und verfügte zuletzt über einen Daueraufenthaltstitel EU. Seine Identität steht fest.

Er wurde am XXXX .1971 in Wien geboren und lebte folglich von seinem XXXX . bis zu seinem XXXX . Lebensjahr in Serbien, wo er die Schule besuchte und den Militärdienst leistete. 199 XXXX kam er aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich zurück, wo er seither bei mehreren österreichischen Unternehmen, zuletzt als LKW-Fahrer in XXXX arbeitete. Dies bis zu seiner Verhaftung aufgrund der von ihm begangenen Straftat.

Der BF spricht neben seiner Muttersprache Serbisch auch sehr gut Deutsch.

Eine behördliche Meldung im Bundesgebiet ist seit 199 XXXX dokumentiert. Sozialversicherungsdaten scheinen seit 199 XXXX auf.

Er ist der Vater von vier in XXXX lebenden Kindern im Alter von 25, 20, 16 und 13 Jahren. Die beiden jüngsten Töchter stammen aus zweiter Ehe, die zwischenzeitig geschieden ist. Die aus dieser Ehe stammenden Kinder leben bei deren Mutter. Eine Schwester des BF lebt ebenfalls in XXXX .

Der BF bekommt seit er In Haft ist, regelmäßig Besuch von seinen Familienmitgliedern, Verwandten und Bekannten.

Festgestellt wird, dass der BF nach wie relevante Kontakte nach Serbien hat. So lebt die Mutter des BF teilweise in Serbien und teilweise bei einer Tochter in XXXX . Des Weiteren leben Cousins und Cousinen 2ten und 3ten Grades in seinem Herkunftsstaat. Der BF hat die Möglichkeit in Serbien das im Besitze seiner Mutter stehende Haus und das dazugehörende kleine Grundstück zu benutzen. Der BF ist an dieser Adresse nach wie vor gemeldet und besuchte in den letzten zwanzig Jahren ebenso oft seinen Herkunftsstaat, teilweise auf der Rückreise von Urlauben. Zuletzt hielt sich der BF im Dezember 2018 in Serbien auf.

Festgestellt wird, dass der BF im Bundesgebiet über einen, mit seinem langjährigen Aufenthalt einhergehenden, Freundeskreis verfügt und Mitglied eines örtlichen Fischereiverbandes ist.

Am XXXX .2019 wurde der BF durch das LG XXXX gemäß §§ 15 und 75 StGB wegen des Verbrechens des Mordes, wobei es beim Versuch geblieben ist, zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 13 Jahren sowie gemäß § 369 Abs. 1 StPO zur Zahlung eines Teilschadenersatz- und Teilschmerzengeldbetrages in der Höhe von EUR 2.000 sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Mildernd wurde dem BF seine bisherige Unbescholtenheit und der Umstand, dass es bei der Tat beim Versuch geblieben ist, angerechnet. Erschwernisgründe lagen nach Ansicht des Gerichtes keine vor.

Der gegen dieses Urteil sowohl seitens des BF als auch der Staatsanwaltschaft erhobenen Berufungen wurde mit Urteil des OLG XXXX vom XXXX .2020, Zl. XXXX , nicht Folge gegeben. Das Berufungsgericht stellte fest, dass der vom BF geltend gemachte Milderungsgrund, wonach dieser sich zum Tatzeitpunkt in einer allgemein begreiflichen Gemütsbewegung und sohin in einem psychischen Ausnahmezustand befunden habe nicht gegeben war. Es hätten sich keine Anhaltspunkte für die behauptete verminderte Zurechnungsfähigkeit ergeben. Hingegen wurde vom Berufungsgericht festgestellt, dass zwei Erschwernisgründe auf Seiten des BF zu verzeichnen seien, sohin die Tatbegehung unter Einsatz einer Waffe und die Verletzungen des Tatopfers. Auch der Berufung des BF hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruches wurde die Berechtigung versagt.

Es wird festgestellt, dass der BF die besagte Straftat begangen und die im Urteil beschriebenen Verhaltensweisen gesetzt hat. Eine entscheidungsrelevante Reue hinsichtlich der vom BF begangenen Straftat besteht nicht.

Der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet stellt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Es steht fest, dass der BF an Asthma jedoch an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen leidet und arbeitsfähig ist.

Serbien gilt als sicherer Herkunftsstaat und bestehen anlassbezogen keine Anhaltspunkte, die einer Rückführung in den Herkunftsstaat entgegenstehen. Die Grundversorgung im Herkunftsstaat des BF ist gesichert, der Bezug von Sozialleistungen ist möglich und eine Behandlung der Asthma Erkrankung ist auch in Serbien durchführbar.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes, sowie den Angaben des BF in der durchgeführten mündlichen Verhandlung.

Die Identität des BF steht aufgrund der im Verfahrensakt einliegenden Ablichtung seines serbischen Personalausweises, sowie der dem Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Innsbruck getroffenen Feststellungen fest.

Dass der BF im Besitze eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt EU“ ist, ist aus der im Verfahrensakt einliegenden Kopie der vom Magistrat Innsbruck ausgestellten Aufenthaltskarte sowie dem amtlicherseits eingeholten Auszug aus dem Fremdenregister ersichtlich, die Feststellungen zur behördlichen Meldung im Bundesgebiet aus den unbedenklichen, im Melderegister gespeicherten, Daten sowie den im Verfahrensakt einliegenden Meldebestätigung.

Die Feststellungen zu seiner Geburt im Bundesgebiet, seines XXXX jährigen Aufenthaltes in Serbien, seiner Wiedereinreise nach Österreich sowie seiner schulischen und beruflichen Tätigkeit im Bundesgebiet gründen in seinen Angaben gegenüber dem erkennenden Gericht, die mit dem diesbezüglichen Inhalt des Verfahrensaktes korrelieren, sowie der im Verfahrensakt einliegenden Abfrage der Sozialversicherungsdaten.

Dass der BF neben Kenntnissen der serbokroatischen Sprache auch jene der deutschen Sprache hat ergibt sich aus seinen Angaben gegenüber dem Gericht.

Die Feststellungen zu den in Österreich lebenden Kindern, deren Mutter und seiner Schwester ergeben sich sowohl aus dem Verfahrensakt als auch aus den Aussagen des BF in der mündlichen Verhandlung vor Gericht.

Im Zuge des Verfahrens haben sich keine Hinweise ergeben, dass zwischen dem BF und seiner in XXXX lebenden Schwester, eine tiefere emotionale Beziehung besteht, als es zwischen erwachsenen - örtlich getrennt lebenden - Geschwistern der Fall ist.

Eine nach wie vor intensive Beziehung zwischen den Kindern und dem BF als auch ein bestehendes gutes Verhältnis zur zwischenzeitig vom BF geschiedenen Ehefrau des BF ergibt sich aus den diesbezüglichen Angaben des BF in seiner niederschriftlichen Befragung durch die belangte Behörde, seinen Angaben gegenüber dem erkennenden Gericht sowie dem vom BF an das Gericht übermittelten Unterstützungsschreiben seiner ältesten Tochter und der Einsichtnahme in die im Verfahrensakt einliegenden und darüber hinaus vom BVwG ergänzend angeforderten Besucherlisten der Justizanstalten, in denen der BF seine Haftstrafe verbüßt.

Die Feststellungen zu den nach wie vor bestehenden Anknüpfungspunkten des BF zu Serbien, seiner Mutter und den anderen dort lebenden Verwandten gründen in den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF vor der belangten Behörde und dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.

Dass der BF im Bundesgebiet über einen entsprechenden Freundeskreis verfügt wird angesichts des jahrzehntelangen Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet als wahr unterstellt. Zudem ergeben sich diesbezügliche Hinweise aus dessen Mitgliedschaft in einem örtlichen Fischereiverband sowie seiner Stellungnahme an das BFA vom XXXX .03.2020.

Die der Verurteilung durch ein Geschworenengericht beim Landesgericht XXXX vom XXXX 2019 zugrundeliegende Straftat sowie die Bestätigung des gegenständlichen Urteils durch das Oberlandesgericht XXXX und die mit der Straftat einhergehenden Begleitumstände beruhen auf den im Verfahrensakt einliegenden Gerichtsentscheidungen und dem diesen zugrundeliegenden neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen-gutachten

Die Feststellung, wonach der BF die der Verurteilung zugrundeliegende Tathandlung in einer relevanten Art bereut, hat sich für den erkennenden Richter nicht ergeben.

Seine Aussagen zu einem nachvollziehbaren Reueverhalten erstrecken sich im Wesenskern nach wie vor auf das Vorliegen eines - vom erkennenden Strafgericht negierten – psychischen Ausnahmezustandes. Dass der BF den Wahrspruch der Geschworenen, wonach er die Straftat vorsätzlich begangen hat, nach wie vor für verfehlt hält, ergibt sich für den erkennenden Richter aus dessen Verantwortung in der mündlichen Verhandlung, in welcher der BF einen Vorsatz nach wie vor bestreitet.

Auch die Bekämpfung des mit dem erstinstanzlichen Strafurteil verhängten Schmerzensgeldbetrages an das Opfer indiziert, dass diesem an einer, zumindest symbolischen, Wiedergutmachung gegenüber der ehemaligen Lebensgefährtin und Opfer des BF, nicht wirklich etwas gelegen war. Der von der belangten Behörde vertretenen Einschätzung, wonach der BF lediglich den Umstand bereut, strafbar geworden zu sein, er nunmehr eine langjährige Haftstrafe verbüßen und seine Familie darunter leiden muss, entspricht sohin auch dem vom erkennenden Richter in der Verhandlung gewonnen Eindruck.

Die Feststellungen hinsichtlich des Gesundheitszustandes des BF basieren auf dessen Angaben gegenüber dem BVwG, jener zu dessen Arbeitsfähigkeit gründen in dessen derzeitigen Beschäftigung in der Haft.

Die Feststellungen zu den in Serbien erhältlichen Unterstützungsleistungen ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, die dem BF vor der Verhandlung seitens des BVwG zur Verfügung gestellt wurden und denen der BF nicht entgegengetreten ist. Ebenfalls der Zugang zur medizinischen Behandlung der Asthma Erkrankung des BF.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche – rechtzeitige – Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen, Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Erlassung einer Rückkehrentscheidung):

Der BF ist als Staatsangehöriger von Serbien Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Da er über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, kommt ihm nach § 20 Abs. 3 NAG in Österreich – unbeschadet der befristeten Gültigkeitsdauer des diesem Aufenthaltstitel entsprechenden Dokuments – ein unbefristetes Niederlassungsrecht zu. Die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung ist daher am Maßstab des § 52 Abs. 5 FPG zu prüfen, wobei sich Einschränkungen der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung auch noch aus § 9 BFA-VG ergeben (vgl. VwGH 29.05.2018, Ra 2018/21/0067).

Gemäß § 52 Abs. 5 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

Gemäß § 52 Abs. 5 FPG setzt eine Rückkehrentscheidung gegen den BF zunächst voraus, dass die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG die Annahme rechtfertigen, dass sein weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

Dies ist (soweit hier relevant) gemäß § 53 Abs. 3 Zif 5 FPG dann der Fall, wenn er von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist.

Bei der Prüfung, ob die Annahme einer solchen Gefährdung gerechtfertigt ist, muss eine - das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende - Prognosebeurteilung vorgenommen werden. Dabei ist auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme (hier: eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, vgl. § 53 Abs. 3 erster Satz FPG) gerechtfertigt ist. Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. VwGH 21.06.2018, Ra 2016/22/0101).

Da der Lebensmittelpunkt des BF seit seinem 20 Lebensjahr in Österreich liegt, greift die Rückkehrentscheidung in sein Privat- und Familienleben ein, sodass deren Verhältnismäßigkeit unter dem Gesichtspunkt von Art. 8 EMRK am Maßstab des § 9 BFA-VG zu prüfen ist.

Nach § 9 Abs. 1 BFA-VG ist (u.a.) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, die in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingreift, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Dabei ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0198).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Zif 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Zif 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Zif 3), der Grad der Integration (Zif 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Zif 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Zif 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Zif 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Zif 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Zif 9), zu berücksichtigen.

Auch wenn das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, ist die bloße Aufenthaltsdauer freilich nicht allein maßgeblich, sondern ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Zl. Ra 2015/19/0247).

In Fällen gravierender Kriminalität und daraus ableitbarer hoher Gefährdung der öffentlichen Sicherheit stand die Zulässigkeit der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auch gegen langjährig in Österreich Aufhältige nie in Frage (vgl. VwGH 03.09.2015, Ra 2015/21/0121 bzw. s.a. jüngst EGMR 02.06.2020, Azerkane gg. Niederlande, 3138/16).

Wenn die belangte Behörde nach der von ihr vorgenommen Abwägung der gegenläufigen Interessen im bekämpften Bescheid zur Auffassung gelangt, dass eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist, so ist dem im Ergebnis beizutreten.

Angesichts der außerordentlichen Schwere der vom BF vorsätzlich begangenen Straftat - mit der vom BF dem Opfer zugefügten Stichverletzung war aufgrund deren Art und Weise grundsätzlich Lebensgefahr verbunden – ist das maßgebliche Interesse an einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat als besonders groß zu veranschlagen.

Vor diesem Hintergrund kommt dem Familien- und Privatleben des BF nicht jene Gewichtung zu, die eine Abstandnahme von der Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.

Der BF ist geschieden. Zwei seiner Kinder sind bereits jetzt im Erwachsenenalter. Selbst wenn der BF seine 13 jährige Haftstrafe nicht zur Gänze verbüßen sollte, werden auch die beiden jüngeren Kinder in einem Lebensalter sein, in welchem diese junge Erwachsene sind und ein weitgehend selbstbestimmtes Leben führen. Ein Faktum, das – ohne das Vorliegen von besonderen Umständen, die weder behauptet noch erkennbar sind – sich bei der Beurteilung des Familienlebens stark relativierend auf dessen Intensität auswirkt.

Angesichts der zeitlichen Perspektive der zu verbüßenden Haftstrafe und der damit einhergehenden Reduktion bzw. des Verlustes an der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in Österreich wiegen die Auswirkungen des vom BF ins Treffen geführten Umstandes, dass dieser in Serbien nur über wenige soziale Kontakte verfüge, nicht schwerer als die Abstandnahme von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung, zumal eine völlige Perspektivenlosigkeit für den Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat weder erkannt werden kann, noch Umstände behauptet wurden, die die es dem BF unmöglich oder außergewöhnlich schwierig erscheinen lassen.

Der Beschwerdeführer spricht die in Serbien übliche Sprache, hat in Österreich über viele Jahre hinweg einen Beruf ausgeübt, der es ihm ermöglicht auch in Serbien wirtschaftlich Fuß zu fassen und ist arbeitsfähig, sodass nicht nachvollzogen werden kann, dass dem Beschwerdeführer eine Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft und die dortige Arbeitswelt – trotz der zweifelsohne auftretenden praktischen Schwierigkeiten - völlig unmöglich wäre. Dies umso mehr, als seine Mutter im Herkunftsstaat über ein eigenes Haus verfügt und der BF dort eine vorhandene Unterkunftsmöglichkeit besitzt.

Dass er trotz seines langen Aufenthalts in Österreich über bestehende Bindungen zu Serbien verfügt, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass dieser nach wie vor an der Adresse seiner Mutter in Serbien gemeldet ist und auch immer wieder, zuletzt im Dezember 2018 (kurz vor der Straftat), sich dort aufgehalten hat.

Anhaltspunkte für eine aktive Teilnahme am sozialen oder kulturellen Leben in Österreich haben sich - abseits des der Aufenthaltsdauer in Österreich entsprechenden Bekanntenkreises und des Umstandes, dass dieser ein nach eigenen Angaben „nicht unbedingt aktives“ Mitglied in einem Fischereiverein ist - keine ergeben.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt

Der in der Beschwerde enthaltene Hinweis, dass sich der BF für die von ihm gesetzten strafbaren Handlungen entschuldige und die darüber hinaus vertretene Ansicht, dass dieser nach der in der derzeitigen Haft verbrachten Zeit ein entsprechendes Unrechtsbewusstsein gebildet habe und daher in Hinkunft von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen sei, kann vor dem Hintergrund der bereits aufgezeigten Schwere des Fehlverhaltens und den zur Unrechtseinsicht widersprüchlichen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde nicht beigetreten werden.

Dies umso mehr, als dem in der Beschwerdeschrift vom XXXX .10.2020 enthaltenen Vorbringen der beim BF eingetretenen Läuterung das fehlende Geständnis in der Strafverhandlung, die hierzu ebenfalls widersprüchliche Angabe des BF in der Stellungnahme vom XXXX .03.2020 (AS 217-219) als auch dessen Aussagen zur Reue in der Verhandlung vor dem erkennenden Gericht gegenüberstehen, ohne dass dieser das inkriminierte, vom Strafgericht festgestellte, Verhalten eingesteht. Das erkennende Gericht kann sohin den Wahrheitsgehalt der beim BF eingetretenen Reue nicht im notwendigen – die Rückkehrentscheidung beeinflussenden - Ausmaß erkennen.

Die Rückkehrentscheidung führt auch nicht zwingend zu einem Abbruch der Beziehungen des BF zu seinen in Österreich lebenden Töchtern respektive seiner geschiedenen Ehefrau. Es ist diesen möglich und zumutbar den BF nach seiner Rückkehr nach Serbien dort zu besuchen zumal Angesichts der zeitlichen Perspektive der zu verbüßenden Haftstrafe, der geographischen Trennung zwischen deren Wohnort und dem Ort des Strafvollzugs und der damit zwangsläufig einhergehenden Reduktion der physischen Kontakte die drastische Einschränkung physischer Besuche für einen befristeten Zeitraum nicht schwerer wiegen als die Abstandnahme von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung.

Es ist daher dem Ergebnis der vom BFA vorgenommenen Abwägung der gegenläufigen Interessen beizupflichten, dass das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung das persönliche Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich überwiegt. Allfällige damit verbundene Schwierigkeiten bei der Gestaltung der Lebensverhältnisse, die infolge der Rückkehr in den Herkunftsstaat auftreten können, sind im öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit hinzunehmen (VwGH Ra 2015/21/0180).

Eine Aufhebung der Rückkehrentscheidung kommt trotz des dargestellten Familien- und Privatlebens und seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich in einer Gesamtbetrachtung der nach § 9 BFA-VG zu berücksichtigenden Umstände nicht in Betracht. Durch die Rückkehrentscheidung wird Art. 8 EMRK somit im Ergebnis nicht verletzt.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien):

Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG von Amts wegen gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (siehe VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0157). Demnach ist die Abschiebung unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für den Betreffenden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs. 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben oder die Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre (Abs. 2) oder solange die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs. 3).

Hier trifft keine dieser Voraussetzungen zu. Konkrete Gründe für die Unzulässigkeit der Abschiebung gehen weder aus dem Akteninhalt hervor noch hat der BF ein entsprechendes Vorbringen erstattet.

Dass es sich bei Serbien um einen sicheren Herkunftsstaat handelt, ergibt sich aus § 1 Z 6 der Verordnung der Bundesregierung, mit der Staaten auf Basis des § 19 Abs. 5 Z 2 BFA-VG als sichere Herkunftsstaaten festgelegt werden (Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 idF BGBl. II Nr. 145/2019).

Die gem. § 52 Abs. 9 FPG getroffene Feststellung der belangten Behörde, wonach eine Abschiebung des BF gem. 46 FPG nach Serbien zulässig ist, erfolgte sohin zu Recht.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides (Erlassung eines Einreiseverbotes):

Gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 FPG ist über einen Drittstaatsangehörigen, der von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist, ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens 10 Jahren, in den Fällen der Zif. 5 bis 9. auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Zunächst ist festzuhalten, dass die belangte Behörde gegen den BF ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen hat, welches ausschließlich auf den Tatbestand des § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Zif 5 FPG gestützt wurde.

Gemäß § 53 Abs. 3 Zif 5 FPG hat als „bestimmte Tatsache“, die (u.a.) bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes von Relevanz ist, insbesondere zu gelten, wenn „ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist.

Im Wesentlichen zusammengefasst wurde dies mit dem Umstand begründet, dass der BF durch die Begehung des Verbrechens des versuchten vorsätzlichen Mordes und seiner Verurteilung zu einer Haftstrafe im Ausmaß von 13 Jahren einen Tatbestand erfüllt hat, der das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit indiziere.

Der BF habe kein Unrechtsbewusstsein und keine Reue gezeigt. Er habe versucht durch die Geltendmachung des Milderungsgrundes des Vorliegens einer allgemein begreiflichen Gemütsbewegung eine Reduktion des Strafausmaßes zu bewirken sowie durch seine Berufung gegen das Strafurteil ua. seinem Opfer das, diesem zugesprochene, Schmerzensgeld zu verwehren.

Wie bereits o. zur Rechtmäßigkeit der Rückkehrentscheidung im Einzelnen dargelegt wurde, ist im vorliegenden Fall die Annahme gerechtfertigt, dass von dem BF eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gemäß § 53 Abs. 3 Zif. 5 iVm. § 52 Abs. 5 FPG ausgeht.

Es kann daher der belangten Behörde nicht vorgeworfen werden, wenn sie im vorliegenden Fall von einer solchen Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausging, welche die Anordnung eines Einreiseverbotes erforderlich machen würde, zumal diese Maßnahme angesichts der vorliegenden Schwere des Verstoßes gegen das österreichische Strafrecht zur Verwirklichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele unbedingt geboten erscheint.

Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes sind das konkrete Fehlverhalten und der Unrechtsgehalt der begangenen Straftaten unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründen, aber auch die familiären und privaten Umstände des Betroffenen maßgeblich zu berücksichtigen.

Das dargestellte persönliche Fehlverhalten des BF ist jedenfalls Grundinteressen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit massivst zuwidergelaufen.

Die vom BF in seiner Stellungnahme vom XXXX .03.2020 gezeigte und in der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wiederholte Rechtfertigung, wonach es sich um eine reine Beziehungstat gehandelt habe, die dieser in einem emotionalen Ausnahmezustand gesetzt habe, widerspricht den Tatsachenfeststellungen des Strafgerichtes.

Demnach wurde die Tat vorsätzlich, ohne jegliche Hinweise auf das Vorliegen einer allgemein begreiflichen Gemütsbewegung auf Seiten des BF, begangen. Eine Ausnahmesituation, wie dies vom BF behauptet wird, lag sohin nicht vor.

Das mit dieser tatsachenwidrigen Verantwortung einhergehende – wenn schon nicht negierende so doch zumindest Schuld minimierende – Verhalten und das im angeführten Vorbringen sowie der Bekämpfung der vom LG XXXX ausgesprochenen Höhe des Schmerzensgeldes zum Ausdruck kommende fehlende Unrechtsbewusstsein lässt vor dem Hintergrund der stark relativierenden Reuebekundung eine negative Zukunftsprognose nicht gänzlich unwahrscheinlich erscheinen.

Auch der vom BF getätigten Schlussfolgerung, wonach es sich bei der von ihm zu verantwortenden Straftat um eine Beziehungstat gehandelt hätte und sich daraus ableiten ließe, dass der BF eine solche in der Zukunft nicht mehr begehen werde, kann das Gericht nicht folgen, zumal es sich bei zwischenmenschliche Beziehungen um keine einmaligen Ereignisse im Leben eines Menschen handelt.

Eine Tatwiederholungsgefahr ist sohin a priori nicht gänzlich auszuschließen.

Die vom BF gesetzte Handlung beeinträchtigt in gravierendem Ausmaß die öffentlichen Interessen an der Verhinderung strafbarer Handlungen, konkret von Delikten gegen die körperliche Unversehrtheit.

Es bedarf daher eines geraumen - angesichts eines besonders schweren Verbrechens nicht zu gering anzusetzenden - Zeitraumes der Beobachtung des Wohlverhaltens des BF in Freiheit um sicherzustellen, dass nicht neuerlich das von ihm gezeigte Verhalten im Bundesgebiet gesetzt wird und eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung in Österreich hervorgerufen wird.

In Anbetracht der familiären und privaten Bindungen in Österreich, des Umstandes, dass der BF seit 199 XXXX durchgehend im Bundesgebiet lebt, über eine Berechtigung zum dauerhaften Aufenthalt in Österreich verfügt, als auch seines bisheriges Wohlverhaltens und dessen wirtschaftlichen Verfestigung erscheint dem Gericht das gegen den BF verhängte unbefristete Einreiseverbot jedoch nicht angemessen, zumal auch das Strafgericht bei der Bemessung des Strafausmaßes den Strafrahmen nicht zur Gänze ausgeschöpft hat.

In Anbetracht der Tatsache, dass von § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG auch kriminelle Handlungen von höherem Unrechtsgehalt erfasst sind, erscheint dem Gericht in Würdigung des gegebenen Sachverhaltes eine Reduktion auf 8 Jahre sohin als angemessen und geboten.

Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids (Nichtzuerkennung einer Frist für die freiwillige Ausreise):

Gemäß § 55 Abs. 4 FPG hat das Bundesamt von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde. Gemäß § 18 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom Bundesamt abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Gegenständlich wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß leg.cit. aberkannt. Somit sprach die Behörde zu Recht aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht und war die Beschwerde auch in diesem Punkt spruchgemäß abzuweisen.

Zu Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung):

Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde von der belangten Behörde gem. § 18 Abs. 2 Zif. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung mit der Begründung aberkannt, dass der Verbleib des BF in Österreich aufgrund der ihm innewohnenden Gefährlichkeit öffentliche Interessen entgegenstehen.

Angesichts der strafgerichtlichen Verurteilung des BF zu einer langjährigen Haftstrafe, deren Ende zeitlich weit nach Erlassung der gegenständlichen Entscheidung liegt, ist auf die Notwendigkeit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gegen die Rückkehrentscheidung nicht weiter einzugehen.

Zur beantragten Einholung von zwei Gutachten:

Zu den bereits im Rahmen des Parteiengehörs gestellten und zuletzt in der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen Beweisanträgen auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass nicht zu befürchten sei, dass der BF neuerlich straffällig wird (1.) sowie der Einholung eines Gutachtens zur Rückfallprognose zum Beweis dafür, dass beim BF keine akute konkrete unmittelbare Gefahr für die österreichische Sicherheit, Ruhe und Ordnung bestehe (2.) ist wie folgt auszuführen:

Die belangte Behörde hat zurecht von der Einholung entsprechender Gutachten Abstand genommen, da es sich bei beiden Beweisanträgen um unzulässige Erkundungsbeweise handelt.

Erkundungsbeweise sind Beweise, die nicht konkrete Behauptungen, sondern lediglich unbestimmte Vermutungen zum Gegenstand haben. Sie dienen also nicht dazu, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern sollen es erst ermöglichen, dieses zu erstatten.

Nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkundungsbeweise im Verwaltungsverfahren - und somit auch im bundesverwaltungsgerichtlichen Verfahren - unzulässig.

Daher ist das Bundesverwaltungsgericht nicht iSd §§ 37 iVm 39 Abs. 2 AVG zur Durchführung eines solchen Beweises (zur Entsprechung eines dahingehenden Antrages) verpflichtet, sodass deren Unterlassung keinen Verfahrensmangel bedeutet (Hengstschläger - Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu § 46 mwN).

Unbeschadet der Unmöglichkeit des Beweises, dass ein bestimmtes Ereignis (etwa die erneute Straffälligkeit des BF) in der Zukunft nicht eintreten wird, liegt dem ersten Beweisantrag allein die nicht näher substantiierte These zugrunde, dass nicht zu befürchten sei, dass der BF neuerlich straffällig werde.

Auch der zweite Beweisantrag beinhaltet ein bloß allgemein und unkonkret formuliertes Beweisthema dem selbst die Benennung des Fachbereichs eines zu bestellenden Sachverständigen fehlt, der die beantragte Beurteilung vornehmen soll.

Den Beweisanträgen war sohin unter Hinweis auf die diesbezügliche Rechtsprechung des VwGH (zBsp. VwGH 25.09.2007, 2004/18/0141; 17.12.2013, 2013/09/0161; 19.12.2013, 2011/03/0160) nicht näher zu treten.

B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zwar teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsdauer aufschiebende Wirkung - Entfall Dauer Einreiseverbot Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Herabsetzung Interessenabwägung Körperverletzung öffentliches Interesse Privat- und Familienleben Rückkehrentscheidung sicherer Herkunftsstaat strafrechtliche Verurteilung Teilstattgebung Zukunftsprognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W280.2236874.1.00

Im RIS seit

19.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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