TE Bvwg Beschluss 2021/2/26 W172 2189371-2

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Veröffentlicht am 26.02.2021
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Entscheidungsdatum

26.02.2021

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W172 2189371-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Dr. Martin MORITZ als Einzelrichter über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2021, Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der nunmehrige Antragsteller stellte am 19.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Die Erstbefragung fand am 19.10.2015 statt, die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde) fand am 08.11.2017 statt.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und es wurde gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (im Folgenden auch: „BFA-VG“) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (im Folgenden auch: „FPG“) erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) sowie dass die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

3. Die gegen diesen Bescheid fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.02.2020, W172 2189371-1/15Z, als unbegründet abgewiesen.

4. Am 25.08.2020 langte bei der belangten Behörde vom französischen Dublinbüro ein Wiederaufnahmeersuchen ein. Am 27.01.2021 wurde der Antragsteller von Frankreich nach Österreich rücküberstellt.

5. Am 27.01.2021 stellte der Antragsteller den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz in Österreich.

6. Im Zuge seiner Erstbefragung zu seinem Folgeantrag am 27.01.2021 führte der Antragsteller zu den Gründen für die neuerliche Antragstellung im Wesentlichen an, dass seine alten Fluchtgründe aufrecht seien und es keine neuen Fluchtgründe geben würde.

7. Auch im Zuge seiner am 23.02.2021 stattgefunden Einvernahme vor der belangten Behörde führte der Antragsteller an, dass er keine neuen Fluchtgründe haben würde. Zudem führte der Antragsteller an, dass er vor ca. einem Jahr vom Tod seines Neffen erfahren habe. Dieser sei vor ca. zwei bis drei Jahren getötet worden. Mehr wisse er nicht. Zudem führte er an, dass er Probleme mit seinem Rücken und seiner Niere haben würde. Zudem leide er an psychischen Problemen. Befragt zu seinen Familienangehörigen in Afghanistan gab der Antragsteller an, dass seine Brüder und seine Schwestern in Afghanistan leben würden. Zudem führte der Antragsteller an, dass sich seine familiäre Situation in Österreich nicht geändert habe und er keiner Arbeit mehr nachgegangen sei und zudem keine Kurse mehr besucht habe.

In der Folge wurde mit mündlich verkündetem Bescheid der belangten Behörde vom 23.02.2021 der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG 2005 in Anwendung des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben.

In diesem Zusammenhang stellte die belangte Behörde im Wesentlichen fest, dass der Antragsteller keine schweren körperlichen oder psychischen Krankheiten bzw. Störungen habe. Die vom Antragsteller vorgezeigten Medikamente würde er auch in Afghanistan bekommen und zudem sei der Antragsteller seit seiner Rückkehr nach Österreich bei keinem Arzt gewesen und habe keine neuen Medikamente verschrieben bekommen.

Zudem habe der Antragsteller im Folgeantragsverfahren keine neuen Fluchtgründe vorgebracht, sondern sich auf sein bereits im Vorverfahren erstattetes Vorbringen gestützt, weshalb sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert habe. Sein neuer Antrag auf internationalen Schutz werde voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände könne nicht festgestellt werden, dass seine Abschiebung nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Auch könne unter Beachtung sämtlicher bekannter Tatsachen kein unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 3 und 8. EMRK erkannt werden.

In der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, dass das Vorverfahren des Antragstellers am 20.02.2020 rechtskräftig abgeschlossen worden sei und sohin gegenständlich ein Folgeantrag vorliege. Die gegen ihn ausgesprochene Rückkehrentscheidung sei aufrecht, zumal er zwischenzeitlich das Bundesgebiet (Anm. des BVwG: dabei handelt es sich um einen Fehler der belangten Behörde) nicht verlassen habe. Der Antragsteller verfüge über kein sonstiges Aufenthaltsrecht und sein Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, da er keinen neuen Sachverhalt vorgebracht und sich auf seine schon behandelten Fluchtgründe bezogen habe. Auch habe sich die allgemeine Lage im Herkunftsland des Antragstellers nicht entscheidungswesentlich geändert. Bereits im Vorverfahren sei festgestellt worden, dass dem Antragsteller bei einer Rückkehr oder Abschiebung in sein Heimatland keine Verletzung seiner Integrität drohe. Da sich die allgemeine Lage, wie auch seine persönlichen Verhältnisse und sein körperlicher Zustand seit der letzten Entscheidung nicht entscheidungswesentlich geändert hätten, könne davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat für ihn zu keiner Bedrohung führen würde.

Selbiges gelte auch für die persönlichen Verhältnisse des Antragstellers. Auch bezüglich dieser sei keine Veränderung im Hinblick auf die vorherige Entscheidung eingetreten. Die Feststellung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung, die in Rechtskraft erwachsen sei, sei somit nach wie vor nicht anzuzweifeln. Aufgrund der Feststellungen zur Lage im Herkunftsland in Verbindung mit dem Vorbringen des Antragstellers könne somit davon ausgegangen werden, dass diesem keine Verletzung, wie in § 12a Abs. 2 Z. 3 AsylG 2005 beschrieben, drohe.

Der Verwaltungsakt des Antragstellers langte am 24.02.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurden am selben Tag der ho. Gerichtsabteilung W172 zugewiesen.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Antragsteller führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an. Er ist sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari. Er ist verheiratet und hat mehrere Kinder. Der Antragsteller wurde in der Provinz XXXX geboren. Der Antragsteller war für einen kurzen Zeitraum (ca. eineinhalb Jahre) in Iran aufhältig. In Afghanistan leben an Familienangehörigen u.a. die Geschwister des Antragstellers. Der Antragsteller besuchte keine Schule. Der Antragsteller erlernte keinen Beruf. Der Antragsteller arbeitete mehrere Jahre als Mechaniker in Afghanistan und in Iran.

In Österreich lebt ein Onkel des Antragstellers. Mit diesem lebt er in keinem gemeinsamen Haushalt und es besteht kein (finanzielles) Abhängigkeitsverhältnis. Darüber hinaus verfügt der Antragsteller weder über Familienmitglieder im Bundesgebiet noch führt er eine sonstige enge Beziehung zu einer anderen Person im Bundesgebiet.

Seit dem 19.10.2015 hält sich der Antragsteller (mit Ausnahme einer, weniger als 18 Monate andauernden Unterbrechung) in Österreich auf.

Der Antragsteller leidet an Rückenproblemen, an nicht hier maßgeblichen psychischen Beschwerden sowie an hier ebenfalls nicht maßgeblichen Problemen mit seiner Niere. Ansonsten ist der Antragsteller gesund.

Der Antragsteller ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Am 27.01.2021 hat der Antragsteller einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz gestellt. In seinem zweiten Verfahren auf Gewährung von internationalen Schutz in Österreich bezieht sich der Antragsteller lediglich auf Gründe, die bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des ersten Verfahrens bestanden haben. In Bezug auf den Antragsteller besteht weiterhin kein schützenswertes Privat- und/oder Familienleben im Bundesgebiet.

Es ist nicht ersichtlich, dass eine Rückkehr des Antragstellers nach Afghanistan für diesen eine unzulässige Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeutet oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt. Es liegen keine Umstände vor, welche einer Außerlandesbringung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.

Im Hinblick auf die pandemiebedingte Situation betreffend das Virus Sars-CoV-2 bzw. die Krankheit COVID-19 in Afghanistan ist festzuhalten, dass der Antragsteller als junger Mann keiner Risikogruppe angehört, bei der im Falle einer Ansteckung ein schwererer Krankheitsverlauf zu befürchten ist.

Der Folgeantrag wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

2. Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Person des Antragstellers, zum Gang des Vorverfahrens sowie des gegenständlichen Verfahrens ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Im gegenständlichen (zweiten) Asylverfahren bringt der Antragsteller keine neuen Gründe für die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz vor. Sein diesbezügliches Fluchtvorbringen wurde bereits im Vorverfahren als unglaubhaft bzw. als nicht asylrelevant beurteilt. Sein in dieser Hinsicht im Zuge der Folgeantragstellung erstattetes Vorbringen steht mit dem rechtskräftig negativ beschiedenen Vorbringen aus dem Vorverfahren im untrennbaren Zusammenhang und es liegt daher kein wesentlich geänderter Sachverhalt vor. Insoweit er in diesem Zusammenhang nunmehr vorbringt, dass er ein Foto gefunden habe, welches belegen würde, dass sein Neffe vor zwei bis drei Jahren getötet worden sei, so ist anzumerken, dass es sich dabei um keinen neuen Sachverhalt, sondern um ein neues Beweismittel handelt.

Auch bezüglich der gesundheitlichen Situation des Antragstellers hat sich keine entscheidungsrelevante Änderung ergeben, insbesondere sind keine Anhaltspunkte für akute oder lebensbedrohliche Erkrankungen hervorgekommen. Zudem ergibt sich aus den vorliegenden Länderinformationen eine ausreichende medizinische Grundversorgung in Afghanistan, sodass dem Antragsteller auch in seinem Herkunftsstaat eine allfällige Inanspruchnahme der benötigten Behandlung möglich sein wird.

Entscheidungsrelevante Änderungen seit der Rechtskraft der Entscheidung im Vorverfahren hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Antragstellers sind nicht eingetreten, wovon sich das Bundesverwaltungsgericht durch Einsicht in das aktuelle, dem verfahrensgegenständlichen Bescheid zugrundeliegenden Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 16.12.2020 überzeugen konnte. Der Antragsteller ist den Länderfeststellungen auch nicht substantiiert entgegengetreten. Auch bezogen auf die zum Entscheidungszeitpunkt aktuell vorherrschende COVID-19 Pandemie war im gegenständlichen Verfahren das Vorliegen einer verfahrenswesentlichen Änderung der Lage im Herkunftsstaat nicht zu erkennen. Vor dem Hintergrund, dass diese Pandemie grundsätzlich weltweit herrscht und der Antragsteller keiner Risikogruppe zugehörig ist, droht ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Verletzung des Art. 3 EMRK. Anzumerken ist diesbezüglich, dass der Antragsteller zwar Nierenbeschwerde hat, aber dessen Werte gemäß seinen vorgelegten medizinischen Unterlagen (glomerulärer Filtrationsrate von 80 ml/min) nicht den medizinischen Indikationen (chronische Niereninsuffizienz mit glomerulärer Filtrationsrate < 45 ml/min) für die Zuordnung zur COVID-19-Risikogruppe entsprechen.

Das Vorliegen eines schützenswerten Privat- oder Familienlebens in Österreich wurde anlässlich des vorangegangenen Verfahrens vom Bundesverwaltungsgericht eingehend erörtert und als nicht schützenswert festgestellt. Auch im gegenständlichen Verfahren wurde das Vorliegen eines schützenswerten Privat- oder Familienlebens in Österreich nicht hinreichend belegt. Es sind auch keine maßgeblichen zusätzlichen Integrationsmerkmale aufgetaucht, die insgesamt zu einer anderen Beurteilung beitragen hätten können.

Im vorliegenden Fall ist somit der Beurteilung der Behörde nicht entgegenzutreten, dass von einer entschiedenen Sache auszugehen sein wird. Näheres wird allerdings im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu prüfen sein.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

§ 12a AsylG 2005 lautet:

"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

[…]

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden."

§ 22 Abs. 10 AsylG lautet:

„Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.“

§ 22 BFA-VG lautet:

„Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

Zu prüfen ist sohin, ob die Voraussetzungen für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 vorliegen.

Der Antragsteller stellte am 19.10.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz und brachte im gegenständlichen Fall am 27.01.2021 seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz ein.

Diesem Antrag geht das Vorverfahren, wie oben angeführt voraus, welches mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.02.2020, vom 20.02.2020, W172 2189371-1/15Z, abgeschlossen wurde und in Rechtskraft erwachsen ist.

Es liegt somit eine aufrechte Rückkehrentscheidung vor, da der Antragsteller, wie festgestellt und entgegen der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde, zwar Österreich im Februar oder März 2020 verlassen hat, aber spätestens am 27.01.2021, sohin weniger als 18 Monate später, wieder einreiste.

§ 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 verlangt eine Prognoseentscheidung über eine voraussichtliche Antragszurückweisung (vgl Muzak, Die Einschränkungen des faktischen Abschiebeschutzes im Asylverfahren, migralex 2010, 2 [4]); die Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens (vgl RV 330 BlgNR 24. GP). Darüber hinaus sieht § 12a Abs. 2 Z 3 leg.cit. vor, dass vor Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes und damit vor der möglichen Effektuierung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme erneut eine Refoulement-Prüfung nach Art 2 und 3 EMRK sowie eine Interessenabwägung iSv Art 8 EMRK vorzunehmen sind (vgl. VfGH 10.10.2018, Zl. G186/2018 ua).

Im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Hierbei ist auch die rechtskräftige Gewährung von subsidiärem Schutz und damit die Bejahung der Voraussetzungen zur Zuerkennung dieses Schutzstatus im Verfahren betreffend den Status eines Asylberechtigten zu beachten (vgl. VwGH 28.02.2017, Zl. Ra 2016/01/0206, Rz 13). Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen (vgl. VwGH 28.04.2017, Zl. Ra 2017/03/0027, Rz 11). Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen (vgl. VwGH; 28.02.2017, Zl. Ra 2016/01/0206, Rz 14; VwGH 08.09.2015, Zl. Ra 2017/03/0027). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen „glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. VwGH 25.04.2017, Zl. Ra 2016/01/0307, Rz 22). Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts hat - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen. Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der „Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht somit nicht umfasst und daher unbeachtlich (vgl. VwGH 22.11.2017, Zl. Ra 2017/19/0198, Rz 17).

Der Antragsteller hat im gegenständlichen zweiten Asylverfahren anlässlich seiner niederschriftlichen Befragung bzw. Einvernahme vor der belangten Behörde erklärt, aus den gleichen Gründen, wie schon im vorangegangenen Asylverfahren erneut einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Aus dem Vorbringen zum Folgeantrag ergibt sich daher, wie auch in der Sachverhaltsdarstellung und der Beweiswürdigung aufgezeigt, kein entscheidungswesentlicher neuer Sachverhalt. Im Hinblick auf das Vorbringen des Antragstellers, dass dieser ein Foto auf Facebook gefunden habe, welches zeigen würde, dass sein Neffe vor zwei bis drei Jahren gestorben sei, ist anzumerken, dass es sich bei dem Foto um ein Beweismittel handelt, welches schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden hat. Eine neue Sachentscheidung ist aufgrund dessen ausgeschlossen.

Auch die für den Antragsteller maßgebliche Ländersituation ist seit der rechtskräftigen Entscheidung im Erstverfahren im Wesentlichen gleichgeblieben. Es wurde auch nichts Gegenteiliges behauptet.

Im vorangegangenen Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung der Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehe.

Auch im nunmehr gegenständlichen (zweiten) Asylverfahren vor der belangten Behörde sind - im Lichte der eben getroffenen Erwägungen - keine Risiken für den Antragsteller im Sinne des § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden.

Hinsichtlich der auch in Afghanistan vorherrschenden Covid-19-Pandemie ist auf die Entscheidung des VwGH vom 23.06.2020, Ra 2020/20/0188, hinzuweisen. Demnach möge es zwar sein, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in Afghanistan aufgrund der Maßnahmen gegen die Verbreitung von Covid-19 verschlechtert hätten. Um von der realen Gefahr („real risk“) einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Antragstellers bei Rückkehr in seinem Herkunftsstaat ausgehen zu können, reiche es aber nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich sei. Es bedürfe einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen habe.

Für den gegenständlichen Fall ist entscheidend, dass der Antragsteller exzeptionelle Umstände nicht behauptet hat. Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt ist festzuhalten, dass der Antragsteller aktuell ca. 38 Jahre alt ist und an keinen relevanten Vorerkrankungen leidet, sodass er unter keine der Risikogruppen fällt.

Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers in seinen Herkunftsstaat stellt für ihn somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

Im Verfahren zur Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durch das Bundesamt ist ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. § 18 AsylG 2005), wobei auch der Grundsatz der Einräumung von rechtlichem Gehör (§§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist.

Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt, dem Antragsteller wurde Parteiengehör eingeräumt und er wurde am 23.02.2021 von der belangten Behörde einvernommen.

Gemäß § 22 Abs. 1 2. Satz BFA-VG ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B)   Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Es findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag non-refoulement Prüfung Pandemie Rechtsanschauung des VwGH Risikogruppe Vorerkrankung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W172.2189371.2.00

Im RIS seit

12.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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