TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/2 W232 2236128-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.03.2021
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Entscheidungsdatum

02.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §18
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs4

Spruch


W232 2236128-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Simone BÖCKMANN-WINKLER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Kosovo, vertreten durch RA Mag. Michael-Thomas REICHENVATER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.09.2020, Zl. 791519401-200408452, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein kosovarischer Staatsangehöriger, stellte am 15.05.2020 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK „Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

2. Am 13.08.2020 langte ein Erhebungsbericht beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein, aus welchem hervorgeht, dass der Beschwerdeführer seit 25.04.2020 an einer bestimmten Adresse in Graz wohne, unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei und deshalb gemäß § 120 FPG 2005 angezeigt worden sei.

3. Am 25.08.2020 fand vor dem Bundesamt für Fredenwesen und Asyl eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers statt. Der Beschwerdeführer gab zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet zusammengefasst an, dass er seit Oktober 2014 immer in Österreich gewesen und er wegen illegalen Aufenthalts schon angezeigt worden sei. Grund des gegenständlichen Antrages sei, dass er seine Familie in Österreich habe und er bei dieser bleiben wolle. Er habe sich nicht ordnungsgemäß angemeldet, weil er nicht hätte abgeschoben werden wollen. In Österreich gefalle es ihm besser als im Kosovo. Seine Geschwister würden seinen Lebensunterhalt finanzieren, er kümmere sich um die Mutter, welche psychische Probleme habe.

4. Mit dem oben angeführten Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers vom 15.05.2020 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG werde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung werde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Außerlandesbringung insgesamt keinen Eingriff in das in Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens darstelle. Der Beschwerdeführer habe sich in Österreich zu einem Zeitpunkt niedergelassen, zu dem er nicht von einem dauerhaften Verbleib in Österreich ausgehen hätte dürfen. Er spreche und verstehe Deutsch auf niedrigem Niveau. Er habe noch nie in Österreich gearbeitet, aktuell kein offizielles Einkommen und lebe von den Zuwendungen seines Bruders und seiner Schwester. Der vorgelegte unverbindliche Arbeitsvorvertrag sei aufgrund der noch vorherrschenden Corona-Krise mit Vorbehalt anzusehen, zumal dieser eine gültige Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung voraussetze. Zudem habe der Beschwerdeführer den Vertrag durch seinen Bruder bekommen, weshalb davon auszugehen sei, dass es sich dabei um ein Gefälligkeitsschreiben handle, welches aufgrund der derzeit hohen Arbeitslosen- und prekären Arbeitgeberlage nicht als bindend anzusehen sei. Der Beschwerdeführer habe keinerlei Ausbildungen in Österreich absolviert, lediglich einen A2-Deutschkurs. Es sei nicht auszuschließen, dass sein Aufenthalt zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, zumal er auch keinen leistungspflichtigen Krankenversicherungsschutz besitze. Der Beschwerdeführer spreche nach wie vor die in seinem Heimatland gesprochene Sprache und habe dort auch Anknüpfungspunkte zu Verwandten. Der gestellte Antrag stelle eine Umgehungshandlung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes dar, da dem Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Antragstellung aus dem Ausland, wenn auch mit Mehraufwand und einer Wartezeit, offenstehe.

5. Mit Schreiben vom 21.08.2020 wurde gegen den genannten Bescheid Beschwerde erhoben, in welcher zusammengefasst vorgebracht wird, dass sich der Beschwerdeführer seit 2014/2015 durchgehend im Bundesgebiet aufhalten würde. Bei dem vorgelegten Arbeitsvorvertrag handle es sich um einen rechtlich bindenden Vertrag. Abschließend wurde darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer hingebungsvoll seine psychisch erkrankte Mutter pflegen würde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist kosovarischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest.

Mit Bescheid des damals zuständigen Bundesasylamtes vom 26.01.2010 wurde ein vom Beschwerdeführer gestellter Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen, ihm der Status des Asylberechtigten ebenso wie der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und diese Entscheidung mit einer Ausweisung in die Republik Kosovo verbunden. Am 02.02.2010 reiste der Beschwerdeführer freiwillig und selbstständig aus dem Bundesgebiet aus.

Der Beschwerdeführer hält sich nach eigenen Angaben (wieder) seit 2014/2015 durchgehend in Österreich auf. Im Zentralen Melderegister ist eine Hauptwohnsitzmeldung des Beschwerdeführers (seit der Abmeldung vom 02.02.2010) wiederum seit 25.04.2020 ersichtlich. Der Zeitpunkt der letztmaligen Einreise in das Bundesgebiet kann nicht bestimmt werden.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. In Österreich verfügt er über keinen Aufenthaltstitel. Der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers lag vor seiner letzten Einreise in das österreichische Bundesgebiet im Kosovo. Der Beschwerdeführer war berufstätig im Kosovo. Sein Vater und weitere Verwandten leben weiterhin im Kosovo. Die Mutter, ein Bruder und eine Schwester des Beschwerdeführers verfügen über einen unbefristeten Aufenthaltstitel („Daueraufenthalt – EU“) der Steiermärkischen Landesregierung. Der Beschwerdeführer wird finanziell von seinen Geschwistern unterstützt. Der Beschwerdeführer spricht etwas deutsch (Niveau A2) und hat einen Arbeitsvorvertrag in Vorlage gebracht.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat gemäß § 46 FPG 2005 unzulässig wäre.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in der Republik Kosovo:

Politische Lage

Letzte Änderung: 11.5.2020

Die am 15. Juni 2008 in Kraft getretene Verfassung sieht eine parlamentarische Demokratie mit Gewaltenteilung vor. Die politische Macht konzentriert sich beim Ministerpräsidenten. Ein umfassender Schutz der anerkannten Minderheiten ist gewährleistet (AA 19.4.2020). Durch die Verfassung als ethnische Minderheit anerkannt sind Serben, Roma, Ashkali, Ägypter, Türken, Bosniaken und Gorani (CIA 7.4.2020; vgl. GIZ 3.2020b). Im Parlament stehen diesen 20 von 120 Sitzen zu, wobei 10 Sitze für Repräsentanten der serbischen Minderheit reserviert sind (GIZ 3.2020a). Die Republik Kosovo ist international von mehr als 110 Staaten anerkannt, nicht jedoch von Serbien. Das ungeklärte Verhältnis zu Serbien behindert die Annäherung Kosovos an EU und NATO. Seit 2011 vermittelt die EU einen politischen Dialog zwischen den beiden Ländern mit dem Ziel einer ehestmöglichen und umfassenden Normalisierung der gegenseitigen Beziehungen. Inzwischen wurden mehrere wichtige Vereinbarungen erzielt, die zu einer deutlichen Entspannung geführt haben. In Kosovo sind einige internationale Missionen tätig: Die NATO-Mission KFOR mit ca. 3500 Soldaten, die EU-Rechtsstaatlichkeitsmission (EULEX), die Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen (UNMIK) sowie die OSZE-Mission (OmiK) (AA 19.4.2020).

Generell werden die Konsolidierung der Demokratie im Kosovo sowie deren Effizienz und Reaktionsfähigkeit im politischen Prozess durch eine Reihe von Faktoren wie beispielsweise eine mangelnde Rechenschaftspflicht der politischen Klasse untergraben. Die demokratischen Institutionen werden oftmals als undurchsichtig und wenig kooperativ in der Zusammenarbeit wahrgenommen. Trotzdem ist etwa ein Drittel der Bevölkerung mit Regierung und Parlament zufrieden. In den letzten vier Jahren konnte - wenngleich von einem niedrigen Niveau ausgehend - doch eine deutliche Verbesserung verzeichnet werden. Eine Umfrage der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) aus dem Jahr 2010 ergab, dass 75% der Kosovaren eine positive Einstellung zur Demokratie haben. Die hohe Zustimmung zur Demokratie hat unter den sozioökonomischen Veränderungen, dem Versöhnungsprozess der Regierung mit Serbien und den serbischen Gemeinden im Kosovo und den 2015 von der Opposition organisierten Straßenprotesten gelitten (BS 2020).

Am 5.10.2019 fanden im Kosovo vorgezogene Parlamentswahlen statt. Diese Wahl war erforderlich geworden, weil der amtierende Ministerpräsident und ehemalige UCK-Kommandeur Ramush Haradinaj wegen einer Vorladung zum Sondertribunal für Kriegsverbrechen in Den Haag vom Amt als Regierungschef zurückgetreten war (DS 7.10.2019; NZZ 7.10.2019). Die Wahlen wurden – bei einer Wahlbeteiligung von 44% - von den bisherigen Oppositionsparteien gewonnen. Den Kampf um den ersten Platz und damit um den Regierungsauftrag entschied mit knapp 25,6% der Stimmen die groß-albanische, nationalistische und EU-kritische Oppositionspartei Vetëvendosje (Selbstbestimmung) mit ihrem Spitzenkandidaten Albin Kurti, für sich. Dicht dahinter folgte mit 24,9% der Stimmen die moderat-konservative Demokratische Liga des Kosovo (LDK) mit ihrer Spitzenkandidatin Vjosa Osmani. Den dritten Platz belegte mit 21,1% die – von Staatspräsident Hashim Thaci dominierte - Demokratische Partei des Kosovo (PDK). Die Allianz für die Zukunft des Kosovo (AAK) des nur zwei Jahre amtierenden Ministerpräsidenten Ramush Haradinaj kam auf 11,6% der Stimmen (NZZ 7.10.2019; vgl. DP 7.10.2019).

Der Wahlausgang wurde als Signal gegen Korruption und Stillstand gewertet und bedeutete zunächst das Ende der langjährigen Dominanz der PDK von Staatspräsident Hashim Thaci über die kosovarische Politik (ORF 6.10.2019). Mehr als die Hälfte aller Stimmen konnten zwei Politiker auf sich vereinen, deren Karriere nicht in der UCK begann und die für einen klaren Bruch mit dem Klientelsystem des politischen Establishments stehen (NZZ 7.10.2019). Wie von Beobachtern erwartet, kam es zu einem Regierungsbündnis zwischen den nunmehr siegreichen bisherigen Oppositionsparteien unter Führung von Kurti und Osmani. Beide kündigten an, die grassierende Korruption bekämpfen und den Rechtsstaat stärken zu wollen (Spiegel 9.2.2020; vgl. DP 7.10.2019).

Nach nur etwa 50 Tagen im Amt wurde die Regierung von Ministerpräsident Albin Kurti per Misstrauensvotum gestürzt. Hintergrund war ein Streit um Verhandlungen mit Serbien, das die Unabhängigkeit des Kosovo bis heute nicht anerkennt (Standard 2.5.2020).

Während Kurti baldige Neuwahlen favorisierte, forderte Präsident Hashim Thaci die Bildung einer Einheitsregierung; dies hätte zu einer Regierungsbeteiligung der oppositionellen Demokratischen Partei des Kosovo, der PDK, führen können, jener Partei, die Thaci bis zur Übernahme der Präsidentschaft vor vier Jahren geleitet hatte (AA – 6.4.2020, vgl. BBC 26.3.2020).

Ein vorläufiges Dekret von Präsident Thaci, mit dem ein Politiker der Mitte-Rechts-Partei LDK den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten hatte, wurde jedoch vom Verfassungsgericht ausgesetzt, womit die Regierungsbildung bis zu einer endgültigen Gerichtsentscheidung nunmehr auf Eis liegt (Standard 2.5.2020).

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 11.5.2020

Ethische Spannungen konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Beziehungen zwischen der serbischen Minderheit und der albanischen Mehrheit. Zu differenzieren sind dabei die Beziehungen zu den im Norden in einem zusammenhängenen Gebiet lebenden Serben und jenen Serben, die im restlichen Kosovo in kleineren versprengten Gemeinden wohnen. Letztere unterhalten relativ gute Beziehungen zu den kosovo-albanischen Autoritäten und beteiligen sich an der gesellschaftspolitischen Ausgestaltung im Rahmen der kosovarischen Institutionen. Ganz anders ist hingegen die Situation im Nordkosovo. Die hier lebenden Serben weigern sich, die Unabhängigkeit des Kosovo und zum Teil die Institutionen des neu geschaffenen Staates anzuerkennen. Dementsprechend schwierig gestaltet sich die Zusammenarbeit. Besonders problematisch sind speziell Fragen der Grenze zwischen dem Kosovo und Serbien, zumal diese von den im Norden lebenden Serben nicht anerkannt wird (GIZ 9.2018a).

Somit bleibt die Lage im Norden des Kosovo (Gemeinden Zubin Potok, Leposavic, Zvecan und Nord-Mitrovica) angespannt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es auch künftig zu isolierten sicherheitsrelevanten Vorkommnissen kommt, die die allgemeine Bewegungsfreiheit einschränken (AA 2.5.2020).

Mit der Ausnahme des Nordkosovo gilt die Sicherheitslage allgemein als entspannt. Allerdings kann es zu punktuellen Spannungen kommen (GIZ 9.2018a).

In Pristina und anderen Städten des Landes kann es gelegentlich zu Demonstrationen und damit zu einer Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit kommen. In allen anderen Landesteilen Kosovos ist die Lage grundsätzlich ruhig und stabil. Teilweise gewalttätige Protestaktionen der Opposition gegen die Regierung haben sich seit dem ersten Halbjahr 2016 nicht mehr ereignet, das Potential für solche Proteste besteht aber weiterhin (AA 2.5.2020).

Eine Studie des angesehenen Kosovo Center for Security Studies zum Sicherheitsgefühl der Kosovaren aus dem Jahr 2018 ergab, dass sich 85,5% der Befragten in ihrem Zuhause (Wohnung, Haus), 78,8% in ihrer Stadt und 52,4% im Kosovo sicher fühlten. Albanische und nicht-serbische Minderheitenangehörige fühlen sich im Kosovo sicherer als Serben (KCSS 7.2019).

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 11.5.2020

Die gesetzgebende Gewalt wird vom kosovarischen Parlament ausgeübt, die exekutive Gewalt von der Regierung (Premierminister, Minister) und die richterliche Gewalt von den Gerichten, einschließlich des Obersten Gerichtshofs, der höchsten richterlichen Behörde, und des Verfassungsgerichts. Die Exekutive hat sich jedoch wiederholt (informell) in die Arbeit von Legislative und Judikative eingemischt und das Parlament wurde immer wieder dafür kritisiert, dass es sein verfassungsmäßiges Mandat zur Kontrolle der Regierung nicht ausübt. Die parlamentarischen Ausschüsse in der Versammlung wurden von der Exekutive ignoriert, wodurch ihre parlamentarische Kontrollfunktion wesentlich geschmälert wurde. Die Kontrolle und Ausgewogenheit der demokratisch gewählten Institutionen ist zwar formell festgelegt, in der Realität jedoch schwach und ineffizient (BS 2020).

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber diese Unabhängigkeit wird nach wie vor durch politische Autoritäten und ein hohes Maß an Korruption beeinträchtigt. EULEX und seine kosovarischen Pendants haben einige Fortschritte in Bezug auf Nachhaltigkeit, Rechenschaftspflicht, Freiheit von politischer Einmischung und Multiethnizität, einschließlich der Einhaltung europäischer Best Practices und internationaler Standards, erzielt. Dennoch hat eine 2016 durchgeführte Umfrage über die Wahrnehmung des Justizsystems durch die Bürger ergeben, dass nur 12,3% die Gerichte für unabhängig hielten, während 61,2% der Ansicht waren, dass Personen mit politischen Verbindungen weniger wahrscheinlich bestraft würden. 50,5% meinten, dass Justizbeamte Bestechungsgelder erhielten oder verlangten und nur 36% konnten jüngste Verbesserungen im Justizsystem feststellen, während 24,4% davon überzeugt waren, dass keine Verbesserungen erzielt wurden (BS 2020).

Die Effizienz bei der Fallbearbeitung hat sich verbessert, aber es gibt immer noch einen beachtlichen Rückstau an offenen Fällen. Ein Disziplinarverfahren gegen Richter und Staatsanwälte ist zwar vorhanden, aber ineffizient. Eine unabhängige staatliche Rechtshilfekommission stellt kostenlose Rechtshilfe für Personen mit niedrigen Einkommen zur Verfügung; diese ist jedoch nicht adäquat finanziert und funktioniert nicht wie vorgesehen. Bei Verletzung der Prozessrechte können sich Geschädigte an den Verfassungsgerichtshof wenden (USDOS 11.3.2020).

Die Verfahren werden nicht immer ordnungsgemäß abgewickelt. Nach Angaben der Europäischen Kommission, der NGOs und der Institution der Ombudsperson ist die Justizverwaltung langsam und es fehlen die Mittel, um die Rechenschaftspflicht der Justizbeamten zu gewährleisten. Die Justizstrukturen sind politischer Einflussnahme ausgesetzt, mit umstrittenen Ernennungen und unklaren Mandaten (USDOS 11.3.2020). Die lokale Rechtsprechung sieht sich Einflüssen von außen, v.a. seitens der Exekutive, ausgesetzt und sorgt nicht immer für faire Prozesse (FH 4.2.2019).

Im Laufe des Jahres 2019 förderte das Justizministerium Änderungen eines Gesetzes von 2010 über die disziplinarische Verantwortung von Richtern und Staatsanwälten, mit denen die Unparteilichkeit des kosovarischen Justizwesens erreicht werden sollte (USDOS 11.3.2020). Darüber hinaus wurden Register zur Erfassung von Beschwerden gegen Richter auf Ebene der Gerichte und des KJC, des „kosovarischen Justizrates“, fertiggestellt und allen Gerichten zur Überprüfung übergeben. Im Einklang mit der Disziplinarordnung wählte die KJC 70 von den Gerichtspräsidenten empfohlene Richter für die Mitgliedschaft in Gremien aus, die für die Untersuchung von Disziplinarbeschwerden zuständig sind. Ihr Mandat ist gestaffelt, um Kontinuität zu gewährleisten: 25 Richter wurden nach dem Zufallsprinzip für eine Amtszeit von einem Jahr, 23 für eine zweijährige und 22 für eine dreijährige Amtszeit ausgewählt. Jährlich sollen neue Mitglieder ausgewählt werden, um eine volle Besetzung von 70 zu gewährleisten. Seit Inkrafttreten des neuen Disziplinarverfahrens sind bei den Gerichtspräsidenten als den zuständigen Behörden 75 Beschwerden gegen Richter eingegangen; der kosovarische Justizrat setzte ein entsprechendes Untersuchungsgremium ein (USDOS 11.3.2020).

Manchmal versäumen es die Behörden, gerichtlichen Anordnungen u.a. auch des Verfassungsgerichts nachzukommen, insbesondere wenn die Urteile Minderheiten begünstigen, wie in zahlreichen Fällen der Rückgabe von Eigentum an Kosovo-Serben. Keiner der Beamten, die 2019 an der Nichtumsetzung von Gerichtsbeschlüssen beteiligt waren, wurde sanktioniert (USDOS 11.3.2020).

Das Gesetz sieht faire und unparteiische Verfahren vor und trotz gravierender Mängel im Justizsystem wie etwa politischer Einmischung, wird das Recht im Allgemeinen umgesetzt. Die Prozesse sind öffentlich, die Angeklagten haben ein Recht auf die Unschuldsvermutung, auf unverzügliche Information über die gegen sie erhobenen Anklagen und auf ein faires, öffentliches Verfahren, bei dem sie sich in ihrer Muttersprache an das Gericht wenden können. Sie haben das Recht, zu schweigen oder sich der Aussage zu entschlagen, Beweise einzusehen, einen eigenen Rechtsbeistand zu haben und gegen Urteile zu berufen. Das Kosovo wendet keine Geschworenenprozesse an (USDOS 11.3.2020).

Die "Free Legal Aid Agency“ (FLAA) ist von der Regierung beauftragt, Personen mit niedrigem Einkommen kostenlosen Rechtsbeistand zu gewähren und führt entsprechende Kampagnen durch, die sich an benachteiligte und marginalisierte Gemeinschaften richteten. Im Mai 2019 finanzierten die Vereinten Nationen das Zentrum für Rechtshilfe, welches über NGOs Frauen kostenlosen Rechtsbeistand in Fällen wie der Überprüfung von Eigentumsrechten, Klagen wegen sexueller Gewalt und Rentenansprüchen aus Serbien garantiert (USDOS 11.3.2020).

Kosovo befindet sich in einem Frühstadium in Bezug auf die Anwendung des aquis communautaire und europäischer Standards im Justizbereich. Ein gewisses Ausmaß an Fortschritt wurde erreicht, unter anderem bei der Untersuchung hochrangiger Korruptionsfälle. Korruption ist dennoch weit verbreitet und bleibt ein problematischer Themenbereich. Die Verabschiedung verschiedener Rechtsdokumente im Bereich Korruptionsbekämpfung stellt einen wichtigen Schritt dar, wesentlich ist nun die konsequente Umsetzung (EC 29.5.2019).

Am 8.6.2018 hat der Rat beschlossen, das Mandat der Rechtsstaatlichkeitsmission der EU, EULEX Kosovo, neu auszurichten. Die Mission hatte seit ihrer Einrichtung vor 10 Jahren zwei operative Ziele: das Ziel der Beobachtung, Anleitung und Beratung durch Unterstützung der Rechtsstaatlichkeitsinstitutionen des Kosovo und des Dialogs zwischen Belgrad und Pristina und zweitens ein exekutives Ziel, nämlich die Unterstützung verfassungs- und zivilrechtlicher gerichtlicher Entscheidungen sowie strafrechtlicher Ermittlungen und gerichtlicher Entscheidungen in ausgewählten Strafsachen. Mit dem Beschluss wird der justizielle exekutive Teil des Mandats der Mission beendet und das Kosovo nimmt nun die Verantwortung für alle übertragenen Ermittlungen, Strafverfolgungen und Gerichtsverfahren wahr. Seit dem 14.6.2018 konzentrierte sich EULEX darauf, ausgewählte Fälle und Gerichtsverfahren in den Straf- und Zivilrechtsinstitutionen des Kosovos zu beobachten, den Justizvollzugsdienst des Kosovos zu beobachten, anzuleiten und zu beraten und die operative Unterstützung für die Umsetzung der von der EU geförderten Dialogvereinbarungen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo fortzusetzen. Der Ratsbeschluss sieht vor, dass das überarbeitete Mandat bis zum 14.6.2020 gilt (REU 8.6.2018).

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung: 11.5.2020

Die innere Sicherheit der Republik Kosovo beruht auf drei Komponenten: der Kosovo Polizei (KP), den unterstützenden internationalen EULEX-Polizeikräften (EU-Rechtstaatlichkeitsmission, Anm.) und den KFOR-Truppen (mit 3.500 Soldaten) (AA 21.3.2019).

Als eine ihrer Operationslinien unterstützt die KFOR Aufbau und Training der multiethnischen und zivil kontrollierten, leicht bewaffneten Sicherheitskräfte „Kosovo Security Force“ (KSF), die nach dem bisherigen Gesetzesrahmen nicht mehr als 2.500 Mitglieder und maximal 800 Reservisten hatten. Die KSF übernimmt derzeit primär zivile Aufgaben wie Krisenreaktion, Sprengmittelbeseitigung und Zivilschutz. Das am 14.12.2018 mit überwältigender parlamentarischer Mehrheit verabschiedete Gesetzespaket zur Transition in reguläre, defensiv ausgerichtete Streitkräfte unterwirft die KSF einem 10-jährigen Übergangsprozess, an dessen Ende ca. 5.000 leicht bewaffnete Defensivkräfte stehen sollen. Die kosovarische Regierung hat der NATO gegenüber schriftlich die volle Transparenz des Prozesses, die Bewahrung des multiethnischen Charakters der KSF sowie das Festhalten an den Bedingungen von UNSCR 1244 und dem KFOR-Mandat bekundet (AA 21.3.2019).

Die Polizei (Kosovo Police, KP) hat derzeit eine Stärke von ca. 9.000 Personen. Der Frauenanteil in der KP beträgt 14%; der Anteil der Angehörigen von Minderheiten liegt bei 16%. EULEX-Polizisten beraten und unterstützen Polizeidienststellen im gesamten Land. Für die parlamentarische Kontrolle der Sicherheitskräfte ist im Parlament der Ausschuss für Inneres, Sicherheitsfragen und Überwachung der KSF zuständig (AA 21.3.2019). Weiterhin sollen die Polizeistrukturen im Kosovo vereinheitlicht und Mitglieder serbischer Sicherheitskräfte in die kosovarische Polizei integriert werden. Die Polizeikräfte im serbischen Norden sollen die Bevölkerungsverhältnisse widerspiegeln und unter Führung eines kosovo-serbischen Regionalkommandanten stehen (GIZ 3.2020a). Es gibt 436 Polizeibeamte (Angehörige der KP) pro 100.000 Einwohner. Dies übertrifft den EU-Durchschnitt, der sich im Jahr 2016 gemäß Eurostat auf 318 Beamte belief. Die Polizei ist relativ gut ausgebildet und ausgerüstet. Sie verfügt über moderne IT-Infrastruktur. Die „Kosovo Academy for Public Safety“ gewährleistet eine gute Ausbildung für Polizeibeamte und andere Angehörige des Sicherheitsapparats (Zollbeamte, Beamte des Strafvollzugs) sowohl im Bereich der Grundausbildung als auch im Bereich der berufsbegleitenden Weiterbildung. Die Kapazität der Polizei zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist gut, jedoch unterliegt die Polizei immer noch Korruption und politischem Druck (EC 29.5.2019).

Allgemeine Menschenrechtslage

Letzte Änderung: 11.5.2020

Das Bekenntnis zu unveräußerlichen Menschenrechten ist in der Verfassung verankert. Nach Art. 22 der Verfassung gelten viele internationale Menschenrechtsabkommen unmittelbar und haben Anwendungsvorrang. Seit November 2000 gibt es die Einrichtung einer Ombudsperson, die für alle Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen oder Amtsmissbrauch durch die zivilen Behörden im Kosovo zuständig ist, Hinweisen auf Menschenrechtsverletzungen nachgeht und in einem Jahresbericht an das Parlament Empfehlungen für deren Behebung gibt. Im Juli 2015 hat das Parlament ein neues Gesetz zur Ombudsperson verabschiedet, das die Ombudsperson zum nationalen Präventionsmechanismus (NPM) ernannt und die Unabhängigkeit dieser Institution und ihre Rolle als unabhängiger Beobachter und Hüter der Grundrechte und Grundfreiheiten im Kosovo gestärkt hat (AA 21.3.2019).

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen garantieren den Schutz der Menschenrechte sowie der fundamentalen Rechte gemäß europäischen Standards. Es sind jedoch weitere Anstrengungen zur Durchsetzung nötig. Die Anwendung der menschenrechtlichen Gesetzgebung und Strategien wird oft durch unzureichende finanzielle Mittel oder Mangel an anderen Ressourcen, durch fehlende politische Priorisierung und schlechte Koordination unterminiert. Die existierenden Mechanismen zur Koordination und Implementierung von Menschenrechten sind ineffizient. Es besteht eine starke Abhängigkeit von ausländischen Gebern (EC 25.2.2019).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Letzte Änderung: 11.5.2020

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind durch die kosovarische Verfassung garantiert (AA 21.3.2019; vgl. USDOS 11.3.2020) und werden im Allgemeinen von der Regierung, EULEX und KFOR gewährleistet. Demonstrationen werden allerdings aus Sicherheitsgründen gelegentlich eingeschränkt (BS 2020).

Die politische Opposition wurde in ihrer Betätigung nicht eingeschränkt (AA 21.3.2019).

In den meisten Teilen des Landes operieren die politischen Parteien frei und es gibt keine nennenswerten Hindernisse für deren Registrierung. In den kosovo-serbischen Mehrheitsbezirken berichteten oppositionelle und unabhängige Kandidaten, dass Druck ausgeübt worden wäre, sich von den Wahlen zurückzuziehen, und von Druck auf die Wähler, die Srpska-Liste zu unterstützen. Vertreter der kosovo-serbischen Opposition berichteten von Gewaltandrohungen während der Bürgermeisterwahlen am 19. Mai von Anhängern der Srpska-Liste und der serbischen Regierung. Die Parteizugehörigkeit spielt oft eine Rolle beim Zugang zu staatlichen Diensten und sozialen und Beschäftigungsmöglichkeiten (USDOS 11.3.2020).

Bereits 2015 und 2016 haben die damaligen Oppositionsparteien Vetevendosje!, AAK und NISMA die Arbeit des Parlaments massiv blockiert. Ein beliebtes Mittel war dabei der Einsatz von Tränengas, welches von einzelnen Mitgliedern der Opposition in das Parlament geschmuggelt und dort gezündet wird. Aber auch Eier wurden wiederholt auf Regierungsmitglieder geworfen. Die kosovarische Justiz hat in diesem Zusammenhang mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet. Hintergrund des Protests sind, nach Aussage der Opposition, zwei Abkommen welche die kosovarische Regierung mit den Nachbarländern Montenegro und Serbien geschlossen hat (GIZ 3.2020a). Von ebenso großer Relevanz ist das Abkommen mit Serbien, welches die Bildung einer Gemeinschaft (serb. zajednica) der serbischen Gemeinden im Kosovo regelt, womit eine Übertragung bestimmter Kompetenzen an die Gemeinschaft verbunden ist. Vetevendosje! fordert von der Regierung eine Annullierung dieses Abkommens. Bei Protesten, an denen sich auch Teile der Zivilgesellschaft beteiligten, versammelten sich schätzungsweise bis zu 40.000 Kosovaren, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen. Ein Großteil der Proteste verlief friedlich (GIZ 3.2020a).

Im Jänner 2018 wurde der prominente kosovo-serbische Politiker Oliver Ivanovi? bei einem Attentat in Nord-Mitrovica erschossen. Die Hintergründe des Mordes sind bis dato nicht aufgeklärt. Die von der EU vermittelten Normalisierungsgespräche zwischen Vertretern der kosovarischen und serbischen Regierung wurden vorübergehend ausgesetzt. Ivanovi? galt als einer der wichtigsten Politiker in Kosovo, der sich um den Ausgleich zwischen Kosovo-Serben und Kosovo-Albanern bemühte (GIZ 3.2020a; vgl. SZ 16.1.2018).

IDPs und Flüchtlinge

Letzte Änderung: 11.5.2020

Laut UNHCR waren nach dem Krieg 90.000 Personen aufgrund des Krieges als intern vertrieben registriert. 8.367 Personen, hauptsächlich Kosovo-Serben, ließen sich bei UNHCR für eine Rückkehr in den Kosovo registrieren. Die Regierung veröffentlichte keine Informationen über die Anzahl der Personen, die tatsächlich im Laufe des Jahres 2019 in das Land zurückgekehrt sind; allerdings berichtete das Ministerium für Gemeinden und Rückkehrer, dass 2019 bis Juni 57 Personen, zumeist Kosovo-Serben, an ihren Herkunftsort im Land zurückgekehrt waren. Zu den Hindernissen für die Rückkehr gehörten fehlende Landzuweisungen für den Wiederaufbau von Wohnungen, fehlende wirtschaftliche Perspektiven und gesellschaftliche Diskriminierung. Im Laufe des Jahres genehmigte das Ministerium für Gemeinden und Rückkehrer den Bau von 108 Häusern für Rückkehrer serbischer, aschkalischer, romanischer und balkan-ägyptischer Ethnizität. Im Jahr 2018 und im Laufe des Jahres stellte die Regierung mehr als 3,5 Millionen Dollar für den Wohnungsbau für alle nicht-serbischen ethnischen Gemeinschaften zur Verfügung, mit Ausnahme der Gorani, die im Einvernehmen mit den ethnisch-serbischen Mitgliedern der Versammlung eine Fraktion bilden. Die Regierung fördert die sichere und freiwillige Rückkehr der Vertriebenen. Über das Ministerium für Gemeinschaften und Rückkehr fördert sie eine Politik und den Schutz von Binnenvertriebenen im Einklang mit der EU-Politik und arbeitet mit einheimischen und internationalen Organisationen zusammen, um den Binnenvertriebenen Zugang zu ihrem Eigentum und den Instrumenten für ihre nachhaltige Rückkehr zu gewährleisten. Dazu gehören Hilfe bei der Wiederinbesitznahme von Eigentum, Landzuweisungen für den Wohnungsbau und verbesserte sozioökonomische Aussichten (USDOS 13.3.2019).

Exkurs: Asylsystem

Letzte Änderung: 11.5.2020

Obwohl die Asylfälle zugenommen haben, ist der Kosovo weitgehend ein Transitland, und die Asylsuchenden verlassen das Land in der Regel ohne an ihren Anhörungen teilzunehmen (USDOS 11.3.2020). Asylbewerber werden mit Fingerabdruck erfasst und in einer in dem Ort Sllatina neu erbauten Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht. Sie erhalten Identifikationskarten, Lebensmittel, Kleidung, Hygieneartikel und eine kostenlose medizinische Versorgung. Sie können zudem eine rechtliche Beratung in Anspruch nehmen (AA 21.3.2019). Die steigende Zahl der Asylsuchenden hat die Kapazitäten des Landes bislang nicht überfordert (USDOS 11.3.2020).

Asylsuchende erhalten eine Unterkunft, regelmäßige Mahlzeiten und Kleidung, während UNHCR-Partnerorganisationen psychologische Gutachten, Beratungsdienste und Rechtshilfe anbieten. Der Mangel an Dolmetscherdiensten für mehrere Amtssprachen sowohl auf zentraler als auch auf lokaler Ebene bleibt ein Problem. Laut UNHCR sind die medizinische Versorgung und die psychologische Behandlung nach wie vor unzureichend. Die Regierung gewährt Personen, die sich möglicherweise nicht als Flüchtlinge qualifizieren, subsidiären Schutz. Die Aufnahmeeinrichtungen des Asylzentrums können Kinder aufnehmen, doch fehlt es der Einrichtung an Standardarbeitsanweisungen für die Behandlung unbegleiteter minderjähriger Asylwerber und für die Bestimmung ihrer Asylberechtigung (USDOS 13.3.2019).

Die Nationalversammlung verabschiedete im Mai 2018 ein neues Asylgesetz. Zusätzlich zu den bereits existierenden gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf Gewährung von Asyl oder Flüchtlingsstatus regelt das Gesetz den temporären Aufenthalt von Asylwerbern während ihre Fälle rechtlich beurteilt werden (USDOS 13.3.2019).

In den Jahren 2013-2017 wurden in der Republik Kosovo insgesamt 691 Asylsuchende registriert (GAM 12.2018). Laut Statistik des kosovarischen Innenministeriums wurden im Jahr 2019 insgesamt 2.081 Asylsuchende gezählt, die zum überwiegenden Teil aus Syrien, dem Irak und Marokko kamen (MoI o.D.).

Grundversorgung

Letzte Änderung: 11.5.2020

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Das Warenangebot entspricht in der Auswahl (nicht immer in der Qualität) westeuropäischen Standards. Die Sozialhilfe bewegt sich auf niedrigem Niveau. Sozialleistungen reichen zur Befriedigung der Grundbedürfnisse kaum aus. Das wirtschaftliche Überleben sichert in der Regel zum einen der Zusammenhalt der Familien, zum anderen die im Kosovo ausgeprägte zivilgesellschaftliche Solidargemeinschaft. Im Jahr 2017 erhielten 26.111 Familien bzw. 106.649 Personen Sozialhilfe (AA 21.3.2019).

Obwohl das Wirtschaftswachstum des Kosovo in den letzten zehn Jahren besser war als das seiner Nachbarn und weitgehend integrativ, reichte es nicht aus, um genügend formelle Arbeitsplätze, insbesondere für Frauen und Jugendliche, bereitzustellen oder die hohen Arbeitslosenquoten deutlich zu senken. Das Wachstumsmodell stützt sich in hohem Maße auf Überweisungen, um den Binnenkonsum anzukurbeln, hat sich aber in jüngster Zeit auf ein stärker investitions- und exportgetriebenes Wachstum verlagert (WB o.D.).

Die kosovarische Wirtschaft wuchs in der Zeit nach der globalen Finanzkrise beständig über dem Durchschnitt des Westbalkans, wenn auch von einer niedrigen Basis aus. Das Pro-Kopf-BIP stieg von 1.088 US-Dollar im Jahr 2000 auf 4.458 US-Dollar im Jahr 2019. Trotz dieses Anstiegs des Pro-Kopf-Einkommens in den letzten 20 Jahren ist das Kosovo gemessen am Pro-Kopf-BIP nach wie vor das drittteuerste Land in Europa. Das jährliche Wachstum wird auf vier Prozent geschätzt, angetrieben durch den Konsum, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich, und durch Dienstleistungsexporte. Das Leistungsbilanzdefizit fiel von 7,6% des BIP im Jahr 2018 auf 5,5% im Jahr 2019, da sich das Importwachstum verlangsamte. Die Erwerbsbeteiligung ist mit durchschnittlich 40,5% der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter im Jahr 2019 nach wie vor chronisch niedrig. Die Arbeitslosenquote sank um 3,9 Prozentpunkte auf 25,7%. Die Staatsverschuldung ist gering, hat aber in den letzten Jahren rasch zugenommen. Die öffentliche und staatlich garantierte Verschuldung wird für Ende 2019 auf 17,7% des BIP geschätzt und ist damit die niedrigste auf dem Westbalkan, was dem Land Raum für die Aufnahme von Krediten zu Vorzugsbedingungen für produktive Investitionen mit einer hohen Rendite bietet. Der von den Banken dominierte Finanzsektor im Kosovo ist gesund und solide. Sowohl Kredite als auch Einlagen nahmen weiter zu (WB 2020).

Die kosovarische Wirtschaft leidet an einer unzureichenden Infrastruktur. Während es in den letzten Jahren zwar deutliche Verbesserungen hinsichtlich der Verkehrsinfrastruktur, v.a. beim Ausbau des Autobahnnetzes gegeben, hat, stellt die instabile Energieversorgung weiterhin ein schwerwiegendes Entwicklungsproblem dar. Problematisch ist auch die politische Instabilität mit häufigen Regierungswechseln und fehlender entwicklungsorientierter Wirtschaftspolitik. Das Wirtschaftssystem weist klare Charakteristika politischer Patronage auf, mit der Dominanz des öffentlichen Sektors. Dazu gehören einerseits die öffentliche Verwaltung, in der - basierend auf einer parteipolitisch motivierten Personalpolitik - extrem hohe Gehälter bezahlt werden, und andererseits ineffiziente, politisch kontrollierte öffentliche Unternehmen bei gleichzeitig schleppend voranschreitender Privatisierung. Hinzu kommt ein schwacher Rechtsstaat mit einer schwachen und politisierten Justiz und Polizei, teils kriegsbedingt noch immer unklaren Eigentumsverhältnissen, der mangelnden auch wirtschaftlichen Kontrolle über Teile des kosovarischen Territoriums, in erster Linie der vier mehrheitlich serbisch bewohnten Gemeinden im Norden, sowie das Problem grassierender, systematischer Korruption (GIZ 3.2020c).

Vor diesem Hintergrund blüht weiterhin ein substantieller informeller Wirtschaftssektor, welcher marktwirtschaftliche Regeln unterläuft, Arbeiterrechte und den Sozialstaat aushöhlt. Die EU-Kommission schätzte 2019 den Anteil der Schattenwirtschaft am Bruttosozialprodukt auf 30%. Das extreme Handelsbilanzdefizit macht Kosovo in hohem Maße von ausländischer Hilfe und Überweisungen abhängig. Der Anteil der informellen Wirtschaftsleistung ist immens – schätzungsweise zwischen 27% und 45%. Weitere Probleme sind die unzureichende Infrastruktur (Energie, Wasser und Verkehr), ungelöste rechtliche Verhältnisse, mangelnde Transparenz, Korruption, Kriminalität, etc. (GIZ 3.2020c).

Kosovos Arbeitslosenquote belief sich laut nationalem Statistikamt im Jahr 2019 auf 25,70% (gegenüber 29,60% im Jahr 2018). Dies ist der geringste Wert, der seit zwanzig Jahren gemessen wurde (CEIC 2.4.2020; vgl. WB 2020). Trotzdem bleibt die Arbeitslosigkeit mit einer Zahl von ca. 130.000 Unbeschäftigten Ende 2019 eines der zentralen Probleme. Der Arbeitsmarkt im Kosovo ist geprägt durch eine niedrige Erwerbsbeteiligung (Beschäftigungsqoute Ende 2019: 30,7%), ein hohes Maß an langfristiger Arbeitslosigkeit (über 70% aller Arbeitslosen) und Jugendarbeitslosigkeit (Jugendarbeitslosigkeitsquote 2019, Q4: 49,1%) sowie durch erhebliche Genderdisparitäten (Frauenbeschäftigungsquote 2016, Q4: 22,4%, gegenüber einer Männerbeschäftigungsquote von 60,2%). Im Kosovo existiert allerdings ein sehr ausgedehnter informeller, nicht von der Statistik erfasster Sektor, welcher z. B. einen Großteil der Frauen umfasst, die in Subsistenzwirtschaften Leistungen im Agrarsektor erbringen. Folgen der Informalität sind Einnahmeeinbußen bei den Sozialabgaben sowie ein Mangel an sozialer und arbeitsrechtlicher Absicherung der Arbeitnehmer. Eine staatliche Arbeitslosenversicherung existiert im Kosovo nicht. Jährlich drängen ungefähr 36.000 junge Arbeitssuchende neu auf den Arbeitsmarkt, von denen nur ein geringer Teil absorbiert werden kann. Für die überwiegende Mehrheit bleibt daher eine der folgenden Optionen: (weiterführende) Aus- und Weiterbildung, Studium, Arbeitslosigkeit, informelle Beschäftigung oder Migration. Etwa ein Drittel aller jungen Kosovaren geht weder einer Schulbildung, Ausbildung oder Beschäftigung nach. Die Arbeitgeber bemängeln, dass der Ausbildungsstand der jungen Kosovaren nicht den Bedürfnissen der Unternehmen nach qualifizierten Arbeitskräfte entspricht. Hieraus resultiert das Paradoxon der Gleichzeitigkeit von hoher Arbeitslosigkeit und unbesetzter Arbeitsstellen. Ein weiteres Problem ist, dass die ökonomischen und sozialen Statistikdaten immer noch unvollständig und Teils von mangelnder Qualität sind, was sowohl die Bewertung der effektiven Wirtschaftsentwicklung beeinträchtigt als auch die wirtschafts- und sozialpolitische Planung (GIZ 3.2020c).

Etwa 18% der kosovarischen Bevölkerung leben in absoluter Armut (täglich verfügbares Einkommen geringer als € 1,72) und 5,2% in extremer Armut (€ 1,20). Obwohl die einzelnen Studien und Armutsberichte nicht direkt vergleichbar sind, gibt es Hinweise dafür, dass sich das Ausmaß der Armut im Kosovo in den letzten zehn Jahren leicht reduziert hat. Armutsgefährdung korreliert stark mit Ethnizität (insbesondere die Gruppen der RAE (Roma, Ashkali, Ägypter) – Minderheiten sind von Armut überproportional stark betroffen), Alter (Kinder), Bildung (Geringqualifizierte), Geographie und Haushaltsgröße (große Familien, sowie Familien mit weiblichem Haushaltsvorstand). Der Lebensstandard ist im Kosovo sehr ungleich verteilt, mit Unterschieden in der durchschnittlichen Lebenserwartung von bis zu 10 Jahren zwischen einzelnen Gemeinden. Ein konsistentes geographisches Muster lässt sich jedoch nicht feststellen. Ein bedeutender Teil der Gesellschaft ist als mehrdimensional arm zu bezeichnen: Neben dem Mangel an pekuniären Ressourcen ist der Zugang zu sozialer Infrastruktur bzw. die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse, wie z. B. fließendes Wasser, für viele Menschen begrenzt. Der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel und der Ausgaben für Wohnraum an den gesamten Konsumausgaben eines Haushalts liegt im Kosovo im Durchschnitt bei 73%, die Ausgaben für Bildung und Gesundheit entsprechen 4% der gesamten Konsumausgaben. Der Human Development Index für Kosovo liegt laut dem Human Development Report Kosovo 2016 bei 0.741 (2015), was eine deutliche Steigerung gegenüber 2011 (0.713) bedeutet, jedoch einen der niedrigsten Werte in der Region darstellt (GIZ 3.2020b).

Sozialbeihilfen

Letzte Änderung: 11.5.2020

Die Leistungsgewährung von staatlichen Sozialhilfeleistungen für bedürftige Personen erfolgt auf Grundlage des Gesetzes No. 2003/15. Jede Gemeinde verfügt über ein Zentrum für Soziales. Angehörige der Minderheiten werden zusätzlich von den in jeder Gemeinde eingerichteten Büros für Gemeinschaften und Rückkehrer (Municipal Office for Communities and Return, MOCR) betreut. Die Freizügigkeit wird für Sozialhilfeempfänger nicht eingeschränkt. Für den weiteren Sozialhilfebezug ist in der Kommune des neuen Wohnortes ein entsprechender Antrag zu stellen. Die Sozialhilfe bewegt sich auf niedrigem Niveau. Sozialleistungen reichen zur Befriedigung der Grundbedürfnisse kaum aus. Das wirtschaftliche Überleben sichert in der Regel zum einen der Zusammenhalt der Familien, zum anderen die in Kosovo ausgeprägte zivilgesellschaftliche Solidargemeinschaft. Im Jahr 2017 erhielten 26.111 Familien bzw. 106.649 Personen Sozialhilfe (AA 21.3.2019).

Das Gesetz über die soziale Grundsicherung umfasst zwei Kategorien von Leistungsempfängern. Kategorie I definiert Familien als Leistungsempfänger, in denen alle Familienmitglieder temporär oder dauerhaft dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, z.B. Kinder bis 14 Jahre, Jugendliche bis 18 Jahren, sofern diese in das Bildungssystem integriert sind, Alleinerziehende mit mindestens einem Kind unter 15 Jahren, Personen mit schwerer und dauerhafter Behinderungen über 18 Jahre, ältere Personen über 65 Jahre. Kategorie II umfasst jene Familien, in denen mindestens ein Familienmitglied dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht und in denen mindestens ein Kind jünger als 5 Jahre bzw. ein/e Waise jünger als 15 Jahre versorgt wird. Die Leistungen aus beiden Kategorien sind an strenge Bedürftigkeitsprüfungen gebunden. Die monatliche Unterstützungsleistung variiert von € 50 für eine einzelne Person bis zu maximal € 150 für eine Familie mit sieben oder mehr Mitgliedern, was einer Lohnersatzquote von 11.2% (Einzelperson) entspricht. 2018 empfingen ca. 25.300 Familien mit ca. 103.409 Familienmitgliedern Sozialhilfe, ein Bevölkerungsanteil von 6%. Die Gesamtaufwendungen sind mit ca. € 32.9 Mio. bzw. einem Anteil von 0.5% des BIPs gering. Im Kosovo gibt es zwei spezielle Institutionen, die sich auf die Versorgung von Erwachsene mit psychischen Erkrankungen (in Shtime) bzw. auf die Versorgung älterer Menschen (in Prishtina) spezialisiert haben. Daneben wurden jüngst fünf kommunale Einrichtungen für Menschen mit geistiger Behinderung sowie Einrichtungen für ältere Menschen eröffnet. Die Institutionen in Shtime und Prishtina wurden in der Vergangenheit wiederholt mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht (GIZ 3.2020b).

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 11.5.2020

Die mangels eines öffentlichen Krankenversicherungssystems weiterhin staatlich finanzierte medizinische Grundversorgung der Bevölkerung ist auf drei Ebenen organisiert: Die erste Ebene umfasst die hausärztliche Grundversorgung, insgesamt 422 Praxen und regionale Gesundheitszentren (GIZ 3.2020b; vgl. AA 21.3.2019). In letzteren werden Patienten durch Ärzte für Allgemeinmedizin sowie durch weitere Fachärzte, wie Ärzte für Pädiatrie, Dermatologie, Ophthalmologen, Gynäkologen und Zahnärzte behandelt. Zur Beseitigung des Personalmangels wurde im Jahr 2017 das Personal der primären Erstversorgung umfangreich aufgestockt. Die ambulant Grundversorgung durch Allgemeinmediziner und andere Fachärzte sowie medizinisches Assistenzpersonal erfolgt in sogenannten Familien-Gesundheitszentren. Diese Gesundheitszentren werden in Verantwortung der jeweiligen Gemeinden betrieben; die Finanzierung der erforderlichen Sachmittel erfolgt durch die Gemeinden, jene der Personalkosten aus staatlichen Mitteln des Gesundheitsministeriums (AA 21.3.2019).

Die staatliche sekundäre Versorgung beinhaltet die ambulante und stationäre Gesundheitsversorgung in den Regionalkrankenhäusern in Ferizaj/Urosevac, Gjakova/Djakovica, Gjilan/Gnjilane, Mitrovica-Nord und -Süd, Peja/Pec, Prizren und Vushtrri/Vucitrn (GIZ 3.2020b; vgl. AA 21.3.2019). Die tertiäre Gesundheitsversorgung wird durch die Universitätsklinik Pristina sowie staatliche Institute gewährleistet, die umfassende, auch komplexe medizinische Dienstleistungen anbieten. Gleichzeitig ist die Universitätsklinik für die sekundäre Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung der Region Pristina zuständig und wird dementsprechend stark frequentiert. Die Bettenkapazität zur stationären Behandlung von Patienten in den Krankenhäusern ist ausreichend (AA 21.3.2019).

Die Zahl der lizenzierten privaten Krankenhäuser in Kosovo belief sich 2019 auf 23. Die Nachfrage nach (lebenswichtigen) Medikamenten kann, trotz Verbesserungen in den letzten Jahren, nicht vollständig befriedigt werden, was einen Nährboden für die Entwicklung schwarzer und grauer Märkte bietet. Kosovo und Albanien besitzen die höchste Rate an intra-Krankenhaus-Infektionen im europäischen Vergleich, was insbesondere auf hygienische Probleme zurückzuführen ist. Die medizinische Infrastruktur im Kosovo bleibt trotz erheblicher Investitionen lückenhaft. Zusammen mit dem Mangel an medizinischem Fachwissen führt dies zum Problem, dass bestimmte Krankheiten (z. B. Leukämie, Nierenversagen) im Kosovo nicht behandelt werden können. Ein effizientes Informationsverarbeitungssystem fehlt gänzlich. Die Doppelfunktion von medizinischem Personal, welches gleichzeitig in öffentlichen und privaten Institutionen beschäftigt ist, führt zu substantiellen Interessenkonflikten. Entscheidungen über die Budgetverteilung scheinen zuweilen klar politisch motiviert zu sein und sind kaum evidenzbasiert. Schließlich erschweren die finanziellen Barrieren den Zugang zum Gesundheitssystem, was gravierende Ungleichheiten zur Folge hat. Wohlhabende Patienten fragen in zunehmendem Maße Leistungen privater Anbieter nach und/oder nutzen das Angebot (privater) medizinischer Akteure im Ausland (GIZ 3.2020b).

Bereits im Dezember 2012 wurde ein Gesetz zur Reform des Gesundheitssystems verabschiedet, im April 2014 ergänzend das Gesetz über die Krankenversicherung. Das Krankenversicherungsgesetz sieht eine staatliche, für alle kosovarischen Bürger obligatorische Krankenversicherung vor. Viele Einzelheiten sind aber nach wie vor ungeklärt. Die Implementierung der Krankenversicherung wird deshalb immer wieder verschoben.. Eine sofortige Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung nach Einführung des öffentlichen Krankenversicherungssystems wird derzeit als nicht realistisch eingestuft (AA 21.3.2019).

Als Folgen der andauernden Unterfinanzierung der Budgets sind staatlich finanzierte Basismedikamente der Essential Drug List sowie Zytostatika zur Behandlung von Tumorerkrankungen für berechtigte Empfänger nur selten kostenlos erhältlich. In der Realität können staatlicherseits Basis-Medikamente der Essential Drug List nicht regelmäßig und im benötigten Umfang zur Verfügung gestellt werden. Deshalb haben es insbesondere Neuerkrankte schwer, in den Genuss eines kostenlosen Bezugs staatlich finanzierter Medikamente zu kommen. Für Betroffene bleibt in einer solchen Situation nur die Möglichkeit, benötigte Medikamente privat finanziert zu beschaffen. Patienten erhalten vom behandelnden Arzt eine Liste mit benötigten Medikamenten und Verbrauchsmaterialien, die der Patient bzw. ein ihn betreuender Verwandter in einer der vielen Apotheken privat kaufen muss. Lediglich Medikamente für die Behandlung von an TBC oder AIDS erkrankten Patienten gehören wie Insulin zu den regelmäßig kostenlos vom Gesundheitsministerium zur Verfügung gestellten Medikamenten (AA 21.3.2019).

Trotz kontinuierlicher Verbesserungen der meisten Gesundheitsindikatoren bleibt die Gesundheitssituation insgesamt alarmierend. Die Säuglings- und Müttersterblichkeit gehört jeweils zu den höchsten in ganz Europa. Die Immunisierungsrate hat sich jüngst auf über 90% erhöht, bleibt allerdings niedrig unter den RAE-Minderheiten. Das Ausmaß der Umweltverschmutzung sowie der Umgang mit suchtgefährdenden Substanzen, insbesondere Tabak, stellen ein enormes Risiko für die Gesundheit der kosovarischen Bevölkerung dar (GIZ 3.2020b).

In Ermangelung einer universellen Gesundheitsversorgung sind Gemeinschaften von Roma und Ashkali, aufgrund ihrer schwierigen sozio-ökonomischen Lage, besonderen Schwierigkeiten beim Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen ausgesetzt. Nur der Zugang zu sehr grundlegenden Dienstleistungen ist kostenlos (EC 29.5.2019).

Rückkehr

Letzte Änderung: 11.5.2020

Die meisten europäischen Staaten haben mit Kosovo bilaterale Rückübernahmeabkommen abgeschlossen (AA 21.3.2019). Diese Rückübernahmeabkommen werden problemlos implementiert. Asylanträge kosovarischer Bürger in der EU sinken seit 2015, dementsprechend sinken auch die Rückführungen. Die Zahl der aus den EU-Staaten in den Kosovo zurückgeführten Personen ist von 18.789 im Jahr 2015, 11.030 im Jahr 2016 und 4.509 im Jahr 2017 auf 2.395 im Jahr 2018 gefallen (1.668 zwangsweise und 727 freiwillig). Im Jahr 2017 betrug die Rückkehrrate der in der EU aufhältigen kosovarischen Bürger, die seitens der Gastländer zum Verlassen des Territoriums angehalten wurden, in den Kosovo 85,9% (EC 29.5.2019).

Das kosovarische Innenministerium prüft vor seiner Zustimmung zu einer Rückführung aus Drittstaaten anhand von Dokumenten, bestehenden Registereinträgen und/oder Zeugenaussagen die Herkunft einer Person aus Kosovo und das Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. 32 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes für die kosovarische Staatsangehörigkeit. Daher ist davon auszugehen, dass in Rückführungsfällen die formellen Voraussetzungen für die Registrierung als „Resident of Kosovo“ erfüllt werden. Probleme entstehen für Eltern bei der Registrierung von im Ausland geborenen Kindern, wenn lediglich Geburtsanzeigen vorgelegt werden können, weil Standesämter mangels fehlender Identitätsdokumente der Eltern keine Geburtsurkunden ausstellen können. Seit Mai 2010 hat die kosovarische Regierung Strategien für die Reintegration von Rückkehrern verabschiedet (AA 21.3.2019).

Geleitet wird der gesamte Reintegrationsprozess von der Abteilung für die Reintegration von Rückkehrern im kosovarischen Innenministerium. Für diese Abteilung arbeiten u.a. sechs sogenannte Regionalkoordinatoren, die dezentral in den größeren Gemeinden des Kosovo (auch Nord-Mitrovica) tätig sind und als Ansprechpartner für die in jeder Gemeinde eingerichteten Büros für Gemeinschaften und Rückkehrer (Municipal Office for Communities and Return, MOCR) fungieren sollen sowie auch Mitglieder der kommunalen Ausschüsse für Reintegration (Municipal Committees for Reintegration, MCR) sind. Zu den Aufgaben der Regionalkoordinatoren gehört auch ein Monitoring der MOCR und der MCR. Zudem können sie im Bereich der Wohnraumbeschaffung eigenständig tätig werden. Die erste Kontaktaufnahme zu den Rückkehrern findet bereits unmittelbar nach deren Ankunft in einem eigenen Büro der „Abteilung für die Reintegration von Rückkehrern“ [DRRP - Department for Reintegration of Repatriated Persons] im Flughafen Pristina statt. Falls erforderlich, werden Transport in die Heimatgemeinde oder eine befristete Unterkunft in einer Einrichtung in Pristina angeboten sowie Ansprechpartner in den Kommunen benannt. Im Bedarfsfall können individuelle medizinische Versorgungsmöglichkeiten über die Abteilung für die Reintegration von Rückkehrern in Zusammenarbeit mit den kosovarischen Behörden organisiert werden (AA 21.3.2019).

Dokumente

Letzte Änderung: 11.5.2020

Personen mit gewöhnlichem Wohnsitz in Kosovo oder im Ausland lebende Kosovaren, die im zentralen Zivilregister erfasst sind, erhalten seit Ende Juli 2008 bis zu zehn Jahre gültige kosovarische Reisepässe (seit November 2011 auch mit biometrischen Merkmalen), die von Deutschland anerkannt werden (AA 21.3.2019).

2. Beweiswürdigung:

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund der vorgelgten Dokumente fest.

Die Feststellungen zur Wohnsitzmeldung ergibt sich aus einem Auszug des Zentralen Melderegister, der Gang des Asylverfahrens aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen des Beschwerdeführers beruhen auf seinen eigenen, im Verfahren unstrittig gebliebenen, Angaben.

Die Feststellungen zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Der Feststellung betreffend die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG 2005 in den Kosovo beruht darauf, dass der Beschwerdeführer weder vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde konkrete Angaben dahingehend getätigt hat, denen zufolge eine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung anzunehmen gewesen wäre. Auch von Amts wegen ergibt sich kein Hinweis auf das mögliche Vorliegen einer im Fall einer Abschiebung drohenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit des Beschwerdeführers. Es wurden weder im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch vor dem Bundesverwaltungsgericht Rückkehrbefürchtungen auf seinen Herkunftsstaat bezogen geäußert. Kosovo gilt aufgrund der Ermächtigung nach § 19 Abs. 5 Z 2 BFA-VG laut § 1 Z 2 der Verordnung der Bundesregierung, mit der Staaten als sichere Herkunftsstaaten festgelegt werden (Herkunftsstaaten-Verordnung - HStV) als sicherer Herkunftsstaat.

2.2. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen, welche weder in der Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Zweifel gezogen wurden. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

3.1. Zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheides:

§ 55 AsylG 2005 lautet:

"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

Gemas § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemas § 10 Abs. 3 AsylG 2005 und § 52 Abs. 3 FPG 2005 ist die Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 grundsätzlich mit einer Ruckkehrentscheidung zu verbinden.

Wird durch eine Ruckkehrentscheidung gemäß § 52 FPG 2005 in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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