TE OGH 2011/4/26 8Ob101/10a

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Veröffentlicht am 26.04.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1) S* G*, 2) Ing. M* G*, beide *, beide vertreten durch Widter Mayrhauser Wolf Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei G* GmbH, *, vertreten durch Dr. Johannes Müller, Rechtsanwalt in Wien, wegen 9.801,03 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 29. April 2010, GZ 21 R 415/09s-39, mit dem das Urteil des Bezirkstgerichts Schwechat vom 17. Juli 2009, GZ 2 C 552/08g-27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 818,65 EUR bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung (darin 136,44 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Erstklägerin hat für sich, den Zweitkläger (ihren Ehegatten) und ihre beiden Kinder über die Beklagte als vermittelndes Reisebüro bei einem Reiseveranstalter für die Zeit vom 21. 12. 2007 bis 5. 1. 2008 eine Pauschalreise nach Jamaika mit Abflugort Düsseldorf gebucht. Den Zubringerflug von Wien nach Düsseldorf buchte die Klägerin (für sich, ihren Mann und ihre Kinder) über die Beklagte bei einer dritten Gesellschaft. Bei der Buchung teilte die damit befasste Mitarbeiterin der Beklagten der Erstklägerin mit, dass das „Durchchecken“ von Wien nach Jamaika nicht möglich sei. Aufgrund einer telefonischen Auskunft des Reiseveranstalters, der angegeben hatte, dass in Düsseldorf bis 30 Minuten vor dem Abflug eingecheckt werden könne, erklärte die Mitarbeiterin der Beklagten aber, dass der Zubringerflug so rechtzeitig in Düsseldorf ankommen werde, dass das Einchecken nach Jamaika noch möglich sei. Nach den damaligen Informationen verblieb zwischen der Ankunft in Düsseldorf und dem Abflug nach Jamaika ein Zeitraum von 90 Minuten. Die Eincheckzeit für den Flug nach Jamaika endete allerdings in Wahrheit 90 Minuten vor dem Abflug.

Als die Erstklägerin die Buchungsunterlagen von der Beklagten abholte, wäre „aufgrund von Unternehmensänderungen“ das Durchchecken von Wien nach Jamaika möglich gewesen. Diese Information gab die Mitarbeiterin der Beklagten der Erstklägerin allerdings nicht weiter. Überdies war zu diesem Zeitpunkt die Ankunftszeit des Zubringerflugs geändert worden, sodass zwischen der nunmehr angegebenen Ankunftszeit und der Abflugszeit des Flugs nach Jamaika nur mehr 65 Minuten verblieben. Im Vertrauen auf die telefonische Auskunft des Reiseveranstalters erklärte die Mitarbeiterin der Beklagten der Erstklägerin aber, dass das Einchecken in Düsseldorf trotzdem möglich sein werde.

Als die Kläger mit ihren Kindern am 21. 12. 2007 in Düsseldorf ankamen, war es ihnen trotz intensiver Bemühungen nicht möglich, für den gebuchten Flug nach Jamaika einzuchecken. Der Beklagten gelang es nicht, einen Ersatzflug zu besorgen. Schließlich gelang dies den Klägern selbst; allerdings konnten sie nur mehr einen Business Class-Flug für den nächsten Tag buchen, für den sie 8.941,48 EUR zahlten. Für die Übernachtung in Düsseldorf zahlten sie 155 EUR, an notwendig gewordenen Transferkosten in London 80,45 EUR.

Die Kläger begehrten von der Beklagten den Ersatz der eben genannten Aufwendungen sowie 590 EUR an „Ersatzleistung für einen entgangenen Urlaubstag“. Sie hätten auf die unrichtigen Mitteilungen der Mitarbeiterin der Beklagten vertraut, weshalb sie den gebuchten Flug versäumt und einen Urlaubstag verloren hätten. Die von ihnen geltend gemachten Aufwendungen seien zur Verminderung eines noch größeren Schadens notwendig gewesen.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Sie bestritt die Klagelegitimation des Zweitklägers - ihre Vertragspartnerin sei die Erstklägerin - und stellte jegliche fehlerhafte Beratung durch ihre Mitarbeiterin in Abrede.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren der Erstklägerin statt, wies allerdings das Begehren des Zweitklägers ab. Es ging von einer fehlerhaften Beratung durch die Mitarbeiterin der Beklagten aus, folgte aber dem Einwand der Beklagten, dass klagelegitimiert nur die Erstklägerin sei, weil nur sie Vertragspartnerin der Beklagten sei.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es - abgesehen von einem Zinsenmehrbegehren - dem Klagebegehren beider Kläger stattgab.

Reisebüros handelten zwar einerseits als Gehilfen des Reiseveranstalters, hätten aber auch eigene Pflichten aus dem Reisevermittlungsvertrag und hafteten daher für fehlerhafte Beratung ihrer Kunden. Eine solche Fehlberatung liege hier vor. Auf die Fehlauskunft des Reiseveranstalters über die Eincheckzeit in Düsseldorf könne sich die Beklagte nicht berufen, weil diese Feststellung durch Prozessvorbringen nicht gedeckt und daher überschießend sei. Damit sei aber von einer fehlerhaften Beratung über die Möglichkeit des Eincheckens in Düsseldorf bzw des Durchcheckens in Wien auszugehen, die die geltend gemachten Schäden verursacht habe.

Auch das Klagebegehren des Zweitklägers sei gerechtfertigt, weil der zwischen der Erstklägerin und der Beklagten geschlossene Vertrag Schutzwirkungen auch zu seinen Gunsten entfalte. Hier umfasse die Haftung der Beklagten wegen Verletzung dieser Schutzpflichten auch die Haftung für Schäden am bloßen Vermögen, weil die Hauptleistung zumindest zum Teil gerade dem Zweitkläger zukommen sollte.

Die Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob dem Zweitkläger eigene Ansprüche zustehen, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Die von der Beklagten gegen diese Entscheidung erhobene Revision ist - ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruchs - nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1) Zur Klagelegitimation des Zweitklägers:

Bucht eine Person eine Reise für eine Gruppe oder - wie hier - für eine Familie, ist jedenfalls im Regelfall für alle Beteiligten klar, dass die in der Buchung als Reiseteilnehmer angebebenen Personen gegenüber dem vertraglichen Schuldner - was ihre eigene Reiseteilnahme betrifft - direkt anspruchsberechtigt sein sollen. Dies wird mit der Rechtsfigur des (echten) Vertrags zugunsten Dritter (§ 881 ABGB) erklärt (M. Bydlinski in Schuhmacher, Verbraucherschutz in Österreich und in der EG, 216; Mayrhofer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³, § 31b KSchG Rz 17; allgemein zum Vertrag zugunsten Dritter: P. Bydlinski in KBB³ § 881 Rz 1 ff; vgl auch die Definition des „Reisenden“ in § 31b Abs 3 Z 3 KSchG). Nach § 881 Abs 2 ABGB ist aus einem Vertrag zugunsten eines Dritten der Dritte im Zweifel unmittelbar berechtigt, wenn die Leistung hauptsächlich ihm zum Vorteil gereicht, was ja beim Reisevertrag im Regelfall (und jedenfalls bei den hier zu beurteilenden Verträgen) zu bejahen ist. Damit ist aber der Kläger unmittelbar aus dem zu seinen Gunsten geschlossenen Verträgen (auch aus dem mit der Beklagten geschlossenen Reisevermittlungsvertrag) unmittelbar forderungs- und - als Folge des Beratungsfehlers - auch ersatzberechtigt. Den Rückgriff auf die Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter bedarf es daher nicht, sodass sich auch ein Eingehen auf die dazu ergangene Rechtsprechung erübrigt, wonach das reine Vermögen des Dritten nur ausnahmsweise geschützt ist (vgl etwa 8 Ob 287/01s; 3 Ob 265/02w).

Da hier von einem echten Vertrag zugunsten auch des Klägers auszugehen ist, hat das Berufungsgericht seine Klagelegitimation zu Recht bejaht.

Gegen die Höhe des auf dieser Grundlage vorgenommenen Zuspruchs und gegen die Formulierung des Urteilsspruchs werden in der Revision keine Einwände erhoben.

In diesem Zusammenhang zeigt die Revision daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

2) Zum Beratungsfehler der Beklagten:

Ob die Beklagte einen Beratungsfehler zu verantworten hat, ist eine Frage des Einzelfalls, die die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen kann. Auch wenn man die vom Berufungsgericht als überschießend nicht beachteten Feststellungen über die Fehlauskunft des Reiseveranstalters über die Eincheckzeit in Düsseldorf beachtet, erweist sich die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe einen Beratungsfehler zu verantworten, keineswegs als unvertretbar. Schließlich stand zuletzt bereits fest, dass den Klägern in Düsseldorf zum Umstieg (flugplangemäß) nur ein Zeitraum von 65 Minuten zur Verfügung stehen werde. Angesichts der vom Reiseveranstalter erteilten Auskunft, dass das Einchecken nur bis 30 Minuten vor dem Abflug des Jamaika-Flugs möglich sein werde, verblieb daher von vornherein nur ein überaus knapper Zeitraum, zumal ja die Mitarbeiterin der Beklagten aufgrund der von ihr selbst erteilten Auskünfte (kein „Durchchecken“!) damit rechnen musste, dass die Kläger nach dem Zubringerflug noch auf ihr Gepäck warten müssen und sich erst dann auf den Weg zum Eincheck-Schalter machen können. Schon damit erweist sich die Auskunft, das Einchecken werde in Düsseldorf möglich sein, als problematisch. Umso schwerer wiegt damit aber der Umstand, dass die Mitarbeiterin der Beklagten die Information, dass nunmehr ohnedies in Wien nach Jamaika „durchgecheckt“ werden kann, nicht weitergegeben wurde. Dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten für einen Beratungsfehler bejaht hat, ist daher nicht zu beanstanden.

3) Zur Haftung für den entgangenen Urlaubstag:

Dass nach § 31e Abs 3 KSchG unter den dort genannten Voraussetzungen nur der Reiseveranstalter zum Ersatz für entgangene Urlaubsfreude verpflichtet ist, trifft zu. Richtig ist auch, dass mittlerweile nicht mehr strittig ist, dass die Beklagte nicht - auch nicht hinsichtlich des Zubringerflugs - Reiseveranstalter iSd § 31b Abs 2 KSchG war. Dennoch erweist sich der - vom Berufungsgericht allerdings nicht näher begründete - Zuspruch der begehrten Ersatzleistung aus folgenden Überlegungen als zutreffend:

Die Kläger haben nie vorgebracht, mit der begehrten Ersatzleistung ideellen Schadenersatz im Sinn eines Ersatzes für entgangene Urlaubsfreude zu begehren. Ihrem - wenn auch nicht sehr ausführlichen - Vorbringen („Ersatz für einen entgangenen Urlaubstag“) ist vielmehr mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass sie Ersatz dafür begehren, dass ihnen ein Tag des gebuchten (und gezahlten) Urlaubs entgangen ist und deshalb die dafür gezahlten Kosten frustriert sind. Es geht also um den Ersatz frustrierter Aufwendungen.

In seiner Entscheidung 2 Ob 113/09w (weitgehend und jedenfalls im Ergebnis zust: Karner, EvBl 2010, 830) hat der Oberste Gerichtshof - wenn auch aus Anlass eines Verkehrsunfalls und der Zahlung von Stornokosten - in Erweiterung der bisherigen Rechtsprechung frustrierte Reisekosten als ersatzfähig erachtet. Er verwies darauf, dass der Geschädigte, der vor dem Unfall eine Reise gebucht und dabei mit dem Reisveranstalter einen Reisevertrag abgeschlossen hat, dem Reiseveranstalter gegenüber den Anspruch auf Vertragserfüllung erlangt hat. Dabei handelt es sich um eine vermögenswerte, übertragbare und verwertbare Rechtsposition. Die Aufwendungen des Geschädigten, nämlich die Zahlung der Reisekosten bzw das Eingehen einer diesbezüglichen Verbindlichkeit, dienten demnach (auch) dem Erwerb eines vermögenswerten Guts. Sie fallen nicht unter die (nicht ersatzfähigen) allgemeinen - zeitweilig leer laufenden - Lebenshaltungskosten, sondern sind als Aufwand für die zeitlich konkrete einmalige Nutzung der erworbenen Rechtsposition anzusehen und daher ersatzfähig. Diese Überlegungen erweisen sich gerade auf den hier zu beurteilenden Fall als übertragbar, in dem die Möglichkeit, den gebuchten Aufenthalt (ungeschmälert) zu konsumieren, deklarierter Zweck des gebuchten Zubringerflugs und der in diesem Zusammenhang erfolgten Beratung war. Sie führen zur Ersatzpflicht der Beklagten für jenen Teil der Kosten des Urlaubs der Kläger, der auf jenen Urlaubstag entfällt, den sie wegen der von der Beklagten verschuldeten Reiseverzögerung nicht nutzen konnten.

Gegen die Höhe des darauf entfallenden Zuspruchs werden in der Revision keine Einwände erhoben.

Da somit auch in diesem Zusammenhang keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage geltend gemacht wird, war die Revision als unzulässig zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS-Justiz RS0112296). Allerdings steht ihnen der von ihnen verzeichnete dreifache Einheitssatz nicht zu.

Schlagworte

1 Generalabonnement

Textnummer

E97068

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:E97068

Im RIS seit

10.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

27.07.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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