TE OGH 2020/12/22 4Ob212/20k

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Veröffentlicht am 22.12.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Gheneff Rami Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei A. ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 34.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 2. November 2020, GZ 2 R 97/20d-13, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1]       Die Beklagte ist Medieninhaberin und Veranstalterin des 24-Stunden-TV-Nachrichtensenders o***** sowie Medieninhaberin der Website www.*****, auf der sie den Mediendienst auf Abruf o***** betreibt. Die Klägerin ist Medieninhaberin des periodischen Druckwerks K*****. Die Streitteile veröffentlichen entgeltliche Anzeigen in ihren Medien.

[2]            Die Vorinstanzen untersagten der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr zu behaupten, ihr Nachrichtensender sei „die Nr. 1 bei News“.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Die Beklagte zeigt in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO auf.

[4]            1.1 Ein Wettbewerbsverhältnis wird in erster Linie bei solchen Unternehmern anzunehmen sein, die sich an einen im Wesentlichen gleichen Kreis von Abnehmern wenden. Nicht auf die Gleichheit oder Gleichartigkeit der von ihnen vertriebenen Waren oder Leistungen kommt es also an, sondern vor allem auf die Gleichheit des Kundenkreises. Branchenverschiedenheit schließt das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses nicht immer aus. Bemühen sich Unternehmer verschiedener Branchen um denselben Kundenkreis, stehen sie auch miteinander in Konkurrenz (RIS-Justiz RS0077680). Es genügt, dass die vertriebenen Waren oder gewerblichen Leistungen ihrer Art nach miteinander in Konkurrenz treten und einander daher nach der Verkehrsauffassung im Wettbewerb behindern können (RS0077680 [T27]). Das Konkurrenzverhältnis zwischen Printmedien und elektronischen Medien wird in der Rechtsprechung wegen der entgeltlichen Werbeeinschaltungen bejaht (RS0077643). Jüngst legte der Senat seiner Entscheidung zu 4 Ob 139/20z das zwischen den Streitteilen bestehende Wettbewerbsverhältnis zugrunde. Die hier Beklagte brachte dort als Klägerin vor, dass sich die Streitteile unter anderem „an einen überschneidenden Kreis von Zusehern/Lesern wenden. Daher stehen sie in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander.

[5]            1.2 Das Rekursgericht ging von einem Wettbewerbsverhältnis aus, weil beide Streitteile entgeltliche Anzeigen in ihren Medien veröffentlichen und die Vorgangsweise der Beklagten eine Verschlechterung der Konkurrenzsituation der Klägerin am Inseratenmarkt nach sich ziehen könne. Diese Rechtsansicht hält sich im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[6]            1.3 Aus der Entscheidung 4 Ob 118/93 ist für die Beklagte für den Anlassfall nichts abzuleiten. Dieser Entscheidung lag die Unterlassungsklage der Medieninhaberin einer Tageszeitung gegen den ORF zugrunde, die auf vertrags- und gesetzwidrige Preisdiskriminierung gestützt wurde. Vom Senat musste wegen der (behaupteten) unmittelbaren Verletzung der Klägerin das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses geprüft werden, was verneint wurde. Hingegen wurde klargestellt, dass für die Klageberechtigung des Mitbewerbers nach § 14 UWG ein abstraktes Wettbewerbsverhältnis genügt (idS auch 4 Ob 231/17z mwN). Der von der Beklagten in ihrem Rechtsmittel vertretene Rechtsstandpunkt lässt sich daher nicht auf diese Entscheidung stützen. Im Einklang mit der Judikatur hat das Rekursgericht vertreten, dass für den Anlassfall das Vorliegen eines abstrakten Wettbewerbsverhältnisses genügt.

[7]       2. Die Inanspruchnahme einer Spitzenstellung setzt voraus, dass das so beworbene Produkt tatsächlich über einen stetigen und erheblichen Vorsprung vor allen Mitbewerbern verfügt (RS0078557 [T5]). Entspricht die beanstandete Behauptung zur Spitzenstellung nicht den Tatsachen, so liegt eine irreführende Geschäftspraktik vor.

[8]            2.1 Die Vorinstanzen bejahten eine unlautere Irreführung durch die Werbeaussage der Beklagten über ihren TV-Sender („die Nr. 1 bei News“), weil die Nachrichtensendungen des ORF beträchtlich höhere Reichweiten erzielen als die Sendungen der Beklagten. Dem hält die Beklagte entgegen, dass sich ihre Aussage nur auf die reinen österreichischen Nachrichtensender bezogen habe.

[9]            2.2 Der Frage, wie die angesprochenen Verkehrskreise eine Werbeaussage verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, kommt aber keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, weshalb sie in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründet (RS0107771). Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Beklagte nach dem maßgebenden Gesamteindruck ihrer Werbeaussage unzutreffend eine Spitzenstellung nicht nur gegenüber reinen Nachrichtensendern, sondern auch hinsichtlich jener TV-Sender behauptet, die (auch) Nachrichtenprogramme ausstrahlen (einschließlich des ORF), ist jedenfalls vertretbar.

[10]           3. Die Beklagte stützt die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels darauf, dass es sich bei ihrer Werbung um eine bloß marktschreierische Übertreibung bzw ein subjektives Werturteil gehandelt habe. Auch damit wird keine erhebliche Rechtsfrage geltend gemacht.

[11]           3.1 Ob die beanstandete Aussage nach den Umständen des konkreten Falls zumindest von einem nicht unerheblichen Teil des angesprochenen Publikums als ernstzunehmende Tatsachenbehauptung (nämlich der Inanspruchnahme einer Spitzenstellung der Beklagten im Bereich von Nachrichtensendungen) aufgefasst werden kann, ist keine Rechtsfrage, der erhebliche Bedeutung iSd § 528 ZPO zukommt (RS0078274 [T6]; RS0078340 [T1]). Wenn das Rekursgericht davon ausgeht, dass nach der Werbebehauptung für eine rein subjektive, nur die persönliche Meinung des Werbenden zum Ausdruck bringende Meinungskundgebung kein Raum bleibe, hält sich das im Rahmen der Rechtsprechung (RS0078741) und bedarf das keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

[12]     3.2 Der behauptete Widerspruch zur Rechtsprechung betreffend marktschreierische Anpreisungen liegt nicht vor. Aus der (zurückweisenden) Entscheidung 4 Ob 4/01v, wonach die Beurteilung der Aussage „ganz Vorarlberg liest Wann und Wo“ als zulässige marktschreierische Anpreisung im Einklang mit der Rechtsprechung steht, lässt sich für den Standpunkt der Beklagten nichts ableiten. Der Senat hat jüngst betont, dass auch die Abgrenzung zwischen marktschreierischer Anpreisung – abgesehen von einer auffallenden Fehlbeurteilung – keine über den Einzelfall hinausgehende erhebliche Bedeutung zukommt (4 Ob 70/20b Overpriced). Bei der Beurteilung der Werbeaussage durch die Vorinstanzen liegt jedenfalls keine derartige auffallende Fehlbeurteilung vor.

Schlagworte

Die Nummer 1 bei News,

Textnummer

E130511

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00212.20K.1222.000

Im RIS seit

03.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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