TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/1 W282 2239756-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.03.2021
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Entscheidungsdatum

01.03.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W282 2239756-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA im am 22.02.2021 amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX , über die weitere Anhaltung von XXXX , geboren am XXXX , StA: Armenien in Schubhaft ab zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF), ein armenischer Staatsbürger, stellte im Jahr 2007 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom XXXX .2008 negativ beschieden, und der BF aus dem Bundesgebiet nach Russland ausgewiesen. Eine hiergegen erhobene Berufung wurde vom Asylgerichtshof (AsylGH) am 02.09.2010 als unbegründet abgewiesen. Im Rahmen dieses Verfahrens gab der BF an, staatenlos zu sein, er habe aber in der russischen Föderation gelebt. Dokumente aus denen seine Identität oder Staatsangehörigkeit hervorgehe, würden nicht existieren.

2. Im Jahr 2008 wurde der BF erstmals straffällig. Er wurde von einem Bezirksgericht wegen des Vergehens der versuchten Entwendung gem. §§ 15, 141 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt Dieser Verurteilung folgen insgesamt acht weitere Verurteilungen hauptsächlich durch Landesgerichte wegen der Verbrechens des schweren bzw. des Gewerbsmäßiger Diebstahls und Diebstahl im Rahmen einer kriminellen Vereinigung (§§ 127, 130 StGB). So wurde der BF zwischen 2011 und 2017 allein sechs Mal wegen dieser Delikte (teils wegen derer Vollendung, teil im Versuchsstadium verbleibend) von Landesgerichten zu erheblichen Freiheitsstrafen verurteilt. Teile dieser Freiheitsstrafen wurden bedingt nachgesehen, eine bedingte Entlassung jedoch im Jahr 2017 nach zwischenzeitiger Verlängerung der Probezeiten auf 5 Jahre widerrufen und die Strafe in Vollzug gesetzt.

3. Der BF stellte im Jahr 2011 seinen ersten Folgeantrag auf internationalen Schutz, welcher vom BAA mit Bescheid vom XXXX .2011 gemäß § 68 AVG zurückgewiesen wurde und neuerlich eine Ausweisung gegen den BF erlassen wurde. Der dagegen eingebrachten Berufung gab der AsylGH mit Erkenntnis vom 28.03.2011 keine Folge.

4. Nach vermehrter Straffälligkeit des BF (vgl. Punkt 2.) wurde mit Bescheid des (nunmehr) Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vom XXXX .2016 eine Rückkehrentscheidung samt 10jährigem Einreiseverbot gegen den BF erlassen. Dieser Bescheid wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in Beschwerde gezogen und mit Erkenntnis vom 29.08.2016 zur GZ W 234 1813787-3/7E aufgehoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverwiesen, wobei ausgesprochen wurde, dass eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf Russland nicht getroffen werden könne, da nicht klar sei, ob der BF überhaupt russischer Staatsbürger ist. Der Beschwerde hatte der BF eine Mitteilung des russischen Migrationsdienstes beigelegt, wonach er kein russischer Staatsbürger sei.

5. In Folge dieser Entscheidung wurde vom Bundesamt im Jahr 2016 ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (HRZ) mit Armenien begonnen, da es Hinweise gab, der BF könnte Armenier sein. Die armenische Botschaft teilte jedoch damals mit, der BF könne nicht als Armenier identifiziert werden.

6. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 16.03.2018 wurde gegen den BF neuerlich eine Rückkehrentscheidung samt 10jähjrigem Einreiseverbot erlassen. Dabei wurde jedoch ausgesprochen, dass seine Abschiebung nach Russland nicht zulässig sei, da die Staatsangehörigkeit des BF ungeklärt sei. Dieser Bescheid erwuchs im April 2018 in Rechtskraft.

7. Zwischenzeitlich befand sich der BF seit 2017 durchgehend in Strafhaft. Im August 2018 wurde der BF von der JA Salzburg in die JA Graz-Karlau überstellt, was einen Zuständigkeitswechsel zur Regionaldirektion Steiermark des Bundesamtes zur Folge hatte.

8. Im September 2018 wurde vom Bundesamt erneut versucht über die armenische Botschaft in Wien ein HRZ für den BF zu erlangen. Ende Dezember 2018 langte erneut eine Absage durch die armenische Botschaft ein. Dementgegen wurde der BF aber am 11.06.2019 überraschend von der armenischen Botschaft zu einem Delegationstermin geladen. Die Sachlage hatte sich dahingehend geändert, als nun eine Identifizierung des BF als Armenier wahrscheinlich wurde, da der BF über Dokumente seiner Eltern bzw. seines Bruders, die sich auch unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten und für die im Jahr 2018 HRZ erfolgreich beantragt worden waren, nunmehr identifiziert werden konnte. Die armenische Botschaft stellte schließlich noch im Jahr 2018 HRZ für die gesamte Familie des BF (seine Mutter, seinen Vater und seinen Bruder) aus.

9. Der Vater und der Bruder des BF wurden in Folge Ende 2018 nach Armenien abgeschoben. Die Mutter des BF, gegen die bereits eine Rückkehrentscheidung ergangen ist, verblieb im Bundesgebiet und stellte im Oktober 2020 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, um ihre bevorstehende Abschiebung (letztlich erfolgreich) zu vereiteln. In diesem Antrag behauptete die Mutter des BF trotz bereits erfolgter Identifizierung als armenische Staatsangehörige, staatenlos zu sein.

10. Die armenische Botschaft stellte dem BF aufgrund der im Jahr 2018 vorgelegten Dokumente seiner Eltern im Juni 2019 ein HRZ mit Gültigkeit bis Oktober 2019 aus, führte hierzu jedoch aus, der Vorname des BF sei höchstwahrscheinlich nicht richtig angegeben worden. Das Bundesamt gewährte dem BF im Juni 2019 Parteiengehör zur beabsichtigten Verhängung der Schubhaft im Anschluss an die voraussichtliche bedingte Entlassung aus der Strafhaft zur Ausreise gemäß § 133a StVG nach Verbüßung von 2/3 seiner Haftstrafe. Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2019 wurde über den BF die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung in Anschluss an die bevorstehende Entlassung aus der Strafhaft verhängt. Das zuständige Strafvollzugsgericht entschied mit Beschluss (rk. am 02.09.2019) aber aufgrund spezial- und generalpräventiver Umstände darauf, dass dem BF das vorläufige Absehen vom weitern Strafvollzug zur Ausreise nach § 133a StVG nach Verbüßung von 2/3 seiner Strafe nicht gewährt wird. Der BF konnte somit nicht abgeschoben werden und die Gültigkeitsdauer des bereits erteilten HRZ lief ab. Bereits im Februar 2019 war das vorläufige Absehen vom weitern Strafvollzug nach § 133a StVG zum Hälfe-Stichtag der Haftdauer des BF aus denselben Erwägungen abgelehnt worden. Ein weiterer Antrag des BF auf Entlassung zur Ausreise nach § 133a StVG hatte schließlich im Dezember 2019 Erfolg und war die Entlassung des BF zur Ausreise (frühestens) ab dem 27.01.2020 vorgesehen.

11. Anfang des Jahres 2020 kam es zu einem Wechsel in der Person der armenischen Konsulin in Wien. Das armenische Konsulat teilte aus diesem Grund dem Bundesamt mit, der BF müsste erneut zu einem Interviewtermin vorgeführt werden, da es Unstimmigkeiten bei seinem Vornamen gebe, die armenische Staatsbürgerschaft des BF werde aber weiterhin anerkannt.

12. Das Bundesamt plante den BF nun nach Ende seiner Strafhaft (Nov. 2020) unter Erneuerung des HRZ nach Armenien abzuschieben. Gegen Ende der nunmehrigen Haftdauer stellte der BF aus dem Stande der Strafhaft am 16.10.2020 einen weiteren Folgeantrag auf internationalen Schutz; er gab in diesem Antrag erneut an, staatenlos zu sein. Das Bundesamt widerrief hierauf den Schubhaftbescheid vom XXXX .2019 und gewährte dem BF erneut Parteiengehör im Hinblick auf den nunmehrigen Sicherungszweck des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG. Der BF gab keine Stellungnahme ab. Mit (verfahrensgegenständlichem) Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2020, Zl. XXXX wurde über den BF die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

14. Der BF wurde am XXXX .2020 aus der Strafhaft entlassen und in Schubhaft genommen. Er wird seit XXXX .2020 in Schubhaft angehalten.

14. Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2020 wurde der Folgeantrag des BF wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückgewiesen. Mit diesem Bescheid wurde jedoch keine neue Rückehrentscheidung erlassen. Dieser Bescheid erwuchs Ende Dezember 2020 in Rechtskraft.

15. Der BF beantrage im Jänner 2021 überraschend die freiwillige Rückkehr nach Armenien und gab im entsprechenden Antrag an, armenischer Staatsbürger zu sein. Der freiwilligen Ausreise wurde dem Grunde nach zugestimmt. Die Kostenübernahme durch das Bundesamt wurde jedoch abgelehnt, da der BF über ausreichend Barmittel verfügt um seine Rückreise bezahlen zu können.

16. In weiterer Folge änderte der BF seine Angaben erneut und behauptete nunmehr erneut gegenüber der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU), die zwischenzeitig die Rückkehrberatung übernommen hatte, dass er staatenlos sei.

17. Über Mitteilung des armenischen Konsulats, dass es für die Angehörigen des BF ein Leichtes sei in Armenien Dokumentenduplikate für den BF zu erhalten, kontaktierte die BBU den BF und teilte ihm mit, er möge mit seinen Verwandten ebendort in Kontakt treten und sich diese Dokumente schicken lassen. Der BF verweigert dies jedoch mit der Behauptung, sein bereits nach Armenien abgeschobener Vater und sein Bruder könnten dort keine Dokumente besorgen, er werde nicht mit seinen Verwandten in Kontakt treten.

18. Das Bundesamt führte termingerecht die Schubhaftüberprüfungen gemäß § 80 Abs. 6 FPG durch.

19. Das Bundesamt legte dem BVwG am 22.02.2021 den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft über den vierten Monat hinaus vor.

20. Dem BF wurde die mit der Aktenvorlage übermittelte Stellungnahme des Bundesamtes zum Parteiengehör in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) übermittelt. Bis zur Erkenntniserlassung langte keine Stellungnahme des BF ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des BF und seinem Aufenthalt:

Der BF ist in Österreich unter der Identität XXXX , geb. XXXX StA. Armenien bekannt. Seine Identität steht nicht zweifelsfrei fest. Er verfügt über kein gültiges Dokument welches seine Identität zweifelsfrei bestätigt. Dem BF wurde aber bereits im Jahr 2019 ein Heimreisezertifikat von Armenien ausgestellt und er als armenischer Staatsbürger identifiziert.

Der BF verfügt in Österreich über keinen gesicherten Wohnsitz und nur noch über geringwertig gefestigte familiäre Beziehungen. Der Vater und der Bruder des BF wurden bereits 2019 nach Armenien abgeschoben. Die Mutter des BF, gegen die ebenfalls eine Rückkehrentscheidung ergangen ist, stellte unmittelbar vor ihrer Abschiebung einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, um ihre Abschiebung (letztlich erfolgreich) zu vereiteln. In diesem Antrag behauptete die Mutter des BF trotz bereits erfolgter Identifizierung als armenische Staatsangehörige, staatenlos zu sein.

Der BF geht und ging in Österreich noch nie einer legalen Erwerbstätigkeit nach, hat in Österreich kein (legal erwirtschaftetes) Einkommen und verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen. Der BF verfügt aktuell über Barmittel in Höhe von 720,-€ (Stand 24.02.2021). Der BF bestritt in der Vergangenheit seinen Lebensunterhalt überwiegend durch die Begehung von Straftaten.

Der BF hielt sich bereits im Jahr 2007 im Bundesgebiet auf, er war erstmals im Jahr 2007 in Sankt Georgen im Attergau behördlich gemeldet. Der Großteil der Meldeeinträge des BF zu Nebenwohnsitzen entfällt auf Justizanstalten, in denen der BF in Strafhaft angehalten wurde. Letztmalig vor seiner letzten Strafhaft war der BF in XXXX in einer Asylunterkunft („ XXXX “) bis XXXX .2017 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Der BF war an dieser Adresse bereits zuvor in den Jahren 2013 und 2015 gemeldet. Seit 04.08.2017 ist der BF mit Hauptwohnsitzen in verschiedenen Justizanstalten gemeldet. Sein ehemaliger Wohnsitz in der Asylunterkunft steht dem BF nicht mehr zur Verfügung.

1.2. Zum Verfahrensgang und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Der BF stellte bis dato im Bundesgebiet drei Anträge auf internationalen Schutz die allesamt negativ beschieden und soweit dagegen Beschwerden bzw. Berufungen erhoben wurden, diese abgewiesen wurden.

Der BF wurde stellte im Jahr 2007 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser wurde mit Bescheid des (BAA) vom XXXX .2008 negativ beschieden, und der BF aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Eine hiergegen erhobene Berufung wurde vom Asylgerichtshof am XXXX .2010 als unbegründet abgewiesen.

Der BF stellte im Jahr 2011 seinen ersten Folgeantrag auf internationalen Schutz, welcher vom BAA mit Bescheid vom XXXX .2011 gemäß § 68 AVG zurückgewiesen wurde und neuerlich eine Ausweisung gegen den BG erlassen wurde. Der dagegen eingebrachten Berufung gab der AsylGH mit Erkenntnis vom XXXX 2011 keine Folge.

Das Bundesamt erließ mit Bescheid vom XXXX .2016 aufgrund der erheblichen Straffälligkeit eine Rückkehrentscheidung samt 10jährigem Einreiseverbot gegen den BF, die Folge vom BVwG aufgehoben und an das Bundesamt zurückverwiesen wurde.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2018 wurde gegen den BF neuerlich eine Rückkehrentscheidung samt 10jähjrigem Einreiseverbot erlassen. Dabei wurde jedoch festgestellt, dass seine Abschiebung nach Russland nicht zulässig sei, da die Staatsangehörigkeit des BF ungeklärt sei. Dieser Bescheid erwuchs im April 2018 in Rechtskraft.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2019 wurde über den BF die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung in Anschluss an die bevorstehende bedingte Entlassung aus der Strafhaft verhängt, dieser Bescheid wurde vom Bundesamt aus Eigenem aufgrund des Folgeantrags des BF vom 16.10.2020 widerrufen.

Der BF stellte aus der Strafhaft am 16.10 .2020 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2020 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückgewiesen wurde; eine neuerliche Rückkehrentscheidung samt Zulässigkeitsausspruch der Abschiebung in einen bestimmten Staat erfolgte nicht. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen

Mit (verfahrensgegenständlichem) Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2020, Zl. XXXX wurde über den BF die Schubhaft im Anschluss an die Strafhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Der BF wurde am XXXX .2020 aus der Strafhaft entlassen und wir seitdem in Schubhaft angehalten.

Es liegt im Entscheidungszeitpunkt eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vom XXXX .2018, aber kein positiver Zulässigkeitsausspruch der Abschiebung in einen bestimmten Staat hinsichtlich des BF vor. Es behängt zum Entscheidungszeitpunkt gegen den BF ein Verfahren des Bundesamtes zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Hinblick auf den nunmehrigen Zielstaat Armenien.

Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

1.3. Zur Straffälligkeit:

Der BF ist im Bundesgebiet neunfach vorbestraft.

Der BF wurde erstmals 2008 straffällig und mit Urteil eines Bezirksgerichts vom XXXX .2008 wegen versuchter Entwendung (§ 15, 141 StGB) zu einer Geldstrafe verurteilt.

Ebenfalls 2008 erfolgte eine Verurteilung durch ein anderes BG wegen versuchtem Diebstahl (§ 15, 127 StGB). Der BF wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt.

Im Jahr 2011 wurde der BF von einem Landesgericht wegen versuchter Nötigung bzw. schwerer Nötigung, schwerer und leichter Körperverletzung, versuchtem gewerbsmäßigen Diebstahl und gefährlicher Drohung (§§ 15 iVm 105, 106 ; §§ 83, 84; §§ 15 iVm 127, 130; § 107 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten verurteilt, wobei ihm 18 Monate bedingt auf 3 Jahre nachgesehen wurden. Der BF hatte mit einem Mittäter eine dritte Person, die ihm Geld schuldete, sowohl mit den Fäusten als auch mit einer Gaspistole geschlagen. Der BF drohte dem Opfer weiters Gewalt bzw. das Erschießen an und bewegte das Opfer so zur Herausgabe von Bargeld, eines Mobiltelefons und einer Packung Zigaretten. Dem Opfer wurde durch die Schläge eine schwere Körperverletzung in Form der Lockerung bzw. des Verlusts mehrere Zähne sowie einer große Rissquetschwunde zugefügt. Weiters stahl der BF bzw. versuchte der BF in mehreren Supermärkten Waren zu stehlen, wobei er bei einem Diebstahl den Besitzer eines Ladens gefährlich bedrohte.

Der BF wurde aus dem unbedingten Strafteil im August 2011 bedingt entlassen, die Probezeit dieser bedingten Entlassung und auch des bedingst nachgesehen Strafteils im Dezember 2012 auf 5 Jahre verlängert und schließlich beides im Jahr 2017 im Rahmen einer weiteren Verurteilung widerrufen und die Gesamtstrafe in Vollzug gesetzt.

Die nächsten Straftaten beging der BF im Jahr 2012. Er wurde von einem Landesgericht im Dezember 2012 wegen versuchtem gewerbsmäßigen Diebstahl bzw. Diebstahl im Rahmen einer krim. Vereinigung (§§ 15 iVm 127, 130 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt auf 3 Jahre nachgesehen verurteilt. Der BF hatte erneut Waren aus zwei verschiedenen Supermärkten gestohlen bzw. versucht gemeinsam mit einem weiteren Täter Spirituosen aus einem Supermarkt zu stehlen.

Im Dezember 2013 erfolgt die nächste Verurteilung des BF durch ein Landesgericht wegen gewerbsmäßigen Diebstahl bzw. Diebstahls im Rahmen einer krim. Vereinigung (§§ 15 iVm 127, 130 StGB). Der BF wurde zu einer 12monatigen Haftstrafe verurteilt. Der BF hatte mit seinem Vater und seinem Bruder in einem Kaufhaus Spirituosen, Toilettartikel und Kosmetika im Wert von 319,-€ gestohlen, wobei der BF von einem Detektiv via Videoüberwachung dabei beobachtet wurde. Die Waren wurden beim Eintreffen der Polizei unter einem Fahrzeug gefunden und konnten dem BF und seinen Mittätern durch die Videoüberwachung zugeordnet werden.

Die Verurteilung des BF im Jahr 2015 durch ein Landesgericht ist weitgehend ein Spiegelbild der Vorhergehgehen: Der BF wurde am im Februar 2015 von einem Landesgericht wegen gewerbsmäßigem Diebstahl bzw. Diebstahls im Rahmen einer krim. Vereinigung (§§ 15 iVm 127, 130 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Der BF hatte erneut mit seinem Bruder und seinem Vater in insgesamt 4 Angriffen Spirituosen und andere Waren aus Supermärkten gestohlen, wobei der Wert der gestohlenen Waren ca. 750,- € betrug.

Im März 2017 wurde der BF von einem Landesgericht wegen versuchtem Diebstahl (§§ 15, 127 StGB) zu einer Haftstrafe von 4 Monaten verurteilt. Der BF hatte aus Filialen von Drogerieketten mehrere Parfums zu stehlen versucht.

Im August 2017 erfolgte die nächste Verurteilung durch ein Landesgericht wegen gewerbsmäßigem Diebstahl bzw. Diebstahls im Rahmen einer krim. Vereinigung (§§ 127, 130 StGB), wobei der BF zu einer 18monatigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Der BF stahl hierbei im Juli 2017 in Salzburg in einem Geschäft für Fahrräder ein fabrikneues E-Bike samt Ladegerät.

Die letzte Verurteilung des BF datiert auf den 18.01.2018. Der wurde von einem Landesgericht erneut wegen versuchtem Diebstahl (§§ 15, 127 StGB) zu einer Zusatzstrafe von einem Monat zur Verurteilung im August 2017 verurteilt. Der BF hatte in einer dritten Person aus deren Geldtasche einen Bargeldbetrag von 35,-€ gestohlen, wobei dieser Betrag beim Einschreiten der Polizei bei seiner Durchsuchung gefunden wurde.

Neben diesen Verurteilungen liegen im umfangreichen Verwaltungsakt (4 Aktenordner) zahlreiche polizeiliche Meldungen über Verstöße gegen das SMG sowie weitere versuchte Diebstähle auf, die nicht zu gerichtlichen Verurteilungen führten.

Das errechnete Strafende des BF fiel auf den XXXX .2020. Das LG für Strafsachen XXXX entschied als Strafvollzugsgericht mit Beschluss (rk. am XXXX .2019) aber aufgrund spezial- und generalpräventiver Umstände, darauf, dass dem BF das vorläufige Absehen vom weitern Strafvollzug zur Ausreise nach § 133a StVG nach Verbüßung von 2/3 seiner Strafe nicht gewährt wird. Zuvor war bereits im Februar 2019 das vorläufige Absehen vom weitern Strafvollzug nach § 133a StVG zum Hälfe-Stichtag der Haftdauer des BF aus denselben Erwägungen abgelehnt worden. Letztlich wurde einem Antrag auf § 133a StVG des BF mit Beschluss des LG f. Strafsachen XXXX vom XXXX .2019 insofern stattgegeben, dass der BF frühestens ab 27.01.2020 zur Ausreise entlassen werden könne. Die Ausreise des BF war in Folge bis zum errechneten Strafende nicht möglich, weil der BF über kein Reisedokument verfügte und die armenische Botschaft auf einer neuerlichen Vorführung bestand.

1.4. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

Der BF wird im Falle der Entlassung aus der Schubhaft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit untertauchen um sich seiner Abschiebung zu entziehen. Der BF versuchte bereits im Dezember 2016 sich seinem Verfahren zu entziehen und machte den Versuch ohne Dokumente nach Deutschland weiterzureisen. Der BF wurde an der Grenze von der deutschen Bundespolizei aufgegriffen und nach Österreich zurückgewiesen.

Der BF ist nicht ausreisewillig und wirkt am Verfahren zu seiner Außerlandesbringung nicht mit. Er verweigert Angaben zu seiner Identität und weigert sich weiters – trotzdem er bereits als armenischer Staatsbürger identifiziert wurde – mit seinen in Armenien aufhältigen (bereits abgeschobenen) Verwandten Kontakt aufzunehmen, um von diesen Dokumentenduplikate übersendet zu bekommen. Weiters macht der BF widersprüchliche Angaben zu einer Staatsangehörigkeit: Er gab wiederholt an, staatenlos zu sein (dies auch nachdem er als armenischer Staatsbürger von der armenischen Botschaft identifiziert worden war), wogegen er gegenüber der BBU und auf den Formularen zur freiwilligen Ausreise angab, die armenische Staatsbürgerschaft zu besitzen. Festgestellt wird, dass der BF die beantragte freiwillige Ausreise dazu nutzen möchte, um aus der Schubhaft freizukommen, ohne tatsächlich ausreisewillig zu sein.

Der BF ist im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten auch im Hinblick auf die 2019 nicht erfolgte bedingte Entlassung zu 2/3 seiner Strafhaft aus spezialpräventiven Gründe in besonders ausgeprägtem Maß vertrauensunwürdig und nicht kooperativ. Der BF ist und war im Bundesgebiet nie nennenswert sozial verankert, sein Vater und sein Bruder waren mehrfach Komplizen bei seinen zahlreichen Straftaten und wurden diese bereits Ende 2018 nach Armenien abgeschoben. Einzig die Mutter des BF befindet sich noch im Bundesgebiet, wobei gegen diese ebenfalls aufgrund unrechtmäßigen Aufenthalts eine Rückkehrentscheidung erlassen worden ist, die derzeit aufgrund eines Folgeantrags der Mutter auf internationalen Schutz nicht durchsetzbar ist.

Ggst. läuft ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (HRZ) mit der Botschaft von Armenien. Das Bundesamt führte diese Verfahren hinsichtlich des BF bereits seit dem Jahr 2016, wobei der BF zweimal von der armenischen Botschaft nicht als Armenier identifiziert werden konnte. Im Rahmen der Erlassung von aufenthaltsbeenden Maßnahmen gegen die Mutter, den Bruder und den Vater des BF wurde der BF im Jahr 2019 dennoch vor eine Delegation der armenischen Botschaft geladen. Da die bei seinen Eltern vorgefundenen Dokumente auch den BF unzweifelhaft als Armenier auswiesen, wurde dem BF von Armenien Mitte 2019 bereits ein HRZ ausgestellt. In Folge konnte der BF aber mangels Entlassung aus der Strafhaft nicht abgeschoben werden. Die Gültigkeit des dem BF ausgestellten armenischen HRZ lief Ende 2019 ab. In Folge eines Wechsels in der Person der armenischen Konsulin in Wien teilte die armenische Botschaft dem Bundesamt mit, dass zur Erneuerung des HRZ eine nochmalige Vorführung zu einem Interview erfolgen müsse, die armenische Staatsangehörigkeit werde aber weiterhin anerkannt. Diese Vorführung und Erneuerung des HRZ ist für März 2021 geplant. Eine frühere Vorführung war aufgrund des „Lockdowns“ durch die 2. bzw. 3. COVID-19-NotMV und die Verbüßung der Strafhaft durch den BF bis 04.11.2020 nicht möglich. Im Anschluss an die Vorführung erfolgt nach Erneuerung des HRZ die zeitnahe Abschiebung des BF; Flüge für die Strecke VIE- EVN werden zum Entscheidungszeitpunkt ab Anfang April 2021 mit Austrian Airlines nonstop angeboten und sind bereits buchbar.

Durch Mitwirkung bei den armenischen Behörden kann der Beschwerdeführer zu einer raschen Identitätsfeststellung und Ausstellung eines neuen Heimreisezertifikats beitragen, insbesondere indem er sich – wie von der armenischen Konsulin vorgeschlagen- von seinen bereits in Armenien aufhältigen Verwandten Dokumentenduplikate, die für diese dort einfach zu bekommen sind, übermittelt lässt. Der BF hat bis dato allerdings jedwede Mitwirkung an diesen Verfahren verweigert. Weiters zeigt sich aus den Umständen der dann doch erfolgten Identifizierung des BF im Jahr 2019 durch die armenische Botschaft, dass der BF die zur Effektuierung seiner Abschiebung vom Bundesamt geführten Verfahren seit Jahren in Zusammenspiel mit seiner Familie vorsätzlich behindert hat, indem er – obwohl seine Eltern über Dokumente verfügen, die seine Staatsangehörigkeit bestätigten – diese konsequent nicht vorgelegt hat bzw. deren Existenz negiert hat und er weiters wiederholt behauptet hat, staatenlos zu sein.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den umfangreichen Verwaltungsakt des Bundesamtes und des BVwG zur GZ W 234 1813787-3, sowie durch Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem, in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres sowie in die Versicherungsdaten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger. Im Hinblick auf den Stand des Verfahrens der Mutter des BF wurde auch diese im Zentralen Fremdenregister abgefragt.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zu der in Österreich geführten Identität des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, dem Zentralen Fremdenregister und der Anhaltedatei des BMI. Dass seine Identität nicht zweifelsfrei feststeht, ergibt sich daraus, dass der BF bisher keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt hat und sich auch weigert sich solche Dokumente von seinen in Armenien aufhältigen Verwandten schicken zu lassen.

Die Feststellungen zur fehlenden sozialen und beruflichen Integration und dem mittlerweile fehlenden Wohnsitz ergeben sich aus seiner Einvernahme vor dem Bundesamt am 28.10.2020 in Verfahren zu seinem Folgeantrag sowie aus dem Verwaltungsakt. Hieraus geht hervor, dass ein Großteil seiner Familie, die teilweise auch Mittäter seiner zahlreichen Straftaten war, bereits Ende 2018 nach Armenien abgeschoben werden konnte. Einzig die Mutter des BF befindet sich noch im Bundesgebiet, wobei auch gegen diese eine aufrechte Rückkehrentscheidung besteht und für sie ebenfalls 2019 bereits ein HRZ von Armenien ausgestellt worden ist. Die Mutter des BF hat aber zur Verhinderung ihrer Abschiebung einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt, ihr weiterer Aufenthalt ist aber mehr als unsicher, weswegen diese familiäre Bindung keine dem Untertauchen des BF entgegenstehende Wirkung entfaltet, zumal der BF selbst bei seiner Folgeeinvernahme am 25.11.2020 angab, seine Mutter 5 Jahre lang nicht mehr gesehen zu haben. Aufgrund des langen Haftaufenthaltes ist auch nicht davon auszugehen, dass dem BF seine Wohnung in einer Asylunterkunft noch zur Verfügung steht, weswegen es ihm an einem gesicherten Wohnsitz mangelt. Die vom BF behauptete Wohnmöglichkeit bei seiner Mutter ist aufgrund obiger Erwägungen ebenfalls kein Nachweis eines „gesicherten“ Wohnsitzes, zumal der BF an der Adresse der Mutter noch nie gemeldet war.

Die Feststellungen zu seinen finanziellen Verhältnissen ergeben sich aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums. Die Tatsache, dass der BF im Bundesgebiet nie berufstätig war, ergibt sich aus einem Versicherungsdatenauszug.

2.2 Zum Verfahrensgang und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Anhaltspunkte dafür, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, in Österreich Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist, finden sich weder im Akt des Bundesamtes noch in den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes. Es sind auch keine Ermittlungsergebnisse hervorgekommen, dass der BF nicht volljährig wäre.

Die Feststellungen zum Schubhaftbescheid und der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot in der Dauer von 10 Jahren, jedoch ohne Zulässigkeitserklärung der Abschiebung vom XXXX .2018 ergeben sich widerspruchsfrei aus dem Verwaltungsakt. Hieraus folgt, dass zum Entscheidungszeitpunkt zwar eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung gegen den BF vorliegt, diese jedoch insoweit nicht durchsetzbar ist, als sie keine Zulässigkeitserklärung der Abschiebung in einen bestimmten Staat enthält. Im Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2018 wurde im Hinblick auf § 52 Abs. 9 iVm 46 FPG nur ausgesprochen, dass die Abschiebung des BF nach Russland nicht zulässig ist. Mit der Zurückweisung des Folgeantrags auf internationalen Schutz des BF mit Bescheid vom XXXX .2020 (OZ 6) wurde keine neue Rückkehrentscheidung erlassen. Das Bundesamt teilte aber auf Nachfrage ebenfalls mit, dass gegen den BF zum Entscheidungszeitpunkt ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme im Hinblick auf den Zielstaat Armenien behängt, da aufgrund der HRZ Ausstellung durch Armenien im Jahr 2019 nun gesichert sei, dass der BF Armenier sei (OZ 7).

Die Feststellung, wonach der BF haftfähig ist und keine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vorliegen, ergibt sich aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres, gegenteiliges wurde vom BF auch nicht vorgebacht.

2.3 Zur Straffälligkeit und zum Strafvollzug:

Aus der Einsichtnahme in das Strafregister sowie aus den zahlreichen im Verwaltungsakt einliegenden Urteilsabschriften hinsichtlich der Entscheidungen verschiedener Strafgerichte ergeben sich die Feststellungen zur erheblichen Straffälligkeit des BF.

Die Feststellungen zur Verweigerung der Entlassung zur Ausreise des BF aus der Strafhaft zur Hälfte und 2/3 seiner Haftstrafe nach § 133a StVG ergeben sich aus dem Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom XXXX .2019 (AS 410, 3. Ordner).

2.4 Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

Die Feststellung, dass der BF schon im Jahr 2016 versucht hat, sich seinem Verfahren zu entziehen, basiert auf einer entsprechenden Meldung der dt. Bundespolizei im Verwaltungsakt (2. Ordner), wonach der BF versucht habe ohne Reisedokumente die Grenze zu überqueren.

Dass der BF äußert unkooperativ und nicht rückkehrwillig ist, ergibt sich aus seinem gesamten Verhalten im bisherigen Verfahren. Der BF hat über Jahre hinweg die Anstrengungen des Bundesamtes ein HRZ für ihn zu erlangen maßgeblich behindert, indem er immer nur angab staatenlos zu sein und weiters angab, dass keinerlei Dokumente existierten, die seine Identität oder Staatsangehörigkeit bestätigen könnten. Tatsächlich verfügten die Eltern des BF aber diese ganze Zeit über entsprechende Dokumente, die die ganze Familie und so auch den BF als armenische Staatsbürger identifizierten. Die Auffindung und Vorlage dieser Dokumente im Jahr 2019 im Hinblick auf die HRZ-Verfahren des Bruders, des Vaters und der Mutter des BF, führten innerhalb kürzester Zeit zur Identifizierung des BF als Armenier und wurde ihm umgehend ein HRZ für Armenien ausgestellt. Dennoch gab der BF auch bei seinem Folgeantrag im Oktober 2020 erneut an, staatenlos zu sein, wohingegen er ggü. der BBU im Formular zur freiwilligen Ausreise im Jänner 2021 plötzlich angab, doch Armenier zu sein. Nachdem diese Dokumente weitergeleitet wurden, änderte der BF seine Angaben erneut und gab wieder an staatenlos zu sein, was aus der im 3. Aktenordner einliegenden E-Mail Korrespondenz zwischen Bundesamt und BBU hervorgeht.

Es besteht für das Verwaltungsgericht kein Zweifel daran, dass der BF diese Vorgangsweise nur zur Behinderung bzw. Vereitelung seiner Abschiebung betreibt. Dementsprechend schließt sich das BVwG der Ansicht des Bundesamtes an, dass aufgrund des Gesamtverhaltens des BF davon auszugehen ist, dass dieser die freiwillige Ausreise nur zu dem Zweck beantrag hat, aus der Schubhaft freizukommen. Da freiwillige Ausreisen iaR unüberwacht erfolgen, also die ausreisewillige Person nach Entlassung aus der Schubhaft am Reisetag nur von Mitarbeitern der BBU zum Flughafen begleitet wird, geht der BF offenbar davon aus sich dabei seiner Ausreisepflicht entziehen und untertauchen zu können. Andere Hinweise, die den plötzlichen Gesinnungswandel des BF erklären könnten, sind nicht ersichtlich, zumal der BF bisher mehr als 10 Jahre lang hartnäckig seine mangelnde Ausreisewilligkeit und mangelnde Kooperationsbereitschaft faktisch betont und demonstriert hat. Dementsprechend ist es auch nicht glaubwürdig, wenn der BF in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt angibt, er wolle aus der Schubhaft entlassen werden um nur ein paar Tage bei seiner Mutter zu verbringen, dann werde er sofort freiwillig nach Armenien ausreisen und nie wieder zurückkehren: Der BF besitzt nämlich gar kein Reisedokument, mit dem er derzeit nach Armenien zurückreisen könnte.

Zusätzlich hat der BF bedingt durch die Tatsache, dass er bereits als Armenier identifiziert wurde, und somit eine Erneuerung des bereits 2019 ausgestellten HRZ äußert wahrscheinlich ist, einen stark erhöhten Anreiz unterzutauchen, um seine baldige Abschiebung zu verhindern.

Die Feststellung zu den bereits 2019 ausgestellten HRZ werden aufgrund des Verwaltungsaktes getroffen, in dem das für den BF ausgestellte HRZ aus dem Jahr 2019 in Kopie einliegt. Der derzeitige Stand dieses Verfahrens sowie der Tatsache, dass der BF weiterhin als armenischer Staatsbürger anerkannt wird, aber aufgrund eines Wechsels in der Person der armenischen Konsulin eine neuerliche Vorführung erfolgen muss, ergeben sich aus dem 3. Ordner des Verwaltungsaktes, in dem der umfangreiche Schriftverkehr der zuständigen Referentin mit der für die HRZ-Besorgung zuständigen Abt. B/II des Bundesamtes einliegt. Hieraus ergibt sich auch, dass vorrausichtlich noch im Monat März Vorführungen vor Delegationen der armenischen Botschaft, wieder möglich sein werden.

Die Feststellung, dass Direktflüge auf der Strecke Wien-Jerewan (VIE-EVN) beginnend mit April buchbar sind, ergibt sich aus der Einsichtnahme in die Flugsuchfunktion des Dienstes „Google-Travel“ mit Stand 25.02.20212.

Dass der Beschwerdeführer nicht gewillt ist, mit den Behörden zu kooperieren und sich an die Rechtsordnung in Österreich zu halten, ergibt sich aus dem festgestellten bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers, aus den unrichtigen Angaben zu seiner Identität und vor allem seinen strafrechtlichen Verurteilungen. Die Häufigkeit dieser Verurteilungen, wobei zahlreiche Folgeverurteilungen während aufrechten Probezeiten aus bedingter Entlassung bzw. bedingter Strafnachsicht erfolgten, zeigen die erheblich mangelhafte Vertrauenswürdigkeit des BF.

Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten werde. Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer sein bisher gezeigtes Verhalten ändern wird.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Dauer der Schubhaft (FPG)

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde

Anwendungsbereich (Rückführungsrichtlinie)

Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.

Inhaftnahme (Rückführungsrichtlinie)

Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf. 

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:
a.         mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,
b.         Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG darf die Anhaltung in Schubhaft nur bei Vorliegen der dort in den Z 1 bis 4 genannten alternativen Voraussetzungen höchstens achtzehn Monate dauern. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so beträgt die Schubhaftdauer - wie in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG als Grundsatz normiert - nur sechs Monate. Mit § 80 Abs 4 FPG soll Art. 15 Abs. 6 RückführungsRL umgesetzt werden, sodass die Bestimmung richtlinienkonform auszulegen ist. In diesem Sinn ist auch der Verlängerungstatbestand des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG dahingehend auszulegen, dass der Verlängerungstatbestand nur dann vorliegt, wenn das Verhalten des Beschwerdeführers kausal für die längere (mehr als sechsmonatige) Anhaltung ist. Wenn kein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Drittstaatsangehörigen und der Verzögerung der Abschiebung festgestellt werden kann, liegen die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 80 Abs 4 Z 4 FPG über die Dauer von sechs Monaten nicht vor (VwGH vom 15.12.2020, Ra 2020/21/0404).

3.2 Zum konkret vorliegenden Fall:

Aufgrund des § 22a Abs. 4 BFA-VG hat das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt rechtzeitig zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist hinausgehen soll, vorzulegen. Nach rezenter Judikatur des VwGH (VwGH 16.07.2020, Ra 2020/21/0099, Rn. 14f) ist die Frist für das viermonatige Überprüfungsintervall nach § 22a Abs. 4 S 1 BFA-VG unter Außerachtlassung des § 32 Abs. 2 AVG unter Einrechnung des Tages der Inschubhaftnahme zu berechnen. Der BF wurde am XXXX .2020 in Schubhaft genommen und wird seitdem durchgehend in Schubhaft angehalten. Jener Tag an dem die Schubhaftdauer von vier Monaten im Sinne des ersten Satzes des § 22a Abs. 4 BFA-VG „überschritten“ wird, ist somit der 03.03.2021. Die ggst. Überprüfung hat spätestens am Tag danach, also spätestes am 04.03.2021 zu ergehen. Gleichzeitig verbleibt dem BVwG ein Spielraum zur Entscheidung von einer Woche vor diesem Termin (VwGH aaO. Rn. 15). Die gegenständliche Entscheidung kann bzw. muss daher zwischen dem 25.02.2021 und dem 04.03.2021 ergehen.

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme in Form der Rückkehrentscheidung vom XXXX .2018 vor, die jedoch keinen (positiven) Zulässigkeitsausspruch über die Abschiebung in einen bestimmten Staat enthält. Diesbezüglich läuft zum Entscheidungszeitpunkt jedoch ein Verfahren des Bundesamtes zur Erlassung eine aufenthaltsbeenden Maßnahme hinsichtlich des Zielstaates Armenien, welches durch die vorliegende Schubhaft gesichert wird. Der Sicherungszweck des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG liegt daher vor.

3.2.1 Zu Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf:
Es liegt beim BF fortgesetzt Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf iSd § 76 Abs. 3 FPG vor.

Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht, er ist nicht kooperativ. Der Beschwerdeführer wirkt weiters an den HRZ-Verfahren nicht mit, um seine Abschiebung zu verhindern. Er verweigerte bis dato insb. die notwendigen Angaben zu seiner Identifizierung und behinderte über Jahre hinweg die Verfahren zur Erlangung eines HRZ für ihn, in dem er angab, es würden keine Dokumente zu seiner Identität existieren, obwohl seine Eltern sehr wohl über solche Dokumente verfügten. Weiters gab der BF wiederholt an staatenlos zu sein, beantragte aber dann die freiwillige Ausreise unter der Angabe Armenier zu sein nur um kurze Zeit später erneut anzugeben, staatenlos zu sein. Der BF tut dies um seine Abschiebung zu behindern bzw. zu erschweren. Weiters hat der BF bereits 2016 versucht sich seinem Verfahren zu entziehen und nach Deutschland weiterzureisen. § 73 Abs. 3 Z 1 FPG ist daher erfüllt.

Weiters bestand zum Zeitpunkt des Folgeantrags des BF im Oktober 2020 bereits seit geraumer Zeit eine ihm gegenüber durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme in Form der Rückkehrentscheidung vom März 2018. Die Tatsache, dass diese keinen positiven Zulässigkeitssauspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung enthält schadet dabei nach Ansicht des BVwG für die Erfüllung des Fluchtgefahrtatbestandes des § 76 Abs. 3 Z 5 FPG nicht, der somit ebenfalls erfüllt ist.

Der BF verfügt über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Die Mutter des BF ist aufgrund ihres unrechtmäßigen Aufenthalts ebenfalls von der Abschiebung bedroht, die sie letztlich nur durch einen Folgeantrag vorläufig verhinderte. Er hat in Österreich keinen gesicherten Wohnsitz mehr und ist keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen, er hat kein Einkommen und verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen.
§ 73 Abs. 3 Z 9 FPG ist daher ebenfalls fortgesetzt erfüllt.

Sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose haben bei dem Beschwerdeführer ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie einen Sicherungsbedarf ergeben. Der BF hat seine in diesem Fall besonders ausgeprägte Vertrauensunwürdigkeit und seine Unzuverlässigkeit durch sein unkooperatives Verhalten und seine ständig wechselnden Angaben über seine Staatsangehörigkeit bzw. Staatenlosigkeit demonstriert.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, 5 und 9 FPG vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.2.2 Zur Verhältnismäßigkeit

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich weder sozial noch familiär verankert. Er ist beruflich nicht verwurzelt und hat auch keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

Im Hinblick auf die Straffälligkeit des BF, die gemäß § 76 Abs. 2a FPG bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen ist, ist festzuhalten, dass der BF bereits neun Mal rechtskräftig im Bundesgebiet, überwiegend wegen Vermögendelikten wie schwerer bzw. gewerbsmäßiger Diebstahl und Diebstahl im Rahmen einer kriminellen Vereinigung verurteilt wurde. Der BF verübte viele dieser Delikte gemeinsam mit seinem Bruder und seinem Vater, zeigte aber auch, dass er vor Gewaltanwendung nicht zurückschreckt, da er auch wegen schwerer Körperverletzung und gefährlicher Drohung verur

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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