Kopf
Im Namen der Republik
Das Landesgericht Korneuburg als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Iglseder als Vorsitzenden sowie Mag. Jarec, LL.M. und Mag. Rak in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Mag. F***** W*****, 2.) Dr. M***** W*****, 3.) P***** W*****, 4.) mj H***** W*****, 5.) mj L***** W*****, Viert- und Fünftklägerin vertreten durch Erstkläger und Zweitklägerin als gesetzliche Vertreter, alle vertreten durch Mag. Julian Korisek MBA, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei E***** GmbH, vertreten durch VLPIANVS Rechtsanwälte & Steuerberater in Düsseldorf, wegen zuletzt EUR 370,-- s.A., infolge Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom 27.01.2020, 21 C 687/19s-12 (Berufungsinteresse: EUR 370,--), in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass es – unter Einschluss des als unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Teiles – insgesamt zu lauten hat:
"[1] Die beklagte Partei ist schuldig, der erstklagenden Partei 4% Zinsen aus EUR 5.509,50 vom 23.09.2019 bis 01.10.2019 binnen 14 Tagen zu zahlen.
[2] Die beklagte Partei ist schuldig, der zweit- bis fünftklagenden Partei jeweils 4% Zinsen aus EUR 600,-- vom 23.09.2019 bis 01.10.2019 binnen 14 Tagen zu zahlen.
[3] Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der erstklagenden Partei EUR 370,-- samt 4% Zinsen seit 23.09.2019 zu zahlen, wird abgewiesen.
[4] Die beklagte Partei ist schuldig, der erstklagenden Partei drei Viertel und der zweit- bis fünftklagenden Partei jeweils ein Zwölftel der mit EUR 1.959,31 (darin EUR 171,76 USt. und EUR 928,75 Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten zu Handen des Klagevertreters binnen 14 Tagen zu ersetzen.
[5] Die erstklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.840,60 (darin EUR 293,88 USt.) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen."
Die erstklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 279,08 (darin EUR 33,38 USt. und EUR 70,-- Barauslagen) bestimmten Kosten der Berufung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Revision ist jedenfalls unzulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit der beim Erstgericht am 23.09.2019 eingebrachten Klage begehrten die Kläger von der Beklagten zunächst die Zahlung von EUR 8.279,50 samt 4% Zinsen seit Klagseinbringung und brachten vor, die Kläger hätten mit der Beklagten einen Beförderungsvertrag über einen Flug am 26.07.2019 von Wien nach Düsseldorf und von Düsseldorf nach Newark abgeschlossen. Der Flug von Düsseldorf nach New York City am 26.07.2019 hätte um 11:35 Uhr starten sollen. Nach Verschiebungen hätten die Kläger um 20:07 Uhr ein Mail mit Informationen bekommen, dass der Flug gestrichen würde. Sie hätten sich selbstständig einen Ersatzflug buchen müssen, wofür sie EUR 4.819,50 aufgewendet hätten. Für die Fahrt vom 26.07.2019 zum Hotel und am 27.07.2019 wieder zum Flughafen hätten sie EUR 90,-- aufgewendet. Weiters hätten die Kläger vorab für den Aufenthalt in New York City Sightseeingpässe für USD 412,-- bzw. EUR 370,-- gebucht, diese hätten die Kläger nicht nutzen können. Die Entfernung des geplanten Fluges hätte über 3.500 km betragen, sodass die Kläger gemäß Art 7 Abs 1 lit c EU-FluggastVO Anspruch auf eine Ausgleichszahlung von EUR 600,--, insgesamt für fünf Fluggäste von EUR 3.000,-- hätten.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, beantragte die Abweisung der Klage und brachte vor, sie habe am 01.10.2019 EUR 7.909,50 auf das Konto der Kläger überwiesen; die Forderungen auf Ausgleichszahlung, die Taxikosten sowie der Schadenersatzanspruch für die aufgewandten Kosten des Ersatzfluges seien durch Erfüllung erloschen. Hinsichtlich der Kosten für die Sightseeingpässe berief sich die Beklagte auf die Anrechnung der Ausgleichsleistung auf den Schadenersatzanspruch gemäß Art 12 EU-FluggastVO.
Mit vorbereitendem Schriftsatz vom 20.01.2020 (ON 7) schränkten die Kläger das Klagebegehren auf Zahlung von EUR 370,-- samt 4% Zinsen aus EUR 8.279,50 ab Klagseinbringung bis 21.10.2019 sowie 4% Zinsen aus EUR 370,-- ab 21.10.2019 ein. In der Tagsatzung vom 27.01.2020 formulierten die Kläger das Klagebegehren, dass die Beklagte schuldig sei, dem Erstkläger EUR 370,-- samt 4% Zinsen ab 21.10.2019 sowie 4% Zinsen aus EUR 5.509,50 ab Klagseinbringung bis 01.10.2019 sowie den Zweit- bis Fünftklägern jeweils 4% Zinsen aus EUR 600,-- ab Klagseinbringung bis 01.10.2019 zu zahlen. Sie replizierten, dass der verbliebene Anspruch von EUR 370,-- für die Sightseeingpässe nicht einer zwingenden Verrechnung mit der Ausgleichszahlung unterliegen würde, bei Art 12 EU-FluggastVO handle es sich um eine Kann-Bestimmung. Ausgleichszahlungen nach Art 7 EU-FluggastVO würden unabhängig vom Vorliegen eines materiellen Anspruchs jedenfalls zustehen, es handle sich nicht um eine Form des pauschalierten Schadenersatzes, der allfällige Vermögensschäden der Flugreisenden im Kontext von Flugausfällen oder Verspätungen mitumfasse. Es handle sich vielmehr um eine Kompensation für den entstandenen Zeitverlust. Neben der Ausgleichszahlung nach Art 7 Abs 1 lit c EU-FluggastVO sowie den Leistungen nach Art 8 und 9 EU-FluggastVO stehe dem Erstkläger ein eigenständiger Schadenersatzanspruch zu. Unstrittig sei eine Verspätung bei der Luftbeförderung entstanden. Nach Art 19 des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Montrealer Übereinkommen) hafte die Beklagte als Luftfrachtführer für den Schaden, der durch Verspätung bei der Luftbeförderung des Erstklägers als Reisenden entstanden sei. Der zustehende Schadenersatzanspruch übersteige den Höchstbetrag nach Art 22 MÜ von aktuell EUR 6.660,83 nicht. Die Sightseeingpässe habe zur Gänze der Erstkläger bezahlt.
Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht, dem Erstkläger EUR 370,-- samt 4% Zinsen seit 23.09.2019 und 4% Zinsen aus EUR 5.509,50 vom 23.09.2019 bis 01.10.2019 sowie den Zweit- bis Fünftkläger jeweils 4% Zinsen aus EUR 600,-- vom 23.09.2019 bis 01.10.2019 zu zahlen. Es folgerte aus dem vorgetragenen Sachverhalt, dass lediglich strittig sei, ob die dem Erstkläger nach Art 7 EU-FluggastVO geleistete Ausgleichszahlung auf die ihm entstandenen frustrierten Aufwendungen im Zusammenhang mit den Sightseeingpässen nach Art 12 EU-FluggastVO anzurechnen sei. Dass die frustrierten Aufwendungen grundsätzlich Folge der von der Beklagten zu vertretenden Annullierung seien und einen Schaden im Vermögen des Erstklägers darstellen würden, sei von der Beklagten nicht bestritten worden. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei davon auszugehen, dass der Ausgleichsanspruch lediglich die mit dem Zeitverlust einer Annullierung, Nichtbeförderung oder Verspätung einhergehenden Unannehmlichkeiten ausgleiche und damit allein ein Ausgleich für immaterielle Schäden und allenfalls solche pauschalen Unkosten, welche für sämtliche Passagiere in ähnlicher Weise anfallen würden, darstelle. Den Ausführungen des BGH, dass der Ausgleichsanspruch auch dem Ersatz der materiellen Schäden diene, könne in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Bei den gegenständlichen frustrierten Aufwendungen handle es sich um einen individuellen materiellen Schadenersatzanspruch, der gerade nicht jedem Fluggast praktisch ident entstehe. Würde auf einen solchen völlig individuellen und materiellen Anspruch eine Anrechnung erfolgen, würde der Zweck des Ausgleichsanspruches in diesen Fällen unterwandert werden. Ein Fluggast, dem zusätzlich zu den Unannehmlichkeiten und allgemein zu erwartenden Unkosten kein weiterer Schaden entstanden sei, wäre in diesem Fall besser gestellt als ein Fluggast, der infolge der Annullierung etwa einen Verdienstausfall erlitten habe oder individuelle frustrierte Aufwendungen zu tragen gehabt hätte. Es liege auch keine Überkompensation vor.
Gegen dieses Urteil, soweit dem Erstkläger EUR 370,-- samt 4% Zinsen seit 23.09.2019 zugesprochen wurde, richtet sich die Berufung der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren des Erstklägers von EUR 370,-- samt 4% Zinsen aus diesem Betrag ab 23.09.2019 abgewiesen werde.
„Die Kläger“ beantragen, der Berufung keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist berechtigt.
Die Berufungswerberin hält (wörtlich) an ihrer Auffassung fest, dass eine Anrechnung der bereits geleisteten Ausgleichszahlung auf die geforderte Erstattung der Aufwendungen für die Sightseeingpässe zu erfolgen habe und verweist darauf, die Ausführungen, wonach mit weitergehendem Schaden nur immaterieller Schaden gemeint sein solle, seien nicht haltbar. Es gäbe keinerlei Grundlage für eine Differenzierung danach, ob es sich um einen materiellen oder immateriellen Schaden handle. Es sei kein individueller Schaden gegeben, der durch die spezifische Situation der betroffenen Fluggäste bedingt sei. Vielmehr seien touristische Reisen stets davon geprägt, dass am Urlaubsort kostenauslösende Unternehmungen durchgeführt würden.
Diesen (kursorischen) Ausführungen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.
Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass das Erstgericht zutreffend erkannt hat, dass
- die Beklagte (unter anderem) dem Erstkläger eine Ausgleichszahlung von EUR 600,-- aufgrund der Annullierung des Fluges EW 1112 von Düsseldorf nach Wien mit der geplanten Abflugszeit 26.07.2019, 11:35 Uhr überwies,
- der Erstkläger einen Schadenersatzanspruch wegen der daraus resultierenden Frustrierung seines Aufwandes für Sightseeingpässe in der Höhe von EUR 370,-- (zuzüglich Zinsen) geltend machte, und
- die Beklagte (nur) den Einwand erhob, der Schadenersatzanspruch sei durch die Leistung der Ausgleichszahlung getilgt. Von allen Elementen des Schadenersatzanspruches hat das Berufungsgericht daher nur diesen Einwand zu prüfen (vgl LG Korneuburg 27.02.2020, 22 R 9/20h).
Bislang bejahte das Berufungsgericht die Anrechnung der Ausgleichsleistung auf Kosten der Ersatzbeförderung nach österreichischem Sachrecht (LG Korneuburg 24.03.2017, 21 R 25/17z); ebenso auf Taxi- und Generalunkosten, allerdings ohne Ausführungen, nach welchem nationalen Sachrecht diese vorzunehmen ist (LG Korneuburg 01.10.2019, 21 R 237/19d). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten und zur Klarstellung zu ergänzen:
Mit der Schaffung der EU-FluggastVO setzte sich der Unionsgesetzgeber das Ziel, das Ärgernis und die Unannehmlichkeiten, die den Fluggästen durch die Annullierung von Flügen entstehen, zu verringern. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass die Luftfahrtunternehmen veranlasst werden, die Fluggäste vor der planmäßigen Abflugszeit über Annullierungen zu unterrichten und ihnen darüber hinaus eine zumutbare anderweitige Beförderung anzubieten, sodass die Fluggäste umdisponieren können. Andernfalls sollten die Luftfahrtunternehmen den Fluggästen einen Ausgleich leisten und auch eine angemessene Betreuung anbieten, es sei denn, die Annullierung geht auf außergewöhnliche Umstände zurück (ErwGr 12).
Art 12 EU-FluggastVO ist mit „Weitergehender Schadenersatz“ überschrieben und lautet in seinem Absatz 1: „Diese Verordnung gilt unbeschadet eines weitergehenden Schadenersatzanspruchs des Fluggastes. Die nach dieser Verordnung gewährte Ausgleichsleistung kann auf einen solchen Schadenersatzanspruch angerechnet werden.“ Die Norm ist ob ihres schwer verständlichen Inhaltes im Schrifttum und bei den nationalen Gerichten sehr umstritten. Vergleichsweise klarer ist Art 14 Abs 5 RL (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen (Pauschalreiserichtlinie) formuliert. Die dort normierte wechselseitige Anrechnung von nationalen Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüchen sowie unions- und völkerrechlichen Ansprüchen hat ausdrücklich den Zweck, eine Überkompensation zu verhindern (ErwGr 36). Denselben Zweck messen Judikatur und Schrifttum in Deutschland dem Art 12 EU-FluggastVO zu (X ZR 128/18 und X ZR 165/18; Maruhn in Schmid, BeckOK Fluggastrechte-VO [14.Ed. Stand 01.04.2020] Art 12 Rn 34; Führich in Führich/Staudinger Reiserecht8, § 42 Rz 71, Bollweg in Staudinger/Keiler, Fluggastrechte-VO Art 12 Rz 9).
Der EuGH stellte in seinem Urteil vom 13.10.2011 in der Rechtssache C-83/10 Sousa Rodríguez u.a. klar, dass die Bestimmung dem nationalen Gericht ermöglicht, das Luftfahrtunternehmen zum Ersatz des den Fluggästen wegen der Nichterfüllung des Luftbeförderungsvertrages entstandenen Schadens auf einer anderen Rechtsgrundlage als der EU-FluggastVO zu verurteilen, das heißt insbesondere unter den Voraussetzungen des Übereinkommens von Montreal oder des nationalen Rechts (Urteil Sousa Rodríguez u.a, Rz 38).
Die Abgrenzung zum Übereinkommen von Montreal ist völkerrechtlich geboten. Art 29 MÜ regelt das Verhältnis der Haftungsregelung des MÜ zu konkurrierenden nationalen Anspruchsgrundlagen. Die dazu vertretenen Lösungen werden als Verdrängungslösung bzw. als Rahmenlösung bezeichnet (anschaulich Reuschle, Montrealer Übereinkommen2 Art 29 Rz 4). Dies führt dazu, dass der Rückgriff auf nationale Anspruchsgrundlagen innerhalb des Regelungsbereiches des MÜ zufolge dessen Art 29 ausgeschlossen ist (2 Ob 58/15s mit der Festlegung auf die Verdrängungslösung). Das MÜ ist gegenüber der EU-FluggastVO höherrangig (LG Korneuburg 10.01.2019, 21 R 397/18g). Es ist daher völkerrechtlich geboten, zwischen den Ansprüchen nach dem MÜ und nach der EU-FluggastVO abzugrenzen. Dies nimmt der EuGH (GK) in seinem Urteil vom 10.01.2006 in der Rechtssache C-344/04 IATA und ELFAA derart vor, dass er auslegt, dass das MÜ nur regelt, unter welchen Voraussetzungen Fluggäste Ansprüche auf Schadenersatz als individuelle Wiedergutmachung, also auf Ausgleich gegen die Beförderungsunternehmen geltend machen können (Urteil IATA und ELFAA Rn 44; ebenso Urteil Sousa Rodriguez u.a. Rn 39). Das MÜ steht jedoch nicht der Regelung des Gemeinschaftsgesetzgebers von standardisierten sofortigen Unterstützungs- und Betreuungsleistungen und eines Ausgleichsanspruches zur Wiedergutmachung des Schadens entgegen (Urteil IATA und ELFAA Rn 45 bis 48).
Diese (wie gesagt völkerrechtlich zwingende) Abgrenzung übertrug der EuGH auch auf die Abgrenzung von Ansprüchen der EU-FluggastVO zum nationalen Schadenersatzansprüchen (Urteil Sousa Rodriguez u.a. Rn 37 und 38). Das nationale Recht ist aber dem Unionsrecht gegenüber nachrangig (Art 288 Abs 2 AEUV). Das nationale Gericht hat dem Unionsrecht entgegen stehendes nationales Recht unangewendet zu lassen, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste (EuGH Urteil vom 09.03. 1978 in der Rechtssache
106/77 Simmenthal Rn 26). Während es also am Beginn der Rechtsprechung des EuGH um die Frage ging, ob höherrangiges Völkerrecht es verhindert, dem Fluggast über seine individuellen Schadenersatzansprüche einen pauschalierten Schadenersatzanspruch unter anderem wegen Annullierung oder großer Verspätung zuzubilligen, geht es in der Abgrenzung zum nationalen Recht darum, dass es der Unionsgesetzgeber zulässt, den von ihm vorgesehenen pauschalierten Schadenersatzanspruch im Falle des Vorliegens eines individuellen Schadenersatzanspruch aufgrund nationaler Rechtsvorschriften durch Anrechnung entfallen zu lassen.
In Fortführung dieser Rechtsprechung sprach der EuGH in dem vom Erstgericht zutreffend zitierten Urteil vom 29.07.2019 in der Rechtssache C-354/18 Rusu aus, dass die Ausgleichsleistung nach Art 7 EU-FluggastVO nur den Schaden ausgleichen soll, der für alle betroffenen Fluggäste praktisch identisch ist und die Verordnung nicht den Ausgleich eines durch den Grund der Reise der betroffenen Fluggäste bedingten individuellen Schadens vorsieht, dessen Wiedergutmachung zwangsläufig die Prüfung seines Umfanges im Einzelfall erfordert und deshalb nur Gegenstand eines nachträglichen und individualisierten Ausgleichs sein kann, was er für einen infolge Nichtbeförderung erlittenen Verdienstentfall, der darauf zurückzuführen ist, dass es den Fluggästen wegen der verspäteten Ankunft am Zielort nicht möglich war, an ihrem Arbeitsplatz zu erscheinen, bejahte (Urteil Rusu Rn 30 bis 32).
Das Berufungsgericht teilt die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass es sich beim klagsgegenständlichen Schadenersatzanspruch um einen solchen handelt, der gerade nicht jedem Fluggast praktisch ident entsteht. Bereits in der Klage ist angeführt, dass die Kläger die Sightseeingpässe nicht hätten nutzen können, weil sie durch die Streichung des Fluges über 24 Stunden verloren hätten, sodass die geplanten zwei Tage Aufenthalt in New York City nicht zur Verfügung gestanden seien, da die Kläger am 29.07.2019 bereits die Abreise zu ihrem nächsten Ziel hätten antreten müssen (Seite 3 in ON 1). Gerade die individuelle Reiseplanung der Kläger führte dazu, dass die Aufwendungen des Erstklägers für die Sightseeingpässe nutzlos wurden. Ein solcher Schaden kann nur individuell beurteilt werden (Urteil Rusu Rn 38). Es handelt sich um einen personalisierten Schaden, bei dem es Sache des nationalen Gerichtes ist, die verschiedenen Tatbestandsmerkmale dieses Schadens und den Umfang des Ausgleiches für den Schaden anhand der einschlägigen Rechtsgrundlage zu bestimmen und zu beurteilen (Urteil Rusu Rn 40).
Hingegen vermag das Berufungsgericht die weiteren Überlegungen des Erstgerichtes, dass die Frage der Anrechnung des Ausgleichsanspruches auf den gegenständlichen Schadenersatzanspruch durch Auslegung der EU-FluggastVO klären möchte, nicht zu teilen. Der EuGH führte vielmehr aus, dass die verschiedenen Tatbestandsmerkmale des Schadens und der Umfang seines Ausgleiches anhand der einschlägigen Rechtsgrundlage zu bestimmen und zu beurteilen sind (Urteil Rusu Rn 41). Der EuGH legt Art 12 Abs 1 EU-FluggastVO derart aus, dass die Bestimmung dem nationalen Gericht erlaubt, die Ausgleichsleistung auf den weitergehenden Schadenersatzanspruch anzurechnen, es aber nicht dazu verpflichtet und ihm keine Bedingungen für die Anrechnung vorgibt (Urteil Rusu Rn 47). Anders formuliert steht die EU-FluggastVO einer nationalen Rechtsvorschrift nicht entgegen, die eine Anrechnung der Ausgleichsleistung auf einen dem nationalen Recht entspringenden Schadenersatzanspruch vorsieht.
GA Sharpston hob in ihren Schlussanträgen vom 28.06.2011 in der Rechtssache C-83/10 Sousa Rodríguez u.a. hervor, dass diese Frage, ob neben dem Ausgleichsanspruch ein weitergehender Anspruch nationalem Recht zusteht, nach nationalem Recht zu entscheiden ist
, das seinerseits das MÜ berücksichtigen muss
(Rn 59). Für Kosten, die entstanden sind, weil das Luftfahrtunternehmen seinen Verpflichtungen aus den Art 8 oder 9 EU-FluggastVO nicht nachgekommen ist, schloss sie die Berechtigung zur Anrechnung aus (Rn 59 bis 64). Maruhn (aaO Art 12 Rn 34) schließt aus der nicht ausdrücklichen und klaren Stellungnahme des EuGH, dass das Gericht der Generalanwältin folgt.
Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes steht die von ihm zitierte Entscheidung des deutschen BGH vom 06.08.2019, X ZR 128/18 = Zak 2019/482 nicht entgegen. Vom BGH war unter anderem ein Anspruch auf Erstattung eines gebuchten, aber nicht genutzten Hotelzimmers zu entscheiden (Rn 2). In weiterer Folge prüfte der BGH die Anrechnung nach den Grundsätzen seiner Rechtsprechung zur Vorteilsausgleichung (Rn 10). Der Geschädigte darf einerseits im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nur diejenigen durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, also dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet (Rn 10). Im Ergebnis entscheidet der BGH die Frage, ob eine Anrechnung stattfindet oder nicht, nach nationalem Recht (vgl auch die Erwägungen des BGH in seinem Vorlagebeschluss vom 30.07.2013, X ZR 111/12 = RRa 2013, 233 Rn 28). Für den OGH findet die Anrechnung bei der Bemessung des [dort: Preisminderungs-] Anspruches statt (6 Ob 146/18s [ErwGr 7.6]). Insgesamt kommt das Berufungsgericht unter Berufung auf das Urteil Rusu (Rn 47) und die SA GA Sharpston in der RS Sousa Rodríguez u.a. (Rn 59) zum Schluss, dass die Anrechnung ihre Rechtsgrundlage im nationalen Recht hat und Art 12 EU-FluggastVO eine solche Anrechnung zulässt. Die gegenteiligen Auffassung (Bollweg aaO Rz 60, Führich aaO Rz 110: Bindung des Gerichtes an die Einrede des Schuldners; offen lassend Maruhn aaO Rz 32) wird nicht geteilt.
Da die Frage der Anrechnung nicht im MÜ geregelt ist (vgl. SA GA Sharpston Rn 59), ist nach Art 5 Rom I-VO zu ermitteln, welches Recht auf den Beförderungsvertrag anzuwenden ist (7 Ob 5/13f). Bei Fehlen einer Rechtswahl ist das Recht jenes Staates anwendbar, in dem die beförderte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn sich dort auch der Abgangs- oder Bestimmungsort befindet, sonst das Recht jenes Staates, in dem der Beförderer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Musger in KBB5 Art 5 Rom I-VO Rz 4). Nach den – unbestrittenen – Klagsbehauptungen schlossen die Kläger mit der Beklagten einen Beförderungsvertrag über einen Flug von Wien über Düsseldorf nach Newark. Da sich sowohl der Abgangsort als auch (offensichtlich) der gewöhnliche Aufenthalt der Kläger in Wien befinden, ist der Anspruch auf Ersatz der frustrierten Aufwendungen des Erstklägers nach österreichischem Sachrecht zu prüfen.
Die ältere Judikatur hielt frustrierte Aufwendungen nicht für ersatzfähige Schäden (2 Ob 72/94 zu frustrierten Reisekosten). Erst unter Einfluss deutscher Lehre begann der OGH, die Ersatzpflicht des Schädigers für die frustrierten Reisekosten zu bejahen, etwa für die als Aufwendung zur Schadensminderung anzusehende Stornogebühr
(2 Ob 113/09w). Er sprach auch Ersatz für jenen Teil der Kosten des Urlaubs zu, der auf jenen Urlaubstag entfällt, der wegen einer verschuldeten Reiseverzögerung nicht genutzt werden konnte (8 Ob 101/10a). Stand aufgrund des vertragswidrigen Verhaltens des Schuldners den Aufwendungen des Gläubigers, die er auch bei vertragsgetreuem Verhalten des Schuldners zu machen hatte, keine entsprechende Gegenleistung gegenüber, so ist der frustrierte Aufwand als Nichterfüllungsschaden zu ersetzen, wenn der Schuldner nicht beweist, dass sich der Vertrag bei ordnungsgemäßer Erfüllung durch ihn als Verlustgeschäft erwiesen hätte (RS0018499).
Die österreichische Judikatur anerkennt auch die Rechtsfigur des Vorteilsausgleiches. Die Vorteilsausgleichung hat nicht von Amts wegen zu erfolgen, sondern nur über Einwendung des Schädigers, den für deren Voraussetzungen die Behauptungslast und Beweislast trifft (RS0036710). Dazu gehört auch ein substanziiertes Vorbringen des Schädigers zur sachlichen und zeitlichen Kongruenz (9 Ob 51/10f). Beim Vorteilsausgleich geht es um die Schadenshöhe (6 Ob 54/04s; 9 Ob 51/10f; anders noch die ältere Rechtsprechung)
Eine Vorteilsanrechnung kann nur bei sachlich kongruenten Leistungen infrage kommen (RS0122868). Die Berechnung eines Vermögensschadens erfolgt durch Vergleichung des Unterschiedes zweier Zustände, nämlich des tatsächlichen Zustandes vor und nach der Beschädigung. Es sind jene Vermögensbestandteile des Geschädigten in den Kreis der Betrachtung einzubeziehen, die durch die Beschädigung irgendwie beeinflusst wurden, aber auch Vermögensbestandteile (Aktiva oder Passiva), die erst durch das schädigende Ereignis gebildet wurden und deren Bildung durch dasselbe verhindert wurde; daher ist auch ein Vorteil des Geschädigten, der ohne die erfolgte Beschädigung nicht entstanden wäre, grundsätzlich zugunsten des Schädigers zu buchen (RS0022834). Anzurechnen sind solche Vorteile, die mit dem Schadenersatzanspruch in einem besonderen Zusammenhang stehen. Dass Schaden und Vorteil nicht aus demselben Ereignis entsprungen sind, schließt die Vorteilsausgleichung nicht aus, weil es genügt, wenn beide im selben Tatsachenkomplex wurzeln, wenn also das schädigende Ereignis nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge auch zu einem Vorteil des Geschädigten führt. Die Berücksichtigung von Vorteilen kommt nur aber nur gegenüber sachlich und zeitlich kongruenten Schadenersatzansprüchen in Betracht (9 Ob 22/19d). Aus der EU-FluggastVO kann nicht abgeleitet werden, dass nicht gleichzeitig auch Ansprüche gegen den Reiseveranstalter bestehen, wobei von einer Fluglinie erbrachte Leistungen bei entsprechender Kongruenz auch den Reiseveranstalter befreien. Daher sind etwa gewährte Entschädigungen bei der Bemessung eines allfälligen Preisminderungsanspruchs zu berücksichtigen. Dass bei dieser Auslegung die Fluggastrechte „unterwandert“ würden, weil der Vertragspartner des Reisenden die Leistung dann unter Umständen kondizieren könne, ist nicht stichhaltig, weil dem Reisenden die Leistung nach der EU-FluggastVO zusteht und sie somit nicht rechtsgrundlos erbracht wurde. Zu einer Anrechnung würde es hingegen kommen, wenn der Reisende, der bereits von der Fluglinie eine Entschädigung erhalten hat, vom Veranstalter eine zusätzliche Entschädigung begehrt (6 Ob 146/18s). Die Vorteilsanrechnung ist eine Schadenberechnungsmethode, sie resultiert nicht aus einem Anspruch des Schädigers gegen den Geschädigten. Falls ein Vorteil anzurechnen ist, geht es um eine Frage der Höhe des Anspruches (Reischauer in Rummel3 § 1312 Rz 8b).
Schließlich ist darauf zu verweisen, dass der Unionsgesetzgeber in Art 14 Abs 5 PauschalreiseRL eine wechselseitige Anrechnung von Schadenersatzzahlungen oder Preisminderungsansprüchen unter anderem der EU-FluggastVO und der Pauschalreiserichtlinie vorsieht. Diese wechselseitige Anrechnung ist in Österreich mit § 12 Abs 5 PRG, in Deutschland mit § 651p Abs 3 BGB umgesetzt. Den wechselseitigen Sachverhaltsvorträgen im erstinstanzlichen Verfahren ist nicht zu entnehmen, ob es sich bei der Reise der Kläger um eine Pauschalreise handelt oder sonst um eine in den Anwendungsbereich des PRG fallende Reise oder nicht. Die PauschalreiseRL lässt es ausdrücklich zu, sie auf Bereiche anzuwenden, die nicht in deren Anwendungsbereich fallen (ErwGr 21). Das zugrundeliegende Argument, es soll eine Überkompensation des Fluggastes vermieden werden, kann daher auch außerhalb des Anwendungsbereiches der PauschalreiseRL bzw. des PRG fruchtbar gemacht werden (vgl. zum Ganzen Maruhn aaO 12 Rz 10a; Scherhaufer/Wukoschitz in Bammer PRG § 12 Rz 20).
Nach Ansicht des Berufungsgerichtes führt die hier in Rede stehende Vorteilsanrechnung zur Verhinderung einer Überkompensation. Die Ermittlung der im Einzelfall angemessenen Kompensation ist gleichermaßen wie die Anrechnung von dem geschädigten zugekommenen Vorteile ein Vorrang der Berechnung der Schadenshöhe. Beide Instrumente (Vorteilsanrechnung wie Anrechnung nach Art 12 EU-FluggastVO) bewegen sich somit auf derselben Ebene der Ermittlung der Schadenshöhe und verfolgen denselben Zweck. Die österreichische Judikatur zur Vorteilsanrechnung steht daher im Einklang mit der unionsrechlichen Anrechnungsregel und führt nicht zu einer Unterwanderung der aus der EU-FluggastVO gewährten Rechte.
Anderes gilt für die Frage, ob dies auch für die Anrechnung auf Ansprüche gilt, die dem Fluggast aufgrund der Verletzung von Verpflichtungen zustehen, die die EU-FluggastVO dem ausführenden Luffahrtunternehmen auferlegt. Ein Luftfahrtunternehmen kann sich nicht von der Verpflichtung befreien, Betreuung und Unterstützung zu leisten, indem es sie mit der anderen verrechnet (SA GA Sharpston in der RS Sousa Rodríguez u.a. Rn 64). Ansprüche wegen Verletzung von Art 8 und 9 EU-FluggastVO können nämlich nicht als „weiter gehender“ Schadensersatz angesehen werden (Urteil Sousa Rodríguez u.a. Rn 43; Maruhn aaO Rz 13, Führich aaO Rz 79). Die Nichterfüllung der Betreuungspflicht nach Art 9 EU-FluggastVO führt unmittelbar aufgrund der Verordnung zu einem Entschädigungsanspruch des Fluggastes, ein Rückgriff auf Anspruchsgrundlagen des nationalen Rechts ist daher nicht erforderlich (17 Ob 8/19d; Führich aaO Rz 77; aA Bollweg aaO Rz 21).
Aufgrund der in Österreich und in Deutschland vergleichbaren Behandlung des frustrierten Aufwandes und des Vorteilsausgleiches folgt das Berufungsgericht dem vom Erstgericht zitierten, inhaltlich jedoch von ihm nicht übernommenen Urteil des BGH, wonach die geltend gemachten reiserechtlichen Ersatzansprüche wie die den Klägern auf der Grundlage der EU-FluggastVO gewährten Ausgleichszahlungen auf der Weigerung des den gebuchten Flug ausführenden Luftverkehrsunternehmens, die Kläger auf diesem Flug zu befördern, beruhen und dem Ausgleich derselben durch die verweigerte Beförderung und die dadurch bedingte spätere Ankunft am Reiseziel entstandenen Schäden dienen (Rn 12). Wie der BGH kommt das Berufungsgericht zum Schluss, dass sich der Erstkläger die bereits erhaltenen Ausgleichszahlungen anrechnen lassen muss mit der Folge, dass sein reiserechtlicher Ersatzanspruch, deren Höhe dahinter zurückbleibt, erloschen ist (Rn 12). Gegen die Argumentation des Erstgerichtes, ein Fluggast, der infolge der Annullierung etwa einen Verdienstausfall erlitten habe oder individuelle frustrierte Aufwendungen zu tragen gehabt hätte, wäre schlechter gestellt, ist unter Hinweis auf den BGH zu entgegnen, dass dies als einer pauschalierten Abgeltung immanent hinzunehmen ist (Rn 13). Die Argumentation des Erstgerichtes, die Anrechnung deshalb ausschließen zu lassen, weil es sich beim Anspruch der Kläger um einen individuellen materiellen Schadenersatzanspruch handelt, der Ausgleichsanspruch den Ausgleichen immaterieller Schäden und pauschaler Unkosten darstellt, kann nicht dazu führen, die sachlichen Kongruenz der beiden Ansprüche zu verneinen. Wendete man die Grenzziehung zwischen dem im Unionsrecht verankerten Anspruch und den weitergehenden Ansprüchen als Kriterium an, ob eine Anrechnung im Wege des Vorteilsausgleichs stattfindet oder nicht, verbliebe Art 12 Abs 1 Satz 2 EU-FluggastVO kein Anwendungsbereich mehr: Sämtliche dem nationalen Recht zu entnehmende weitergehenden Ansprüche wären von Vorteilsausgleich und damit von der Anrechnung ausgeschlossen.
Zusammengefasst zeigt die Berufungswerberin im Ergebnis zurecht auf, dass der vom Erstkläger behauptete Schadenersatzanspruch durch die Zahlung der Ausgleichsleistung, die im Wege des Vorteilsausgleiches auf den klagsgegenständlichen verbliebenen Anspruch anzurechnen ist, erloschen ist. Der Berufung war daher Folge zu geben und das angefochtene Urteil im Ausmaß der Anfechtung abzuändern, dass der Anspruch des Erstklägers auf Zahlung von EUR 370,-- zuzüglich Zinsen abgewiesen wird.
Die abändernde Entscheidung macht die Neufassung der Kostenentscheidung erforderlich. Im Hinblick auf die Klagseinschränkung infolge Zahlung waren Verfahrensabschnitte zu bilden. Im ersten Verfahrensabschnitt begehrten die Kläger EUR 8.279,50 und unterlagen mit EUR 370,--. Dieses geringfügige, 5% nicht übersteigende Unterliegen rechtfertigt die Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO. Im ersten Verfahrensabschnitt waren den Klägern die gesamten Kosten zuzuerkennen. Dies betrifft die Kosten der Klage und der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung. Wie das Erstgericht bereits zutreffend und unwidersprochen ausführte, hätte die Vorlage der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bereits mit der Klage erfolgen müssen. Die Urkundenvorlage vom 06.12.2019 war daher nicht zu honorieren. Die übrigen Positionen blieben von der Beklagten ungerügt. Da nach der Klarstellung der Kläger in der Tagsatzung vom 27.01.2020 den Zweit- bis Fünftklägern nur die Ausgleichsleistung zustehen soll, die übrigen Ansprüche offenbar solche allein des Erstklägers waren, war der in diesem Verfahrensabschnitt zustehende Ersatzanspruch der Kläger auf diese im Verhältnis ihrer Forderungen aufzuteilen, sodass vom gesamten zugesprochenen Betrag dem Erstkläger drei Viertel zustehen, den übrigen Klägern jeweils ein Zwölftel. Die dabei entstehende Unschärfe, die darin besteht, dass die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung nur hinsichtlich der Viert- und Fünftklägerin einzuholen war, kann vernachlässigt werden. Im zweiten Verfahrensabschnitt ab Klagseinschränkung obsiegte die Beklagte zur Gänze und hat somit Anspruch auf Ersatz der gesamten Verfahrenskosten (§ 41 ZPO). Dieser Abschnitt umfasst die Kosten des als Klagebeantwortung bezeichneten Schriftsatzes, die Kosten der Verhandlung vom 27.01.2020 sowie die Kosten der Berufungsanmeldung. Dabei war (auch ohne Rüge gemäß § 54 Abs 1a ZPO: 7 Ob 111/12t) wahrzunehmen, dass die Beklagtenvertreterin für ihre Vertretungsleistung gegenüber der Beklagten, die ebenso wie sie den Sitz in Deutschland hat, zu Unrecht die Umsatzsteuer mit dem in Österreich geltenden 20%-igen Satz verzeichnete. Der Beklagten waren daher nur die in Deutschland zustehenden 19 % Umsatzsteuer zuzusprechen (LG Korneuburg 22.08.2019, 21 R 180/19x; 01.10.2019, 21 R 237/19d).
Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Neben der bereits nach den oben Gesagten ebenfalls notwendigen Kürzung im Bereich der Umsatzsteuer war wahrzunehmen, dass aufgrund des eingeschränkten Streitwertes von EUR 370,-- im erstinstanzlichen Verfahren nur der einfache Einheitssatz gebührt. Da sich die Berufung der Beklagten ausschließlich gegen den Zuspruch an den Erstkläger richtet, gebührt der Berufungswerberin kein Streitgenossenzuschlag. Dieser steht in allen Verfahrensarten nur für jene tatsächlich im konkreten Verfahren aktiv als Parteien aufgetretenen Personen zu (Obermaier, Kostenhandbuch3 Rz 325). Die Pauschalgebühr beträgt aufgrund des Berufungsinteresses von EUR 370,-- nur EUR 70,--, zu denen ebenfalls kein Streitgenossenzuschlag hinzuzurechnen ist (§ 19a GGG).
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision beruht auf § 502 Abs 2 ZPO.
Textnummer
EKO0000036European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LG00119:2020:02200R00076.20M.0528.000Im RIS seit
26.02.2021Zuletzt aktualisiert am
26.02.2021