TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/5 I403 2234247-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.10.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.10.2020

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §31 Abs1
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
NAG §51 Abs1
NAG §53 Abs1
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2234247-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den „Verein Menschenrechte Österreich“, 1090 Wien, Alser Straße 20, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.09.2020 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass es in Spruchpunkt I. zu lauten hat:

„Gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zweieinhalb Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland, wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 20.02.2020, Zl. XXXX aufgrund mehrerer Verbrechen nach § 3g VerbotsG 1947 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten, bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren, sowie zu einer Geldstrafe von 240 Tagsätzen, im Falle der Nichteinbringung zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 120 Tagen, verurteilt.

Mit Schriftsatz ("Parteiengehör") des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) vom 17.04.2020 wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt werde, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen und ihm die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von vierzehn Tagen ab Zustellung eine schriftliche Stellungnahme hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse in Österreich abzugeben.

Am 29.04.2020 langte beim BFA eine schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers ein. In dieser wurde im Wesentlichen vorgebracht, er sei gesund und lebe und arbeite seit dem Jahr 2010 durchgehend in Österreich. Seit dem Jahr 2015 sei er als Trockenbauer bei einem Unternehmen in Vorarlberg beschäftigt, zudem spiele er seit 2015 Dart in der Ligamannschaft eines Vereins in Vorarlberg. Über familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich verfüge er nicht. Seine Eltern würden in Deutschland leben und stehe er zu diesen in Kontakt. Der Stellungnahme angeschlossen waren ein Unterstützungsschreiben seines Dart-Vereins sowie seines Arbeitgebers, überdies eine Arbeitsbestätigung seiner Leiharbeitsfirma, ein Arbeitsvertrag wie auch diverse Verdienstnachweise.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20.07.2020 wurde gemäß „§ 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von vier Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß „§ 70 Abs. 3 FPG“ wurde ihm ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt (Spruchpunkt II.).

Mit Schriftsatz vom 17.08.2020 wurde Beschwerde gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid erhoben und beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben; allenfalls das erlassene Aufenthaltsverbot zur Gänze beheben; in eventu die Dauer des ausgesprochenen Aufenthaltsverbotes reduzieren; in eventu den Bescheid zur Gänze beheben und an die belangte Behörde zurückverweisen; eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen. Inhaltlich wurde insbesondere kritisiert, durch das erlassene Aufenthaltsverbot würde der in Österreich beschäftigte Beschwerdeführer die Möglichkeit verlieren, hier weiterhin zu arbeiten und würde das Aufenthaltsverbot sohin gegen die unionsrechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoßen. Auch ließe der angefochtene Bescheid eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose im Hinblick auf die Person des Beschwerdeführers vermissen und habe die belangte Behörde dessen persönliche Situation nicht ausreichend gewürdigt.

Am 23.09.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers abgehalten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland und somit EWR-Bürger. Seine Identität steht fest. Er ist gesund und erwerbsfähig.

Der Beschwerdeführer war (mit Unterbrechungen von 30.01.2010 bis 24.05.2010, von 24.06.2010 bis 18.07.2020, von 14.01.2012 bis 22.01.2012, von 19.01.2013 bis 14.04.2013, von 01.05.2013 bis 16.08.2013, von 10.01.2015 bis 26.04.2015, von 26.12.2015 bis 10.01.2016) seit 04.08.2009 über ein Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen mit Sitz in Liechtenstein in Österreich beschäftigt. Seit dem 16.02.2016 ist er durchgehend als Leiharbeiter bei einer Baufirma in Vorarlberg als Stuckateur und Trockenausbauer beschäftigt. Seit 01.02.2018 ist er bei der österreichischen Niederlassung des Arbeitskräfteüberlassungsunternehmens angestellt.

Vom 12.06.2013 bis zum 11.07.2013, vom 29.07.2013 bis zum 16.08.2013 sowie – mit zweimalig kurzzeitigen Unterbrechungen - seit dem 04.08.2014 ist der Beschwerdeführer in Österreich als Arbeiter bei der Sozialversicherung angemeldet, davor war er bei einer deutschen Versicherung gemeldet.

Erst seit 17.06.2019 ist er mit einem Nebenwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Anmeldebescheinigung.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte. Seine Eltern leben in Deutschland und steht er mit diesen in Kontakt.

Seit dem Jahr 2015 spielt er Dart in der Ligamannschaft eines Vereins in Vorarlberg. Er hat sich in Österreich einen Freundeskreis aufgebaut und hat hier seit Jahren seinen Lebensmittelpunkt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 20.02.2020, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer aufgrund mehrerer Verbrechen nach § 3g VerbotsG 1947 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten, bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren, sowie zu einer Geldstrafe von 240 Tagsätzen, im Falle der Nichteinbringung zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 120 Tagen, verurteilt. Es handelt sich um seine erste und bislang einzige strafgerichtliche Verurteilung. Ihr lag zugrunde, dass er sich der Wiederbetätigung schuldig gemacht hatte, indem er den Nationalsozialismus und die Person Adolf Hitlers verherrlichend, Zielsetzungen der NSDAP unsachlich, einseitig und propagandistisch vorteilhaft darstellend und typisch nationalsozialistische Parolen, Schlagworte und Symbole propagandistisch verwendend zwischen 01.01.2018 und 01.03.2018 einer anderen Person über WhatsApp insgesamt 7 Nachrichten (Textnachrichten sowie Bild- und Videodateien) mit nationalsozialistischen Inhalten versendet hatte (darunter die Aussprüche „Sieg Heil“, Anspielungen auf die Gaskammern, Ansprachen von Adolf Hitler etc). Als mildernd wurden im Rahmen der Strafbemessungsgründe die bisherige Unbescholtenheit, das teilweise Geständnis sowie das Zurückligen der Taten von zwei Jahren berücksichtigt, als erschwerend hingegen das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen gewertet.

Der Beschwerdeführer ist weiterhin mit dem deutschen Staatsbürger befreundet, an welchen er die fünf Nachrichten, welche Videos und Bilder mit nationalsozialistischen Inhalten enthielten, versendete. Dieser Staatsbürger musste das Bundesgebiet verlassen, nachdem gegen ihn aufgrund einer Verurteilung nach dem VerbotsG ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot erlassen wurde.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Insbesondere wurden auch Auszüge aus dem Zentralen Melderegister (woraus sich ergibt, dass der Beschwerdeführer seit 17.06.2019 mit einem Nebenwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet ist), dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger (woraus sich die angemeldeten Erwerbstätigkeiten des Beschwerdeführers als Arbeiter ergeben) und dem Strafregister (woraus sich die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt) eingeholt.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seiner Identifizierung durch die österreichischen Strafverfolgungsbehörden fest.

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinen Familienverhältnissen und zu seinem Gesundheitszustand ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner schriftlichen Stellungnahme im Administrativverfahren sowie in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellungen hinsichtlich der aktuellen Beschäftigung des Beschwerdeführers als Leiharbeiter bei einer Baufirma in Vorarlberg ergeben sich aus diesbezüglich in Vorlage gebrachter Bestätigungsschreiben des Arbeitskräfteüberlassungsunternehmens, der Baufirma sowie weiterer in Vorlage gebrachter Unterlagen wie seinem Arbeitsvertrag oder Verdienstnachweisen. Dass der Beschwerdeführer seit 2009 im Bundesgebiet arbeitet, ergibt sich aus dem Bestätigungsschreiben des Arbeitskräfteüberlassungsunternehmens und aus seinen Aussagen in der mündlichen Verhandlung. Dass er über keine Anmeldebescheinigung verfügt, ergibt sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung.

Dass er seit dem Jahr 2015 Dart in der Ligamannschaft eines Vereins in Vorarlberg spielt, ergibt sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben im Verfahren sowie aus zwei in Vorlage gebrachten Unterstützungsschreiben des Vereins.

Die Feststellungen hinsichtlich der seiner strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlungen sowie zu den Milderungs- und Erschwerungsgründen im Rahmen der Strafbemessung ergeben sich aus der im Akt enthaltenen Urteilsausfertigung des Landesgerichts XXXX zur Zl. XXXX . Dass er weiterhin mit dem deutschen Staatsbürger befreundet ist, an welchen er die Nachrichten, welche Videos und Bilder mit nationalsozialistischen Inhalten enthielten, versendete, ergibt sich aus seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung. Dass dieser mit einem fünfjährigen Aufenthaltsverbot belegt wurde, ergibt sich aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.01.2020, Zl. G314 2226869-1/3E.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Zu den Rechtsgrundlagen:

§ 51 Abs. 1 NAG

Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate

Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1.         in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
2.         für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder
3.         als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

§ 53 Abs. 1 NAG

Anmeldebescheinigung

EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), haben, wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, dies binnen vier Monaten ab Einreise der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 51 oder 52) ist von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen.

§ 31 Abs. 1 FPG

Voraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet

§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1.         wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;
2.         wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;
3.         wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;
4.         solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 zukommt;
5.         bis zur Entscheidung über einen Verlängerungsantrag (§ 2 Abs. 4 Z 17a), solange der Aufenthalt als Saisonier in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt die Dauer von neun Monaten nicht überschreitet;
6.         wenn sie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels für unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer gemäß ICT-Richtlinie eines anderen Mitgliedstaates sind, der das SDÜ nicht vollständig anwendet, und § 18 Abs. 13 AuslBG erfüllen, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 180 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 90 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;
7.         wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Forscher“ eines anderen Mitgliedstaates sind und eine Tätigkeit für eine Forschungseinrichtung ausüben, die gemäß § 1 Abs. 2 lit. h AuslBG vom sachlichen Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen ist, oder als deren Familienangehörige Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedstaates sind, solange jeweils ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 360 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 180 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;
8.         wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels „Student“ eines anderen Mitgliedstaates sind und an einem Unions- oder multilateralen Programm mit Mobilitätsmaßnahmen teilnehmen oder für sie eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Hochschuleinrichtungen besteht, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet nicht insgesamt die Dauer von 360 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind, oder
9.         soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

§ 67 FPG

Aufenthaltsverbot
(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.       auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.       der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

§ 9 BFA-VG

Schutz des Privat- und Familienlebens
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.

3.1.2. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war aus den folgenden Gründen abzuweisen:

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder jener, der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger jener Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist. Der Beschwerdeführer als Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland ist sohin EWR-Bürger iSd § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind (vgl. § 51 Abs. 1 NAG). Der Beschwerdeführer verfügt daher prinzipiell über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht. Gemäß § 53 Abs. 1 NAG haben EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, dies binnen vier Monaten ab Einreise der Behörde anzuzeigen.

Für EWR-Bürger und Schweizer Bürger, die bereits vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen und nach dem Meldegesetz 1991 gemeldet sind, gilt gemäß der Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 4 NAG ihre aufrechte Meldung nach dem Meldegesetz 1991 als Anmeldebescheinigung im Sinne des § 53 NAG und somit als Dokument zur Bescheinigung des Daueraufenthaltes des EWR-Bürgers. Diese Voraussetzungen treffen aber im vorliegenden Fall nicht zu, da sich der Beschwerdeführer weder vor dem 1.1.2007 rechtmäßig in Österreich aufgehalten hat noch zum 1.1.2007 über eine aufrechte Meldung nach dem Meldegesetz verfügte.

Der Beschwerdeführer wäre daher verpflichtet gewesen, seinen Aufenthalt bei der Behörde anzuzeigen und eine Anmeldebescheinigung zu beantragen. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass der Beschwerdeführer zunächst über die liechtensteinische Niederlassung des Arbeitskräfteüberlassungsunternehmens beschäftigt war; aufgrund § 5 Abs. 2 Z 2 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz galt aber auch in diesem Zeitraum der Standort des Betriebes des Beschäftigers als Beschäftigungsort im Sinne des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes. Seit 01.02.2018 ist der Beschwerdeführer zudem bei der österreichischen Niederlassung des Arbeitskräfteüberlassungsunternehmens angestellt, doch auch ab diesem Zeitpunkt wurde keine Anmeldebescheinigung beantragt (welche aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt auch keinen Wohnsitz in Österreich hatte, auch gar nicht erteilt worden wäre).

Der Beschwerdeführer wäre daher verpflichtet gewesen, einen Wohnsitz in Österreich zu melden und eine Anmeldebescheinigung zu beantragen. Er verfügte aber zu keinem Zeitpunkt seines elfjährigen Aufenthaltes über eine Anmeldebescheinigung. Gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie auf Grund einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt berechtigt sind. Der Beschwerdeführer hält sich daher nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Da der Beschwerdeführer aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich des § 67 FPG fällt und die Voraussetzung eines durchgehenden rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet seit mehr als 5 bzw. mehr als 10 Jahren nicht erfüllt ist, gelangt für ihn fallgegenständlich der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG für Unionsbürger zur Anwendung.

Die belangte Behörde stützte das angefochtenen Aufenthaltsverbot auf das der rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung zugrundeliegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers. Er hatte im Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 01.03.2018 mit seinem Mobiltelefon über den Nachrichtendienst "WhatsApp" an eine andere Person insgesamt sieben Nachrichten, welche Videos und Bilder mit nationalsozialistischen Inhalten enthielten, versendet.

Als mildernd wurden im Rahmen der Strafbemessungsgründe die bisherige Unbescholtenheit, das teilweise Geständnis sowie das Zurückliegen der Taten von zwei Jahren berücksichtigt, als erschwerend hingegen das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen gewertet. Er war deswegen mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 20.02.2020, Zl. XXXX aufgrund mehrerer Verbrechen nach § 3g VerbotsG 1947 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten, bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren, sowie zu einer Geldstrafe von 240 Tagsätzen, im Falle der Nichteinbringung zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 120 Tagen, verurteilt worden.

§ 3g des Verbotsgesetzes lautet: „Wer sich auf andere als die in den §§ 3a bis 3f bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, wird, sofern die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung strenger strafbar ist, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren, bei besonderer Gefährlichkeit des Täters oder der Betätigung bis zu 20 Jahren bestraft.“

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).

Gegen den Beschwerdeführer als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 Abs. 1 FPG sohin zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre.

Das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers stellt eine solche Gefahr dar, die Grundinteressen der Gesellschaft iSd Art 8 Abs 2 EMRK (an nationaler Sicherheit, der Verteidigung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, der Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer und der Moral) berührt. Die Ablehnung und das Verbot des Nationalsozialismus und der Verbreitung von nationalsozialistischem Gedankengut sind von wesentlicher Bedeutung für das Entstehen der Zweiten Republik und für die österreichische Rechtsordnung (so z.B. VwGH 20.05.2015, Ro 2014/09/0053). So wurde etwa im Zusammenhang mit der Versagung eines Reisepasses ausgesprochen, dass ein unter § 3g VerbotsG zu subsumierendes Verbrechen eine Gefahr für die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich bewirke (siehe VwGH 24.03.1998, 96/18/0475). Die Betätigung im nationalsozialistischen Sinn, wegen der der Beschwerdeführer verurteilt wurde, zielt darauf ab, den Rechtsstaat durch das Wiedererstehen des Nationalsozialismus zu gefährden, zumal er in Textnachrichten, Bildern und Videos wiederholt nationalsozialistische Maßnahmen und Ziele unsachlich, einseitig und propagandistisch vorteilhaft darstellte.

Da der Beschwerdeführer die Taten über einen Zeitraum von mehreren Monaten fortsetzte, kann auch nicht von einer einmaligen Fehlleistung ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer zeigte in der Verhandlung auch keine eindeutige Abwendung von diesem Gedankengut, sondern begründete die seiner Ansicht nach fehlende Wiederholungsgefahr nur mit der abschreckenden Wirkung der Folgen seiner Taten. Eine klare Abwendung von der dahinterstehenden Gesinnung ist nicht zu erkennen und ist er etwa auch weiterhin mit dem deutschen Staatsbürger befreundet, mit dem er die betreffenden Nachrichten austauschte. Dieser Freund von ihm befindet sich übrigens nicht mehr im Bundesgebiet, nachdem er wegen Verbrechen nach § 3g VerbotsG rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen á EUR 4 und einer für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt worden war und gegen ihn ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde (vgl. dazu Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.01.2020, G314 2226869-1/3E).

Im Falle des Beschwerdeführers liegt die Begehung der Straftaten zwar schon mehr als zweieinhalb Jahren zurück, zugleich wurde er aber erst vor sieben Monaten verurteilt. Derzeit kann noch nicht von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der durch die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers indizierten Gefährlichkeit ausgegangen werden, weil die über Monate ausgeübten Taten noch nicht derart lange zurückliegen.

Unter Bedachtnahme auf die Art und Schwere der Straftaten, auf das Persönlichkeitsbild, das sich daraus ergibt, und auf das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers ist die für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erforderliche aktuelle Gefährdung von öffentlichen Interessen in maßgeblicher Intensität zu bejahen. Aktuell kann dem Beschwerdeführer noch keine positive Zukunftsprognose attestiert werden.

Zudem hat er es auch unterlassen, in Einklang mit § 53 Abs. 1 NAG der zuständigen Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde binnen vier Monaten ab seiner Einreise seinen länger als dreimonatigen Aufenthalt im Bundesgebiet anzuzeigen, um sich eine erforderliche Anmeldebescheinigung ausstellen zu lassen. Außerdem meldete er erst vor etwa einem Jahr einen Nebenwohnsitz in Österreich an, obwohl er sich mehrheitlich hier aufhielt. Der Beschwerdeführer machte in der Verhandlung geltend, dass er sich diesbezüglich auf den Personalvermittler verlassen und nicht gewusst habe, dass er eine Anmeldebescheinigung beantragen müsse. Dies ändert aber nichts daran, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet daher nicht rechtmäßig war.

Neben seiner strafgerichtlichen Verurteilung sind dem Beschwerdeführer sohin bis zuletzt mehrere, teils über einen längeren Zeitraum hinweg anhaltende Rechtsverstöße anzulasten, sodass im Rahmen einer Gesamtschau davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre.

Der Beschwerdeführer hat zwar kein Familienleben im Inland; aufgrund seiner Erwerbstätigkeit und der privaten Bindungen in Österreich greift das Aufenthaltsverbot aber in sein Privatleben ein. Daher ist eine einzelfallbezogene gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit seinen gegenläufigen privaten Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Diese Interessenabwägung ergibt hier, dass der Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers verhältnismäßig ist, zumal sein Aufenthalt in Österreich bislang aufgrund des Fehlens einer Anmeldebestätigung unrechtmäßig war, er auch in Deutschland über einen Wohnsitz verfügt (in Österreich erst seit etwa einem Jahr einen Nebenwohnsitz) und familiäre Anknüpfungen hat und aufgrund der Verstöße gegen das VerbotsG ein besonders großes öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung besteht. Der Beschwerdeführer kann die Kontakte zu in Österreich lebenden Freunden und Bekannten auch durch Telefonate, Briefe und elektronische Kommunikationsmittel (Internet, E-Mail, soziale Medien) sowie durch Besuche außerhalb Österreichs pflegen. Es ist ihm zumutbar, sich außerhalb von Österreich niederzulassen und seine Erwerbstätigkeit anderswo fortzusetzen, zumal er in einem erwerbsfähigen Alter, gesund und alleinstehend ist. Die Personalvermittlung, für welche er seit 2009 tätig ist, vermittelt Arbeitskräfte auch nach Liechtenstein und in die Schweiz, so dass ihm gegebenenfalls auch eine Weiterbeschäftigung möglich sein könnte. Das Aufenthaltsverbot wurde somit dem Grunde nach zu Recht erlassen.

Da der Beschwerdeführer jedoch erstmals straffällig wurde und sich geständig verantwortete, das Geschworenengericht mit einer im untersten Bereich des Strafrahmens angesiedelten Strafe das Auslangen fand und keine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt werden musste, ist trotz seiner schwerwiegenden Taten kein vierjähriges Aufenthaltsverbot notwendig, um der von ihm ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wirksam zu begegnen. Gegen den Beschwerdeführer ist daher gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein befristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen, dessen Dauer aufgrund des konkreten Unrechtsgehalts der von ihm zu verantwortenden Verstöße gegen das VerbotsG, die nur in privaten Chatnachrichten begangen wurden, unter Berücksichtigung der Strafzumessungsgründe und der offenen Probezeit mit zweieinhalb Jahren festgelegt wird. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist insoweit in Stattgebung des entsprechenden Eventualantrags in der Beschwerde abzuändern.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Dem Beschwerdeführer wurde ein solcher Durchsetzungsaufschub gewährt und wurde dem in der Beschwerde auch nicht entgegengetreten.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsverbot Dauer der Maßnahme Durchsetzungsaufschub EU-Bürger EWR-Bürger Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Haft Haftstrafe Interessenabwägung mündliche Verhandlung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Unionsbürger Verbrechen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2234247.1.00

Im RIS seit

24.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten