TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/26 W282 2231951-7

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Veröffentlicht am 26.11.2020
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Entscheidungsdatum

26.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W282 2231951-7/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2020 wurde über den BF (BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet, verbunden mit der Feststellung, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach der Entlassung des BFs aus der Strafhaft eintreten. In weiterer Folge wurde der BF am XXXX .2020 nach der Entlassung aus seiner Strafhaft in Schubhaft genommen und wird in einem Polizeianhaltezentrum in Wien angehalten.

2. Am 26.07.2020 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Aufgrund der Annahme, dass mittels dieser Antragstellung die Vollstreckung der aufenthaltsbeenden Maßnahme verzögert werden solle, hielt das Bundesamt die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG aufrecht. Der entsprechende Aktenvermerk wurde dem BF am 26.07.2020 nachweislich zur Kenntnis gebracht. Dieser Antrag des BF wurde wegen entschiedener Sache mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2020 zurückgewiesen; dieser Bescheid erwuchs Mitte Oktober mangels Bekämpfung in Rechtskraft. Schon am 04.11.2020 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft seinen dritten Folgeantrag auf internationalen Schutz. Aufgrund der weiterhin berechtigten Annahme, dass mittels dieser Antragstellung die Vollstreckung der aufenthaltsbeenden Maßnahme verzögert werden solle, hielt das Bundesamt die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG aufrecht. Dieser Aktenvermerk wurde dem BF am 04.11.2020 nachweislich zur Kenntnis gebracht.

3. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.06.2020, 23.07.2020, 19.08.2020, 15.09.2020, 08.10.2020 und letztmalig 02.11.2020 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen sind und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig gewesen ist.

4. Aktuell legte das Bundesamt am 23.11.2020 den Verwaltungskat zur neuerlichen Prüfung der Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft vor und gab unter anderem folgende Stellungnahme ab:

„Gegen die Partei besteht seit 03.01.2020 eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung iVm einem 4-jährigen Einreiseverbot. Diese Entscheidung basiert auf

das negative internationale Schutzverfahren, welches vom BVwG GZ: I412 2226783-1/3E in

zweiter Instanz als unbegründet abgewiesen wurde.

Die Partei ist schon mehrmals im Bundesgebiet untergetaucht und hat sich so seinem laufenden Verfahren (INT) erfolgreich entzogen. Der Genannte verfügt über keinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet und besitzt keinerlei finanzielle Mitteln.

[..]

Weiterer Verfahrensgang seit dem letzten BVwG Erkenntnis W117 2231951-6/2E vom

02.11.2020:

Am 04.11.2020 stellte der Genannte einen Antrag auf internationalen Schutz im PAZ RL. Da dieser Antrag auf internationalen Schutz zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde blieb die Anhaltung in Schubhaft aufrecht. Es wurde durch ho Behörde ein Aktenvermerk zur Aufrechterhaltung der Schubhaft im Sinn des § 76 Abs 6 FPG erstellt. Die Voraussetzungen hierfür liegen vor.

An die Partei wurde gem. § 29 Abs. 3 und § 15a AsylG eine Verfahrensanordnung am 13.11.2020 versandt, wonach beabsichtigt wird, den Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da ho Behörde davon ausgeht, dass eine entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliegt.

Die weitere Anhaltung bzw. Anordnung von Schubhaft erweist sich aus Sicht der ha. Behörde als zulässig, da keine Ablehnung der algerischen Botschaft bei der Identifizierung der Partei ausgesprochen wurde.

Die Partei wurde im Bundesgebiet straffällig und stellt somit eine aktuelle und gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Ebenso hat der Genannte ho Behörden mit den falschen Identitätsangaben über Jahre in die Irre geführt und hat sich so einer Abschiebung entziehen wollen.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat von Amts wegen erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des BFs:

Der BF ist algerischer Staatsbürger, er ist volljährig und grds. gesund. Der BF ist zum Entscheidungszeitpunkt Asylwerber aber kein subsidiär Schutzberechtigter. Der BF wird seit der Entlassung aus der Strafhaft am XXXX .2020 in einem Polizeianhaltezentrum in Wien in Schubhaft angehalten. Der BF ist in Österreich mehrfach vorbestraft.

Der Beschwerdeführer ist gesund und haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung (Anhaltedatei).

1.2. Zum sozialen Umfeld:

Der BF in Österreich in keiner Form integriert, er verfügt über keine substanziellen sozialen, beruflichen oder familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Zudem verfügt er über keine gesicherte Unterkunft, über kein Barvermögen und über keinen gesicherten Wohnsitz.

1.3. Zu den Vorverfahren:

Der BF stellte am 23.07.2014 in Österreich seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher als unzulässig zurückgewiesen wurde, und Ungarn als für die Prüfung des Antrages für zuständig erklärt wurde. Die Außerlandesbringung wurde gemäß angeordnet und die Abschiebung des BF nach Ungarn für zulässig erklärt. Eine dagegen erhobene Beschwerde blieb erfolglos (GZ: W161 2013533-1/7E).

Am 17.11.2014 wurde ein Festnahmeauftrag gegen den BF erlassen, weil er sich seiner Rücküberstellung nach Ungarn entzogen hatte und im Bundesgebiet nicht mehr polizeilich gemeldet war.

Am 09.04.2019 reiste der BF abermals nach Österreich ein und stellte am 10.04.2019 seinen ersten Folgeantrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde vollinhaltlich abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des BFs nach Algerien zulässig ist. Weiters wurde gegen den BF ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen sowie einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 02.01.2020 als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass der Spruchpunkt hinsichtlich des Verlusts des Aufenthaltsrechts des angefochtenen Bescheides zu lauten habe: „Gemäß § 13 Abs. 2 Z. 1 AsylG 2005 haben Sie Ihr Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 14.09.2019 verloren.“ Diese Entscheidung blieb unbekämpft (I412 2226783-1/3E).

Während des laufenden Asyl- bzw. Beschwerdeverfahrens wurde der BF mehrfach straffällig und rechtskräftig verurteilt.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2020 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet, verbunden mit der Feststellung, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach der Entlassung des BFs aus der Strafhaft eintreten. In weiterer Folge wurde der BF am XXXX .2020 in Schubhaft genommen (W174 2231951-1: OZ 3; Anhaltedatei).

Am 26.07.2020 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz. Aufgrund der berechtigten Annahme, dass mittels dieser Antragstellung die Vollstreckung der aufenthaltsbeenden Maßnahme verzögert werden solle, hielt das Bundesamt die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG aufrecht. Dieser Aktenvermerk wurde dem BF am 26.07.2020 nachweislich zur Kenntnis gebracht.

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.06.2020, 23.07.2020, 19.08.2020, 08.10.2020 und letztmalig 02.11.2020 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen sind und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig gewesen ist (GZ: W174 2231951-1/8E; W150 2231951-2/7E; W137 2231951-3/3E, W283 2231951-4/10E, W117 2231951-5/2E, W117 2231951-6/2E).

Der zweite Folgeantrag auf internationalen Schutz des BF vom 26.07.2020 wurde durch das Bundesamt zur Zahl XXXX wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) am XXXX .2020 zurückgewiesen. Diese Entscheidung war mit XXXX .2020 durchsetzbar und erwuchs mit Mitte Oktober 2020 in Rechtskraft.

Hierauf stellte der BF am 04.11.2020 seinen dritten Folgeantrag auf internationalen Schutz. Aufgrund der berechtigten Annahme, dass mittels dieser Antragstellung die Vollstreckung der aufenthaltsbeenden Maßnahme verzögert werden solle, hielt das Bundesamt die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG mit Aktenvermerk vom 04.11.2020 aufrecht. Dieser Aktenvermerk wurde dem BF am selbigen Tag nachweislich zur Kenntnis gebracht.

1.4. Zur Straffälligkeit:

Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende Verurteilungen auf:

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 13.10.2014 wurde der Beschwerdeführer wegen dem Verbrechen des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 15, 127, 130 erster Fall StGB), des Vergehens der versuchten Urkundenunterdrückung (§§ 15, 229 Abs. 1 StGB) und des Vergehens der versuchten Entfremdung unbarer Zahlungsmittel (§§ 15, 241e Abs. 3 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Der bisherige ordentliche Lebenswandel, das reumütige Geständnis und dass es beim Versuch geblieben ist, wurde bei der Strafbemessung mildernd berücksichtigt. Erschwerend wurde das Zusammentreffen zweier Vergehen mit einem Verbrechen ins Kalkül gezogen.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 09.10.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Diebstahls (§§ 127, 15 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Die Freiheitsstrafe wurde unter Bestimmung einer Probezeit von einem Jahr bedingt nachgesehen

Der Verurteilung lagen Tathandlungen zugrunde, wonach der Beschwerdeführer fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern weggenommen hat, bzw. wegzunehmen versucht hat. Dabei hat der Beschwerdeführer am 13.09.2019 diverse Kleidungsstücke und Schmuck im Wert von insgesamt 153,55 Euro dem Verfügungsberechtigten weggenommen, indem er die Waren in die Umkleidekabine mitnahm und am Körper sowie in einer mitgebrachten Umhängetasche verbarg und das Geschäft unter Bezahlung eines weiteren Gürtels verließ. Am 19.07.2019 dem Verfügungsberechtigten einer Drogerie ein Parfum im Wert von 88,95 Euro wegnahm. Weiters hat der Beschwerdeführer am 05.07.2019 in Wien dem Verfügungsberechtigten einer Drogerie ein Parfum im Wert von 34,80 Euro wegzunehmen versucht, indem er mit der Sache ohne zu bezahlen die Kassazone passierte, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil der Beschwerdeführer bei der Tatbegehung vom Kaufhausdetektiv beobachtet und vor Verlassen des Geschäftslokals angehalten wurde.

Erschwerend wurden die einschlägige Vorstrafe und die Begehung während eines anhängigen Verfahren sowie die Tatwiederholung gewertet. Mildernd wurden bei der Strafbemessung das Wohlverhalten seit der lange zurückliegenden letzten Verurteilung, das reumütige Geständnis, der teilweise Versuch und dass weitgehen trotz Vollendung kein Schaden entstanden ist, berücksichtigt. Ein diversionelles Vorgehen war wegen der Vorstrafe aus spezial- und generalpräventiven Überlegungen nicht möglich.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 03.01.2020 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (gem. § 27 Abs. 2a SMG) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten rechtskräftig verurteilt.

Der Beschwerdeführer hat am 14.11.2019 vorschriftswidrig auf einer öffentlichen Verkehrsfläche öffentlich Suchtgift, nämlich Cannabiskraut anderen gegen Entgelt überlassen, indem er auf der Straße ein Baggy mit insgesamt 3,2 Gramm brutto um € 30,00 einem anderen verkaufte, wobei dieser Verkauf von mehr als zehn Personen beobachtet werden konnte.

Bei der Strafbemessung wurde das Geständnis mildernd und die zwei einschlägigen Vorstrafen und der rasche Rückfall erschwerend gewertet.

Mit Beschluss vom selben Tag wurde vom Widerruf der mit Urteil eines Landesgerichts vom 09.10.2019 ausgesprochenen bedingten Nachsicht der verhängten Strafe abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

1.5. Zur Schubhaft bzw. zum fortgesetzten Bestehen von Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf:

Gegen den Beschwerdeführer besteht seit dem 20.11.2019 eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot in der Dauer von vier Jahren (I412 2226783-1: OZ 1, AS 263 ff, AS 353). Mit Zustellung des Erkenntnisses am 03.01.2020 ist die Entscheidung rechtskräftig (I412 2226783-1: OZ 3).

Der BF hat bis dato nicht am Verfahren zur Durchsetzung seiner Ausreise mitgewirkt, er hat kein Reisedokument vorgelegt. Der BF hat sich schon zuvor seinem Verfahren zur Rücküberstellung nach Ungarn durch Untertauchen entzogen. Der Beschwerdeführer ist auch nicht vertrauenswürdig. Während seines Aufenthalts in Italien war der Beschwerdeführer 2,5 Jahre wegen Raubes in Haft (I412 2226783-1: OZ 1, S. 252). Der BF hat bei seinen Antragstellungen mehrfach Alias-Identitäten angegeben, um seine wahre Identität zu verschleiern.

Der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers war für das Bundesamt in der Zeit von 14.10.2014 bis 12.09.2019 und von 10.10.2019 bis 14.11.2019 nicht feststellbar und hielt sich der Beschwerdeführer in diesen Zeiträumen für die Behörden im Verborgenen auf, zumal er über keine Meldung im Bundesgebiet verfügte. Er tauchte bereits mehrmals im Bundesgebiet unter und entzog sich so seinem laufenden Verfahren. Der Beschwerdeführer war von 2014 bis 2019 in Italien (I412 2226783-1: OZ 1, S. 252).

Dass der Beschwerdeführer den mittlerweile dritten Asylfolgeantrag aus dem Stande der Schubhaft am 04.11.2020 ausschließlich deshalb stellte, um seine Abschiebung zu verzögern, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Der Beschwerdeführer erlangte entsprechend seinen Angaben in der Erstbefragung bereits fünf Monate vor seiner Folgeantragstellung Kenntnis von einer ihm vermeintlich drohenden Haftstrafe im Falle seiner Rückkehr. Dennoch stellte er seinen zweiten Asylfolgeantrag vom 26.07.2020 nicht sofort, sondern erst im Zuge seiner Anhaltung in Schubhaft. In der Erstbefragung am 26.07.2020 machte der Beschwerdeführer seine bisherigen Fluchtgründe geltend. Zudem führte er aus, dass er von einer ihm drohenden Haftstrafe aufgrund einer Verurteilung zu Unrecht im Jahr 2010 durch seine Mutter vor fünf Monaten erfahren habe und Verbrecher nach ihm suchen würden. Wenn er zu seiner Mutter Kontakt aufnehmen könne, werde er Beweise vorlegen. Eine Änderung seiner persönlichen Verhältnisse machte er dabei nicht geltend. Der Beschwerdeführer gab an, dass er sich umbringen werde, falls er nach Algerien zurückkehren werde. Der Beschwerdeführer hat schon bei seinem zweiten Folgeantrag zunächst auf seine alten Fluchtgründe rekurriert, über die bereits rechtskräftig durch das Bundesverwaltungsgericht entschieden wurde und weder neue Fluchtgründe noch eine Änderung in seinen persönlichen Verhältnissen vorgebracht. Es ist zudem nicht nachvollziehbar, weshalb er fünf Monate ohne eine Folgeantragsstellung zugewartet haben soll und auch mit seiner Mutter zur Beschaffung von Beweismitteln keinen Kontakt aufgenommen hat. Dass er darüber hinaus angab, dass er sich im Falle seiner Rückkehr nach Algerien umbringen werde, verstärkt den Eindruck, dass er den Asylfolgeantrag ausschließlich in der Absicht stellte, seine drohende Abschiebung zu verzögern oder zu verhindern.

Nichts Anderes als das oben Ausgeführte gilt für den nunmehr dritten Folgeantrag des BF: Erneut rekurriert der BF weniger als ein Monat nach rk. Zurückweisung seines zweiten Folgeantrags wegen entschiedener Sache auf die schon ursprünglich vorgetragen Fluchtgründe. Es ist allein schon aufgrund des nicht einmal zweimonatigen Zeitraums seit dem Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2020, mit dem der zweite Folgeantrag des BF wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde, als ausgeschlossen zu betrachten, das sich in diesem kurzen Zeitraum maßgebliche Sachverhaltsänderungen ergeben haben. Ein plausibler und glaubwürdiger Alternativgrund für die Stellung dieses nunmehr dritten Folgeantrags ist neben der Absicht des BF, seine Abschiebung zu verhindern bzw. zu verzögern, für das Bundesverwaltungsgericht in keiner Weise ersichtlich. Die bei der Erstbefragung zu seinem dritten Folgeantrag am 04.11.2020 (OZ 2) erneute Behauptung „Gangster“ würden nach ihm suchen bzw. würde er umgebracht, wenn er nicht ins Gefängnis gehen, wurde ebenfalls in abgewandelter Art und Weise schon früher erhoben und ist schon per-se nicht glaubwürdig. So wie schon bisher steht für das BVwG außer Frage, dass der BF seine Abschiebung verhindern bzw. verzögern will, da ihn in Algerien eine Haftstrafe erwartet.

Der Beschwerdeführer verhält sich im Verfahren bisher absolut unkooperativ. Der Beschwerdeführer verhinderte bereits in der Vergangenheit durch sein Untertauchen und seine Ausreise nach Italien seine Rücküberstellung nach Ungarn, als zuständigen Staat für die Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer reiste trotz Ausreiseverpflichtung nach Ungarn nach Italien weiter. Vom Bundesamt musste ein Festnahmeauftrag erlassen werden, da der BF untergetaucht war. Nach seiner Wiedereinreise stellte er einen weiteren (unbegründeten) Asylantrag in Österreich. Nach rechtskräftigem negativem Abschluss des Beschwerdeverfahrens stellte der BF einen zweiten und nun einen dritten Folgeantrag aus dem Stande der Schubhaft, um seine Abschiebung zu be- bzw. zu verhindern. Der BF wird alles unternehmen um sich seiner Abschiebung zu widersetzen. Es ist im Falle einer Haftentlassung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der BF erneut untertauchen wird.

Der Beschwerdeführer trat von 26.02.2020 bis 09.03.2020, am 13.04.2020, von 03.07.2020 bis 04.07.2020, am 29.07.2020, am 03.08.2020, von 08.08.2020 bis 16.08.2020 sowie zuletzt von 16.08.2020 bis 17.08.2020 in den Hungerstreik, um seine Freilassung aus der Schubhaft zu erpressen und dadurch seine Abschiebung zu verhindern. Den jeweiligen Hungerstreik beendete der Beschwerdeführer jedes Mal freiwillig. (Anhaltedatei).

Am 02.08.2020 und am 15.10.2020 wurde der Beschwerdeführer aufgrund des Einschmuggelns eines Mobiltelefons in das Polizeianhaltezentrum mit der Maßnahme einer Zellenverlegung diszipliniert (W137 2231951-1: OZ 1, Anhaltedatei).

Festgestellt wird, dass das Bundesamt nachhaltige und angemessene Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF vorgenommen hat. Der BF wurde im Polizeianhaltezentrum am 18.09.2020 einer Delegation der algerischen Botschaft vorgeführt. Ein zuvor zu einem früheren Zeitpunkt angesetzter Termin musste aufgrund der COVID-19 Pandemie abgesagt werden. Der Beschwerdeführer wurde bei dem Delegationstermin am 18.09.2020 als (vermutlicher) algerischer Staatsbürger durch die Botschaft eingestuft. Die Daten wurden jedoch zur Überprüfung nach Algier geschickt. Diese Überprüfung kann mehrere Monate in Anspruch nehmen.

Festgestellt wird, dass eine Abschiebung innerhalb der gesetzlichen Schubhafthöchstdauer von 18 Monaten realistisch und wahrscheinlich ist. Hinweise für eine dauerhafte Unmöglichkeit einer Abschiebung nach Algerien liegen im Entscheidungszeitpunkt nicht vor.

Es sind auf der Sachverhaltsebene keinerlei Umstände seit der letzten Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht mit 02.11.2020 hervorgekommen, die Hinweise auf den Wegfall von Sicherungsbedarf bzw. Fluchtgefahr oder die Unverhältnismäßigkeit der fortgesetzten Anhaltung in Schubhaft geben würden.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang, die Vorverfahrenshistorie sowie die getroffenen Feststellungen zur Nicht-Kooperation und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und den genannten Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie aus dem Vorerkenntnis des BVwG zur GZ W117 2231951-6/2E.

Die Negativ-Feststellungen zu familiären Beziehungen, zum Wohnsitz und zur Erwerbstätigkeit und Barmitteln basieren auf dem Bescheid des Bundesamtes vom 10.027.2020 sowie dem zitierten Vorkenntnis des BVwG und den Daten der Anhaltedatei des BMI. Jener Bescheid des Bundesamtes, mit dem letztmalig gegen den BF eine (durchsetzbare) aufenthaltsbeende Maßnahme erlassen wurde und jene Entscheidung mit dem sein letzter Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde, liegen im Verwaltungsakt ein. Das Fehlen eines gesicherten Wohnsitzes ergibt sich ebenfalls aus dem Einblick in das zentrale Melderegister.

Die Feststellungen zu den Verfahren hinsichtlich des ersten und zweiten Antrags auf internationalen Schutz, ergibt sich aus der Einsichtnahme in die jeweiligen Akten des Bundesverwaltungsgerichts (W161 2013533-1/7E; I412 2226783-1: OZ 1, AS 263 ff, AS 353; I412 2226783-1/3E).

Die Feststellungen zum Festnahmeauftrag und die Feststellungen hinsichtlich des Folgeantrages vom 26.07.2020 waren ebenfalls aufgrund des Akteninhalts der Vorverfahren zu treffen (W283 2231951-4, dort OZ 4, 9).

In früheren Erkenntnissen getroffene Feststellungen im Hinblick auf das Vorliegen der Verzögerungsabsicht iSd § 76 Abs. 6 FPG erübrigen sich nunmehr, da der letzte Folgeantrag des BF mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2020 Zl. XXXX wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde und dieser Mitte Oktober 2020 unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist. Der BF war somit mit jedenfalls mit Rechtskraft dieses Bescheides bis 04.11.2020 nicht mehr Asylwerber. Die dritte Folgeantragstellung des BF ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

Die Feststellungen zum Untertauchen des BF während seines Vorverfahrens ergeben sich aus dem Verwaltungsakt des Bundesamtes und dem eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Die rechtskräftigen Verurteilungen ergeben sich aufgrund der Einsichtnahme in das Strafregister und die im Gerichtsakt eines Vorverfahrens einliegenden Strafurteile (W283 2231951-4, OZ 4).

Die fehlende Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass er aufgrund seines Vorverhaltens, da er bereits drei Mal von österreichischen Gerichten aufgrund von Strafrechtsdelikten rechtskräftig verurteilt wurde und auch in Italien wegen Raubes eine 2,5jährige Haftstrafe verbüßt hat. Die Feststellung zur in Italien verbüßten Haftstrafe gründet auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers (I412 2226783-1: OZ 1, S. 252).

Das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers ist als maßgeblich unkooperativ zu qualifizieren, da der BF seit der zurückweisenden Entscheidung im Zulassungsverfahren im Jahr 2014 entgegen seiner Verpflichtung sich zur Durchführung des Asylverfahrens nach Ungarn zu begeben, unrechtmäßig nach Italien weiterreiste. Nach seiner erneuten Einreise nach Österreich stellte der Beschwerdeführer einen weiteren unbegründeten Asylantrag und nach rechtskräftigem Abschluss desselben einen neuerlichen Folgeantrag, um seine Abschiebung zu verhindern bzw. zu verzögern. Dass er sich einer Abschiebung widersetzen und im Falle der Haftentlassung untertauchen wird, liegt für das BVwG aufgrund des Vorverhaltens des Beschwerdeführers auf der Hand. Die Feststellung zur Ordnungswidrigkeit und Disziplinierungsmaßnahme im Polizeianhaltezentrum ergeben sich aus der im Akt aufliegenden Maßnahmenmeldung (W137 2231951-1: OZ 1).

Im Besonderen ist hervorzuheben, dass das Bundesamt in seiner Stellungnahme (OZ 1) darlegt hat, dass es sich im vorliegenden Fall um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates nach Kräften bemüht hat und letztlich durch entsprechende Urgrenzen auch am 18.09.2020 die Vorführung vor eine Delegation der algerischen Botschaft im Polizeianhaltezentrum erreicht werden konnte. Auch wenn der BF hierbei als wahrscheinlicher Algerier identifiziert wurde, ist es als gerichtsnotorisch festzuhalten, dass diesfalls dennoch eine Überprüfung durch die Behörden in Algier erfolgt. Die Daten des BF wurden nach dem Termin dorthin zur Überprüfung gesandt, wobei es üblich ist, dass diese Überprüfungen mehrere Monate bis zur tatsächlichen Bestätigung der algerischen Staatsbürgerschaft dauern.

Im Hinblick auf das Bestehen von Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf ist auf der Sachverhaltsebene seit Ergehen des zitierten Vorerkenntnis keine maßgebliche Änderung im Hinblick auf einen Wegfall von Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf begründender Umstände ersichtlich. Im Gegenteil ist aufgrund des Sachverhalts (aussichtslose Folgeantragstellung, mehrere Hungerstreiks zur Erpressung der Freilassung) weiterhin von erheblicher Fluchtgefahr und erheblichem Sicherungsbedarf auszugehen.

Zur Möglichkeit der Abschiebung ist festzuhalten, dass auch unter den Maßnahmen zur Beschränkung des Reiseverkehrs durch die COVID-19 Pandemie derzeit davon ausgegangen werden kann, dass eine Abschiebung innerhalb der in diesem Fall zulässigen Schubhafthöchstdauer von 18 Monaten gegen Ende des Jahres 2020 bzw. zu Beginn des Jahres 2021 durchführbar sein wird. Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass dem BF von der algerischen Botschaft ein HRZ ausgestellt wird. Weiters ist zu berücksichtigen, dass der BF durch seine mangelnde Kooperationsbereitschaft zur Vorlage eines Reisedokuments bzw. durch Angabe von falschen Identitätsdaten für eingetretene Verzögerungen bei seiner Abschiebung und somit auch für die nun längere Anhaltung in Schubhaft zu einem guten Teil mitverantwortlich ist.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A):

3.1 Gesetzliche Bestimmungen und Judikatur:

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

§§ 76, 77 und 80 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), § 22a Abs. 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (§ 76 FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (§ 77 FPG)

„§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Dauer der Schubhaft (§ 80 FPG)

„(1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.“

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (§§ 22a BFA-VG)

„§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise - wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG - erreicht werden ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig.

Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich infrage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zugrunde, dass die infrage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

3.2. Zum konkret vorliegen Fall:

Aufgrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt rechtzeitig zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist hinausgehen soll, vorzulegen. Nach der erfolgten Überprüfung nach vier Monaten der Anhaltung ist die Überprüfung in vierwöchigem Rhythmus fortzuführen. Nach rezenter Judikatur des VwGH (VwGH 16.07.2020, Ra Ra 2020/21/0163, Rn. 11) ist die Frist für das vierwöchige Überprüfungsintervall nach § 22a Abs. 4 S 1 BFA-VG vom Datum des Ergehens des letzten Erkenntnisses nach § 22a Abs. 4 leg. cit. berechnen. Das letzte entsprechende Erkenntnis des BVwG erging im ggst. Fall am 02.11.2020. Die gegenständliche folgende Überprüfung hat spätestens nach weiteren vier Wochen, also spätestes am 30.11.2020 zu ergehen. Gleichzeitig verbleibt dem BVwG ein Spielraum zur Entscheidung von einer Woche vor diesem Termin (VwGH aaO. unter Verweis auf VwGH 16.7.2020, Ra 2020/21/0099). Die gegenständliche Entscheidung kann bzw. muss daher zwischen dem 23.11.2020 und dem 30.11.2020 ergehen.

Gemeinsamt mit der Vorlage hat das Bundesamt darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Der Verwaltungsgerichthof führte hierzu Folgendes aus: „In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 - einen neuen Hafttitel dar. Über vor oder nach der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen. Ein Erkenntnis nach § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 steht daher einer Beschwerde nach § 22a Abs. 1 BFA-VG 2014, mit der die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von vor oder nach der Erlassung des Erkenntnisses liegenden Haftzeiten begehrt wird, nicht entgegen.“ (VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111)

Aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1, 3 und Z 9 FPG liegt beim BF fortgesetzt Fluchtgefahr vor und ist auch fortgesetzt Sicherungsbedarf gegeben. Es ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Die Schubhaft ist jedenfalls wegen Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des BFs, insbesondere der Angabe von falschen Identitätsdaten, der Stellung von aussichtslosen Folgeanträgen, mehreren Hungerstreiks und der Tatsache, dass er sich seinem Verfahren bereits entzogen hat, mit höchster Wahrscheinlichkeit geschlossen werden kann, dass der BF seine Abschiebung zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt (§ 76 Abs. 3 Z 1 leg. cit.). Weiters besteht gegen den BF eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme (§ 76 Abs. 3 Z 3 leg. cit.), was für sich allein genommen noch keine Fluchtgefahr begründet. In Zusammenhang damit, dass sich der BF aber bereits seinem Verfahren über internationalen Schutz entzogen hat, in dem er untergetaucht ist und für das Bundesamt nicht für die Rücküberstellung nicht greifbar war, begründet auch dieser Umstand fortgesetzt Fluchtgefahr. Weiters hat der BF nun seinen dritten Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt, wobei dies sein zweiter Folgeantrag auf dem Stande der Schubhaft ist und der Antrag hiervor gerade erst kurz zuvor wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 5 FPG ist daher im ggst. Fall auch klar erfüllt. Zu Guter Letzt ist der BF im Bundesgebiet weiterhin auf keine Weise sozial ober beruflich verankert, da er keine Familienangehörigen und keinen festen Wohnsitz hat oder je hatte, weiters im Bundesgebiet nie legal erwerbstätig war und er über keine Mittel zur Sicherung seines Unterhalts verfügt (§ 76 Abs. 3 Z 9 FPG).

Dass der BF seinen dritten Folgeantrag auf internationalen Schutz nur zur Verhinderung bzw. Verzögerung seiner Abschiebung gestellt hat, wurde bereits umfänglich beweisgewürdigt. Die Schubhaft kann daher auf Basis des § 76 Abs. 6 FPG aufrechterhalten werden.

Es sind iSd oben dargelegten Judikatur des VwGH zu § 80 FPG weiterhin keine Umstände ersichtlich, die darauf hindeuten, dass eine Abschiebung des BF innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht möglich sein sollte. Ausgehend von einer Schubhafthöchstdauer von 18 Monaten ist derzeit nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung nach Ausstellung eines HRZ in den ersten Monaten des Jahres 2021, nach etwaiger Rücknahme von Reisebeschränkungen unmöglich sein sollte. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass das Bundesamt auch angemessene Anstrengungen unternommen hat, um ein Heimreisezertifikat zu erlangen, die bei positiver Identifizierung durch die algerische Botschaft auch ausgestellt werden. Dieses Verfahren ist derzeit noch im Laufen, da die Daten des BF von der algerischen Botschaft im Nachgang des Delegationstermins am 18.09.2020 nach Algier zur Überprüfung übermittelt wurden. Diese Überprüfung kann aber mehre Monate in Anspruch nehmen.

Der BF hat demgegenüber fortgesetzt keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Aufrechterhaltung der Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund - dass sich die Behörde um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates erfolgreich bemüht hat, auch verhältnismäßig. Zusätzlich ist bei der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung unter dem Gesichtspunkt des § 76 Abs. 2a FPG auch die erhebliche Straffälligkeit des BF zu berücksichtigen, die der Sicherung der Durchsetzung der Aufenthaltsbeendigung hohes Gewicht verleiht. Das Verhalten des BFs in der Vergangenheit – insbesondere, dass er sich bereits einmal seinem Verfahren durch Untertauchen entzogen hat, mehrfach falsche Angaben zu seiner Identität gemacht hat und aufgrund seiner Straffälligkeit nicht vertrauenswürdig ist - schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel fortgesetzt aus.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und diese verhältnismäßig ist.

Zu Spruchteil B):

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Es finden sich im keine schlüssigen Hinweise auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der in der Begründung zitierten (jüngsten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Einreiseverbot Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft Heimreisezertifikat Identität Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W282.2231951.7.00

Im RIS seit

02.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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