TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/29 L521 2223265-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.12.2020
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Entscheidungsdatum

29.12.2020

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


L521 2223265-1/33E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 30.11.2020 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Türkei, vertreten durch Mag. Wolfgang Ruckenbauer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, An der Hülben 1/15, als gerichtlich bestellter Erwachsenenvertreter, sowie ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 30.11.2020 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Monaten ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung neu festsetzt wird.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass das wider die beschwerdeführende Partei ausgesprochene Einreiseverbot auf drei Jahre herabgesetzt wird.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der am XXXX geborene Beschwerdeführer ist türkischer Staatsangehöriger. Er reiste im Jahr 2005 rechtmäßig aufgrund einer Niederlassungsbewilligung als Angehöriger eines österreichischen Staatsbürgers (nämlich seines Vaters, der zufolge einer 1989 erfolgten Eheschließung mit einer österreichischen Staatsangehörigen im Jahr 2004 die österreichische Staatsbürgerschaft erwarb) in das Bundesgebiet ein und begründete am 25.07.2005 erstmals einen Wohnsitz im Bundesgebiet. Seither ist der Beschwerdeführer rechtmäßig in Österreich aufhältig, wobei er sich zuletzt im Jahr 2012 zu Urlaubszwecken in die Türkei begab.

2. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16.11.2012 des Vergehens des versuchten unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 15 StGB, § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 3 und Abs. 4 Z 1 SMG sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG schuldig erkannt und gemäß § 28 Abs. 1 StGB und § 27 Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, wobei die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

3. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30.10.2013 wurde der Beschwerdeführer des Vergehens des versuchten unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 15 StGB, § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG schuldig erkannt und gemäß § 27 Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, wobei fünf Monate der Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden. Darüber hinaus wurde die mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16.11.2012 gewährte bedingte Strafnachsicht nicht widerrufen, jedoch die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

4. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29.01.2015 des Vergehens des versuchten unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 15 StGB, § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 und Abs. 5 SMG schuldig erkannt und gemäß § 27 Abs. 5 SMG zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Darüber hinaus wurde die mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16.11.2012 gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen.

5. Der Beschwerdeführer verbüßte im Anschluss die Freiheitsstrafe in der Justizanstalt St. Pölten. Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.05.2015 wurde der Beschwerdeführer mit 07.07.2015 unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen.

6. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 01.12.2015 wurde der im Spruch bezeichnete Rechtsanwalt für den Beschwerdeführer zum Sachwalter für die Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern, zur Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten sowie zur Vertretung bei Rechtsgeschäften, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen, gemäß § 268 ABGB bestellt. Begründend wurde

ausgeführt, dass der Beschwerdeführer infolge Cannabiskonsums an einer drogeninduzierten schizophreneformen Psychose leide und deshalb in seiner Urteilsfähigkeit herabgesetzt sei.

7. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 06.07.2018 des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a dritter Fall SMG sowie des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB schuldig erkannt und gemäß § 28 Abs. 1 StGB nach § 27 Abs. 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Darüber hinaus wurde die mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien 30.10.2013 gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen. Vom Widerruf der mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.05.2015 gewährten bedingten Strafnachsicht wurde abgesehen, jedoch die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

8. Aufgrund eines anhängigen Verlängerungsverfahrens in Bezug auf einen beantragten Aufenthaltstitel richtete der Magistrat der Stadt Wien im Jahr 2015, im Jahr 2017 und im Jahr 2018 Ersuchen an das belangte Bundesamt, im Hinblick auf die Straffälligkeit des Beschwerdeführers aufenthaltsbeendende Maßnahmen zu prüfen. In der Folge wurde (nach längerer Untätigkeit des belangten Bundesamtes) das hier gegenständliche Verfahren im Oktober 2018 eingeleitet. Der Beschwerdeführer befindet sich auch gegenwärtig im offenen Verlängerungsverfahren vor der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzbehörde.

9. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 29.10.2018 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot beabsichtigt sei. Er halte sich seit dem Jahr 2005 durchgehend und rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Im November 2012 und Oktober 2013 sei er wegen Suchgiftdelikten zu jeweils fünf Monaten bedingt rechtskräftig verurteilt worden. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 20.02.2014 sei er schriftlich ermahnt und ihm mitgeteilt worden, dass er bei einem weiteren Fehlverhalten mit der Einleitung eines aufenthaltsbeendenden Verfahrens zu rechnen habe. Ein positiver Sinneswandel sei beim Beschwerdeführer nicht eingetreten und sei er neuerlich straffällig geworden. Er sei im Jänner 2015 und im Juli 2018 zu einer jeweils unbedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dem Beschwerdeführer wurde ein Fragenkatalog zu seinen persönlichen Verhältnissen übermittelt und eine vierzehntägige Frist zur Erstattung einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt.

10. Am 09.11.2018 langte bei der belangten Behörde eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zum Ergebnis der Beweisaufnahme vom 29.10.2018 ein.

11. Mit E-Mail vom 27.12.2018 gab der gerichtlich bestellte Erwachsenenvertreter des Beschwerdeführers ebenfalls eine Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme vom 29.10.2018 ab.

Dieser Stellungnahme sind die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 29.10.2018, die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 07.11.2018, der Beschluss des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 01.12.2015 und ein psychiatrisch-psychologisches Gutachten vom 01.10.2015 sowie ein vorläufiger Patientenbrief vom 05.02.2018 angeschlossen.

12. Am 22.03.2019 ersuchte die belangte Behörde die Justizanstalt St. Pölten um Mitteilung, wie sich das Verhalten des Beschwerdeführers während der Haft dargestellt habe und ob er während der Haft medizinisch bzw. psychologisch behandelt worden sei. Dem Ersuchen wurde mit Stellungnahme der Justizanstalt St. Pölten vom 26.03.2019 entsprochen.

13. Mit E-Mail der belangten Behörde vom 29.03.2019 wurde der gerichtlich bestellte Erwachsenenvertreter aufgefordert, aktuelle Befunde bzw. ein aktuelles Gutachten zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers vorzulegen.

14. Am 02.05.2019 teilte der gerichtlich bestellte Erwachsenenvertreter mit, dass der Beschwerdeführer bei einer Verhandlung vor dem Pflegschaftsgericht zugestimmt habe, dass ein neues Gutachten durch einen Sachverständigen erstellt werde. Eine kontinuierliche Behandlung werde vom Beschwerdeführer nicht eingegangen.

15. Das psychiatrisch-neurologische Gutachten vom 04.06.2019 wurde am 18.06.2019 seitens des gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreters per E-Mail an die belangte Behörde übermittelt. Demnach leide der Beschwerdeführer an einer Abhängigkeit von Tabak, Cannabis und anderen Drogen vom Typ III. Derzeit sei der Beschwerdeführer jedoch symptomfrei und benötige aus fachärztlicher Sicht keine wesentliche Unterstützung. Da keine wirkliche Therapie durchgeführt werde, sei jedoch mit einer Verschlechterung des Zustandes zu rechnen.

16. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde gemäß § 52 Abs. 4 FPG 2005 iVm § 9 BFA-VG wider den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III.). Des Weiteren wurde wider den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 FPG 2005 ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt (Spruchpunkt IV.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte seiner Entscheidung zum damaligen Zeitpunkt aktuelle Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zugrunde (vgl. die Seiten 11 bis 53 des angefochtenen Bescheides).

In der rechtlichen Beurteilung wurde begründend dargelegt, weshalb gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde, weshalb festgestellt wurde, dass die Abschiebung in die Türkei zulässig sei, weshalb die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage und weshalb wider den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt wurde.

Der Beschwerdeführer sei insbesondere wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz mehrfach rechtskräftig verurteilt worden. Der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stelle aufgrund seines bisherigen Verhaltens und den von ihm verübten strafbaren Handlungen eine gegenwärtige und schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Eine positive Zukunftsprognose sei angesichts der gravierenden Delinquenz nicht möglich.

In Anbetracht der Straffälligkeit erweise sich ein Eingriff in die familiären Bindungen des Beschwerdeführers als vertretbar. In einer Gesamtbeurteilung erweise sich ein Einreiseverbot in der Dauer von sechs Jahren als gerechtfertigt und notwendig.

17. Mit Verfahrensanordnungen vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben und der Beschwerdeführer ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

18. Gegen den rechtswirksam zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX richtet sich die im Wege des gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreters mit Schreiben vom 27.08.2019 fristgerecht eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

In dieser wird die Aufhebung des bekämpften Bescheides der belangten Behörde bzw. eventualiter die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in die Türkei und die Aufhebung der Frist zur freiwilligen Ausreise binnen 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung begehrt. Des Weiteren wird eventualiter ein Antrag auf Aufhebung des Einreiseverbotes gestellt. Schließlich beantragt der Beschwerdeführer eventualiter, die Dauer des Einreiseverbotes auf ein angemessenes Maß unter sechs Jahren zu reduzieren.

Besonders wird auf einen zweijährigen Hauptschulbesuch und eine zweijährige Ausbildung zum Maurer beim Wirtschaftsförderungsinstitut sowie den Umstand hingewiesen, dass die gesamte Familie des Beschwerdeführers, konkret die Eltern, Onkel, Tante, Geschwister und Cousin, in Österreich leben würde und in der Türkei keine Familie bestehe. Des Weiteren wird die Beschäftigung in einem Unternehmen für Mobiltelefone eines Bruders sowie bei einer Umzugsfirma erwähnt. Was den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers betrifft, wird unter Verweis auf mehrere medizinische Unterlagen ausgeführt, dass eine psychiatrische Erkrankung in Form einer schwierigen psychosozialen Entwicklung zu einem polytoxikomanen Einnnahmeverhalten geführt und darauf aufgepfropft zu affektiven Syndromen entsprechend einer Abhängigkeit von Tabak, Cannabis und anderen Drogen vom Typ III geführt habe, deren Schweregrad in auftretenden Episoden die Wertigkeit einer psychiatrischen Erkrankung erreiche. Aufgrund des Verlaufes der Erkrankung sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wieder mit Verschlechterungen zu rechnen, weil auch keine wirkliche Therapie durchgeführt werde.

Die Lage im Herkunftsstaat sei anhand des Länderinformationsblattes beurteilt worden, welches im Wesentlichen ausführe, dass die Situation in der Türkei rechtspolitisch untragbar, Minderheiten gefährdend, politisch willkürlich, zur Grundversorgung und Wirtschaft mangelhaft, Sozialleistungen in unterschiedlicher Weise mit keiner Vergleichbarkeit zur österreichischen Sozialhilfe gegeben, die medizinische Versorgung und angemessene Behandlungen sämtlicher Erkrankungen in staatlichen Krankenhäusern grundlegend vorhanden, im Besonderen aber kein flächendeckendes System etabliert sei(en). Die Behandlung von Rückkehrern weise dieselbe rechtsstaatliche Willkür auf, die bereits beim politischen System beschrieben sei. Der Militärdienst sei jedenfalls beim Alter des Beschwerdeführers zu leisten.

Zu der Feststellung, wonach nach den aktuellen Zentralen Melderegister-Anfragen die Eltern in Wien 20, XXXX leben würden, während der Beschwerdeführer in Wien 20, XXXX wohne, sei festzuhalten, dass es sich um eine Identadresse eines großen Wohnblockes handle. Der Ordnung halber werde das öffentlich einzusehende Grundbuch dieser Beschwerde beigelegt, wobei zu entnehmen sei, dass es sich um dieselbe Liegenschaft und somit auch um dasselbe Wohnobjekt handle, welches von den Eltern und dem Beschwerdeführer bewohnt werde. Die tendenziös zum Nachteil des Beschwerdeführers abgefasste Feststellung über die Zentralen Melderegister-Anfragen sei daher entsprechend zu ergänzen. Daraus ergebe sich eindeutig und in besonderer Weise berücksichtigungswürdig im Sinne des Artikel 8 EMRK, dass die einzige Familienanbindung in Österreich bestehe und der Beschwerdeführer tatsächlich bei seinen Eltern leben müsse. Vollkommen unrichtig sei weiters der Umkehrschluss, dass der Beschwerdeführer in der Türkei Bindungen hätte und eine Integration in der Türkei erreichbar wäre. Es gebe in der Türkei niemanden, an den sich der Beschwerdeführer wenden könnte. Es werde daher unsachgemäß und unbillig in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Dies sei insbesondere im Zusammenhang mit der festgestellten psychiatrischen Beeinträchtigung des Beschwerdeführers zu sehen. Diese mache ihm eine Arbeitstätigkeit unmöglich. Der Beschwerdeführer habe nur bei seinem Bruder und bei einem Möbeltransportunternehmen Beschäftigung finden können. Eine Anstellung sei nur unter besonderer Rücksicht seitens des Arbeitgebers, wie des Bruders, möglich. Eine Vermittelbarkeit des Beschwerdeführers falle aus. Das Leben des Beschwerdeführers könne daher sowohl zum Wohnen als auch zur Beschäftigung oder Arbeit nur im Familienkreis bewältigt werden.

Ferner wird moniert, dass die belangte Behörde den Bericht zur Situation in der Türkei nicht gänzlich ausgewertet habe. Nur die medizinische Primärversorgung sei flächendeckend ausreichend. Die sekundäre und postoperationelle Versorgung dagegen oft mangelhaft und nicht dem westlichen Standard entsprechend. Bei der Behandlung einer psychiatrischen Erkrankung handle es sich nicht um medizinische Primärversorgung, sondern um sekundäre Versorgung, die laufend und nicht nur in akuten Fällen geschehen müsse. Entsprechend sei sie nicht gewährleistet. Des Weiteren warne die Weltbank vor explodierenden Kosten. Zahlreiche Ärzte würden die sinkende Qualität der Behandlungen aufgrund der reduzierten Konsultationsdauer und der geringen Ressourcen pro Patienten kritisieren. Auch durch die zahlreichen Entlassungen nach dem gescheiterten Putschversuch, von denen auch der Gesundheitsbereich betroffen sei, komme es nach Medienberichten gelegentlich zu Verzögerungen bei der Bereitstellung medizinischer Dienstleistungen. Als Rückkehrer müsste der Beschwerdeführer in die Krankenversicherung einzahlen und erhielte nach mindestens 180 Tagen Beitragszahlung eine Leistung. In Österreich sei die Mitversicherung bei den Eltern möglich. Zur Behandlung psychiatrischer Erkrankungen seien zwar zunehmende Kapazitäten und ein steigender Standard festzustellen, im Jahr 2016 habe es aber in der gesamten Türkei nur zwölf psychiatrische Fachkliniken, weiters besondere Fachabteilungen von einigen Regionalkrankenhäusern und insgesamt 32 therapeutische Zentren für Alkohol- und Drogenabhängige gegeben. Gemessen an der Größe der Türkei und der Tatsache, dass der Beschwerdeführer nicht mit Sicherheit in einer der genannten Städte aufhältig sein können werde, sei eine ausreichende Gesundheitsversorgung betreffend die psychiatrische Erkrankung des Beschwerdeführers nicht gegeben. Hinzukomme, dass die meisten Pflegeleistungen durch Familienangehörige zu erbringen wären. Diese gebe es in der Türkei festgestelltermaßen nicht.

Dem Bericht über die Türkei sei zudem zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer noch der Militärpflicht unterliege und zum Heer eingezogen werde. Dabei werde keine Berücksichtigung einer psychiatrischen Erkrankung ausgewiesen. Entsprechend würde die Rekrutierung erfolgen und der Beschwerdeführer würde dem unmenschlichen System des türkischen Militärs ausgeliefert sein. Für diesen Fall seien auch keine Behandlungsmöglichkeiten in einer psychiatrischen Fachabteilung ausgewiesen.

19. Die Beschwerdevorlage langte am 10.09.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurden in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zugewiesen.

20. Mit Telefax des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.09.2019 wurde das Landesgericht für Strafsachen Wien zwecks Akteneinsicht um Übermittlung des Aktes, Zahl XXXX , ersucht. Diesem Ersuchen wurde seitens des Landesgerichtes für Strafsachen Wien entsprochen.

21. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.09.2019 wurde Primar Dr. XXXX , allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger, Fachgebiet Neurologie und Psychiatrie, zum Sachverständigen bestellt und mit der Erstellung eines medizinischen Gutachtens zum aktuellen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beauftragt.

22. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.01.2020 wurden dem gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreter des Beschwerdeführers einerseits aktuelle länderkundliche Dokumente zur allgemeinen Lage in der Türkei, insbesondere das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation der belangten Behörde zur Türkei vom 29.11.2019 und der Asylländerbericht der Österreichischen Botschaft Ankara vom Oktober 2019, und andererseits das medizinische Gutachten vom 24.10.2019 zur Wahrung des Parteiengehöres übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt, dazu innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens schriftlich Stellung zu nehmen.

Der Beschwerdeführer bzw. dessen gerichtlich bestellter Erwachsenenvertreter ließen die Frist zur Stellungnahme ungenützt verstreichen.

23. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 13.05.2020 des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und gemäß § 28 Abs. 1 StGB nach § 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

24. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.09.2020 wurde dem gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreter des Beschwerdeführers mitgeteilt, dass zuletzt die für den 04.02.2020 anberaumte mündliche Verhandlung wegen Verhängung der Untersuchungshaft über den Beschwerdeführer in einem Verfahren wegen des Verdachts des schweren Raubes abberaumt worden sei. Daher wurde zunächst um Bekanntgabe des Standes in diesem Verfahren (Geschäftszahl des Haftverfahrens – XXXX ) ersucht. Ferner sei der Beschwerdeführer dem Strafregister zufolge am 13.05.2020 zu XXXX des Landesgerichtes Korneuburg rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und eine bedingte Entlassung aus der Strafhaft aus dem Jahr 2015 widerrufen worden, weshalb des Weiteren in dieser Hinsicht um Mitteilung ersucht wurde, ob der Beschwerdeführer derzeit in Strafhaft angehalten werde (falls zutreffend, in welcher Justizanstalt) oder nicht, sowie ob – im Hinblick auf die neuerliche Straffälligkeit – ein ergänzendes Vorbringen erstattet werde.

25. Mit Eingabe vom 12.10.2020 teilte der gerichtlich bestellte Erwachsenenvertreter des Beschwerdeführers mit, dass sich der Beschwerdeführer derzeit noch – seit 03.03.2020 – in Strafhaft befinde. Die Entlassung sei nach telefonischer Auskunft der Sozialarbeit für 29.10.2020 angeordnet. Zum Verfahren XXXX würde dem gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreter nur die Anklageschrift vorliegen. Weder zu diesem Verfahren, noch zum Verfahren XXXX habe eine Vertretung bestanden, sondern seien Verfahrenshelfer bestellt worden. Der Beschwerdeführer habe seine einzigen Bezugspunkte unverändert im Inland. Nach Entlassung werde er auch wieder bei seinen Eltern wohnen. Eine Ausweisung würde den Beschwerdeführer in eine unwiederbringlich schädigende Situation bringen. Auch die verübten Straftaten seien nur der durch die drohende Ausweisung angespannten Lage geschuldet. Die betreute Person werde durch den Druck der Ausweisung gänzlich destabilisiert. Bei einem Verbleib im Inland könne der Beschwerdeführer wieder bei seinen Eltern wohnen und es werde über Anraten der Sozialbetreuung der Justizanstalt eine Betreuung organsiert.

26. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.10.2020 wurde das Landesgericht Korneuburg zwecks Akteneinsicht um Übermittlung des Gerichtsaktes, Zl. XXXX , ersucht. Diesem Ersuchen wurde seitens des Landesgerichtes Korneuburg entsprochen.

27. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.11.2020 wurden dem gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreter des Beschwerdeführers zur Vorbereitung der für den 30.11.2020 anberaumten mündlichen Verhandlung aktuelle länderkundliche Dokumente zur allgemeinen Lage in der Türkei, nämlich die länderkundlichen Informationen zur Lage in der Türkei vom 20.11.2020, und die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation der belangten Behörde zur Thematik „Gewährleistung medizinischer Betreuung während COVID 19“ vom 04.08.2020, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation der belangten Behörde zur Thematik „Drogenersatztherapie“ vom 21.02.2020 und die MedCOI-Anfragebeantwortung hinsichtlich Drogenersatztherapie (Anfrage vom 17.02.2020), zur Wahrung des Parteiengehöres übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt, dazu schriftlich oder mündlich in der Verhandlung Stellung zu nehmen.

28. Am 20.11.2020 richtete das Bundesverwaltungsgericht an die Justizanstalt Korneuburg ein Ersuchen um Übermittlung der Besucherliste und eines Berichtes über das Verhalten des Beschwerdeführers in Haft und von ihm in Anspruch genommene Therapien und Beratungsangebote.

29. In Entsprechung dieses Ersuchens langten am 25.11.2020 beim Bundesverwaltungsgericht die Besucherliste und ein Bericht bezüglich des Beschwerdeführers ein.

30. Im Zuge einer Stellungnahme vom 25.11.2020 führte der gerichtlich bestellte Erwachsenenvertreter des Beschwerdeführers aus, dass das Länderergebnis zur Türkei insbesondere zu den medizinischen Umständen in diesem Land (Punkt 21) ausweise, dass für die Behandlung einer psychischen Erkrankung keine Kapazitäten vorliegen würden und auch die Drogentherapie nicht gesichert sei. Mangels Wohnsitzes in der Türkei könne der Beschwerdeführer auch die Corona-Auflagen nicht einhalten. Eine Abschiebung sei daher allein aus diesen Gründen nicht möglich und rechtlich unzulässig.

31. Am 30.11.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, eines Vertreters der dem Beschwerdeführer beigegebenen und vom gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreter für die Verhandlung bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation sowie eines Dolmetschers für die türkische Sprache durchgeführt. Ein Vertreter der belangten Behörde blieb der mündlichen Verhandlung entschuldigt fern. Der gerichtlich bestellte Erwachsenenvertreter des Beschwerdeführers ist ebenfalls nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen. Des Weiteren sind drei (amtswegige) als Zeugen geladene Familienangehörige des Beschwerdeführers, nämlich XXXX , geb. XXXX , XXXX , geb. XXXX , und XXXX , geb. XXXX , unentschuldigt nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen. Im Verlauf der Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, seinen Standpunkt umfassend darzulegen. Ferner wurde die aktuelle Lageentwicklung in der Türkei anhand aktueller länderkundlicher Berichte erörtert, welche der Rechtsvertretung bereits zuvor mit Schreiben vom 03.01.2020 und 20.11.2020 zur Stellungnahme übermittelt wurden. Ergänzend zum Gutachten des Primar Dr. XXXX , vom 24.10.2019 wurde das (vorranging zur Beurteilung der Schuldfähigkeit sowie im Kontext des § 21 StGB im Verfahren des Landesgerichtes Korneuburg, XXXX eingeholte) Gutachten des Dr. XXXX vom 24.02.2020 verlesen. Außerdem wurden die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16.11.2012, XXXX , vom 30.10.2013, XXXX , vom 29.01.2015, XXXX , vom 06.07.2018, XXXX , sowie das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 13.05.2020, XXXX ebenso erörtert, wie der Bericht der Justizanstalt Korneuburg. Darüber hinaus wurde ein zur Verhandlung (ohne vorangehende Ladung) erschienener Bruder des Beschwerdeführers, XXXX , geb. XXXX , als Zeuge einvernommen.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen mündlich verkündet.

32. Mit Eingabe des gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreters des Beschwerdeführers vom 01.12.2020 wurde die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

Gemäß § 27 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I Nr. 119/2020, hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

2. Feststellungen:

2.1. Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen, er ist Staatsangehöriger der Türkei und stammt aus einer gemischt-ethnischen (kurdisch-türkischen) Familie. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in der Provinz Yozgat in der Türkei geboren und lebte dort bis zur Ausreise. Er besuchte in der Türkei insgesamt acht Jahre die Grund- und Hauptschule. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Kurdisch. Er spricht außerdem gut Türkisch. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.

Der Beschwerdeführer leistete in der Türkei seinen Wehrdienst bislang nicht ab.

2.2. Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2005 rechtmäßig aufgrund einer Niederlassungsbewilligung als Angehöriger eines österreichischen Staatsbürgers (nämlich seines Vaters, der zufolge einer 1989 erfolgten Eheschließung mit einer österreichischen Staatsangehörigen im Jahr 2004 die österreichische Staatsbürgerschaft erwarb) in das Bundesgebiet ein und begründete am 25.07.2005 erstmals einen Wohnsitz im Bundesgebiet. Seither ist der Beschwerdeführer rechtmäßig in Österreich aufhältig. Im Jahr 2012 besuchte der Beschwerdeführer zuletzt die Türkei.

2.3. Der Beschwerdeführer besuchte in Österreich zunächst zwei Jahre eine Hauptschule und absolvierte eine Ausbildung als Maurer, ehe er in das Berufsleben eintrat und in den Jahren 2008 bis 2013 mehrere kurzzeitige Arbeitsverhältnisse einging, von denen das längste (als Arbeiterlehrling) vier Monate dauerte und die von längeren Phasen der Arbeitslosigkeit unterbrochen wurden. So war der Beschwerdeführer vom 01.07.2008 bis 08.07.2008 bei der Firma XXXX GmbH, vom 29.09.2008 bis 12.01.2009 beim XXXX , vom 01.04.2010 bis 02.05.2010 bei XXXX , vom 16.06.2010 bis 24.06.2010 bei der XXXX , vom 12.07.2010 bis 01.09.2010, vom 01.10.2010 bis 11.10.2010 und vom 22.12.2010 bis 29.12.2010 bei der XXXX KG, vom 04.04.2011 bis 30.04.2011 und vom 01.05.2011 bis 15.05.2011 bei der XXXX und vom 23.11.2011 bis 01.04.2012 und vom 19.04.2013 bis 09.07.2013 bei der XXXX als Arbeiter(lehrling) beschäftigt.

Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass er keinen freien Zugang zum Arbeitsmarkt habe und deshalb eine Arbeitsgenehmigung benötigen würde.

Nach Angaben des als Zeugen einvernommenen Bruders könnte der Beschwerdeführer bei Erhalt einer Arbeitsgenehmigung in dessen Unternehmen für Mobiltelefone einer Beschäftigung nachgehen. Der Beschwerdeführer geht von einer Entlohnung in der Höhe von Euro 1.000,00 bzw. später Euro 1.300,00 aus.

2.4. Im Bundesgebiet leben mehrere Verwandte des Beschwerdeführers. Konkret handelt es sich hiebei um seine Eltern, mehrere Geschwister, einen Onkel, eine Tante und einen Cousin. Der Beschwerdeführer wird von seinen in Österreich aufhältigen Familienmitgliedern in Form einer „Taschengeldes“ in einer Höhe von Euro fünf bis 40 bzw. durchschnittlich etwa Euro zehn pro Tag finanziell unterstützt. Des Weiteren lebt der Beschwerdeführer seit 13.08.2015 gemeinsam mit seinen Eltern in einer Wohnung in Wien und tritt dessen Vater (als Hauptmieter der Wohnung) hiebei als Unterkunftgeber in Erscheinung. Der Beschwerdeführer leistet keinen Beitrag zu den Wohnkosten, diese bestreitet sein Vater, der eine Pension bezieht.

Der Beschwerdeführer ging Ende November 2019 bzw. Ende Jänner 2020 mit einer österreichischen Staatsangehörigen eine Beziehung ein. Sie verfügen über keinen gemeinsamen Haushalt und erfährt der Beschwerdeführer von dieser Person keine finanzielle Unterstützung. Der Beschwerdeführer und seine Freundin sind nicht verheiratet, eine Hochzeit steht nicht unmittelbar bevor und es gibt auch keine konkreten Pläne für eine Hochzeit. Der Beschwerdeführer und seine Freundin haben keine Kinder und die Freundin des Beschwerdeführers ist nicht schwanger. Zwischen den beiden besteht kein finanzielles oder anderweitiges (wechselseitiges) Abhängigkeitsverhältnis. Eine ausgeprägte emotionale Nähe zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Freundin trat im Verfahren nicht zutage. Im Falle der Rückkehr in die Türkei könnte der Beschwerdeführer den Kontakt zu seiner Freundin auf unterschiedlichem Wege aufrechterhalten (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch Urlaubsaufenthalte gegebenenfalls auch in einem Drittstaat etc.). Der Beschwerdeführer und seine Freundin waren sich beim Eingehen der Beziehung und allen nachfolgenden Schritten des unsicheren Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers bewusst.

Der Beschwerdeführer verfügt hier zudem über einen Freundes- und Bekanntenkreis, dem auch österreichische Staatsangehörige beziehungsweise in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigte Personen angehören. Zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Bekannten/Freunden besteht kein ein- oder gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis und auch keine über eine gewöhnliche freundschaftliche Beziehung hinausgehende emotionale oder anderweitige Bindung.

Der Beschwerdeführer ist gegenwärtig ohne legale Beschäftigung und verfügt weder über ein Einkommen oder Ersparnisse, noch über einen Krankenversicherungsschutz. Er haftet für Schulden in der Höhe von ca. EUR 29.000,00.

Der Beschwerdeführer besuchte nach seiner Einreise keine Deutschkurse. Prüfungen über Kenntnisse der deutschen Sprache auf einem bestimmten Niveau legte der Beschwerdeführer nicht ab. Der Beschwerdeführer verfügt über für den Alltagsgebrauch hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, die er infolge seines langjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet erworben hat.

Ein vereinsmäßiges Engagement des Beschwerdeführers ist nicht feststellbar.

2.5. Physisch weist der Beschwerdeführer keine maßgeblichen körperlichen Einschränkungen oder Erkrankungen auf.

Im Alter von 18 Jahren begann der Beschwerdeführer den regelmäßigen Konsum von Suchtgift und setzte ein polytoxikomanes Einnahmeverhalten (Cannabis, Kokain, Methamphetamin, Tabletten), was zu drogeninduzierten psychischen Problemen führte. Der Beschwerdeführer wurde deshalb in den Jahren 2014 bis 2016 drei Mal stationär im XXXX -Spital wegen drogeninduzierter Psychosen behandelt. Ein anfänglicher Verdacht auf eine schizophrene Erkrankung bestätigte sich zuletzt nicht. Zumindest ab dem Jahr 2019 war der Beschwerdeführer im Hinblick auf drogeninduzierte Psychosen symptomfrei. Er nimmt keine Medikamente mehr ein, konsumiert jedoch weiterhin Tabak und Cannabis. Der Beschwerdeführer ist in Bezug auf seinen gesundheitlichen Zustand aktuell weder behandlungs-, noch betreuungsbedürftig. Die drogeninduzierten Psychosen sind remittiert. Der Beschwerdeführer leidet noch an einem mit psychischen- und Verhaltensstörungen verbundenen Abhängigkeitssyndrom in Bezug auf Cannabis (F12.2) sowie einer kombinierten Persönlichkeitsstörung (F61.0), die sich in Gereiztheit und impulsiven Verhaltensweisen sowie der Missachtung sozialer Normen und Verantwortungslosigkeit niederschlägt.

Eine Entwöhnungs- bzw. Entzugstherapie von Cannabinoiden wäre anzuraten, um eine dauerhafte Abstinenz erzielen zu können. Es ist nicht von einer dauerhaften Behandlungsbedürftigkeit des Krankheitsbildes des Beschwerdeführers auszugehen. Eine signifikante Verschlechterung des Gesundheitszustandes, insbesondere ein lebensbedrohlicher Zustand, im Fall einer Rückführung in die Türkei ist nicht anzunehmen.

Aktuelle ärztliche bzw. medizinische Befunde, welche eine Behandlung in Österreich erforderlich erscheinen lassen, hat der Beschwerdeführer nicht in Vorlage gebracht, weshalb ansonsten von keiner – schon gar keiner schwerwiegenden – Erkrankung oder Behandlungsbedürftigkeit auszugehen ist.

Dem Beschwerdeführer steht in der Türkei der Zugang zu ärztlicher Hilfe und zu einer adäquaten Krankenbehandlung offen.

2.6. Der Beschwerdeführer konnte schließlich mit seinem Vorbringen, in der Türkei den Wehrdienst ableisten zu müssen, keine ihm im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat drohende Verfolgungsgefahr aus den in der GFK genannten Gründen, die dem Herkunftsstaat zurechenbar wäre, glaubhaft machen. Der Beschwerdeführer wird im Fall einer Rückkehr in der Türkei seinen Wehrdienst ableisten müssen, wenn er für tauglich befunden werden sollte. Er wurde bislang allerdings weder der Musterung unterzogen, noch erhielt er einen Einberufungsbefehl. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer die Ableistung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen verweigert.

Es kann darüber hinaus nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Einberufung zu den türkischen Streitkräften im Rahmen der Wehrpflicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bei Kampfhandlungen eingesetzt würde oder er sich im Rahmen seines Wehrdienstes an völkerrechtswidrigen Militäraktionen beteiligen müsste. Ferner kann nicht festgestellt werden, dass in der Türkei derzeit großflächige Kampfhandlungen oder gar eine Generalmobilmachung stattfinden. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass Rekruten systematischen Misshandlungen durch Vorgesetzte bzw. Offiziere unterliegen bzw. der Beschwerdeführer im Zuge der Verrichtung seines Militärdienstes solche zu erwarten hat. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer - sollte er sich weigern, seinen Militärdienst abzuleisten - eine unverhältnismäßig hohe Strafe droht bzw. dass die Verbüßung einer Haftstrafe in der Türkei an sich schon eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellt.

2.7. Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder terroristische Anschläge im der Türkei. Er hat sich in Österreich nicht exilpolitisch betätigt.

2.8. Der Beschwerdeführer ist ein abgesehen von den unter Punkt 2.5. angeführten gesundheitlichen Beeinträchtigungen gesunder, arbeits- und anpassungsfähiger Mensch mit im Herkunftsstaat und im Bundesgebiet erworbener grundlegender Schulbildung und im Bundesgebiet erworbener Berufserfahrung als Arbeiter bei mehreren Unternehmen.

Der Beschwerdeführer verfügt in seinem Herkunftsstaat über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage. Dem Beschwerdeführer ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung seines Auskommens in der Türkei möglich und zumutbar.

2.9. Der Beschwerdeführer verfügt über ein türkisches Reisedokument im Original und über eine unentgeltliche Wohnmöglichkeit im familieneigenen Haus im Heimatdorf in der zentralanatolischen Provinz Yozgat. Im Übrigen besitzen die Geschwister des Beschwerdeführers weitere Immobilien in der Türkei, insbesondere für Urlaubsaufenthalte, die der Beschwerdeführer ebenfalls (zumindest vorübergehend) als Unterkunft nutzen kann.

2.10. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16.11.2012 des Vergehens des versuchten unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 15 StGB, § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 3 und Abs. 4 Z 1 SMG sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG schuldig erkannt und gemäß § 28 Abs. 1 StGB und § 27 Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, wobei die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Demnach hat der Beschwerdeführer am 24.09.2012, in Wien, vorschriftwidrig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut in durchschnittlicher Straßenqualität, und zwar 21 Baggies mit insgesamt 88,4 Gramm brutto, gewerbsmäßig anderen durch gewinnbringenden Verkauf zu überlassen versucht, davon zwei Baggies einer namentlich bekannten minderjährigen Person, wobei es nur durch das Einschreiten der Polizei beim Versuch geblieben ist, sowie nicht mehr feststellbaren Suchtgiftabnehmern, indem er das Suchtgift, zum unmittelbaren bevorstehenden Verkauf bereitgehalten hat. Ferner hat der Beschwerdeführer im Zeitraum von Anfang 2010 bis zum 24.09.2012 Cannabiskraut in durchschnittlicher Straßenqualität zum ausschließlich persönlichen Gebrauch erworben und besessen.

Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Landesgericht für Strafsachen Wien als mildernd die Unbescholtenheit sowie dass es teilweise beim Versuch blieb, die Tatbegehung vor Vollendung des 21. Lebensjahres sowie das Geständnis, als erschwerend demgegenüber das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und die mehrfache Qualifizierung.

2.11. Schon kurze Zeit darauf wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30.10.2013 des Vergehens des versuchten unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 15 StGB, § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG schuldig erkannt und gemäß § 27 Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, wobei fünf Monate der Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden. Darüber hinaus wurde die mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16.11.2012 gewährte bedingte Strafnachsicht nicht widerrufen, jedoch die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Demnach hat der Beschwerdeführer am 10.10.2013, anderen vorschriftwidrig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut in der Absicht, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, einem verdeckten Ermittler des Landeskriminalamtes durch gewinnbringenden Verkauf von drei Baggies überlassen bzw. einem verdeckten Ermittler des Landeskriminalamtes durch gewinnbringenden Verkauf von zwei Baggies zu überlassen versucht, wobei es nur deshalb beim Versuch geblieben ist, weil der Beschwerdeführer dabei festgenommen wurde. Ferner hat der Beschwerdeführer einem anderen Suchtgift ohne Gegenleistung überlassen.

Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Landesgericht für Strafsachen Wien als mildernd das Geständnis sowie dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, als erschwerend demgegenüber die einschlägige Vorstrafe und der rasche Rückfall.

2.12. Der Beschwerdeführer wurde ferner mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29.01.2015 des Vergehens des versuchten unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 15 StGB, § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 und Abs. 5 SMG schuldig erkannt und gemäß § 27 Abs. 5 SMG zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Darüber hinaus wurde die mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16.11.2012 gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen.

Demnach hat der Beschwerdeführer am 17.12.2014 in Wien vorschriftwidrig gewerbsmäßig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut zwei namentlich bekannten Personen entgeltlich überlassen sowie anderen zu überlassen versucht, indem er einen Polizisten fragte „ob er etwas brauche“ und ihn aufforderte, ihm zu folgen, sowie indem er an einer szenetypischen Örtlichkeit vorschriftwidrig gewerbsmäßig Suchtgift zum unmittelbaren bevorstehenden Verkauf mit sich führte, wobei er selbst an Suchtgift (Marihuana) gewöhnt war, und die Tat vorwiegend deswegen beging, um sich selbst Suchtgift oder Mittel zum Erwerb zu verschaffen.

Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Landesgericht für Strafsachen Wien als mildernd das überwiegende Geständnis sowie dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, als erschwerend demgegenüber zwei einschlägige Vorstrafen und die Begehung während offener Probezeit.

2.13. Der Beschwerdeführer verbüßte im Anschluss die Freiheitsstrafe in der Justizanstalt St. Pölten. Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.05.2015 wurde der Beschwerdeführer mit 07.07.2015 unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen.

In der Folge richtete die Magistratsabteilung 35 als nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständige Behörde aufgrund eines Antrages auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels erstmals eine Verständigung an das belangte Bundesamt, dass der Beschwerdeführer mehrfach strafrechtlich verurteilt worden sei und ob aufenthaltsbeendende Maßnahmen ergriffen würden. Vergleichbare Mitteilungen/Anfragen wurden am 13.06.2017, am 30.10.2017 und am 20.12.2017 wiederholt. Am 05.01.2018 teilte das belangte Bundesamt formlos mit, dass von aufenthaltsbeendende Maßnahmen derzeit wegen § 9 BFA-VG Abstand genommen werde.

2.14. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 06.07.2018 des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a dritter Fall SMG sowie des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB schuldig erkannt und gemäß § 28 Abs. 1 StGB nach § 27 Abs. 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Darüber hinaus wurde die mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30.10.2013 gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen. Vom Widerruf der mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.05.2015 gewährten bedingten Strafnachsicht wurde abgesehen, jedoch die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Demnach hat der Beschwerdeführer am 25.05.2018 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittäter vorschriftwidrig Suchtgift, nämlich Marihuana, auf einer öffentlichen Verkehrsfläche bzw. einem allgemein zugänglichen Ort, sodass dies für mehr als zehn Personen wahrnehmbar war, nämlich im szenetypischen Nahbereich zum Praterstern, zwei verdeckten Ermittlern gegen Entgelt überlassen. Ferner hat der Beschwerdeführer am 23.02.2018 in Korneuburg einem Dritten eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld im Gesamtwert von ca. Euro 18,60, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Landesgericht für Strafsachen Wien als mildernd das Geständnis, als erschwerend demgegenüber die einschlägigen Vorstrafen.

Im Anschluss daran richtete das belangte Bundesamt am 30.05.2018 (nach Mitteilung, dass sich der Beschwerdeführer nach wie vor im offenen Verlängerungsverfahren befinde und einem erneuten förmlichen Ersuchen der Magistratsabteilung 35 vom 12.09.2018, aufgrund einer neuerlichen Verurteilung aufenthaltsbeendende Maßnahmen im Hinblick auf den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu prüfen) am 30.10.2018 eine Verständigung an die Magistratsabteilung 35, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde.

2.15. Nach Erlassung des angefochtenen Bescheides wurde der Beschwerdeführer zunächst mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 09.09.2019 vom Vorwurf des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a zweiter Fall und Abs. 3 SMG im Zweifel freigesprochen.

2.16. Am 21.01.2020 wurde über den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1 und 143 Abs. 1 StGB die Untersuchungshaft verhängt.

2.17. Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 13.05.2020 wurde der Beschwerdeführer des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15 und 105 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und gemäß § 28 Abs. 1 und 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Darüber hinaus wurde die mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.05.2015 gewährte bedingte Entlassung widerrufen.

Demnach hat der Beschwerdeführer im Zeitraum Ende Dezember 2019 bis Mitte Januar 2020 in Korneuburg in mehreren Angriffen einen seiner Brüder durch die sinngemäße Äußerung, er werde ihn töten, wenn er ihm nicht mehr Geld gebe, sohin durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, nämlich der Übergabe von geringen Summen Bargeld zu nötigen versucht.

Bei der Strafzumessung berücksichtigte das Landesgericht Korneuburg als mildernd die verminderte Dispositionsfähigkeit bei intellektueller Grenzbegabung, die Tatbegehung im Familienkreis, die Geringfügigkeit des Betrages, dass es beim Versuch blieb sowie das teilweise Geständnis, als erschwerend demgegenüber vier einschlägige Vorstrafen sowie die mehrfache Tatbegehung.

2.18. Der Beschwerdeführer verbüßte die Freiheitsstrafe in der Justizanstalt Korneuburg bis zum 29.10.2020. Seit der Entlassung lebt er wieder bei seinen Eltern.

2.19. Die Leitung der Justizanstalt Korneuburg berichtet, dass sich der Beschwerdeführer in der Strafhaft auffällig und distanzlos verhielt. Er wurde zur präventiven Konfliktvermeidung nicht zu Arbeiten eingeteilt und es wurden insgesamt sechs Fälle von Fehlverhalten gemeldet. Gegenüber Familienmitgliedern verhielt sich der Beschwerdeführer in Telefonaten emotional und laut, es entstand der Eindruck, dass er seinen Bruder weiterhin bedrohen würde, sodass eine Telefonkontaktsperre erfolgte. Zum Ende der Strafhaft hin normalisierte sich das Verhalten des Beschwerdeführers.

2.20. Zur aktuellen Lage in der Türkei werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der abgekürzt zitierten und gegenüber dem Beschwerdeführer vollständig offengelegten Quellen getroffen:

1.       Aktuelles

20.04.2020: Wegen der Corona-Krise hat die Türkei am 15.04.20 mit der Entlassung von Häftlingen begonnen. Das Gesetz war am Vortag vom Parlament in Ankara verabschiedet worden und ermöglicht die Entlassung von bis zu 90.000 Gefangenen. Ausgenommen davon sind wegen Terrorvorwürfen Inhaftierte, darunter Regierungskritiker und Journalisten, sowie Gefangene, die wegen vorsätzlichen Mordes, Gewalt gegen Frauen, Sexualstraftaten und Drogendelikten in Haft sind (vgl. BN v. 06.04.20). Die Oppositionspartei CHP will den Straferlass vom Verfassungsgericht überprüfen lassen, weil keine politischen Häftlinge freikommen.

Seit zwei Wochen sind die türkischen Städte, darunter Ankara und Istanbul, wegen der COVID-19-Pandemie nach außen weitgehend abgeschottet. Die Bewohner brauchen für Reisen in andere Städte eine Genehmigung. Am 18.04.20 verlängerte die Regierung die Reisebeschränkungen für 31 Städte und Provinzen um zwei Wochen. Ausgenommen ist der Transport unverzichtbarer Güter. In den 31 Städten und Provinzen galt am Wochenende zudem erneut eine zweitägige Ausgangssperre. Bis Anfang März 2020 hatte die Türkei nur wenige hundert Coronafälle verzeichnet, seitdem stieg die Zahl der Infizierten sprunghaft auf über 82.000 Fälle an. Die Zahl der Toten liegt inzwischen bei über 2.000 Personen. Trotz der COVID-19-Krise sollen Gläubige nach Ansicht der türkischen Religionsbehörde im Ramadan fasten. Präsident Erdo?an lehnte am 12.04.20 das Rücktrittsgesuch von Innenminister Süleyman Soylu ab. Dessen Ministerium hatte am 10.04.20 kurzfristig eine 48-stündige Ausgangssperre angekündigt und war dafür scharf kritisiert worden. Da die Ausgangssperre erst zwei Stunden vor Beginn verkündet worden war, war es in Geschäften zu Panikkäufen, Gedränge und teilweise chaotischen Zuständen gekommen.

04.05.2020: Ausgangsperre Der türkische Präsident Erdogan hat wegen der Corona-Krise eine weitere dreitägige weitgehende Ausgangssperre für 31 Städte und Provinzen vom 01. bis 03.05.20 verhängt. Am 1. Mai war es Supermärkten aber erlaubt, zwischen 9 und 14 Uhr zu öffnen. Weitere Ausgangssperren an Wochenenden sind noch mindestens bis zum Ende des Fastenmonats Ramadan Ende Mai geplant.

Ali Erba?, der Chef der türkischen Religionsbehörde Diyanet, sagte am 24.04.20 in seiner Predigt zu Beginn des Fastenmonats Ramadan, dass Homosexualität Krankheiten mit sich bringe. Er bezeichnete Homosexuelle als islamfeindliche Ketzer und kritisierte zudem den Ehebruch und das Zusammenleben unverheirateter Paare. Die Anwaltskammer Ankara sowie eine türkische Menschenrechtsorganisation reichten deshalb bei der Generalstaatsanwaltschaft von Ankara eine Beschwerde gegen Erba? wegen Homophobie und Volksverhetzung ein. Daraufhin schaltete sich Staatspräsident Erdogan in die Auseinandersetzung ein und erklärte, Ali Erba?‘ Äußerungen seien völlig korrekt, da für den Islam Homosexualität eine schwere Sünde sei. Da Erba? der Vorsitzende der Religionsbehörde ist, sei ein Angriff auf ihn auch ein Angriff auf den Staat. Religiöse Fragen lägen in der Hand des Diyanet und nicht in der von Rechtsanwaltsverbänden. In dem Zusammenhang leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die Anwaltskammer ein, weil die Juristenvertretung die religiösen Gefühle des Volkes verletzt hätte. Homosexualität ist in der Türkei nicht verboten. Aktivisten beklagen jedoch immer wieder Diskriminierungen.

11.05.2020: Da langsam ein Abflachen der Neuinfektionen mit dem Coronavirus in der Türkei zu beobachten sei, plant die Regierung eine schrittweise Lockerung der zahlreichen bestehenden Einschränkungen. Am vergangenen Wochenende galt eine weitgehende Ausgangssperre nur noch in 24 Städten und Provinzen statt zuvor in 31. Zudem durften Senioren ab 65 Jahren zum ersten Mal seit dem 21.03.20 wieder für vier Stunden das Haus verlassen. Ab 11.05.20 sollen unter anderem Läden, Einkaufszentren und Friseure unter Auflagen wieder öffnen können. Beabsichtigt sei, dass nach der Sitzung des Corona-Wissenschaftsrats am 11.05.20 Reisebeschränkungen für weitere Provinzen aufgehoben werden könnten. In einer zweiten Phase vom Juni bis in den August 2020 sollen Ausgangssperren schrittweise verringert werden und die Zahl der Tage, an denen Bürger über 65 Jahren nach draußen dürfen, erhöht werden. Dann sollen auch wieder die Moscheen unter Einhaltung der Mindestabstände öffnen. Die Schutzmaskenpflicht bestehe weiterhin. Im Juni 2020 sollen dann auch Restaurants und Cafés mit Einschränkungen wieder öffnen dürfen, ebenso Bibliotheken. Sportveranstaltungen könnten wieder durchgeführt werden, allerdings ohne Zuschauer und nur unter bestimmten Sicherheits- und Hygienestandards. Kinos, Theater und Open-Air-Bühnen sollen eventuell im Juli 2020 wieder in Betrieb genommen werden dürfen. Überlegt werde auch, dann größere Veranstaltungen, wie beispielsweise Hochzeiten, unter bestimmten Auflagen wieder zu erlauben. Eine dritte Phase laufe von September 2020 bis zum Jahresende. Dafür würden detaillierte Pläne ausgearbeitet, um Schulen und Universitäten unter Einhaltung der Sicherheits- und Hygienemaßnahmen wiederzueröffnen. Danach sollen in einer vierten Phase alle Reise- und Flugbeschränkungen sowie die Maskenpflichten wieder aufgehoben werden. Es werde zudem bereits über Einreisemöglichkeiten für Touristen unter Durchführung von Coronatests an Flughäfen ab Juni 2020 nachgedacht.

Bericht zu möglichen Fluchtbewegungen Nach einem Bericht vom 08.05.20 der Tageszeitung Die Welt erwarte die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) erneut eine hohe Zahl von Flüchtlingen an der griechisch-türkischen Grenze. Nach einem der Zeitung vorliegenden internen und vertraulichen Situationsbericht vom 05.05.20 aus dem Frontex Situation Centre, könnte es massive Bewegungen von Migranten aus der Türkei in Richtung Griechenland geben, sobald weitere türkische Provinzen ihre Coronavirus-Einschränkungen lockerten

18.05.2020: Es gab vergangene Woche mehr als 148.000 bestätigte COVID-19-Fälle, nach offiziellen Angaben starben bisher ca. 4.090 Infizierte, über 100.000 Menschen haben sich erholt. Die Türkei hat neben zahlreichen Lockerungen aktuell nochmals eine viertägige Ausgangssperre in 15 Städten und Provinzen verhängt, die am 16.05.20 begann und nach dem 19.05.20, einem nationalen Feiertag, enden soll. Kliniken, Apotheken, Bäckereien und andere als wichtig eingestufte Dienstleister bleiben geöffnet. Die Regierung erwägt zudem mögliche Maßnahmen, einschließlich einer viertägigen landesweiten Ausgangssperre, während des Bayram-Festes vom 24.05. bis 26.05.20, mit dem das Ende des Fastenmonats Ramadan begangen wird.

Tod nach Hungerstreik Der Musiker Ibrahim Gökçek ist am 14.05.20 nach über 300 Tagen Hungerstreik gestorben. Er hatte gefastet, um die Aufhebung des Auftrittsverbots seiner Band und die Freilassung inhaftierter Bandmitglieder zu erreichen. Seine Bandkollegin Helin Bölek war bereits vor ca. zwei Wochen nach 288 Tagen Hungerstreik gestorben. Ihren Hungerstreik hatten beide im vergangenen Jahr im Gefängnis begonnen, im November 2019 kamen sie zwar frei, setzten ihren Hungerstreik jedoch fort. Die Grup Yorum wurde 1985 in Istanbul gegründet. Die populäre Band ist für ihre regierungskritischen Protestsongs in türkischer und kurdischer Sprache bekannt und setzt sich aus wechselnden Mitgliedern zusammen. Die Regierung wirft der Band Verbindungen zur verbotenen militanten linksradikalen Untergrundorganisation Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) vor, die vor allem in den Achtzigerjahren zahlreiche Anschläge in der Türkei verübte und von der Türkei, den USA und der EU als Terrorgruppe eingestuft wird. Zwei Mitglieder von Grup Yorum, darunter Gökçeks Frau, befinden sich noch im Gefängnis.

25.05.2020: Die Regierung hat erstmals für das ganze Land eine viertägige Ausgangssperre über die Feiertage am Ende des Fastenmonats Ramadan verhängt. Sie begann am Vorabend des sogenannten Zuckerfests in der Nacht zum 23.05.20 und endet am 26.05.20. Die Reisebeschränkungen für 15 Städte, darunter Ankara und Istanbul, wurden zudem um 15 Tage bis zum 03.06.20 verlängert. Im Kampf gegen COVID-19 erlässt die Türkei seit Wochen weitgehende Ausgehverbote, bislang allerdings nur in ausgewählten Städten oder Provinzen. Staatspräsident Erdogan appellierte an die Bevölkerung, ihre Gewohnheiten den Regelungen anzupassen, und drohte mit neuen härteren Maßnahmen, falls sich die Situation wieder verschlechtern sollte. Zudem erklärte er das Schuljahr für beendet. Die Schulen, die seit dem 16.03.20 geschlossen sind, öffnen erst wieder im September 2020. In ausgewählten Moscheen sind ab dem 29.05.20 wieder Gebete zugelassen.

Am 15.05.20 wurden nach Medienberichten fünf weitere Bürgermeister der prokurdischen Demokratischen Volkspartei (HDP) aus dem Amt entlassen und durch staatliche Verwalter ersetzt. Ihnen wird vorgeworfen, die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) unterstützt zu haben. Bei den Kommunalwahlen im März 2019 hatte die HDP im Südosten des Landes in 65 Städten und Gemeinden gesiegt. Inzwischen sind nur noch 12 ihrer Bürgermeister im Amt.

15.06.2020: Medienberichten zufolge ordneten türkische Behörden am n09.06.2020 die Festnahme von 414 weiteren mutmaßlichen Regierungsgegnern an, denen eine Verbindung zur Gülen-Bewegung vorgeworfen wird. Bei einem landesweiten Polizeieinsatz sei gegen 191 Verdächtige in 22 Provinzen vorgegangen worden, von denen sich 160 inzwischen in Haft befänden. Unabhängig davon habe die Staatsanwaltschaft Istanbul die Festnahme von 158 Personen angeordnet, darunter Militärs, Ärzte und Lehrer. Zudem gebe es Razzien gegen Mitglieder der Luftwaffe und andere Sicherheitskräfte. Bereits am 08.06.2010 war die Festnahme von 149 Personen angeordnet worden. Die meisten von ihnen seien ehemalige oder aktive Polizisten. Den Verdächtigen werde vorgeworden, am gescheiterten Militärputsch 2016 beteiligt gewesen zu sein und in Verbindung zu Gülen-Bewegung zu stehen. Schon in der vorangegangenen Woche waren 118 Haftbefehle gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger erlassen worden.

22.06.2020: Die wegen der Covid-19-Pandemie verhängten Ausgangssperren im Land wurden aufgehoben. Ausnahmen gelten nur noch für Menschen ab 65 Jahren. Auch die inländischen Reisebeschränkungen gelten seit dem 01.06.20 nicht mehr. Die Türkei hat das Einreiseverbot für deutsche Staatsangehörige bereits am 11.06.20 aufgehoben. Auch die Land- und Seegrenzen der Türkei sind wieder offen, mit Ausnahme der Landgrenze zu Iran. Auf Marktplätzen, in Supermärkten und in öffentlichen Verkehrsmitteln gilt eine Schutzmasken-Pflicht, Abstandsregel (drei Schritte) sind einzuhalten. In einigen Städten und Gegenden muss im gesamten öffentlichen Raum eine Maske getragen werden, wie z.B. in den wieder offenen Friseurgeschäften und Einkaufszentren sowie den bis 24 Uhr geöffneten Restaurants und Cafés. Zwei Wochen nach der Lockerung nimmt die Zahl der erfassten Neuinfektionen wieder zu. Die Regierung prüft derzeit, inwiefern neue Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen, die auch regional begrenzt sein können.

Das Parlament hat am 11.06.20 trotz scharfer Kritik der Opposition die Befugnisse der Hilfspolizei ausgeweitet, die vor allem abends und nachts in Wohnvierteln patrouilliert. Die auch als „Wächter“ oder „Nachtadler“ bezeichneten Ordnungskräfte dürfen nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu nun Sc

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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