TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/12 W169 2238217-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.03.2021
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Entscheidungsdatum

12.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs3a
AsylG 2005 §9 Abs2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch


W169 2238217-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Äthiopien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.12.2020, Zl. 800618507-180961145, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7 Abs. 1 Z 1, 7 Abs. 4, 8 Abs. 3a, 9 Abs. 2, 10 Abs. 1 Z 4, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 53, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der damals minderjährige Beschwerdeführer, ein äthiopischer Staatsangehöriger, reiste legal mit einem aufgrund eines Antrags gemäß § 35 AsylG von der Österreichischen Botschaft in Äthiopien ausgestellten Visum ein und stellte am 23.03.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.09.2010, Zl. 10 06 185-BAW, wurde dem Beschwerdeführer im Familienverfahren gemäß § 3 iVm § 34 Abs. 2 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

3. Am 22.03.2017 erließ die Landespolizeidirektion XXXX zur Zl. XXXX mittels Straferkenntnis eine Gesamtstrafe in Höhe von EUR 1.672,- wegen Verletzung des § 99 Abs. 1b iVm § 5 Abs. 1 StVO gegen den Beschwerdeführer, da er am 05.02.2017 in XXXX ein Fahrzeug in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand lenkte.

4. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 09.10.2019, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Begründet wurde das Urteil damit, dass der Beschwerdeführer schuldig sei, er habe am 26.05.2018 in XXXX sein 15-jähriges Opfer – nachdem diese zuvor einen heftigen Streit mit ihrer Mutter gehabt habe und sich mit dem Beschwerdeführer, welchen sie über das Internet kennengelernt habe, getroffen habe, welcher sie in weiterer Folge zunächst zum Konsum von Drogen zu überreden versucht habe, ihr sodann vorgeschlagen habe, sich gemeinsam ein Hotelzimmer zu nehmen, und ihr schließlich, nachdem das Mädchen beides abgelehnt habe, da ihr die Anwesenheit des Angeklagten unangenehm gewesen sei, zugesichert habe, ihr den Weg zum Treffpunkt mit einer Freundin des Mädchens zu zeigen – mit Gewalt zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung zu nötigen versucht habe, indem er sie im Innenhof einer Wohnhausanlage bei einem Gestrüpp anfangs am Hals geküsste habe, dann ihr linkes Handgelenk festgehalten habe und sie zu Boden gedrückt habe, sie gewürgt habe, sein Becken mit erigiertem Penis an ihrem Körper gerieben habe und sie, als sie ihn wegdrückt habe, an den Haaren gepackt habe, ihre Hand auf sein erigiertes Glied gelegt und Auf- und Abbewegungen durchgeführt habe, ihren Kopf mit beiden Händen in Richtung seines Penis gedrückt und sie aufgefordert habe, Oralverkehr mit ihm vorzunehmen, was jedoch an der heftigen Gegenwehr seines Opfers gescheitert sei, worauf er sie neuerlich zu Boden gedrückt und versucht habe, ihre Hose zu öffnen, wobei es beim Versuch geblieben sei, da das Opfer ihm einen Tritt in den Unterleib verpasst habe, sodass er von ihr abgelassen habe.

In den Entscheidungsgründen hielt das Strafgericht unter anderem fest, dass der Beschwerdeführer sich – im Ergebnis nicht überzeugend – zur Tat leugnend verantwortete.

Bei der Strafbemessung mildernd gewertet wurden der bisherige ordentliche Lebenswandel und der Umstand, dass es beim Versuch geblieben sei. Erschwerend war kein Umstand zu werten. Aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer das Vertrauen des Opfers, welches angenommen habe, er würde sie zum Treffpunkt mit ihrer Freundin geleiten, massiv missbrauchte hätte und diese daher keine Sorgfalt gegen die Tat habe gebrauchen können, wäre, auch aufgrund des massiven und beharrlichen Übergriffs gegen ein 15-jähriges Mädchen, eine dreijährige Freiheitsstrafe tat- und schuldangemessen.

5. Mit Schreiben vom 15.02.2020 informierte Interpol Rom die österreichischen Behörden, dass der Beschwerdeführer und seine Mutter unter Verwendung österreichischer Konventionsreisepässe am 01.10.2019 mit einem Flugzeug aus Addis Abeba am Flughafen von Rom einreisten. Beigelegt wurden Flugtickets und zwei auf Amharisch verfasste Schreiben der Botschaft von Äthiopien in Genf, abgestempelt am 21.08.2019, mit Bezugnahme auf die Konventionsreisepässe.

6. Mit Urteil des Oberlandesgerichts XXXX vom 18.06.2020, Zl. XXXX , wurde der vom Beschwerdeführer gegen das Strafurteil des Landesgerichts XXXX vom 09.10.20019 erhobenen Berufung nicht Folge gegeben und als zusätzlicher Erschwerungsgrund gewertet, dass der Beschwerdeführer die Tathandlung als Volljähriger zum Nachteil einer Minderjährigen verübt habe. Von einer hohen Wahrscheinlichkeit eines künftigen Wohlverhaltens könne zudem angesichts der Art der begangenen strafbaren Handlung, die mit einem Vertrauensmissbrauch des Opfers einhergegangen sei und ein sehr beharrliches und massives Vorgehen gezeigt habe, keine Rede sein.

7. Mit Schreiben vom 28.10.2020 verständigte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer von der beabsichtigten Einleitung eines Aberkennungsverfahrens aufgrund seiner Straffälligkeit und gewährte schriftliches Parteiengehör zum Ergebnis der Beweisaufnahme, wobei dem Beschwerdeführer insbesondere aufgetragen wurde, zu seinem Privat- und Familienleben Stellung zu nehmen.

8. Mit Schreiben vom 30.10.2020 nahm der Beschwerdeführer Stellung. Dabei gab er an, sich nicht in ärztlicher Behandlung zu befinden und keine Medikamente zu nehmen. Er habe von 2010 bis 2011 die Hauptschule und von 2011 bis 2012 einen polytechnischen Lehrgang besucht, von 2012 bis 2013 den Hauptschulabschluss gemacht und von 2014 bis 2015 ein Abendgymnasium besucht. Anschließend habe er von 2015 bis 2018 als Kellner und von 2019 bis 2020 als Computertechniker gearbeitet. Er habe seinen Unterhalt durch seine Arbeit finanziert. Im Gefängnis arbeite er in einem Unternehmensbetrieb. Er sei nicht Mitglied in einem Verein. Der Beschwerdeführer sei ledig und wohne (gemeint: vor der Inhaftierung) bei seinen Eltern, mit denen er in Kontakt stehe und von denen er abhängig sei. Er habe auch eine minderjährige Schwester. Er habe weitschichtige Verwandte in Äthiopien, zu denen er seit Jahren keinen Kontakt habe. Er habe zwischen 20.08.2019 und 30.09.2019 in Äthiopien Urlaub gemacht. Er habe eine Bestätigung der Botschaft bekommen, dass er dies dürfe.

9. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der mit Bescheid vom 08.09.2010, Zl. 10 06.185-BAW, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG und § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Äthiopien unzulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Schlussendlich wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf fünf Jahre befristetes Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen (Spruchpunkt VII.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer wegen eines besonders schweren Verbrechens verurteilt worden sei, weshalb ihm der Status des Asylberechtigten abzuerkennen sei. Es sei eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien gegeben, da er sich seine Existenz dort nicht sichern könnte, jedoch könne ihm gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG aufgrund der Straffälligkeit der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt werden. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG. Der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens nicht entgegen, da angesichts der Straffälligkeit eine maßgeblich ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche Integration in Österreich nicht vorliege. Die Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers ergebe sich aus der Bestimmung des § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien. Da der Beschwerdeführer aufgrund seiner Verurteilung eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, sei zudem die Verhängung eines Einreiseverbotes geboten gewesen.

10. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte nach Wiederholung des Sachverhaltes im Wesentlichen vor, dass der Beschwerdeführer aufgrund „der Konflikte“ im Rahmen der Familienzusammenführung nach Österreich gekommen sei und er weiterhin befürchten müsse, Opfer „etwaiger“ Verfolgungshandlungen zu werden. Der Beschwerdeführer sei zudem in seiner Kindheit nach Österreich gekommen und sehr gut integriert. Er habe auch Verwandtschaft in anderen Schengenstaaten. Es müsse die Reue des Beschwerdeführers berücksichtigt werden, dem das Unrecht seiner „Taten“ bewusst sei und der Besserung gelobe. Zudem habe die belangte Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt, da sie keine Einvernahme durchgeführt habe.

Zusammen mit der Beschwerde wurde ein Konvolut an Integrationsunterlagen vorgelegt, nämlich eine Schulbesuchsbestätigung einer kooperativen Mittelschule aus dem Schuljahr 2010/11 über den Besuch der 8. Schulstufe als außerordentlicher Schüler vom 01.07.2011, eine Übersiedlungs-Mitteilung vom 05.07.2011, eine Schulbesuchsbestätigung einer polytechnischen Schule aus dem Schuljahr 2011/12 über den Besuch der 9. Schulstufe als außerordentlicher Schüler vom 29.06.2012, ein bestandenes Externistenprüfungszeugnis über die 8. Schulstufe der Hauptschule vom 28.06.2013, eine Schulbesuchsbestätigung einer HTL aus dem Schuljahr 2013/14 über den Besuch des ersten Jahrgangs vom 08.10.2013, ein Semesterzeugnis eines Abendgymnasiums zum Wintersemester 2014/15 vom 30.01.2015, eine Zeugniskopie eines Abendgymnasiums aus dem Sommersemester 2015 vom 29.06.2015, eine Schulbesuchsbestätigung eines Abendgymnasiums über die Inskription in das Wintersemester 2015/16 vom 20.09.2015, eine Auflösung eines Lehrverhältnisses durch die „ XXXX GmbH“ vom 04.10.2016, eine Abmeldung von der Sozialversicherung wegen einvernehmlicher Lösung des Beschäftigungsverhältnisses vom 11.04.2019, ein Dienstzeugnis von „ XXXX “ vom 24.04.2019, eine Mitgliedschaftsbestätigung des „ XXXX “ vom 14.12.2020, sowie ein Lebenslauf.

Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Äthiopien. Er ist christlich-evangelischen Glaubens. Seine Identität steht fest.

Dem Beschwerdeführer wurde nach legaler Einreise im Jahr 2010 mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.09.2010, Zl. 10 06 185-BAW, im Familienverfahren gemäß § 3 iVm § 34 Abs. 2 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Der Beschwerdeführer besuchte in Österreich ein Jahr die kooperative Mittelschule, ein Jahr eine polytechnische Schule, ein Semester eine HTL sowie ein Jahr ein Abendgymnasium. Er verfügt über einen Hauptschulabschluss. Er hat anschließend etwa zwei Jahre als Kellner sowie ein halbes Jahr als IT-Aushilfe gearbeitet. Er ist Mitglied in einer Freikirche. Er spricht Deutsch, Amharisch und Englisch.

In Österreich leben die Eltern und die Schwester des Beschwerdeführers, mit denen er bis zu seiner Inhaftierung im gemeinsamen Haushalt lebte. Der Beschwerdeführer hat entfernte Verwandte in Äthiopien.

Der Beschwerdeführer ist gesund, ledig und kinderlos.

Mit Straferkenntnis der LPD- XXXX vom 22.03.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen Lenkens eines Fahrzeuges in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gemäß § 99 Abs. 1b iVm § 5 Abs. 1 StVO zu einer Geldstrafe vom Euro 1.672,- verurteilt.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 09.10.2019, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Es wurde zu Recht erkannt, der Beschwerdeführer ist schuldig, er hat am 26.05.2018 in XXXX sein 15-jähriges Opfer – nachdem diese zuvor einen heftigen Streit mit ihrer Mutter hatte und sich mit dem Beschwerdeführer, welchen sie über das Internet kennengelernt hatte, traf, welcher sie in weiterer Folge zunächst zum Konsum von Drogen zu überreden versuchte, ihr sodann vorschlug, sich gemeinsam ein Hotelzimmer zu nehmen, und ihr schließlich, nachdem das Mädchen beides ablehnte, da ihr die Anwesenheit des Angeklagten unangenehm war, zusicherte, ihr den Weg zum Treffpunkt mit einer Freundin des Mädchens zu zeigen – mit Gewalt zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung zu nötigen versucht, indem er sie im Innenhof einer Wohnhausanlage bei einem Gestrüpp anfangs am Hals küsste, dann ihr linkes Handgelenk festhielt und sie zu Boden drückte, sie würgte, sein Becken mit erigiertem Penis an ihrem Körper rieb und sie, als sie ihn wegdrückte, an den Haaren packte, ihre Hand auf sein erigiertes Glied legte und Auf- und Abbewegungen durchführte, ihren Kopf mit beiden Händen in Richtung seines Penis drückte und sie aufforderte, Oralverkehr mit ihm vorzunehmen, was jedoch an der heftigen Gegenwehr seines Opfers scheiterte, worauf er sie neuerlich zu Boden drückte und versuchte, ihre Hose zu öffnen, wobei es beim Versuch blieb, da das Opfer ihm einen Tritt in den Unterleib verpasste, sodass er von ihr abließ.

In den Entscheidungsgründen hielt das Strafgericht unter anderem fest, dass der Beschwerdeführer sich – im Ergebnis nicht überzeugend – zur Tat leugnend verantwortete.

Bei der Strafbemessung mildernd gewertet wurden der bisherigen ordentliche Lebenswandel und der Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist. Erschwerend war kein Umstand zu werten. Aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer das Vertrauen des Opfers, welches annahm, er würde sie zum Treffpunkt mit ihrer Freundin geleiten, massiv missbrauchte hatte und diese daher keine Sorgfalt gegen die Tat gebrauchen konnte, war, auch aufgrund des massiven und beharrlichen Übergriffs gegen ein 15-jähriges Mädchen eine dreijährige Freiheitsstrafe tat- und schuldangemessen.

Mit Urteil des Oberlandesgerichts XXXX vom 18.06.2020, Zl. XXXX , wurde der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Berufung nicht Folge gegeben und als zusätzlicher Erschwerungsgrund gewertet, dass der Beschwerdeführer die Tathandlung als Volljähriger zum Nachteil einer Minderjährigen verübt hat. Von einer hohen Wahrscheinlichkeit eines künftigen Wohlverhaltens kann zudem angesichts der Art der begangenen strafbaren Handlung, die mit einem Vertrauensmissbrauch des Opfers einhergeht und ein sehr beharrliches und massives Vorgehen zeigt, keine Rede sein.

Aufgrund der Straffälligkeit wurde dem Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Status des Asylberechtigten aberkannt und ein fünfjähriges Einreiseverbot gegen ihn erlassen.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit 12.08.2020 in Strafhaft.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgehalten:

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 9.11.2020: Kämpfe in Tigray (betrifft: Abschnitt Sicherheitslage und Ethnische Minderheiten)

Aus mehreren Teilen des äthiopischen Bundesstaates Tigray werden schwere Kämpfe gemeldet (RE 9.11.2020). An mindestens acht Orten ist es zu Kampfhandlungen zwischen äthiopischer Armee und Kräften von Tigray gekommen. Seit 4.11.2020 gab es dabei Dutzende Todesopfer, es kam und kommt auch zu Luftschlägen durch die äthiopische Luftwaffe (BBC 8.11.2020). Alleine in ein Spital in Sanja wurden fast 100 verwundete Bundessoldaten eingeliefert (TG 8.11.2020).

Allerdings wurden am 4.11.2020 auch alle Kommunikationskanäle in und nach Tigray abgeschaltet (IPAI 5.11.2020; vgl. BBC 8.11.2020) und der Bundesstaat abgeriegelt (BBC 8.11.2020). Dadurch bleibt weitgehend unklar, was in Tigray tatsächlich gerade geschieht (AJ 8.11.2020).

Zwischen der Bundesregierung und Tigray herrscht seit Monaten ein (politischer) Konflikt (AJ 8.11.2020), u.a. um den potentiellen Rückzug äthiopischer Kräfte von der eritreischen Grenze (gleichzeitig Nordgrenze von Tigray). Der Bundesstaat fürchtet eine eritreische Aggression (IPAI 5.11.2020). Außerdem verweigert die Regierung von Tigray Premierminister Abiy die Anerkennung, da aus ihrer Sicht seine Amtszeit abgelaufen ist. Tatsächlich hätten 2020 eigentlich Wahlen stattfinden sollen, diese sind aber aufgrund der Covid-19-Pandemie verschoben worden (IPAI 5.11.2020; vgl. BBC 8.11.2020). Tigray hat aber im September 2020 trotzdem wählen lassen, diese Wahl wurde wiederum von der Bundesregierung für illegal erklärt. Das Bundesparlament hat derweil für die Auflösung der Regierung von Tigray gestimmt (BBC 8.11.2020; vgl. TG 8.11.2020).

In einer außerordentlichen Sitzung des äthiopischen Ministerkabinetts wurde am 4.11.2020 über den Bundesstaat Tigray ein sechsmonatiger Ausnahmezustand verhängt (IPAI 5.11.2020; vgl. BBC 8.11.2020). Zusätzlich wurde eine Task Force der äthiopischen Armee geschaffen. Diese darf Gewalt anwenden, um „das Land und die Region vor dem Abgleiten in die Instabilität zu bewahren“ (IPAI 5.11.2020). Zusätzliche Truppen der äthiopischen Armee und der Luftwaffe wurden bereits nach Tigray verlegt (TG 8.11.2020).

Die Operationen, bei welchen es auch zu Luftschlägen kommt, werden von Premierminister Abiy als „law enforcement operation“ bezeichnet (RE 9.11.2020).

Als direkter Auslöser für die militärische Intervention wird – von der Bundesregierung – der Versuch von Kräften von Tigray angegeben, das Northern Command der Bundesarmee in Mekele zu übernehmen (STRATFOR 5.11.2020; vgl. IPAI 5.11.2020) bzw. dort Ausrüstung zu stehlen (RE 9.11.2020). Laut der Regierung von Tigray sei das Northern Command hingegen ohnehin auf die Seite des Bundesstaates übergelaufen. Dies ist insofern relevant, als dieser Armeeteil über knapp die Hälfte der Ausrüstung und Mannstärke der Bundesarmee verfügt und viele der Angehörigen ethnische Tigray sind bzw. mit Tigray sympathisieren (STRATFOR 5.11.2020). Zusätzlich verfügt Tigray über eigene, kampfgeprüfte Truppen und über bedeutende Mittel an Waffen. Die Rede ist von bis zu 250.000 Mann (RE 9.11.2020).

Analysten gehen davon aus, dass die Situation für das zweitbevölkerungsreichste afrikanische Land in einen langen blutigen Bürgerkrieg münden könnte (TG 8.11.2020; vgl. BBC 8.11.2020; STRATFOR 5.11.2020). Der Regierungschef von Tigray, Debretsion Gebremichael hat derweilen angekündigt, dass sich sein Land solange verteidigen werde, bis die Bundesregierung verhandlungsbereit sei (BBC 8.11.2020). Unklar ist außerdem die Rolle Eritreas – Erzfeind von Tigray. Berichten zufolge werden in Eritrea aktuell intensiv Rekruten eingezogen und Truppenteile in Richtung Grenze verlegt (AJ 8.11.2020).

In Äthiopien besteht zusätzlich die Gefahr, dass Tigrayer außerhalb des eigenen Bundesstaates vom Mob angegriffen werden könnten. Premierminister Abiy hat daher auf Twitter bereits vorausschauend dazu aufgerufen, von derartigen Übergriffen abzulassen (TG 8.11.2020). Auch die UN warnt vor derartigen Übergriffen. In Addis Abeba sind derweil mehr als 160 Personen verhaftet worden, da sie der Unterstützung für Tigray verdächtigt werden (RE 9.11.2020).

Ein weiterer Nebeneffekt ist, dass in anderen Landesteilen ein Sicherheitsvakuum entstehen könnte, da Sicherheitskräfte und Armee von dort abgezogen werden (RE 9.11.2020).

Quellen:

-        AJ - Al Jazeera (8.11.2020): Eritrea, Tigray and Ethiopia’s brewing civil war, https://www.aljazeera.com/news/2020/11/8/fears-on-eritreas-secret-role-in-ethiopias-brewingcivil-war, Zugriff 9.11.2020

-        BBC (8.11.2020): Ethiopia's army chief sacked as Tigray fighting continues, https://www.bbc.com/news/world-africa-54864868, Zugriff 9.11.2020

-        IPAI - Indigo Publications / Africa Intelligence (5.11.2020): Why Tigray is challenging Abiy, verfügbar mit Abonnement auf: https://www.africaintelligence.com/eastern-and-southernafrica_politics/2020/11/05/why-tigray-is-challenging-abiy,109619191-ar1, Zugriff 9.11.2020

-        RE - Reuters (9.11.2020): Concern of outright war in Ethiopia grows as PM presses military offensive, https://ca.reuters.com/article/topNews/idCAKBN27P0M7, Zugriff 9.11.2020

-        STRATFOR (5.11.2020): Conflict in Tigray Has Major Implications for Ethiopia, and the Region, https://worldview.stratfor.com/article/conflict-tigray-has-major-implications-ethiopia-andregion?id=87179e919a&e=43cabd063c&uuid=761e669b-061f-4cef-933d-77b8c099f4c6&utm_source=Daily+Brief&utm_campaign=b19f238546-EMAIL_CAMPAIGN_2020_11_06_02_55&utm_medium=email&utm_term=0_87179e919ab19f238546-54071629&mc_cid=b19f238546&mc_eid=43cabd063c, Zugriff 9.11.2020

-        TG - The Guardian (8.11.2020): Ethiopia: reports of heavy casualties in fighting in Tigray, https://www.theguardian.com/world/2020/nov/08/ethiopia-reports-of-heavy-casualties-infighting-in-tigray, Zugriff 9.11.2020

KI vom 7.7.2020: Ethnische Unruhen (betrifft: Abschnitt Sicherheitslage und Ethnische Minderheiten)

Nach der Ermordung des Musikers und Aktivisten Hachalu Hundessa am 29.6.2020 ist es in Äthiopien in mehreren Städten zu gewalttätigen Unruhen gekommen (BAMF 6.7.2020; vgl. Spiegel 3.7.2020, DW 5.7.2020, HRW 1.7.2020). Mindestens 166 Menschen wurden bei den Protesten getötet. Im Bundesstaat Oromia wurden 145 Zivilisten und 11 Sicherheitskräfte getötet, zehn weitere Menschen, darunter zwei Polizisten, starben in der Hauptstadt Addis Abeba. Die Zahl der Todesopfer könnte steigen, da viele Menschen ins Krankenhaus eingeliefert wurden (DW 5.7.2020; vgl. BAMF 6.7.2020, FAZ 5.7.2020, AN 6.7.2020). Zudem wurden rund 2.300 Personen festgenommen (BAMF 6.7.2020; vgl. FAZ 5.7.2020, AN 6.7.2020). In Addis Abeba wurde von mehreren Explosionen berichtet, Geschäfte wurden in Brand gesetzt (BAMF 6.7.2020; vgl. IPN 1.7.2020).

Der ermordete Sänger Hachalu wird von vielen als ein Verfechter der Rechte der Oromo angesehen, dessen Lieder die Kämpfe und Frustrationen der Oromo während der Protestbewegung 2014-2018 wiedergaben und vor allem von Jugendlichen gehört wurden (BAMF 6.7.2020; vgl. DW 5.7.2020, HRW 1.7.2020). Noch kurz vor seinem Tod hatte Hachalu die Politik Abiys stark kritisiert, weil er nicht die Interessen der Oromo vertrete. Gleichzeitig berichtete Hachalu von Morddrohungen gegen ihn. Obwohl sie die größte Bevölkerungsgruppe Äthiopiens bilden, fühlten sich die Oromo über Jahre von der Regierung diskriminiert (BAMF 6.7.2020).

Inzwischen habe sich die Lage – so die Polizei – wieder beruhigt. Drei Verdächtige des Mordes am Sänger seien in Untersuchungshaft, die Hintergründe des Anschlages sind jedoch bislang noch unklar (BAMF 6.7.2020). Premierminister Abiy Ahmed rief die Bewohner der Region zur Einheit auf und versicherte ihnen, dass strenge Maßnahmen gegen die Täter ergriffen würden (Regnum 3.7.2020). Abiy Ahmed machte „interne und externe Kräfte“ für die Ausschreitungen verantwortlich und bezog sich dabei auch auf die anhaltenden Spannungen mit Ägypten im Zusammenhang mit dem Bau des Staudamms am Nil (BAMF 6.7.2020; vgl. Regnum 3.7.2020).

Als Reaktion auf die Unruhen blockierte die äthiopische Regierung alle Internetverbindungen im Land. Auch die Telefonverbindungen wurden unterbrochen (BAMF 6.7.2020; vgl. AN 6.7.2020). Am Wochenende (4./5.7.2020) war die Lage in Oromia weiter angespannt. In der Hauptstadt hatte sich die Lage bis zum 5.7.2020 wieder entspannt, allerdings bleibt das Internet weiter ausgeschalten (FAZ 5.7.2020; vgl. BAMF 6.7.2020, AN 6.7.2020). Human Rights Watch befürchtet, dass die Abschaltung des Internets durch die Behörden, die offensichtlich exzessive Anwendung von Gewalt und die Verhaftung von politischen Oppositionellen die instabile Situation noch verschlimmern könne, anstatt die staatliche Ordnung wieder herzustellen (HRW 1.7.2020). Schwere Unruhen gab es auch in Halachus Heimatstadt Ambo im Zusammenhang mit dessen Begräbniszeremonie (AN 2.7.2020; vgl. BAMF 6.7.2020). Im Umfeld der Beisetzung führte die Inhaftierung des Medienunternehmers Jawar Mohammed zu einer weiteren Eskalation (BAMF 6.7.2020; vgl. Spiegel 2.7.2020, AN 6.7.2020, AN 2.7.2020). Der Medienunternehmer galt lange als Unterstützer Abiys, wirft dem Premierminister jedoch vor, zu wenig für die Oromo zu tun und befürwortet die Abspaltung des Regionalstaates Oromia. Nach Einschätzung politischer Beobachter wäre Jawar bei den ursprünglich für dieses Jahr geplanten – wegen COVID-19 jedoch verschobenen – Parlamentswahlen wohl größter Konkurrent Abiys geworden (BAMF 6.7.2020; vgl. AJ 25.10.2019).

Im April 2018 übernahm Abiy als erster Oromo das Amt des Premierministers. Er leitete umfassende Reformen ein und wurde 2019 unter anderem wegen seiner Befriedungsbemühungen am Horn von Afrika mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Spannungen innerhalb der Gesellschaft haben unter seiner Amtszeit jedoch zugenommen (BAMF 6.7.2020). Abiy versprach den Äthiopiern, den Staat zu dezentralisieren und den Föderalismus zu stärken. Die meisten der neuerdings zehn semiautonomen äthiopischen Verwaltungsregionen sind ethnisch definiert. Dass die Regionen nun mehr Rechte bekommen haben, verstärkt die separatistischen Kräfte im Land. Abiys Vorhaben, die föderalen Strukturen zu stärken, ohne ein Zerbrechen entlang ethnischer Trennlinien zu provozieren, ist ein riskanter Plan, dessen Erfolg nun immer fraglicher scheint (Spiegel 3.7.2020; vgl. AN 6.7.2020). Allein 2018 flohen drei Millionen Menschen aus ihren Heimatregionen, zum Großteil wegen ethnischer Konflikte (Spiegel 3.7.2020).

Quellen:

-        AJ - Al Jazeera (25.10.2019): Prominent activist may challenge Ethiopian PM in 2020 election, https://www.aljazeera.com/news/2019/10/prominent-activist-challenge-ethiopian-pm-2020-election-191025154446076.html, Zugriff 7.7.2020

-        AN - Africanews (2.7.2020): Ethiopia protest singer buried in Ambo, Addis under heavy security, https://www.africanews.com/2020/07/02/death-of-famed-oromo-singer-violent-protests-netblackout-in-ethiopia/, Zugriff 7.7.2020

-        AN - Africanews (6.7.2020): Ethiopia protest death toll 166, mass arrests, net still blocked, https://www.africanews.com/2020/07/06/ethiopia-arrests-oromo-activist-jawar-mohammedomn-shut-down/, Zugriff 7.7.2020

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Gruppe 62 – Informationszentrum Asyl und Migration (6.7.2020): Briefing Notes 06.Juli 2020, per E-Mail.

-        DW - Deutsche Welle (5.7.2020): ?? ????? ??????????? ? ??????? ????? ???????? ????? ??????? ?? ????? 166 ???????, https://www.dw.com/ru/%D0%B2%D0%BE-%D0%B2%D1%80%D0%B5%D0%BC%D1%8F-%D0%B1%D0%B5%D1%81%D0%BF%D0%BE%D1%80%D1%8F%D0%B4%D0%BA%D0%BE%D0%B2-%D0%B2-%D1%8D%D1%84%D0%B8%D0%BE%D0%BF%D0%B8%D0%B8-%D0%BF%D0%BE%D1%81%D0%BB%D0%B5-%D1%83%D0%B1%D0%B8%D0%B9%D1%81%D1%82%D0%B2%D0%B0-%D0%BF%D0%B5%D0%B2%D1%86%D0%B0-%D0%BF%D0%BE%D0%B3%D0%B8%D0%B1%D0%BB%D0%B8-%D0%BD%D0%B5-%D0%BC%D0%B5%D0%BD%D0%B5%D0%B5-166-%D1%87%D0%B5%D0%BB%D0%BE%D0%B2%D0%B5%D0%BA/a-54059780, Zugriff 7.7.2020

-        FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (5.7.2020): Mehr als 160 Tote bei Unruhen in Äthiopien, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/unruhen-in-aethiopien-mehr-als-160-tote- 16847270.html, Zugriff 7.7.2020

-        HRW - Human Rights Watch (1.7.2020): Ethiopia Cracks Down Following Popular Singer’s Killing, https://www.hrw.org/news/2020/07/01/ethiopia-cracks-down-following-popular-singers-killing, Zugriff 7.7.2020

-        IPN - Interpressnews (1.7.2020): ????????? ????????? ?????????? ???? ???????? ????????? 50-?? ???? ???????? ??????????, https://www.interpressnews.ge/ka/article/607454-etiopiashi-momgerlis-mkvlelobis-gamodacqebul-areulobas-50-ze-meti-adamiani-emsxverpla/, Zugriff 7.7.2020

-        Regnum, Informazionnoje Agentstwo (3.7.2020): ???????-??????? ??????? ???????? ? ?????????? ? ????????????, https://regnum.ru/news/polit/3000488.html, Zugriff 7.7.2020

-        Spiegel Politik (2.7.2020): 81 Menschen bei Protesten in Äthiopien getötet, https://www.spiegel.de/politik/ausland/aethiopien-81-menschen-bei-protesten-nach-mord-ansaenger-getoetet-a-abc99fec-89ad-4c30-98f2-47dd5c4e1d40, Zugriff 7.7.2020

-        Spiegel Politik (3.7.2020): Lieder des Zorns, https://www.spiegel.de/politik/ausland/aethiopienethnische-gewalt-nach-tod-von-hachalu-hundessa-a-f425b977-8931-4973-93aa-153b29d49dc7, Zugriff 7.7.2020

1. Sicherheitslage

Nach der Wahl eines neuen Premierministers hat sich die Sicherheitslage derzeit wieder beruhigt. Der im Februar 2018 ausgerufene Notstand wurde am 5.6.2018 vorzeitig beendet (AA 4.1.2019). Derzeit gibt es in keiner äthiopischen Region bürgerkriegsähnliche Zustände; die Konflikte zwischen Ethnien (z.B. Gambella, SNNPR, Oromo/Somali) haben keine derartige Intensität erreicht (AA 17.10.2018). Laut österreichischem Außenministerium gilt in Addis Abeba und den übrigen Landesteilen ein erhöhtes Sicherheitsrisiko (BMEIA 12.12.2018). Ein Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land (EDA 10.12.2018; vgl. BAMF 1.10.2018, BAMF 24.9.2018).

Im ganzen Land kann es bei Demonstrationen zu Ausschreitungen kommen und Gewaltanwendung nicht ausgeschlossen werden (BMEIA 12.12.2018). Die politischen und sozialen Spannungen können jederzeit zu gewalttätigen Demonstrationen, Plünderungen, Straßenblockaden und Streiks führen. Auch in Addis Abeba können gewalttätige Demonstrationen jederzeit vorkommen. Zum Beispiel haben Mitte September 2018 gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten verschiedener Lager sowie zwischen Demonstranten und Sicherheitskräfte zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 10.12.2018; vgl. BAMF 1.10.2018, BAMF 24.9.2018). Ende September 2018, sollen bei Protesten in Addis Abeba, 58 Menschen getötet worden sein, staatliche Stellen berichteten von 23 Toten. Die meisten Todesopfer habe es gegeben, als jugendliche Banden der Volksgruppe der Oromo am 16.9.2018 andere Ethnien angriffen. Zu weiteren Todesopfern kam es, als tausende Menschen gegen diese Gewaltwelle protestierten (BAMF 1.10.2018; vgl. BAMF 24.9.2018).

Zusammenstöße zwischen den Gemeinschaften in den Regionen Oromia, SNNPR, Somali, Benishangul Gumuz, Amhara und Tigray haben sich fortgesetzt. Dort werden immer mehr Menschen durch Gewalt vertrieben. Aufgrund der Ende September 2018 in der Region Benishangul Gumuz einsetzenden Gewalt wurden schätzungsweise 240.000 Menschen vertrieben (FEWS 29.11.2018).

Spannungen zwischen verschiedenen Volksgruppen und der Kampf um Wasser und Weideland können in den Migrationsgebieten der nomadisierenden Viehbesitzer im Tiefland zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führen, die oft erst durch den Einsatz der Sicherheitskräfte beendet werden (EDA 10.12.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (4.1.2019): Äthiopien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aethiopien-node/aethiopiensicherheit/209504, Zugriff 4.1.2019

-        AA - Auswärtiges Amt (17.10.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452858/4598_1543583225_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aethiopien-stand-september-2018-17-10-2018.pdf, Zugriff 11.12.2018

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (1.10.2018): Briefing Notes vom 1. Oktober 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1445533/1226_1539002314_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-01-10-2018-deutsch.pdf, Zugriff 28.12.2018

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (24.9.2018): Briefing Notes vom 24. September 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1445536/1226_1539002669_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-24-09-2018-deutsch.pdf, Zugriff 28.12.2018

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (12.12.2018): Äthiopien, Reise & Aufenthalt – Sicherheit und Kriminalität, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aethiopien/, Zugriff 12.12.2018

-        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (10.12.2018): Reisehinweise für Äthiopien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/aethiopien/reisehinweise-aethiopien.html, Zugriff 10.12.2018

-        FEWS - Famine Early Warning System Network / World Food Programme, in Reliefweb.int (29.11.2018): Ethiopia Key Message Update, November 2018, https://reliefweb.int/report/ethiopia/ethiopia-key-message-update-november-2018, Zugriff 11.12.2018

2. Somali Regional State (SRS / Ogaden) und Oromia

Für den SRS gilt laut österreichischem Außenministerium eine partielle Reisewarnung (BMEIA 6.12.2018). Das deutsche Außenministerium warnt vor Reisen südlich und östlich von Harar und Jijiga (AA 4.1.2019). Die Sicherheitslage ist in diesem Landesteil volatil. Lokale Gefechte zwischen der äthiopischen Armee und verschiedenen Rebellengruppen kommen vor. Zum Beispiel forderten bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der Armee und einer lokalen Miliz im August 2018 in Jijiga zahlreiche Todesopfer und Verletzte (AA 4.1.2019; vgl. EDA 6.12.2018, DW 8.8.2018). Es kam damals zu interkommunaler Gewalt zwischen ethnischen Somalis und in der Stadt lebenden Hochländern (UNOCHA 25.11.2018) und zur Plünderung von Besitztümern ethnischer Minderheiten (DW 8.8.2018). Angriffe richteten sich gezielt gegen ethnische Nicht-Somalis und gegen orthodoxe Kirchen, darunter auch Priester (AA 17.10.2018). Gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten sowie zwischen verfeindeten Ethnien können auch weiterhin vorkommen. Auch besteht das Risiko von Anschlägen. Zudem besteht Minengefahr und das Risiko von Entführungen (EDA 6.12.2018; vgl. BMEIA 6.12.2018).

Rund um den Grenzübergang Moyale kam es mehrfach, zuletzt Mitte Dezember 2018, zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Volksgruppen der Somali- und Oromia Region sowie den Sicherheitskräften, bei denen zahlreiche Todesopfer zu beklagen waren (AA 4.1.2019). Auch am 12.11.2018 führte Gewalt zwischen den Gemeinschaften Gebra und Garre dazu, dass etwa 15.000 Menschen in der Stadt Moyale, einer Stadt, die sowohl zu Oromia als auch zu Somalia gehört, vertrieben wurden (UNOCHA 25.11.2018).

Im Süden Äthiopiens hatte es in jüngster Vergangenheit mehrfach blutige Zusammenstöße zwischen Angehörigen der Ethnien der Oromo und der Somali gegeben. Hintergrund ist der Streit um Weideland und andere Ressourcen (WZ 16.12.2018). Im Grenzgebiet der Oromo- und Somali-Regionen kommt es schon seit Anfang 2017 verstärkt zu gewaltsamen und teilweise tödlichen Zusammenstößen beider Volksgruppen. Betroffen sind vor allem die Gebiete Moyale, Guji, Bale, Borena, Hararghe und West Guji (AA 4.1.2019). Der Grenzkonflikt zwischen den Regionen Oromia und dem SRS hat sich verschärft (AA 17.10.2018).

Für die Region Oromia wurde ein hohes Sicherheitsrisiko ausgerufen. In den Regionen Oromia und Amhara kann es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Bevölkerung und der Polizei kommen. Zudem kommt es häufiger zu Entführungen an der somalisch-kenianischen Grenze, sowie grenzüberschreitender Stammesauseinandersetzungen (BMEIA 6.12.2018). In den Oromo-und Amhara-Regionen kommt es des Öfteren zu teils gewalttätigen Demonstrationen und Protestaktionen (AA 4.1.2019). Über 200.000 Menschen sind seit Juli 2018 vor ethnischen Konflikten im SRS geflohen. Damit steigt die Gesamtzahl auf über 700.000, die in den letzten Jahren vor interkommunaler Gewalt geflohen sind, so die neueste Displacement Tracking Matrix für Äthiopien. Die meisten kamen aus der Region Oromia. Insgesamt wurden im SRS fast 1,1 Millionen Menschen vertrieben, wenn auch andere Ursachen wie Dürre und Überschwemmungen berücksichtigt werden (NRC 20.11.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (4.1.2019): Äthiopien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aethiopien-node/aethiopiensicherheit/209504, Zugriff 4.1.2019

-        AA - Auswärtiges Amt (17.10.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452858/4598_1543583225_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aethiopien-stand-september-2018-17-10-2018.pdf, Zugriff 11.12.2018

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (6.12.2018): Äthiopien, Reise & Aufenthalt – Sicherheit und Kriminalität, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aethiopien/, Zugriff 6.12.2018

-        DW - Deutsche Welle (8.8.2018): Äthiopien: Ethnische Konflikte schwelen weiter, https://www.dw.com/de/%C3%A4thiopien-ethnische-konflikte-schwelen-weiter/a-45011266, Zugriff 10.12.2018

-        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (6.12.2018): Reisehinweise für Äthiopien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/aethiopien/reisehinweise-aethiopien.html, Zugriff 6.12.2018

-        NRC - Norwegian Refugee Council in Reliefweb (20.11.2018): 700,000 people flee conflict to seek safety in Somali region of Ethiopia, https://www.nrc.no/news/2018/november/700000-people-flee-conflict-to-seek-safety-in-somali-region-of-ethiopia/, Zugriff 10.12.2018

-        UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (25.11.2018): Ethiopia Humanitarian Bulletin Issue 68 | 11 - 25 November 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452480/1788_1543330695_2511.pdf, Zugriff 11.12.2018

-        WZ - Wiener Zeitung (16.12.2018): Äthiopien – Mehr als 20 Tote bei ethnischen Zusammenstößen, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltchronik/1008111_Mehr-als-20-Tote-bei-ethnischen-Zusammenstoessen.html, Zugriff 17.12.2018

3. Gambella / Benishangul-Gumuz

In diesen Gebieten sind bewaffnete Oppositionsgruppen und Banden aktiv und es bestehen Konflikte zwischen verfeindeten Ethnien (EDA 10.12.2018), welche regelmäßig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen (BMEIA 6.12.2018; vgl. AA 4.1.2019). Im April 2016 sind Konflikte im Nordwesten von Gambella aufgeflammt und haben über 200 Todesopfer gefordert (EDA 10.12.2018). In der Gambella-Region kommt es regelmäßig zu Stammeskonflikten (BMEIA 6.12.2018). Mittlerweile hat sich durch die hohe Präsenz von Regierungstruppen und Sicherheitskräften die Lage beruhigt. Von nicht notwendigen Reisen in die Region Gambella wie auch in die Region Benishangul-Gumuz rät das deutsche Außenministerium weiter ab (AA 4.1.2019). In jüngerer Vergangenheit wurden schätzungsweise 240.000 Menschen aufgrund interkommunalen Gewalt in der Zone Kamashi und aus der Region Benishangul-Gumuz vertrieben (FEWS 29.11.2018; vgl. UNOCHA 25.11.2018). Trotz des Einsatzes von Sicherheitskräften des Bundes zur Unterdrückung der Gewalt gibt es weiterhin Berichte über Konflikte (UNOCHA 25.11.2018).

Das schweizerische Außenministerium rät, die Grenzgebiete zum Sudan, zum Südsudan und zu Kenia großräumig zu meiden (EDA 10.12.2018). Das österreichische Außenministerium spricht für diese Gebiete von einem hohen Sicherheitsrisiko (BMEIA 6.12.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (4.1.2019): Äthiopien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aethiopien-node/aethiopiensicherheit/209504, Zugriff 4.1.2019

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (6.12.2018): Äthiopien, Reise & Aufenthalt – Sicherheit und Kriminalität, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aethiopien/, Zugriff 6.12.2018

-        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (10.12.2018): Reisehinweise für Äthiopien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/aethiopien/reisehinweise-aethiopien.html, Zugriff 12.12.2018

-        FEWS - Famine Early Warning System Network / World Food Programme, in Reliefweb.int (29.11.2018): Ethiopia Key Message Update, November 2018, https://reliefweb.int/report/ethiopia/ethiopia-key-message-update-november-2018, Zugriff 11.12.2018

-        UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (25.11.2018): Ethiopia Humanitarian Bulletin Issue 68 | 11 - 25 November 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452480/1788_1543330695_2511.pdf, Zugriff 11.12.2018

4. Andere Regionen

An der Grenze zwischen der Region Oromia und der Southern Nations Nationalities and Peoples Region (SNNPR) gibt es bewaffnete Auseinandersetzungen. Insgesamt erhöhte sich die Zahl an IDPs in Äthiopien deswegen zwischen Jänner und Juli 2018 um etwa 1,4 Millionen Menschen (GIZ 9.2018a). Seit Juni 2018 sind bei Zusammenstößen zwischen Angehörigen unterschiedlicher Ethnien zahlreiche Personen getötet worden (EDA 10.12.2018). Es kam bereits in der Vergangenheit zu Zusammenstößen und zu Kämpfen zwischen zwei ethnischen Gruppen: den Gedeo, einer ethnischen Minderheit mit Sitz hauptsächlich in der SNNPR, und den Guji, einer Untergruppe der Oromo, der größten ethnischen Gruppe Äthiopiens. Die Gedeo sind in erster Linie Landwirte, und die Guji sind traditionell Pastoralisten. Die Spannungen zwischen den beiden Gruppen konzentrieren sich auf Land, Grenzziehung und Rechte ethnischer Minderheiten (RI 11.2018). Die interkommunale Gewalt, die am 13.4.2018 begann und bis Juni 2018 an den Grenzen der Zonen Gedeo (SNNPR) und West Guji (Region Oromia) anhielt, hat fast eine Million Menschen vertrieben. Etwa 142.000 Menschen wurden unmittelbar nach dem 4.8.2018 in der somalischen Region vertrieben (UNOCHA 25.11.2018). Nach zwei Jahrzehnten relativer Ruhe brachen im April 2018 Kämpfe über die benachbarten Verwaltungszonen Gedeo und West Guji aus. Bewaffnete Banden und Jugendgruppen griffen Dörfer an und zwangen rund 300.000 Menschen, ihre Häuser zu verlassen. Während der genaue Auslöser noch unklar ist, haben die Regierungsbehörden nach einer kurzen Untersuchung einige Verhaftungen vorgenommen und die Situation für gelöst erklärt, so dass die Menschen mit der Rückkehr nach Hause beginnen konnten. Wenige Monate später, im Juni 2018, brach die Gewalt erneut aus, in noch stärkerem Ausmaß. Über 800.000 Menschen wurden zur Flucht gezwungen. Viele Menschen erlebten Gewalt, einschließlich Vergewaltigung und Mord. Ganze Dörfer wurden niedergebrannt (RI 11.2018).

Der Konflikt, der am stärksten von interkommunaler Gewalt betroffen ist, hat sich in den letzten Monaten verschärft (BAMF 17.12.2018; vgl. RI 11.2018). Das österreichische Außenministerium nennt für die Region Amhara sowie für das Gebiet Konso in der SNNPR ein hohes Sicherheitsrisiko (BMEIA 12.12.2018). Zuletzt kam es am 13. und 14.12.2018 zu gewalttätigen Zusammenstößen. Bei Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen verschiedener Volksgruppen sind im Süden Äthiopiens nach Angaben staatlicher Stellen mindestens 21 Menschen getötet und mehr als 60 verletzt worden. Viele Menschen sind über die Grenze nach Kenia geflohen (WZ 16.12.2018; vgl. BAMF 17.12.2018).

Quellen:

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (17.12.2018): Briefing Notes vom 17. Dezember 2018

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (12.12.2018): Äthiopien, Reise & Aufenthalt – Sicherheit und Kriminalität, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aethiopien/, Zugriff 12.12.2018

-        EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (10.12.2018): Reisehinweise für Äthiopien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/aethiopien/reisehinweise-aethiopien.html, Zugriff 12.12.2018

-        GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit Deutschland (9.2018a): Äthiopien, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aethiopien/geschichte-staat/, Zugriff 10.12.2018

-        RI - Refugees International in Reliefweb.int (11.2018): The Crisis Below the Headlines: Conflict Displacement in Ethiopia https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/FINAL%2BEthiopia%2BReport%2B-%2BNovember%2B2018%2B-%2BFinal.pdf, Zugriff 17.12.2018

-        UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (25.11.2018): Ethiopia Humanitarian Bulletin Issue 68 | 11 - 25 November 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452480/1788_1543330695_2511.pdf, Zugriff 11.12.2018

-        WZ - Wiener Zeitung (16.12.2018): Äthiopien – Mehr als 20 Tote bei ethnischen Zusammenstößen, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltchronik/1008111_Mehr-als-20-Tote-bei-ethnischen-Zusammenstoessen.html, Zugriff 17.12.2018

5. Allgemeine Menschenrechtslage

Menschenrechte und Freiheiten sind als unverletzbar und unveräußerlich in der äthiopischen Verfassung von 1995 genannt. Explizit werden Grundrechte wie Religionsfreiheit, Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von Angehörigen verschiedener ethnischer Gruppen, Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Verbot von unmenschlicher Behandlung und Recht auf Privatheit aufgeführt (AA 17.10.2018). Die Verfassung garantiert also die Menschenrechte, dies deckt sich jedoch nicht mit der Realität (AA 4.2018a).

Trotzdem ist die Menschenrechtssituation in Äthiopien unbefriedigend. Dies gilt vor allem für die Rechtsstaatlichkeit (Vorführung vor Gericht, Verfahrensdauer) und die Behinderung und Verfolgung von Journalisten. Es erfolgen Verhaftungen ohne Haftbefehl und ohne fristgerechte gerichtliche Überprüfung. Lange Gerichtsverfahren sind verbreitet. Hierfür ist auch eine überlastete Justiz verantwortlich (GIZ 9.2018a). Zu den wichtigsten Menschenrechtsproblemen gehören: willkürliche Tötung, Verschwindenlassen, Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch Sicherheitskräfte; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Verhaftung und Inhaftierung durch Sicherheitskräfte; Verweigerung eines fairen öffentlichen Prozesses; Verletzung der Persönlichkeitsrechte; Beschränkungen der Meinungs-, Presse-, Internet-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Bewegungsfreiheit; mangelnde Rechenschaftspflicht in Fällen von Vergewaltigung und Gewalt gegen Frauen; Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher Orientierung. Die Regierung hat im Allgemeinen keine Schritte unternommen, um Beamte, die andere Menschenrechtsverletzungen als Korruption begangen haben, zu verfolgen oder anderweitig zu bestrafen. Straffreiheit ist ein Problem; es kommt nur zu einer begrenzten Anzahl von Anklagen von Mitgliedern der Sicherheitskräfte oder von Beamten wegen Menschenrechtsverletzungen (USDOS 20.4.2018).

Legale Voraussetzungen zur Verbesserung der Menschenrechte sind erfolgt. Die Menschenrechtskommission des Parlaments ist ebenso wie das Amt des Ombudsmanns eingerichtet. Frauenrechte sind in der Verfassung verankert. Von einer Umsetzung dieser rechtlich festgeschriebenen Menschenrechte ist Äthiopien jedoch weit entfernt: Weibliche Genitalverstümmelung und sehr frühe Verheiratung sind zwar offiziell verboten, jedoch weiterhin Realität für viele Mädchen und junge Frauen (GIZ 9.2018a).

Bei Protesten und gewaltsamen Auseinandersetzungen in Addis Abeba im September 2018 wurden rund 1.200 Menschen verhaftet. Diese Verhaftungen erfolgten teils willkürlich, was die Fortschritte in Menschenrechtsfragen unter Premierminister Abiy Ahmed ernsthaft gefährden könnte (BAMF 1.10.2018).

Der im vergangenen Jahr mehrmals ausgerufene Ausnahmezustand schränkte die Meinungs- und Versammlungsfreiheiten weitestgehend ein und verlieh den Sicherheitskräften weitreichende neue Befugnisse: u.a. Durchsuchungen und Verhaftungen ohne richterlichen Beschluss, Unterbindung von Kommunikationswegen und von Versammlungen. Allerdings wurde der Ausnahmezustand im Juni 2018 aufgehoben (AA 17.10.2018).

Die Medienlandschaft Äthiopiens wird dominiert von staatlichen oder regierungsfreundlichen Zeitungen, Radio- und Fernsehsendern. Die staatlichen Medien werden von der Ethiopian Radio and Television Agency (ERTA) und der Ethiopian Press Agency betrieben. Es gibt private Radiosender, aber nur staatliche Fernsehsender (GIZ 9.2018a). Die Zukunft im Mediensektor ist seit dem Amtsantritt Abiys unklar. Es lassen sich erste Anzeichen einer liberaleren Politik und freieren Berichterstattung beobachten (AA 17.10.2018; vgl. GIZ 9.2018a). Es gibt aber Hinweise darauf, dass die Regierung ihr Anti-Terrorismus-Gesetz dazu nutzt, die Meinungs- und Pressefreiheit auszuhebeln und Oppositionelle mundtot zu machen. Darüber hinaus gibt es Berichte über die politische Instrumentalisierung von Hilfsgütern seitens der Regierung und Zwangsumsiedlungen ganzer Dörfer zugunsten ausländischer Investoren (GIZ 9.2018a).

Internetzensur und -überwachung sind nach wie vor Thema, es ist seit dem Amtsantritt des Premiers Abiy Ahmed aber eine leichte Entspannung zu beobachten. Die Abschaltung des Internets im Zusammenhang mit lokalen gewaltsamen Auseinandersetzungen ist auch unter dem neuen Regierungschef gängige Praxis (GIZ 9.2018a). Im August 2018 wurde als Reaktion auf die Unruhen in der Region Somali das Internet zeitweise abgeschaltet. Im Anschluss wurde Mitte September 2018 im Stadtgebiet das mobile Internet für zwei Tage abgeschaltet (AA 17.10.2018; vgl. GIZ 9.2018a, DW 8.8.2018). Auch das Anti-Terror-Gesetz schränkt die Meinungsfreiheit im Internet ein. Hierfür wird auch der Telefon- und Internetverkehr überwacht. Es ist davon auszugehen, dass sämtliche nicht satellitengestützte Kommunikation abgefangen werden kann (AA 17.10.2018). Die äthiopische Regierung nutzt ihr Monopol in der Telekommunikation und verschiedene modernste Technologien um nicht nur die Bespitzelung bekannter Oppositioneller oder Kritiker im eigenen Land voranzutreiben, sondern ebenso zur Überwachung der äthiopischen Normalbevölkerung und Äthiopiern im Ausland (GIZ 9.2018a).

Stärker als das Medien- und Informationsgesetz wirkt sich das Antiterrorgesetz („Anti-Terror-Proklamation“) auf die Meinungs- und Pressefreiheit in Äthiopien aus, denn es umfasst nicht nur direkte und indirekte Unterstützung von Terrorismus als Tatbestand, sondern auch Berichterstattung über terroristische Gruppen oder Aktivitäten, die von der Öffentlichkeit als Anstiftung bzw. Propaganda aufgefasst werden könnten (AA 17.10.2018). Die Pressegesetzgebung ist restriktiv. Jahrelang hatte die Pressefreiheit in Äthiopien stetig abgenommen. Aus Angst vor Repressalien und Verhaftungen zensierten sich nicht wenige äthiopische Journalisten selbst, veröffentlichten nicht zu sensiblen Themen. Im Worldwide Press Freedom Index der Reporter ohne Grenzen belegt Äthiopien in 2018 Rang 150 von 180 untersuchten Ländern. Erste Maßnahmen des Premiers Abiy Ahmed lassen jedoch auf eine Verbesserung der Situation hoffen: Mehrere hundert bislang gesperrte - überwiegend regierungskritische - Internetseiten sind inzwischen freigegeben worden, mehrere namhafte Journalisten wurden aus Gefängnissen entlassen (GIZ 9.2018a).

Die von der Verfassung garantierte Vereinigungsfreiheit wird behindert. Unabhängige Tätigkeit von nicht partei- bzw. regimetreue Gewerkschaften werden auf unterschiedlichste Art und Weise schikaniert und untergraben (AA 17.10.2018).

Demonstrationen werden häufig gewaltsam beendet und Teilnehmer willkürlich verhaftet. Die Sicherheitskräfte setzten dabei teilweise auch scharfe Munition ein (AA 17.10.2018).

Es gibt Berichte aus der Region Somali über außergerichtliche Hinrichtungen inhaftierter Personen und über außergerichtliche Hinrichtungen von 34 Angehörigen der Wolkait in der Region Tigray. Das in der Verfassung verankerte Verbot von Folter wird in der Praxis offenbar unterlaufen. Von verschiedenen Seiten wurden immer wieder Vorwürfe über Misshandlungen durch Polizei und Militär erhoben. Die zukünftige Praxis bleibt abzuwarten (AA 17.10.2018).

Das äthiopische Parlament hat am Montag, den 24.12.2018, ein Gesetz zur Einrichtung einer Versöhnungskommission verabschiedet, deren Hauptaufgabe es sein wird, der innergemeinschaftlichen Gewalt ein Ende zu setzen und Menschenrechtsverletzungen im Land zu dokumentieren. Laut Angaben des UN-Büros für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) sind derzeit in Äthiopien mindestens 2,4 Millionen Menschen wegen interkommunaler Gewalt vertrieben worden (JA 25.12.2018).

Trotz der überraschenden Massenfreilassung von Häftlingen ist davon auszugehen, dass weiterhin eine unbekannte Zahl von Menschen, zum großen Teil ohne Anklage, inhaftiert bleibt – Menschenrechtsorganisationen sprechen von mehreren tausend Personen. Verifizieren lassen sich diese Zahlen nicht. Schwerpunktmäßig betroffen sind junge Männer, auch Schüler und Studenten in den Regionen Oromia und Amhara (AA 17.10.2018).

Das 2009 erlassene äthiopische NGO-Gesetz und die damit einhergehenden Verwaltungsvorschriften aus dem Jahr 2011 haben die Aktivitäten von NGOs, die aufgrund des niedrigen wirtschaftlichen Entwicklungsstands Äthiopiens auf ausländische Finanzierung angewiesen sind, fast zum Erliegen gebracht (AA 17.10.2018). Angesichts Antiregierungsproteste im Laufe des Jahres 2016, hatte die äthiopische Regierung die Überwachung von zivilgesellschaftlichen Bewegungen und Organisationen intensiviert und deren Arbeit z.T. erheblich erschwert. Neben Verhaftungswellen im Rahmen des Ausnahmezustandes, gab es auch Gesetzesverschärfungen (z.B. ein neues Gesetz zu Internetkriminalität) (GIZ 9.2018a). Ein Prozess zur Überarbeitung des NGO-Gesetzes wurde eingeleitet (AA 17.10.2018). Unter Premierminister Dr. Abiy Ahmed scheint sich die Lage für zivilgesellschaftliche Organisationen zu verbessern. Im Rahmen seiner dialog- und versöhnungsorientierten Politik hat er auch NGOs zu Gesprächen und Beteiligung an Reformprozessen eingeladen (GIZ 9.2018a).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (4.2018a): Länderinformation, Äthiopien, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aethiopien-node/-/209758, Zugriff 7.12.2018

-        AA - Auswärtiges Amt (17.10.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452858/4598_1543583225_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aethiopien-stand-september-2018-17-10-2018.pdf, Zugriff 7.12.2018

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (1.10.2018): Briefing Notes vom 1. Oktober 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1445533/1226_1539002314_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-01-10-2018-deutsch.pdf, Zugriff 28.12.2018

-        DW - Deutsche Welle (8.8.2018): Äthiopien: Ethnische Konflikte schwelen weiter, https://www.dw.com/de/%C3%A4thiopien-ethnische-konflikte-schwelen-weiter/a-45011266, Zugriff 12.12.2018

-        GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2018a): Äthiopien, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aethiopien/geschichte-staat/, Zugriff 12.12.2018

-        JA - Jeune Afrique (25.12.2018): Éthiopie : une commission de réconciliation pour mettre fin aux violences intercommunautaires, https://www.jeuneafrique.com/695208/societe/ethiopie-une-commission-de-reconciliation-pour-mettre-fin-aux-violences-intercommunautaires/, Zugriff 27.12.2018

-        USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Ethiopia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430108.html, Zugriff 13.12.2018

6. Todesstrafe

Die Todesstrafe wurde in Äthiopien seit 1991 zweimal vollstreckt. Seit der letzten Hinrichtung im August 2007 herrscht ein de facto-Moratorium. Einige Gesetze, zum Beispiel das Strafgesetz und das Antiterrorgesetz, sehen nach wie vor die Todesstrafe vor (AA 4.2018a; vgl. AA 17.10.2018). Äthiopien gilt bezüglich der Todesstrafe als „abolitionist de facto“ (CLS 20.12.2018). Ende Mai 2018 ist der zuletzt prominenteste Todeskandidat begnadigt worden, der als Führungsmitglied der damals als Terrorgruppe eingestuften Ginbot 7 verurteilte Andargachew Tsige (AA 17.10.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (4.2018a): Äthiopien, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aethiopien-node/-/209758#content_1, Zugriff 10.12.2018

-        AA - Auswärtiges Amt (17.10.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1452858/4598_1543583225_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aethiopien-stand-september-2018-17-10-2018.pdf, Zugriff 11.12.2018

-        CLS - Cornell Law School (20.12.2018): Death Penalty Database – Ethiopia, https://www.deathpenaltyworldwide.org/country-search-post.cfm?country=Ethiopia, Zugriff 2.1.2019

7. Religionsfreiheit

Fast alle Äthiopier sind tief gläubige Menschen, für die ihr Glaube f

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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