TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/16 L502 2226790-2

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Veröffentlicht am 16.10.2020
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Entscheidungsdatum

16.10.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §92 Abs1 Z5
FPG §92 Abs1a
FPG §94 Abs5
PassG §14 Abs1 Z5

Spruch


L502 2226790-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.08.2020, FZ. XXXX , zu Recht erkannt:

A)       In Stattgebung der Beschwerde wird der Bescheid ersatzlos aufgehoben.

C)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF), dem mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 23.04.2014 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden war, stellte am 24.09.2019 beim BFA einen Antrag auf Ausstellung eines (weiteren) Konventionsreisepasses für Asylberechtigte.

2. Am 16.06.2020 brachte sein anwaltlicher Vertreter beim BFA mangels bisheriger Passausstellung eine Säumnisbeschwerde ein.

3. Mit Schreiben des BFA vom 22.06.2020 wurde der BF unter Bezugnahme auf seine strafgerichtliche Verurteilung von der beabsichtigten Abweisung seines Antrags verständigt und ihm Parteigehör gewährt.

4. Sein anwaltlicher Vertreter nahm dazu mit Schriftsatz vom 03.07.2020 Stellung.

5. Mit Bescheid des BFA vom 12.08.2020 wurde der Antrag des BF vom 24.09.2019 auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1 Z. 5 FPG und § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1a FPG iVm § 14 Abs. 1 Z. 5 PassG abgewiesen.

6. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom gleichen Tag wurde ihm von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

7. Gegen den seinem Vertreter am 14.08.2020 zugestellten Bescheid erhob dieser mit 09.09.2020 fristgerecht Beschwerde.

8. Die Beschwerdevorlage des BFA langte am 18.09.2020 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde das gg. Beschwerdeverfahren der nun zur Entscheidung berufenen Gerichtsabteilung zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der og. Verfahrensgang steht fest.

1.2. Der BF reiste am 10.01.2013 in das österr. Bundesgebiet ein und stellte am 11.01.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, dem mit Bescheid des BFA vom 23.04.2014 gemäß § 3 AsylG stattgegeben und aufgrund dessen ihm der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde.

1.3. Mit Urteil des XXXX vom XXXX wurde er wegen des Vergehens der XXXX nach XXXX zu einer XXXX verurteilt.

Mit Erkenntnis des XXXX vom XXXX wurde der Berufung des BF gegen dieses Urteil nur insoweit Folge gegeben, als die gegen ihn verhängte XXXX herabgesetzt wurde.

1.4. Mit Bescheid des BFA vom 26.11.2019 wurde dem BF der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 AsylG aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Seine Abschiebung aus Österreich in die Türkei wurde gemäß § 8 Abs. 3a AsylG iVm § 9 Abs. 2 AsylG und § 52 Abs. 9 FPG für unzulässig erklärt (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihm eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt VI). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 6 FPG wurde gegen ihn ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII).

1.5. Der Beschwerde des BF gegen diese Entscheidung des BFA wurde mit Erkenntnis des BVwG vom heutigen Tag stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den gg. Verfahrensakt des Bundesamtes und den Verfahrensakt des BVwG im Verfahren über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten des BF durch das BFA und dem darauffolgenden Beschwerdeverfahren zu GZ. XXXX

Die Feststellungen oben stellen sich insoweit als unstrittig dar.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z. 7 B-VG wurde der Asylgerichtshof mit 1.1.2014 zum Bundesverwaltungsgericht, die Mitglieder des AsylGH wurden zu Mitgliedern des BVwG.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Soweit die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG die Entscheidungen und Anordnungen des Verwaltungsgerichts durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts § 29 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 4 und § 30 VwGVG sinngemäß anzuwenden. Das gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Mit BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingerichtet.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Zu A)

1. Gemäß § 94 Abs. 1 sind Konventionsreisepässe Fremden, denen in Österreich der Status des Asylberechtigten zukommt, auf Antrag auszustellen.

Gemäß Abs. 5 gelten §§ 88 Abs. 4 sowie 89 bis 93 sinngemäß mit der Maßgabe, dass anstelle eines Fremdenpasses der Konventionsreisepass tritt.

Gemäß § 92 Abs. 1 Z. 5 ist die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Fremdenpasses zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch den Aufenthalt des Fremden im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gemäß Abs. 1a) gelten die Versagungsgründe des § 14 Abs. 1 Z 3 lit d, e und Z 5 Passgesetz 1992 sinngemäß mit der Maßgabe, dass anstelle des Reisepasses der Fremdenpass tritt.

Gemäß § § 14 Abs. 1 Z. 5 PassG sind die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Reisepasses zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Passwerber könnte als Mitglied einer kriminellen Organisation oder kriminellen oder terroristischen Vereinigung im Sinne der §§ 278 bis 278b StGB durch den Aufenthalt im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährden.

2. Die Abweisung des Antrags des BF stützte die belangte Behörde auf die Tatsache seiner og. strafgerichtlichen Verurteilung wegen XXXX . Diese „rechtfertige die Annahme, dass bei Ausstellung eines Konventionsreisepasses durch den Aufenthalt des BF im Ausland die innere und äußere Sicherheit der Republik gefährdet würde“.

3. Im Erkenntnis vom heutigen Tag zu GZ. XXXX , mit dem das BVwG den Bescheid des BFA vom XXXX über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten des BF ersatzlos behoben hat, traf das Gericht u.a. folgende Erwägungen:

„Die belangte Behörde hat im bekämpften Bescheid zum einen auf die Anwendbarkeit des § 6 Abs. 1 Z. 3 AsylG abgestellt. So verwies sie in ihren Feststellungen zu den Gründen für die Asylaberkennung darauf, dass der BF diesen Tatbestand erfüllt habe, da ihm die „Beteiligung an der terroristischen Organisation DHKP-C“ vorzuwerfen sei, und er (deshalb) eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle.

Für das BVwG wurde angesichts dieser rudimentären Ausführungen jedoch nicht erkennbar, wie die Behörde, im Zusammenhang mit den von ihr herangezogenen Feststellungen der österr. Strafverfolgungsbehörden im Verfahren gegen den BF wegen XXXX , zur Prognose gelangte, dass dieser deshalb eine konkrete Gefahr für die "nationale Sicherheit" darstelle bzw. er Tathandlungen verwirklichte, die den „Bestand des Staats“ gefährden würden.“

Soweit das BFA im gg. Verfahren über die Abweisung des Antrags des BF auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses darauf abstellte, dass der BF mit seinem Aufenthalt im Ausland eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle, was die Behörde eben mit dem Hinweis auf die genannte strafgerichtliche Verurteilung begründete, war ihr wie schon im Verfahren über die Aberkennung des Status des Asylberechtigten entgegen zu halten, dass es für diese Subsumption mit Blick auf die herangezogenen strafgerichtlichen Feststellungen an der erforderlichen Tatsachengrundlage fehlte und sie sich daher aus Sicht des Gerichts als verfehlt erwies.

4. Soweit die belangte Behörde noch auf § 14 Abs. 1 Z. 5 PassG verwies, der über „die Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheit der Republik durch den Aufenthalt des BF im Ausland“ hinaus auf das zusätzliche Tatbestandselement einer „Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“ abstellt, war ihr entgegen zu halten, dass das zuständige Strafgericht gar nicht zur Feststellung der Mitgliedschaft des BF in einer terroristischen Vereinigung gelangt war, sondern (bloß) zu jener der XXXX .

Insoweit fehlte für die Anwendbarkeit des § 14 Abs. 1 Z. 5 PassG schon diese Tatsachengrundlage.

5. In einer Gesamtsicht dieser Erwägungen gelangte das BVwG daher zum Ergebnis, dass die Anwendung der § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1 Z. 5 FPG und § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1a FPG iVm § 14 Abs. 1 Z. 5 PassG im gg. Fall nicht rechtskonform war.

6. Folgerichtig war der Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid stattzugeben und dieser aufzuheben.

7. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

8. Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. der Bescheid im angefochtenen Umfang aufzuheben waren.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

ersatzlose Behebung Gefährdung der Sicherheit strafrechtliche Verurteilung Versagung Konventionsreisepass

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L502.2226790.2.00

Im RIS seit

16.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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