TE OGH 2021/1/25 16Ok5/20a

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Veröffentlicht am 25.01.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Kodek, die Hofrätin Dr. Solé und die fachkundigen Laienrichter KR Dr. Dernoscheg und KR Mag. Herzele als weitere Richter in der Kartellrechtssache der Antragstellerinnen 1. Bundeswettbewerbsbehörde, Wien 3, Radetzkystraße 2, 2. Bundeskartellanwalt, Wien 1, Schmerlingplatz 11, wider die Antragsgegnerinnen 1. F***** GmbH, *****, 2. W***** GmbH, *****, beide vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Prüfung eines Zusammenschlusses, über den Rekurs der Antragsgegnerinnen gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 23. Juli 2020, GZ 25 Kt 1/20i, 25 Kt 2/20m-44, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

[1]       H***** D***** verstarb am *****. Seine Verlassenschaft wurde Dr. C***** D*****, H***** D*****, M***** D***** und J***** D***** eingeantwortet.

[2]            Der Verstorbene war Gesellschafter folgender in diesem Verfahren relevanter Gesellschaften:

K*****-Verlag Gesellschaft mbH (idF Verlag GmbH)

K*****-Verlag Gesellschaft mbH & Co KG (idF Verlag KG),

K***** Vermögens***** KG (idF Vermögen KG);

K***** Media ***** Gesellschaft mbH (idF Media GmbH)

[3]            A. An der Verlag GmbH hielt er eine Stammeinlage in der Höhe von einbezahlten 250.000 ATS und damit 50 % der Gesellschaftsanteile; die restlichen 50 % hielt und hält die N*****, eine 100%-ige Tochtergesellschaft der Zweitantragsgegnerin. Seit 27. 9. 2018 sind die vier genannten Erben mit einer Stammeinlage entsprechend je 62.500 ATS im Firmenbuch als Gesellschafter eingetragen.

[4]       Der Gesellschaftsvertrag vom 7. 7. 1998 sieht in seinem Punkt 9. vor:

„Stimmrecht Geschäftsordnung Vertretung

9.1. Je S 1.000,00 (Schilling eintausend) einer übernommenen Stammeinlage gewähren eine Stimme. Jedem Gesellschafter steht mindestens eine Stimme zu.

[…]“

[5]            B. Bei der Media GmbH hielt der Verstorbene ebenfalls eine Stammeinlage von 250.000 ATS, was wiederum 50 % der Gesellschaftsanteile entsprach; die restlichen 50 % der Gesellschaftsanteile hielt und hält wiederum die N*****.

[6]            Auch bei dieser GmbH wurden die Erben nach der Einantwortung mit einer Stammeinlage von je 62.500 ATS am 27. 9. 2018 als Gesellschafter im Firmenbuch eingetragen.

[7]       Der Gesellschaftsvertrag vom 26. 9. 1995 sieht unter „§ 7 – Generalversammlung“ vor:

„[…]

2. Sofern nicht durch diesen Vertrag oder gesetzlich zwingend andere Mehrheiten vorgeschrieben sind, fasst die Generalversammlung ihre Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Je S 1.000,00 (in Worten: Schilling eintausend) übernommener Stammeinlage gewähren eine Stimme; Bruchteile werden nicht gerechnet. Jedem Gesellschafter muss jedoch eine Stimme zustehen.

[…]“

[8]             C. Komplementärin der Vermögen KG war laut Gesellschaftsvertrag vom 5. 11. 1987 die D***** Gesellschaft mbH mit einem Kapitaleintrag von 90.826 ATS (das entspricht 1 % des Kapitals); nunmehr ist dies die Verlag GmbH.

[9]            Laut Punkt IV. des Gesellschaftsvertrags sind Organe der Gesellschaft die Gesellschaftsversammlung und die Geschäftsführung, wobei nach Punkt IV.2. die Geschäftsführung und Vertretung im Außenverhältnis der Komplementärin obliegt.

[10]     Punkt V. des Gesellschaftsvertrags lautet:

„Beschlussfassung in der Gesellschafter-
versammlung

1. Die Beschlüsse der Gesellschafter werden mit einfacher Stimmenmehrheit der abgegebenen und wirksamen [...] Stimmen gefasst.

[…]

7. Die Gesellschafter haben je ÖS 1.000,00 (Schilling eintausend) Kapital eine Stimme. Sind die Inhaber der jetzigen Gesellschaftsanteile mehrere Personen, haben sich diese durch eine Person vertreten zu lassen. So lange ein Vertreter nicht bestellt ist, ruht das Stimmrecht.“

[11]           Neben der einprozentigen Kapitalbeteiligung der Komplementärin (der Verlag GmbH) sind die weiteren Kommanditisten die N***** mit einem Anteil von 49,5 % sowie die vier Erben gemeinsam mit einem Anteil von ebenfalls 49,5 %.

[12]           D. Bei der Verlag KG, deren Gesellschaftsvertrag vom 3. 8. 1990 stammt, ist ebenfalls die Verlag GmbH Komplementärin, hier als reine Arbeitsgesellschafterin. Kommanditisten waren der Verstorbene mit einem Kapitalanteil von 55 %, die N***** mit einem Kapitalanteil von 35 % sowie die A***** GmbH (eine 100%-ige Tochtergesellschaft der N*****) mit einem Kapitalanteil von 10 %.

[13]           Nach Punkt IV. des Gesellschaftsvertrags obliegt die Geschäftsführung und Vertretung im Außenverhältnis der Komplementärin.

[14]     Punkt V. des Gesellschaftsvertrages lautet:

„Beschlussfassung in der Gesellschafts-
versammlung

1. Die Beschlüsse der Gesellschafter werden mit einfacher Stimmenmehrheit der abgegebenen und wirksamen [...] Stimmen gefasst.

[…]

7. Die Gesellschafter haben je ÖS 1.000,00 (Schilling eintausend) Kapital eine Stimme. Sind die Inhaber der jetzigen Gesellschaftsanteile mehrere Personen, haben sich diese durch eine Person vertreten zu lassen. So lange ein Vertreter nicht bestellt ist, ruht das Stimmrecht.“

[15]            Nunmehr sind im Firmenbuch als Kommanditisten die N***** mit einer Haftungssumme von 29.069,13 EUR, die A***** GmbH mit einer Haftungssumme von 7.267,28 EUR und die vier Erben mit einer Haftungssumme von je 9.084,10 EUR eingetragen.

[16]           E. Rahmenvereinbarung

[17]           Am 5. 11. 1987 schlossen der Verstorbene, die damals bestehenden „K*****-Gesellschaften“ und die Zweitantragsgegnerin eine Rahmenvereinbarung, die ua Folgendes vorsieht:

„Präambel:

W***** ist im Wege der Kapitalerhöhung durch Einbringung einer Kommanditeinlage in das Pressehaus und den Zeitungsverlag eingetreten. Gesellschaftsanteile an der D***** GmbH sind an W***** abgetreten worden.

Herr D***** und W***** sind daher nunmehr die alleinigen Gesellschafter der vorgenannten Gesellschaften. Die Beteiligungsverhältnisse ergeben sich aus den heute abgeschlossenen Verträgen.

In Ergänzung und teilweise in Abweichung von diesen Verträgen vereinbaren die Parteien die nachfolgende Rahmenvereinbarung

[…]

12. Sonstige Vereinbarungen

[...]

12.9 Soweit es sich nicht um höchstpersönliche Rechte handelt (…), gehen sämtliche Rechte und Pflichten aus den heute abgeschlossenen Verträgen auf die jeweiligen Rechtsnachfolger über.

Es bestehen zwei Gesellschaftergruppen:

- einmal die Gesellschaftergruppe Herr D***** und gegebenenfalls seine Rechtsnachfolger,

- zum anderen die W***** und gegebenenfalls ihre Rechtsnachfolger.

Die Gesellschaftsanteile der Gesellschaftergruppe sind eine Einheit, auch wenn sie nicht mehr in einer Hand vereinigt sind. Sämtliche Rechte können nur einheitlich und mit einer Stimme ausgeübt werden. Entsprechendes gilt für die Pflichten.

Die Gesellschafter können sich auf eigene Kosten in den Gesellschafterversammlungen durch zur Berufsverschwiegenheit gesetzlich verpflichtete physische Personen vertreten lassen.

12.10 Soweit zu den vorstehenden Vereinbarungen Gesellschaftsbeschlüsse und gegebenenfalls die Änderung von Gesellschaftsverträgen notwendig sind, werden die erforderlichen Gesellschafterbeschlüsse hiermit einstimmig gefasst.

[…]

12.11 Wenn andere Vereinbarungen, insbesondere die Gesellschaftsverträge, dem vorliegenden Vertrag widersprechen, hat ausschließlich der vorliegende Vertrag Gültigkeit. Andere Verträge gelten nur zweitrangig.“

[18]           Zur Bereinigung eines Schiedsverfahrens vor der Schweizer Handelskammer wurde zwischen den Gesellschaftergruppen im Oktober/November 2008 eine Vereinbarung geschlossen, in der es unter anderem heißt:

„Die Rahmenvereinbarung vom 05. 11. 1987 und alle anderen zwischen den Parteien geschlossenen Verträge gelten ausdrücklich vollinhaltlich weiter und werden durch diese Vereinbarung nicht berührt.“

[19]           Die Rahmenvereinbarung ist unstrittig für die Verlag GmbH, für die Vermögen KG und für die Verlag KG gültig.

[20]           Die Antragsgegnerinnen haben mit unterschiedlicher Begründung erstmals am 28. 6. 2017 die Kündigung der Rahmenvereinbarung aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung ausgesprochen und sodann mit Schreiben vom 1. 1. 2018 die ordentliche Kündigung zu verschiedenen Terminen. Am 21. 8. 2019 und am 20. 9. 2019 sprachen die Antragsgegnerinnen wiederum die außerordentliche Kündigung des Rahmenvertrags aus. Am 24. 9. 2019 wiederholten sie die außerordentliche Kündigung und sprachen überdies die Kündigung der Schiedsvereinbarung für Streitigkeiten aufgrund und im Zusammenhang mit der Rahmenvereinbarung aus.

[21]           Die Verlassenschaft nach dem Verstorbenen (bzw nach der Einantwortung die Gemeinschaft der vier Erben) beantragte vor einem Schweizer Schiedsgericht die Feststellung des weiteren Bestands der Rahmenvereinbarung. Mit Schiedsspruch vom 19. 5. 2020 wurde ausgesprochen, dass die Rahmenvereinbarung ungeachtet bestimmter Kündigungen samt ihren späteren Ergänzungen aufrecht und wirksam bleibt. Die Antragsgegnerinnen haben die Einbringung der Aufhebungsklage an das Schweizer Bundesgericht angekündigt.

[22]           Zwischen den Antragsgegnerinnen bzw der N***** und der Verlag GmbH bzw den Erben als Gesellschafter sind weiters vor dem Handelsgericht Wien Klagen auf Feststellung des Zustandekommens von Gesellschafterbeschlüssen sowie ein Verfahren auf Ausschluss der vier Erben als Gesellschafter anhängig.

[23]           F. Miteigentümergemeinschaft betreffend die Gesellschaftsanteile der Erben

[24]           Am 20. 1. 2020 schlossen die Erben eine Vereinbarung über die Begründung einer Miteigentümergemeinschaft (iSv §§ 825 ff ABGB und § 80 GmbHG) über die Gesellschafteranteile der Verlag GmbH und Bestellung eines gemeinsamen Vertreters.

[25]     In Punkt 3. dieser Vereinbarung heißt es:

„Die durch diese Anteile verkörperten Mitgliedschaftsrechte (Vermögensrechte vorbehalten), insbesondere das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung, können nur einheitlich durch einen gemeinsamen Vertreter, der hiermit auch zur Ausübung bevollmächtigt wird, wahrgenommen werden. Die Stimmrechte kommen der Miteigentumsgemeinschaft insgesamt zu und können nur einheitlich und ungeteilt ausgeübt werden. Damit wird auch bewirkt, dass alle Gesellschafter an der [Verlag KG] und an der [Vermögen KG], an denen die [Verlag GmbH] als persönlich unbeschränkt haftende Gesellschafterin beteiligt ist, hinsichtlich ihrer Mitgliedschaftsrechte im selben Verhältnis beteiligt sind.“

[26]     Punkt 4. der Vereinbarung lautet:

„Die Gesellschafter bestimmen in allen Angelegenheiten der [Verlag GmbH], die mit der Wahrnehmung und Ausübung der Gesellschafterrechte dieser Gemeinschaft zusammenhängen, insbesondere zur Ausübung des Stimmrechtes in der Gesellschafterversammlung, Herrn Dr. C***** D***** auf Dauer des Bestehens der Gemeinschaft zu ihrem Bevollmächtigten und erteilten ihm die Spezialvollmacht zur Vertretung der Gemeinschaft, insbesondere zur Ausübung des Stimmrechtes in der Gesellschafterversammlung und zur Fertigung von Eingaben, insbesondere für Eingaben an das Firmenbuch und an Behörden.“

[27]     Am 30. 12. 2019 meldeten die Antragsgegnerinnen bei der Bundeswettbewerbsbehörde den Wechsel zu alleiniger Kontrolle der Zweitantragsgegnerin über 1. die Verlag GmbH; 2. die Vermögen KG; 3. die Verlag KG und 4. die Media GmbH als Zusammenschluss an.

[28]     Der Kontrollwechsel sei ohne Zutun der Antragsgegnerinnen dadurch zustande gekommen, dass bei den beiden GmbH die Gesellschaftsanteile des verstorbenen Gesellschafters im Wege der Einantwortung auf seine Erben übertragen worden seien, wodurch seine Stammeinlage so aufgeteilt worden sei, dass auf jeden der vier Erben eine solche von 62.500 ATS entfalle. Da nach dem Gesellschaftsvertrag nur jeweils 1.000 ATS der Stammeinlage eine Stimme gewährten, stünden damit den Erben insgesamt nur noch 248 Stimmen zu, während der anderen Hälfte-Gesellschafterin weiterhin 250 Stimmrechte zukämen.

[29]     Bei der Verlag KG sei es aufgrund der Ergebnisse des Verlassenschaftsverfahrens zwar zu keiner Verschiebung der Mehrheiten in der Gesellschafterversammlung gekommen, jedoch könne aufgrund der Stimmrechtsverschiebung bei der einzigen Komplementärin und Geschäftsführerin der KG im zuvor aufgezeigten Sinn die Zweitantragsgegnerin nunmehr Weisungen an die Geschäftsführung hinsichtlich sämtlicher gewöhnlicher Geschäfte der KG erteilen.

[30]     Bei der Vermögen KG sei es bei der Zweitantragsgegnerin infolge der Einantwortung zu einer Anhäufung der (mittelbaren) Beteiligungen von über 50 % iSd § 7 Abs 1 Z 3 KartG gekommen. Zusätzlich habe die Einantwortung dazu geführt, dass es auch zu einem Kontrollwechsel von gemeinsamer zu alleiniger Kontrolle iSd § 7 Abs 1 Z 5 KartG gekommen sei, weil zwar die Erben insgesamt und die N***** über jeweils 4.492 Stimmen verfügten, aber die von der Zweitantragstellerin allein kontrollierte Komplementärin ebenfalls eine Kapitalbeteiligung halte, die 90 Stimmen ergebe.

[31]     Anmeldefähigkeit liege hier deshalb vor, weil nach der Rechtsprechung ein Zusammenschluss sogar schon während der Vertragsverhandlungen anzumelden sei, sofern zu diesem Zeitpunkt die notwendigen Parameter, die für die Prüfung des Zusammenschlusses durch die Wettbewerbsbehörden erforderlich seien, bereits feststünden. Die Parteien müssten sich nur über die Transaktionsstruktur weitgehend einig sein und dürften die Wettbewerbsbehörden nicht mit hypothetischen Szenarien befassen. Angesichts der Eintragung der Anteile der Erben im Firmenbuch sei der Zusammenschluss aber ohnehin als durchgeführt anzusehen, weil maßgeblicher Zeitpunkt des Zustandekommens (und somit der Durchführung) eines Zusammenschlusses jener Moment sei, ab dem die wirtschaftliche Einflussmöglichkeit gegeben sei.

[32]     Die Rahmenvereinbarung stehe dem nicht entgegen. Sie sei mehrfach durch Kündigung beendet worden, wodurch auch die konkrete Absicht der Antragsgegnerinnen auf Unternehmensübernahme zum Ausdruck komme. Selbst wenn man von einer weiteren Gültigkeit der Rahmenvereinbarung ausgehen wollte, erfüllten die in ihr niedergeschriebenen Einstimmigkeitsgeschäfte und sonstigen Rechte für die Seite der Erben nicht die notwendigen Voraussetzungen für das Vorliegen gemeinsamer Kontrolle im Sinne des österreichischen Fusionskontrollregimes.

[33]           Im Hinblick auf die Media GmbH differenzierten die Antragsgegnerinnen in der Anmeldung sowie im Schreiben vom 7. 1. 2020 hinsichtlich der Gültigkeit der Rahmenvereinbarung auch für diese Gesellschaft nicht. Erst in der Verhandlung vor dem Kartellgericht am 20. 5. 2020 behaupteten sie, dass die Rahmenvereinbarung diese Gesellschaft nicht betreffe, weil sie erst später gegründet und nicht dem Rahmenvertrag unterworfen worden sei. Diese Tochtergesellschaft habe 2019 einen Jahresumsatz von 19 Mio EUR erzielt, sodass alleine insoweit ein anmeldepflichtiger Zusammenschlussvorgang vorliege, der vom Kartellgericht zu prüfen sei.

[34]     Die von den Erben gegründete Miteigentumsgemeinschaft sei unwirksam, wenn nicht sogar gemäß § 878 ABGB geradezu unmöglich. Gemäß § 5.1 des Gesellschaftsvertrags der Verlag GmbH sei eine Übertragung von Gesellschaftsanteilen nur unter gleichzeitiger Übertragung der Beteiligungen der Verlag KG erlaubt. Eine satzungsgemäße Übertragungsbeschränkung wirke absolut.

[35]     Die BWB und der Bundeskartellanwalt stellten den Antrag, den angemeldeten Zusammenschluss einer Pru?fung nach den §§ 11 ff KartG zu unterziehen und den Pru?fungsantrag mangels Vorliegens eines Zusammenschlusses zuru?ckzuweisen.

[36]     Für die Beurteilung der Zusammenschlussanmeldung sei die Klärung gesellschaftsrechtlicher Fragen, insbesondere jener, ob es im Zuge der Einantwortung durch die Erben tatsächlich zu einem Stimmrechtsverlust und dadurch zu einem Kontrollwechsel gekommen sei, Voraussetzung. Dies hänge auch von der Frage des Bestands der Rahmenvereinbarung ab, was aufgrund des anhängigen Schiedsverfahrens noch nicht abschließend geklärt sei. Das Zusammenschlussvorhaben sei daher ungewiss, weil die ihm zugrundeliegende Rechtsansicht über die Verschiebung der Stimmrechte Gegenstand mehrerer anhängiger Rechtsstreitigkeiten sei.

[37]     Selbst wenn man von einer Anmeldefähigkeit des als Zusammenschluss angemeldeten Geschehnisses ausgehe, bestünden erhebliche Zweifel, ob ein Vorgang iSd § 7 KartG vorliege. Diese Norm definiere einen Zusammenschluss nach objektiven Kriterien. Danach liege ein Zusammenschluss dann vor, wenn die dort näher umschriebenen Tatbestände ihrem äußeren Erscheinungsbild nach erfüllt seien; auf die Willensrichtung der Beteiligten komme es in diesem Zusammenhang hingegen nicht an. Für den von § 7 Abs 1 Z 5 KartG verlangten beherrschenden Einfluss komme es nicht auf die Erreichung der Anteilsschwellen, sondern darauf an, ob ein Unternehmen bei den für die Markt- und Wettbewerbsstellung ausschlaggebenden Entscheidungen seine eigenen wettbewerblichen Interessen in einem anderen Unternehmen durchsetzen könne. Da die Erben am 20. 1. 2020 eine Syndikatsvereinbarung (Vereinbarung über die Begründung einer Miteigentumsgemeinschaft) abgeschlossen hätten, wonach ihre jeweiligen Stimmrechte der Miteigentümergemeinschaft insgesamt zukämen und nur einheitlich und ungeteilt ausgeübt werden könnten, sei es auch unter diesem Aspekt fraglich, ob es zu einer Änderung an der Kontroll- und Kapitalstruktur der K*****-Gesellschaften gekommen sei.

[38]     Das Kartellgericht wies den Antrag der Amtsparteien auf Prüfung des Zusammenschlusses gemäß § 11 KartG zurück. Gegenstand der kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle sei das externe Unternehmenswachstum mit der Zielrichtung, wettbewerblich strukturierte Märkte möglichst zu erhalten und zu verhindern, dass eine marktbeherrschende Stellung entstehe oder verstärkt werde. Der dem § 7 KartG zugrundeliegende Zusammenschlussbegriff sei ein objektiver, der immer schon dann vorliege, wenn einer der im Gesetz näher umschriebenen Zusammenschlusstatbestände seinem äußeren Erscheinungsbild nach erfüllt sei; auf die Willensrichtung der Beteiligten komme es nicht an. So genüge zur Herbeiführung einer Unternehmensverbindung gemäß § 7 Abs 1 Z 5 KartG, dass ein Unternehmen die bloße Möglichkeit erlange, beherrschenden Einfluss auf die Tätigkeit eines anderen Unternehmens auszuüben.

[39]           Das Verfahren könne aber inhaltlich nur über solche Anmeldungen durchgeführt werden, bei denen bereits Klarheit über die genauen Strukturen des Zusammenschlusses und den Zeitplan zur Umsetzung vorlägen. Dazu müsse der marktstrukturverändernde Vorgang sowohl zeitlich als auch inhaltlich präzise bestimmt sein. Die Prüfung der vorliegenden Anmeldung scheitere bereits deshalb, weil weder die rechtlichen, noch die tatsächlichen Umstände, die eine umfassende Beurteilung der den Antragsgegnerinnen zustehenden Einflussmöglichkeiten auf das strategische Wettbewerbsverhalten der Zielunternehmen zuließen, feststünden. Insbesondere sei die Frage der Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung (nach der die Stimmgewichtung der Gesellschaftergruppen paritätisch verteilt sei) essentiell für die Beurteilung des beherrschenden Einflusses und damit für eine Subsumierung unter den Zusammenschlusstatbestand des § 7 Abs 1 Z 5 KartG.

[40]           Soweit die Antragsgegnerinnen argumentierten, dass deshalb ein prüffähiger Vorgang vorliege, weil sie durch die wiederholten Kündigungen der Rahmenvereinbarung sowie durch die Ausschlussklage gegen die Erben als Gesellschafter die konkrete Absicht eines Kontrollerwerbs ebenso eindeutig bekundet hätten wie bei einem (feindlichen) Übernahmeangebot, bei dem eine Anmeldefähigkeit niemals in Zweifel gezogen würde, bezögen sie sich auf Art 4 FKVO, welche Bestimmung im KartG kein entsprechendes Gegenstück habe.

[41]           Die aufgezeigte unklare Faktenlage führe auch zur fehlenden Anmeldefähigkeit betreffend die Media GmbH, da im Hinblick auf die neuen Behauptungen die Identität des Zusammenschlusses geändert worden sei. Dieser reduzierte Zusammenschlussantrag unterscheide sich aufgrund des anderen Geschäftsfeldes der Gesellschaft nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ von der ursprünglichen Anmeldung und sei damit ein Aliud, weshalb der Prüfungsantrag auch nur diese Gesellschaft betreffend zurückzuweisen sei.

[42]     Gegen diese Entscheidung richtet sich der am 1. 12. 2020 beim Obersten Gerichtshof eingelangte Rekurs der Antragsgegnerinnen, mit dem sie die Abänderung der Entscheidung des Kartellgerichts im Sinne einer Nichtuntersagung des angemeldeten Zusammenschlusses anstreben; hilfweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

[43]     Die Amtsparteien beantragen in ihren Rekursbeantwortungen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[44]     Der Rekurs ist nicht berechtigt.

[45]     Die Rekurswerber machen geltend, dass die Rahmenvereinbarung keine Bedeutung für den Zusammenschluss habe; die übrige Faktenlage sei aufgrund der Anmeldung klar. Auch widerspreche es der Zielsetzung des Zusammenschlussverfahrens, wenn die Anmelder Rechtsfolgen vorab durch andere Gerichte klären lassen müssten. Schon die Gründung der Miteigentümergemeinschaft durch die Erben zeige, dass diese selbst von einer Stimmrechtsverschiebung ausgingen. Überdies sei eine solche Gründung ungültig im Sinne der Gesellschaftsverträge. Für die Verwirklichung des Zusammenschlusstatbestands des § 7 Abs 1 Z 5 KartG müsse kein Vertrag vorliegen; die Absicht, Kontrolle zu erwerben, reiche aus, wie dies Art 4 Abs 1 Satz 2 FKVO belege. Auch wenn diese Norm im österreichischen KartG fehle, sei im vorliegenden Fall der Kontrollerwerb ohnehin bereits erfolgt. Der zu prüfende Zusammenschluss ergebe sich aus der Anmeldung. Wenn das Kartellgericht dagegen auch die Rahmenvereinbarung einbeziehe, prüfe es in unzulässiger Weise die Wirksamkeit des Erwerbsvorgangs. Aus dem allein maßgeblichen Dispositiv des schweizer Schiedsspruchs ergebe sich nichts zur Frage der Kündbarkeit der Rahmenvereinbarung. Auch die Beendigung des Schiedsverfahrens könne daher nicht die vom Kartellgericht geforderte Rechtssicherheit bringen. Ein Abwarten würde den ex-ante-Charakter der Fusionskontrolle ad absurdum führen. Wollte man die Rahmenvereinbarung für relevant erachten, fehlten Feststellungen zu deren Inhalt, insbesondere zu jenen Geschäften, die Einstimmigkeit erforderten, deren Ausmaß im Übrigen nicht dem Erwerb alleiniger Kontrolle der Anmelderinnen entgegenstehe. In Bezug auf den Zusammenschluss Media GmbH werde die Identität des Streitgegenstands durch § 7 KartG bestimmt; insoweit liege ein Minus zur Gesamtanmeldung und kein Aliud vor. Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, läge in der Unterlassung eines Verbesserungsauftrags ein Verfahrensmangel des Kartellgerichts.

[46]           Der Senat hat dazu erwogen:

[47]           1. Zweck der Zusammenschlusskontrolle

[48]     Gegenstand der kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle ist das externe Unternehmenswachstum. Ihre Zielrichtung ist es, wettbewerblich strukturierte Märkte möglichst zu erhalten und zu fördern und zu verhindern, dass eine marktbeherrschende Stellung entstehen oder verstärkt werden kann. Es geht um strukturpolitische Ziele und nicht um den Schutz einzelner Mitbewerber. Die Fusionskontrolle hat damit den Charakter einer ordnungspolitischen Maßnahme, für die ausschließlich gesamtwirtschaftliche Gesichtspunkte maßgeblich sind (16 Ok 9/16h; 16 Ok 2/20k; RS0121884 [T2]).

[49]     Die Zielrichtung der Zusammenschlusskontrolle liegt daher darin, präventiv das Interesse der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung einer „österreichischen“ Marktstruktur – mag sich diese auch etwa als Teil eines Weltmarktes präsentieren –, die einen funktionierenden Wettbewerb verspricht, zu fördern. Es soll eine entsprechende Anzahl an potentiell miteinander konkurrierenden „selbständigen Marktteilnehmern“ auf diesem Markt erhalten bleiben (16 Ok 49/05; vgl RS0117535 [T2]). Gegenstand der Prüfung ist daher (nur) der Einfluss von Zusammenschlussvorhaben auf das Potential der Marktteilnehmer zum Wettbewerb, nicht aber eine detaillierte rechtliche Beurteilung der Rechtsfolgen eines konkreten Verhaltens von Marktteilnehmern (vgl idS RS0117535).

[50]     2. Tatbestände

[51]     Die Bestimmungen des § 7 Abs 1 und Abs 2 KartG legen fest, wann abstrakt eine relevante Verschiebung der Marktstruktur eintreten kann. Ihre Regelungen sind sehr unterschiedlich strukturiert.

[52]     Nach § 7 Abs 1 Z 3 KartG gelten als Zusammenschluss der unmittelbare oder mittelbare Erwerb von Anteilen an einer Gesellschaft, die Unternehmer ist, durch einen anderen Unternehmer sowohl dann, wenn dadurch ein Beteiligungsgrad von 25 %, als auch dann, wenn dadurch ein solcher von 50 % erreicht oder überschritten wird. Diese Tatbestände sind entsprechend ihrem Wortlaut als abstrakte Gefährdungstatbestände aufzufassen (16 Ok 12/08; vgl 16 Ok 20/02; 16 Ok 2/02; 16 Ok 9/01). Zwischen zwei Unternehmen können auch mehrere Zusammenschlüsse – zB Erhöhung einer Beteiligung von über 25 % auf über 50 % – stattfinden (16 Ok 20/02).

[53]     Nach § 7 Abs 1 Z 5 KartG gilt als Zusammenschluss auch jede sonstige Verbindung von Unternehmen, aufgrund der ein Unternehmer unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben kann. Dabei handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der nur dann zum Tragen kommt, wenn die Tatbestände des § 7 Abs 1 Z 1–4 KartG nicht erfüllt sind (arg „jede sonstige Verbindung von Unternehmen“ vgl 16 Ok 12/08).

[54]     Das Erfordernis des „tatsächlichen Beherrschens“ durch ein einheitliches Leitungszentrum iSd § 7 Abs 1 Z 5 KartG lässt sich aufgrund der unterschiedlichen Struktur der geregelten Tatbestände nicht auf den Beteiligungserwerb nach § 7 Abs 1 Z 3 KartG (Erwerb eines bestimmten Mindestanteils als abstraktes Gefährdungspotential durch gesellschaftsrechtlichen Machterwerb) übertragen (16 Ok 20/02; 16 Ok 2/02; 16 Ok 9/01).

[55]     Auch ein Wechsel zwischen den Beherrschungsarten kann einen Zusammenschluss iSd § 7 Abs 1 Z 5 KartG begründen. Dies wurde etwa bei Aufstockung einer bestehenden 50%-Beteiligung angenommen, wenn dadurch alleinige Kontrolle erreicht wurde (16 Ok 12/08).

[56]           3. Zustandekommen eines Zusammenschlusses

[57]           Ein Zusammenschluss gilt als zustande gekommen, wenn die wirtschaftliche Einflussmöglichkeit – nach der maßgeblichen privatrechtlichen Wirksamkeit – gegeben ist (RS0063596). Bei Zusammenschlüssen nach (nunmehr) § 7 Abs 1 Z 3 KartG genügt daher zB das Verpflichtungsgeschäft – etwa die Kaufabrede über den Erwerb der Anteile – nicht (vgl Okt 12/94; Solé/Kodek/Völkl-Torggler, Das Verfahren vor dem Kartellgericht, Rz 415).

[58]           4. Zeitpunkt der Anmeldung

[59]     Eine Anmeldung ist nach innerstaatlichem Kartellrecht frühestens dann zulässig, wenn zumindest eine grundsätzliche Einigung über die genauen Strukturen des Zusammenschlusses und der Zeitplan der Umsetzung vorliegen, wobei die erkennbare Absicht der Beteiligten ausreicht, den Zusammenschluss innerhalb absehbarer Zeit vorzunehmen. „Eventualanträge“ sind im Rahmen von Zusammenschlussanmeldungen schon deshalb nicht möglich, weil sich die Wettbewerbsbehörden nicht mit hypothetischen Szenarien befassen sollen (16 Ok 11/16b; RS0131144; RS0107572).

[60]     Im vorliegenden Fall behaupten die Anmelderinnen selbst keine Verschiebung der Anteile und damit keinen Erwerb von (weiteren) Anteilen ihrerseits, sie gehen aber aufgrund der im Firmenbuch aufscheinenden Kapitalanteile der Erben in Zusammenhang mit den gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen über die Stimmrechte pro Kapitalanteil davon aus, dass es – ohne ihr Zutun – zu einer Stimmrechtsverschiebung gekommen sei, die zu ihrer alleinigen Kontrolle geführt habe. Letztlich geht es daher im Kern nicht um einen Veräußerungsvorgang, sondern um die Frage, ob durch den Anteilserwerb im Erbweg eine Veränderung in den Stimmrechtsverhältnissen der davon betroffenen Unternehmen und damit ein Kontrollwechsel eingetreten ist. Strittig ist, ob damit ein Erwerbsvorgang nach § 7 Abs 1 KartG stattgefunden hat.

[61]           Die Bejahung dieser Frage hängt ua davon ab, ob die (nach Pkt 12.11 der Rahmenvereinbarung den Vereinbarungen in den Gesellschaftsverträgen vorgehende) Regelung des Pkt 12.9 der Rahmenvereinbarung, wonach die Gesellschaftsanteile jeder Gesellschaftergruppe, auch wenn sie nicht mehr in einer Hand vereinigt sind, eine Einheit sind und sämtliche Rechte nur einheitlich und mit einer Stimme ausgeübt werden können, (noch) gültig ist. Deshalb ist – entgegen dem Rekursvorbringen – die Frage der Wirksamkeit der von den Anmelderinnen ausgesprochenen ordentlichen und außerordentlichen Kündigungen der Rahmenvereinbarung auch hier wesentlich, kann doch vor Klärung dieser Frage jedenfalls nicht von einer Stimmrechtsverschiebung und damit vom Erwerb alleiniger Kontrolle durch die Anmelderinnen gesprochen werden. Erst durch eine wirksame Kündigung dieser Vereinbarung würde der status quo verändert und könnte Anmeldefähigkeit vorliegen.

[62]           Dies ignorieren die Anmelderinnen, wenn sie sich im Rekurs nur auf die in Pkt 3 der Rahmenvereinbarung enthaltenen zustimmungsbedürftigen Geschäfte und deren
– ihrer Ansicht nach für eine paritätische Einflussmöglichkeit zu geringes – Ausmaß sowie die mangelnde Qualität und strategische Wichtigkeit berufen.

[63]           5. Prüfungsumfang

[64]           Der Ansicht der Rekurswerberinnen, dass nur das Vorbringen in der Zusammenschlussanmeldung relevant wäre und das Kartellgericht durch Einbeziehung der Rahmenvereinbarung in seine Prüfung gegen die Auffassung des Obersten Gerichtshofs als Kartellobergericht in 16 Ok 2/20k verstoßen habe, dass die Wirksamkeit und Gültigkeit des Erwerbsvorgangs nicht zu prüfen sei, kann nicht gefolgt werden. Die Einbeziehung der Rahmenvereinbarung dient hier nämlich nicht der Prüfung der Wirksamkeit des von den Anmelderinnen behaupteten Erwerbsvorgangs, sondern der – im Bereich der Entscheidungsbefugnis des Kartellgerichts liegenden – Frage der Anmeldefähigkeit eines Vorgangs nach dem KartG.

[65]           Weshalb in diesem Zusammenhang nur auf die Angaben in der Zusammenschlussanmeldung – die im Übrigen die Rahmenvereinbarung ohnehin erwähnt, aber als irrelevant abtut – Bedacht genommen werden dürfte, ist unerfindlich, legt doch im kartellgerichtlichen wie in jedem auf Antrag eingeleiteten außerstreitigen Verfahren der – hier von den Amtsparteien gestellte – verfahrenseinleitende Antrag den Verfahrensgegenstand fest (Hainz-Sator in Petsche/Urlesberger/Vartian, KartG² § 43 Rz 6 und 9; vgl Schneider in Schneider/Verweijen, AußStrG § 8 Rz 3). Die für die jeweilige rechtliche Prüfung (hier nach § 12 KartG) erforderlichen Tatsachenbehauptungen stecken den Umfang der Tätigkeit des (Kartell-)Gerichts ab, innerhalb welchen Rahmens naturgemäß auch auf „antragsvernichtende“ Umstände Bedacht zu nehmen ist.

[66]           6. Prüfungsgegenstand/Anmeldefähigkeit

[67]     Gegenstand der kartellgerichtlichen Entscheidung im Zusammenschlusskontrollverfahren ist gemäß § 12 KartG die Frage, ob ein anmeldebedürftiger Zusammenschluss vorliegt, und wenn ja, ob zu erwarten ist, dass durch ihn eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird, und ob er deshalb zu untersagen ist oder nicht, bzw ob die Nichtuntersagung gegebenenfalls mit Auflagen oder Beschränkungen zu verbinden ist.

[68]           In Zusammenschau mit den Voraussetzungen der Anmeldung bedeutet dies, dass es nicht Aufgabe des Zusammenschlusskontrollverfahrens ist, über die Wirksamkeit oder Gültigkeit von – erst danach dem Kartellrecht unterliegenden – Erwerbsvorgängen abzusprechen. Wenn ein angemeldeter Erwerbsvorgang deshalb mangels Klarheit über seine Wirksamkeit als „hypothetisch“ einzustufen ist, ist seine Anmeldung unzulässig; wenn dies dagegen nicht der Fall ist, wird mit der Entscheidung des Kartellgerichts nicht über die Frage der Wirksamkeit und Gültigkeit der ihm zugrundeliegenden Vorgänge abgesprochen, und zwar auch nicht als Vorfrage, sondern werden lediglich die Auswirkungen des Erwerbsvorgangs auf den betroffenen Markt aus wettbewerbsrechtlicher Sicht beurteilt (16 Ok 2/20k).

[69]           Das Kartellgericht hat daher zusammengefasst lediglich zu prüfen, ob unbestrittene Strukturen des behaupteten Zusammenschlusses bestehen, die zur Anmeldebedürftigkeit führen; es hat dagegen nicht über diesem Thema vorgelagerte – hier etwa auch einem Schiedsgericht vorbehaltene – strittige gesellschaftsrechtliche Fragen abzusprechen. Jede andere Sicht verbietet sich auch deshalb, weil den „Veräußerern“ in einem Zusammenschlussverfahren keine Parteistellung zukommt (vgl zuletzt 16 Ok 2/20k) und ihnen daher das erforderliche rechtliche Gehör in Bezug auf die Frage der Gültigkeit und Wirksamkeit der zugrundeliegenden Vorgänge nicht gewährt werden könnte.

[70]           Dem widerspricht – entgegen dem Rekursvorbringen – auch nicht der ex-ante-Charakter der Zusammenschlusskontrolle, der sich allein auf die nach § 12 KartG zu prüfenden Umstände bezieht und lediglich einen unterscheidenden Faktor zu den übrigen kartellrechtlichen Verfahren (wegen Kartellverstößen und Marktmachtmissbrauch) aufzeigt.

[71]           Dass das beim Schweizer Schiedsgericht anhängig gewesene Verfahren nur bestimmte von den Anmelderinnen ausgesprochene Kündigungen der Rahmenvereinbarung zum Gegenstand hatte und der Inhalt der dort ergangenen Entscheidung nicht die vom Erstgericht geforderte Rechtssicherheit zu bringen vermag, mag richtig sein, ändert aber nichts an der fehlenden grundsätzlichen Einigung bzw Einigkeit der betroffenen Gesellschafter über die genauen Strukturen des Zusammenschlusses und damit an der fehlenden Anmeldefähigkeit.

[72]           7. Subjektive Umstände/Anmeldung vor Vertragsschluss

[73]           Soweit sich die Anmelderinnen auf ihre bekundete Absicht des Kontrollerwerbs (vergleichbar einer feindlichen Übernahme) berufen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass zwar nach Art 4 Abs 1 Satz 2 FKVO, durch welche Bestimmung im Rahmen der 2. FKVO-Revision 2004 erstmals die Anmeldefähigkeit vor Eintritt der Anmeldepflicht als eigenständiges Kriterium geregelt und zugleich „nach vorn verlegt“ wurde (vgl Körber in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht6 [2020] Art 4 FKVO Rn 17), eine Anmeldung ua auch dann möglich ist, wenn die beteiligten Unternehmen im Fall eines Übernahmeangebots öffentlich ihre Absicht zur Abgabe eines solchen Angebots bekundet haben. Eine inhaltsgleiche Bestimmung wurde aber weder in das österreichische Fusionskontrollrecht übernommen, noch beabsichtigten die Anmelderinnen einen Zusammenschluss durch ein Übernahmeangebot.

[74]           Davon abgesehen verlangt auch die Europäische Kommission, um einen effizienten Ressourceneinsatz zu gewährleisten und bloße „Vorratsprüfungen“ nicht ausreichend konkreter Vorhaben zu vermeiden, bei einer Anmeldung vor Vertragsschluss, dass sämtliche Parteien den Willen zum Abschluss des Vertrags haben. Nicht ausreichend ist dann grundsätzlich die bloße Erwerbsaussicht des potenziellen Erwerbers. Die entsprechende Darlegungslast trifft die Beteiligten (York von Wartenburg in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, Kartellrecht4 [2020], Art 4 FKVO Rn 6–9).

[75]           Auch in solchen Fällen muss das Vorhaben ausreichend konkret sein und hinreichende Wahrscheinlichkeit des Vertragsabschlusses bestehen, wohingegen unverbindliche Projekte, Absichtserklärungen oder Zusammenschlussvorhaben, bei denen sich die Parteien noch nicht über alle wesentlichen Punkte geeinigt haben, als nicht anmeldefähig angesehen werden (Körber in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht6 [2020] Art 4 FKVO Rn 17).

[76]           Da im Anlassfall – jedenfalls solange Bestand bzw Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung nicht geklärt ist – keine grundsätzliche Einigung über die genauen Strukturen des behaupteten Zusammenschlusses vorliegt, sondern im Gegenteil die (die Grundlage der Anmeldung bildende) Verschiebung der Einflussrechte zwischen den Gesellschaftergruppen heftig umstritten ist, liegt Anmeldefähigkeit insgesamt nicht vor.

[77]           8. Gemeinsame Anmeldung mehrerer Sachverhalte/Ergänzungen im Sachverhalt

[78]     Die Rekurswerberinnen machen abschließend geltend, dass der Zusammenschluss betreffend die Media GmbH als Minus zur Gesamtanmeldung (und nicht wie vom Kartellgericht als Aliud) zu beurteilen sei bzw dass insoweit gegebenenfalls ein Verbesserungsauftrag erteilt werden hätte müssen.

[79]           Dieses Vorbringen betrifft einerseits die Frage, inwieweit überhaupt mehrere Zusammenschlussvorgänge in einer Anmeldung zusammengefasst werden können und welche verfahrensrechtlichen Konsequenzen aus einer unzulässigen Häufung folgen, und anderseits die Frage, inwieweit bei einem einzelnen angemeldeten Zusammenschlussvorhaben nachträglich Sachverhaltselemente geändert werden dürfen.

[80]           Die gemeinsame Anmeldung mehrerer Zusammenschlussvorhaben ist nach der Rechtsprechung zulässig, wenn der Zusammenschluss für die Anmelder wirtschaftlich nur sinnvoll ist, wenn er zur Gänze durchgeführt werden darf. In diesem Fall ist gegen die gemeinsame Anmeldung mehrerer konkreter Zusammenschlussvorhaben (die zB zur Gründung einer gemeinsamen Holdinggesellschaft als konzentratives Gemeinschaftsunternehmen führen sollen, vgl 16 Ok 4/97), nichts einzuwenden (RS0107572).

[81]           Eine Ergänzung des angemeldeten Sachverhalts ist jedenfalls möglich, wenn die Anmeldung unzureichend oder undeutlich ist. Zwar kann die BWB eine den Inhaltserfordernissen des § 10 Abs 1 und 2 KartG nicht entsprechende Anmeldung nicht zurückweisen, sie kann aber die Unvollständigkeit zusammen mit einem Prüfungsantrag beim Kartellgericht geltend machen, das dann binnen einem Monat nach Einlangen des Prüfungsantrags einen förmlichen Verbesserungsauftrag erteilen kann (§ 43 KartG). Dann beginnt die Entscheidungsfrist ab dem Einlangen der Verbesserung neu zu laufen.

[82]           Wie vorzugehen ist, wenn sich das Nichtzureichen oder die Undeutlichkeit der Angaben in der Anmeldung erst durch nachträglich eintretende Umstände außerhalb der Frist für den Verbesserungsauftrag nach § 43 KartG ergibt, regelt das KartG nicht. Insbesondere kennt es keine Vorkehrung wie bei Prüfungsverfahren nach der FKVO, wo in Fällen einer nachträglichen wesentlichen Änderung der in der Anmeldung enthaltenen Tatsachen und unabhängig von einem Verschulden der Anmelder (Art 5 Abs 3 DVO 802/2004) die Prüffrist nicht nur gehemmt (stop the clock), sondern neu gestartet (resetting the clock) werden kann (Körber in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht6 [2020] Art 4 FKVO Rn 41 und Art 10 FKVO Rn 13; Hirsbrunner/König in von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht7 [2015] Art 10 FKVO Rn 10–13; Ablasser-Neuhuber in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/ Kersting/Meyer-Lindemann, Kartellrecht4 [2020] Art 10 FKVO Rn 11, 12).

[83]           Diese Fragen müssen hier aber aus folgender Überlegung letztlich nicht geklärt werden:

[84]                    Dass die zur Verneinung der Anmeldefähigkeit führenden Streitigkeiten über die Geltung der Rahmenvereinbarung die Media GmbH nicht betreffen, haben die Anmelderinnen damit begründet, dass diese Gesellschaft erst später gegründet worden und daher dieser Vereinbarung nicht unterworfen sei (vgl AS 217).

[85]           Allerdings ergibt sich aus den Feststellungen des Erstgerichts, dass auch der Gesellschaftsvertrag der Verlag KG erst vom 3. 8. 1990 stammt und jener der Verlag GmbH vom 7. 7. 1988 datiert, also beides Zeitpunkte nach dem Abschluss der Rahmenvereinbarung am 5. 11. 1987. Dieser Umstand gibt daher offensichtlich keine unzweifelhafte Auskunft über die Anwendbarkeit der Rahmenvereinbarung. Damit bleiben aber die aufgezeigten – die Anmeldefähigkeit verhindernden – Unklarheiten auch in Bezug auf die Media GmbH bestehen, und es bedarf keiner Auseinandersetzung mit den zuvor aufgezeigten Rechtsfragen.

[86]           9. Ergebnis

[87]     Es war daher insgesamt dem Rekurs der Erfolg zu versagen und die angefochtene Entscheidung zu bestätigen.

Schlagworte

Kronen Zeitung,

Textnummer

E130739

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0160OK00005.20A.0125.000

Im RIS seit

23.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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