TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/27 W251 2223852-14

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Veröffentlicht am 27.11.2020
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Entscheidungsdatum

27.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W251 2223852-14/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , Staatsangehörigkeit Russische Föderation alias Afghanistan, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 16.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.04.2019 wurde über den Beschwerdeführer Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dieser Bescheid wurde nach Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft in Vollzug gesetzt. Der Beschwerdeführer befand sich vom 10.04.2019 bis 07.05.2019 aufgrund des Bescheides vom 10.04.2019 in Schubhaft.

Am 07.05.2019 wurde der Beschwerdeführer – nachdem ihm von der afghanischen Vertretungsbehörde ein Heimreisezertifikat erteilt worden war – nach Afghanistan abgeschoben.

4. Da der Beschwerdeführer in Afghanistan behauptete Staatsangehöriger der Russischen Föderation zu sein, verweigerten die afghanischen Behörden die Übernahme des Beschwerdeführers, weshalb er am 09.05.2019 mittels Charter wieder nach Österreich einreiste.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.05.2019 wurde neuerlich Schubhaft über den Beschwerdeführer angeordnet. Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer nochmals der afghanischen Vertretungsbehörde vorgeführt, wiederum als afghanischer Staatsangehöriger identifiziert und ein Heimreisezertifikat für ihn ausgestellt. Der Beschwerdeführer befand sich vom 10.05.2019 bis 29.05.2019 aufgrund des Bescheides vom 10.05.2019 in Schubhaft.

5. Am 29.05.2019 wurde der Beschwerdeführer neuerlich nach Afghanistan abgeschoben. Obwohl er weiterhin behauptete, kein afghanischer Staatsangehöriger zu sein, übernahmen die afghanischen Behörden nach Telefonaten mit dem Konsulat in Wien den Beschwerdeführer.

6. Am 05.09.2019 reiste der Beschwerdeführer auf Grund des mit Afghanistan abgeschlossenen Rückübernahmeabkommens erneut nach Österreich ein. Der Beschwerdeführer wurde in Verwaltungsverwahrungshaft genommen.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 06.09.2019 wurde über den Beschwerdeführer Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 06.09.2019 aufgrund des Bescheides vom 06.09.2019 durchgehend in Schubhaft.

7. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.01.2020, vom 30.01.2020, vom 27.02.2020, vom 23.03.2020, vom 20.04.2020, vom 15.05.2020, vom 10.06.2020, vom 07.07.2020, vom 12.08.2020, vom 09.09.2020, vom 07.10.2020 und vom 02.11.2020 wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorlagen.

8. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 20.11.2020 die Akten gemäß §22a BFA-VG zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer reiste unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte am 16.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner am 18.10.2015 durchgeführten Erstbefragung gab er an den Namen XXXX zu führen und Staatsangehöriger Afghanistans zu sein. Diese Identitätsdaten nannte er auch bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) am 13.07.2017.

1.2. Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.08.2017 zur Gänze abgewiesen. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, es wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist. Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.10.2018 abgewiesen.

1.3. Am 20.03.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Asylfolgeantrag und gab an den Namen XXXX zu führen, am XXXX in XXXX geboren worden zu sein und Staatsangehöriger der Russischen Föderation zu sein. Am 09.04.2019 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt einvernommen und bekräftigte, kein afghanischer Staatsangehöriger, sondern Staatsangehöriger der Russischen Föderation zu sein.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 18.04.2019 wurde der faktische Abschiebeschutz auf Grund des Asylfolgeantrages aufgehoben. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.05.2019 wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes zu Recht erfolgt ist.

1.4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.04.2019 wurde über den Beschwerdeführer Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dieser Bescheid wurde nach Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft in Vollzug gesetzt.

Der Beschwerdeführer befand sich aufgrund des Bescheides vom 10.04.2019 vom 10.04.2019 bis 07.05.2019 in Schubhaft.

1.5. Am 07.05.2019 wurde der Beschwerdeführer – nachdem ihm von der afghanischen Vertretungsbehörde ein Heimreisezertifikat erteilt worden war – nach Afghanistan abgeschoben. Da der Beschwerdeführer weiterhin behauptete Staatsangehöriger der Russischen Föderation zu sein, verweigerten die afghanischen Behörden die Übernahme des Beschwerdeführers, weshalb er am 09.05.2019 mittels Charter wieder nach Österreich einreiste.

1.6. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.05.2019 wurde neuerlich Schubhaft über den Beschwerdeführer angeordnet. Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer nochmals der afghanischen Vertretungsbehörde vorgeführt, wiederum als afghanischer Staatsangehöriger identifiziert und ein Heimreisezertifikat für ihn ausgestellt.

1.7. Am 29.05.2019 wurde der Beschwerdeführer neuerlich nach Afghanistan abgeschoben. Obwohl er weiterhin behauptete, kein afghanischer Staatsangehöriger zu sein, übernahmen die afghanischen Behörden nach Telefonaten mit dem Konsulat in Wien den Beschwerdeführer.

Der Beschwerdeführer befand sich aufgrund des Bescheides vom 10.05.2019 vom 10.05.2019 bis 29.05.2019 in Schubhaft.

1.8. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.06.2019 wurde der Asylfolgeantrag gemäß § 68 AVG zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf die Dauer von 10 Jahren befristeten Einreiseverbot erlassen. Diese Entscheidung wurde der damaligen Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen.

1.9. Am 05.09.2019 reiste der Beschwerdeführer auf Grund des mit Afghanistan abgeschlossenen Rückübernahmeabkommens erneut nach Österreich ein.

1.10. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 06.09.2019 wurde über den Beschwerdeführer Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.10.2019 abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorliegen.

Der Beschwerdeführer wird aufgrund des Bescheides vom 06.09.2019 durchgehend in Schubhaft angehalten.

1.11. Aufgrund eines gerichtlichen Ersuchens wurde der Beschwerdeführer am 15.04.2020 durch ein Organ des Bundesamtes zu seiner aktuellen Lage in der laufenden Schubhaft in russischer Sprache einvernommen. Dabei brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass sich an seinen persönlichen Verhältnissen seit der letzten Einvernahme nichts geändert habe, er an keinen Erkrankungen oder Beschwerden leide und es ihm gesundheitlich gut gehe. Gegen eine Fortsetzung der Schubhaft spreche, dass er Freunde und soziale Bindungen habe und ihm die Schubhaft psychisch nicht gut tue.

1.12. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.01.2020, vom 30.01.2020, vom 27.02.2020, vom 23.03.2020, vom 20.04.2020, vom 15.05.2020, vom 10.06.2020, vom 07.07.2020, vom 12.08.2020, vom 09.09.2020, vom 07.10.2020 und vom 02.11.2020 wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorlagen.

1.13. Das Bundesamt hat auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Staatsangehörigkeit Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer bei den Vertretungsbehörden der Russischen Föderation eingeleitet.

Am 04.02.2020 fand ein Interviewtermin des Beschwerdeführers bei der russischen Botschaft statt. Die Botschaft konnte aufgrund des Interviews die Identität des Beschwerdeführers nicht bestätigen, veranlasste aber, eine Überprüfung der Angaben des Beschwerdeführers durch den russischen Migrationsdienst. Zuletzt wurde am 05.11.2020 bei der russischen Botschaft urgiert und auf die Dringlichkeit des Verfahrens hingewiesen. Eine Entscheidung der russischen Botschaft steht gegenwärtig – trotz regelmäßiger Urgenzen des Bundesamts - noch aus.

Am 13.02.2020 wurde ein Heimreisezertifikatsverfahren mit Tadschikistan eröffnet, um auch die zweite Alias-Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers zu überprüfen. Am 08.06.2020 wurde der Beschwerdeführer der Konsularabteilung der tadschikischen Botschaft vorgeführt. Da der Beschwerdeführer kein Tadschikisch spricht, wurde das Interview in russischer Sprache geführt. Der Beschwerdeführer gab an, er sei aus Tschetschenien, dort aufgewachsen und im Alter von 7 Jahren nach Moskau gezogen. Seine Eltern wären verstorben. Er könne aber nicht zurück nach Tschetschenien, da er dort Probleme habe. Auch sei es ihm unerklärlich, weshalb er nach Afghanistan abgeschoben worden sei.

Das HRZ Verfahren mit Tadschikistan wurde ad acta gelegt, da nach Auskunft der tadschikischen Botschaft keine Berührungspunkte mit Tadschikistan vorliegen.

Aufgrund dieser Konstellation wurde die afghanische Vertretungsbehörde neuerlich ersucht, ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer auszustellen und einer Rücknahme des Beschwerdeführers zuzustimmen. Da für den Beschwerdeführer bereits zwei Mal ein Heimreisezertifikat von der afghanischen Vertretungsbehörde erlangt werden konnte, ist davon auszugehen, dass bei einem Nachweis, dass auch die russische Vertretungsbehörde kein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer ausstellt (seitens der tadschikischen Botschaft liegt eine Entscheidung kein HRZ auszustellen vor) zu erwarten ist, dass neuerlich ein Heimreisezertifikat durch die afghanische Vertretungsbehörde ausgestellt wird und dass Afghanistan einer Rückführung zustimmt. Die afghanische Botschaft hat zugesichert, im Fall der Ablehnung durch Russland und Tadschikistan, mit der österreichischen HRZ-Abteilung zusammen zu arbeiten.

Für Dezember 2020 sowie Jänner 2021 ist eine Charterabschiebung nach Afghanistan geplant.

1.14. Am 20.11.2020 legte das Bundesamt den gesamten Verfahrensakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung nach § 22a Abs. 4 BFA-VG hinsichtlich der neuerlichen amtswegigen Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung vor.

2. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der Beschwerdeführer besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft nicht, er besitzt auch keine Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Er verfügt über keine Dokumente, die seine Identität bescheinigen.

2.2. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

2.3. Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Der Beschwerdeführer gab in seinem Asylverfahren auf Grund seines Antrages auf internationalen Schutz vom 16.10.2015 an, dass er afghanischer Staatsangehöriger sei. In seinem Asylfolgeantrag vom 20.03.2019 gab er hingegen an, dass er Staatsangehöriger der Russischen Föderation sei. Schließlich brachte er auch eine mögliche tadschikische Staatsangehörigkeit ins Spiel. Durch diese widersprüchlichen Angaben vereitelte der Beschwerdeführer bisher eine endgültige Abschiebung und Rückkehr nach Afghanistan.

3.2. Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende strafgerichtlichen Verurteilungen auf:

3.2.1. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 12.12.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt, wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung, , wegen des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit, wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen und wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung (§§ 269 Abs. 1 dritter Fall StGB, § 84 Abs. 2 und Abs. 5 Z 1StGB, § 89 StGB, § 136 Abs. 1 StGB, § 229 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe von 10 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der Beschwerdeführer hatte am 10.10.2018 versucht, durch Gewalt Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes an der Durchführung der Anhaltung eines PKW zu hindern, indem er seinen PKW stark beschleunigte und auf ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zufuhr, das eine Kollision nur durch einen Sprung zur Seite verhindern konnte. Das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes wurde dabei verletzt. Außerdem nahm der Beschwerdeführer am 05.09.2018 einen PKW ohne Erlaubnis des Berechtigten in Gebrauch, verwahrte im Zeitraum von Juni bis Oktober 2018 fünf Kennzeichentafeln im Kofferraum seines PKW und brachte diese an den von ihm benützten PKW an.

3.2.2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 24.01.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung (§ 84 Abs. 4 StGB) zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 7 Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer hat am 10.09.2018 einer Person dadurch eine schwere Körperverletzung zugefügt, indem er dieser einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, die Person zu Boden warf und der am Boden liegenden Person einen Fußtritt gegen den Kopf versetzte. Durch den Übergriff erlitt das Opfer eine zweifache Unterkieferfraktur linksseitig mit Verschiebung der Bruchenden und Lockerung von zwei Zähnen.

3.3. Der Beschwerdeführer wurde am 24.09.2018 aus disziplinären Gründen in ein anderes Grundversorgungsquartier verlegt. Er verließ dieses Quartier spätestens am 06.10.2018 und lebte unangemeldet in Linz. Die Absicht, im neuen Grundversorgungsquartier zu leben, hatte der Beschwerdeführer nicht. Am 10.10.2018 wurde er nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung festgenommen.

3.4. Der Beschwerdeführer stellte im Dezember 2018 während seiner Anhaltung in Untersuchungshaft einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr um untertauchen zu können.

3.5. Am 20.03.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Asylfolgeantrag. Zu diesem Zeitpunkt wurde er in Strafhaft angehalten und lag eine mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.08.2017 erlassene und auf Grund der Abweisung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.10.2018 rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung vor. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 18.04.2019 wurde der faktische Abschiebeschutz auf Grund des Asylfolgeantrages aufgehoben. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.05.2019 wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes zu Recht erfolgt ist.

3.6. Zuletzt wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.06.2019 gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es liegt sohin eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.7. Der Beschwerdeführer verfügte vor seiner Festnahme am 10.10.2018 über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz im Bundesgebiet und wurde danach in Österreich in Gerichts- bzw. Schubhaft angehalten. Er verfügt über keine Familienangehörigen und über kein soziales Netz in Österreich, das ihn vom Untertauchen abhalten würde. Insgesamt ist von keinen Umständen auszugehen, die auf Grund der familiären, sozialen oder beruflichen Integration des Beschwerdeführers gegen sein Untertauchen sprechen.

3.8. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats und Abschiebung innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer sind möglich und realistisch. Durch Mitwirkung bei den russischen und afghanischen Behörden kann der Beschwerdeführer zu einer raschen Identitätsfeststellung und Ausstellung eines Heimreisezertifikats beitragen.

Nach Ausstellung eines Heimreisezertifikats erfolgt eine zeitnahe Abschiebung des Beschwerdeführers.

3.9. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit der letzten gerichtlichen Überprüfung vom 02.11.2020 hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Akten des Bundesamtes und in die Akten des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend die Asyl- und Schubhaftverfahren und durch Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister sowie aus dem Auszug aus dem Fremdenregister und aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.2. Aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die Asylverfahren des Beschwerdeführers betreffend ergibt sich, dass der Beschwerdeführer keine Dokumente vorgelegt hat, die seine Identität bescheinigen. Insbesondere beruhen die von UNHCR in Afghanistan ausgestellten Dokumente ausschließlich auf den in Afghanistan gemachten Angaben des Beschwerdeführers. Dokumente zum Nachweis seiner behaupteten russischen Staatsangehörigkeit legte der Beschwerdeführer dem UNHCR nicht vor.

Dass er bisher in seinen Verfahren unterschiedliche Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit gemacht hat, ergibt sich aus den in diesen Verfahren erfolgten Einvernahmen und Befragungen sowie aus der beim Bundesverwaltungsgericht am 03.01.2020 durchgeführten mündlichen Verhandlung.

Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers bestehen nicht, auch er selbst behauptet nicht, minderjährig zu sein.

Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, finden sich in den bisherigen Verfahren nicht. Da die Anträge des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz rechtskräftig ab- bzw. zurückgewiesen wurden, konnte die Feststellung getroffen werden, dass der Beschwerdeführer weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter ist.

1.3. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beruhen auf seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 03.01.2020, den bisher im Schubhaftverfahren abgegebenen amtsärztlichen Gutachten und der Einvernahme am 15.04.2020. Anhaltspunkte für eine Änderung des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers kamen im Rahmen des Prüfverfahrens nicht vor und ergeben sich insbesondere auch aus einem aktuellen amtsärztlichen Befund vom 28.10.2020 nicht.

Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegen würde. Dass der Beschwerdeführer Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

1.4. Die Zeiten der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei.

2. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

2.1. Dass der Beschwerdeführer durch seine widersprüchlichen Angaben hinsichtlich seiner Identität schließlich doch eine erfolgreiche Abschiebung nach Afghanistan vereitelte, ergibt sich aus den Berichten über die Abschiebung vom 07.05.2019 und 29.05.2019. Am 29.05.2019 wurde der Beschwerdeführer zwar nach telefonischer Rücksprache mit dem Konsulat in Wien von den afghanischen Behörden übernommen, er musste jedoch im September 2019 von Österreich rückübernommen werden, da die afghanischen Behörden von der russischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ausgingen.

2.2. Dass der Beschwerdeführer am 24.09.2018 aus disziplinären Gründen in ein anderes Grundversorgungsquartier verlegt wurde, ergibt sich aus dem Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem. Dass der Beschwerdeführer dieses Quartier verließ, unangemeldet in Linz lebte und er nicht die Absicht hatte, im neuen Grundversorgungsquartier zu leben, ergibt sich aus dem Grundversorgungs-Informationssystem, dem Zentralen Melderegister und den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 03.01.2020. Darin gab der Beschwerdeführer insbesondere an, dass er bei Freunden in Linz gewohnt habe, da er am Ort seines neuen Grundversorgungsquartiers niemanden gekannt habe. Dass er am 10.10.2018 nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung festgenommen wurde, ergibt sich aus dem Urteil eines Landesgerichtes vom 12.12.2018.

2.3. Dass der Beschwerdeführer im Dezember 2018 während seiner Anhaltung in Untersuchungshaft einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr stellte, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Dass er diesen Antrag nur stellte, um untertauchen zu können, gibt der Beschwerdeführer selbst in seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 09.04.2019 an.

2.4. Die Feststellungen zum Zeitpunkt der Stellung des Asylfolgeantrages und der diesbezüglichen Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend.

2.5. Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.06.2019 erlassenen Rückkehrentscheidung ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

2.6. Die Feststellung, wonach von keinen Umständen auszugehen ist, die auf Grund der familiären, sozialen oder beruflichen Integration des Beschwerdeführers gegen sein Untertauchen sprechen, ergibt sich aus dem bisherigen, aktenkundigen Verhalten des Beschwerdeführers. Insbesondere ergeben sich aus den Verwaltungsakten keine Umstände, die auf eine Aufenthaltsverfestigung schließen lassen. So versuchte der Beschwerdeführer durch einen Antrag auf freiwillige Rückkehr eine Möglichkeit für sein Untertauchen zu erlangen und er verließ sein Grundversorgungsquartier, um unangemeldet an einem anderen Ort zu leben.

2.7. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit 02.11.2020 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

2.8. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Dauer der Schubhaft (FPG)

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Anwendungsbereich (Rückführungsrichtlinie)

Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.

Inhaftnahme (Rückführungsrichtlinie)

Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf. 

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:
a.         mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,
b.         Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das Bundesamt eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

Es kommt nicht darauf an, ob die tatsächliche Erlangbarkeit eines Heimreisezertifikates schon feststeht; dem Bundesamt muss vielmehr grundsätzlich zugestanden werden, Versuche in diese Richtung zu starten (VwGH vom 19.04.2012, 2009/21/0047), soweit diese nicht von vornherein aussichtslos erscheinen, etwa weil für die betreffende Person bereits mehrfach erfolglos ein Heimreisezertifikat beantragt wurde und die Vertretungsbehörde auch auf aktuelle Urgenzen nicht reagiert oder die Vertretungsbehörde in vergleichbaren Fällen standardgemäß die Ausstellung eines Heimreisezertifikates verweigert (VwGH vom 11.05.2017, Ra 2016/21/0144).

3.1.3. Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung ist das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Zur Sicherung der Abschiebung kommt Schubhaft darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und realistisch durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Die afghanische Vertretungsbehörde hat bereits zwei Mal ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer ausgestellt. Es ist daher zu erwarten, dass für den Fall, dass von der russischen Vertretungsbehörde (endgültig) kein Heimreisezertifikat erlangt werden kann, von der afghanischen Vertretungsbehörde abermals ein Heimreisezertifikat ausgestellt wird. Die Abschiebung des Beschwerdeführers scheint daher möglich.

3.1.4. Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

Dabei ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt. Der Beschwerdeführer hat bisher unterschiedliche Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit gemacht. Da er weder identitätsbescheinigende Dokumente vorgelegt hat noch richtige Angaben zu seinem Herkunftsstaat gemacht hat, hat der Beschwerdeführer am Verfahren nicht mitgewirkt und seine Abschiebung erschwert, weshalb der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG erfüllt ist.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 4 FPG zu berücksichtigen, ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag aufgehoben wurde, gemäß § 76 Abs. 3 Z 5 FPG ist zu berücksichtigen ob gegen den Fremden im Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand. Der Bescwherdeführer stellte am 20.03.2019 einen Asylfolgeantrag. Zu diesem Zeitpunkt war die mit Bescheid des Bundesamtes vom 17.08.2017 erlassene Rückkehrentscheidung durchsetzbar. Der faktische Abschiebeschutz auf Grund des Asylfolgeantrages wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 18.04.2019 aufgehoben. Es sind daher auch die Tatbestände des § 76 Abs. 3 Z 4 und Z 5 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschwerdeführer auf Grund des Grades seiner familiären, sozialen und beruflichen Verankerung in Österreich einen so verfestigten Aufenthalt hat um bei seiner Entlassung aus der Schubhaft nicht neuerlich unterzutauchen.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 4, 5 und 9 FPG vor.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer hat widersprüchliche Angaben zu seiner Herkunft und Identität gemacht. Einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr stellte er nach eigenen Angaben nur, um eine Möglichkeit zum Untertauchen zu schaffen. Der Beschwerdeführer ist im Bundesgebiet auch nicht familiär, beruflich oder sozial verankert. Es ist daher im Fall des Beschwerdeführers von erheblichem Sicherungsbedarf auszugehen.

3.1.5. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Der Beschwerdeführer hält sich unrechtmäßig in Österreich auf, er verfügte vor seiner Festnahme über keine Meldeadresse und ging keiner beruflichen Tätigkeit nach. Er verfügt in Österreich über keine Angehörigen und ist in Österreich sozial nicht verankert.

Auch der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers lässt die Schubhaft nicht unverhältnismäßig scheinen. Der Beschwerdeführer hat es sich zum Großteil selbst zuzuschreiben, dass die laufende Schubhaft nun schon als verhältnismäßig lang anzusehen ist, da er nach wie vor keine greifbaren Hinweise oder verwertbare Dokumente beischaffte, die seine Identität und Staatsangehörigkeit glaubhaft ausweisen würden, sondern seine wahre Herkunft durch widersprüchliche Angaben verschleiert.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Der Beschwerdeführer weist insbesondere Vorstrafen wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung auf. Er legte ein Verhalten an den Tag, das zeigt, dass er nicht davor zurückschreckt, selbst staatlichen Organen bei der Ausübung ihrer gesetzlichen Befugnisse zur Kontrolle der Einhaltung der Rechtsordnung insbesondere im Bereich der Sicherheit des Straßenverkehrs zuwider zu handeln. Gerade an der Kontrolle der Sicherheit im Straßenverkehr liegt ein besonders hohes staatliches Interesse. Diesem Interesse hat der Beschwerdeführer massiv zuwidergehandelt. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer das Verbrechen der schweren Körperverletzung in besonderes brutaler Art und Weise begangen. Das Opfer des Beschwerdeführers wurde insbesondere durch einen Tritt auf den Kopf, als das Opfer bereits am Boden lag, schwer verletzt. Zusätzlich zeigt die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung und der damit im Zusammenhang stehenden missbräuchlichen Verwendung von KFZ-Kennzeichentafeln in mehreren Fällen, dass der Beschwerdeführer die österreichische Rechtsordnung nicht achtet. Insgesamt ergibt sich daher aus dem Verhalten des Beschwerdeführers, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet und ein besonders hohes öffentliches Interesse an einer Durchführung einer Außerlandesbringung des Beschwerdeführers besteht. Die weitere Aufrechterhaltung stellt daher auch aus diesem Gesichtspunkt trotz der langen Dauer weiterhin keine Unverhältnismäßigkeit dar.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers daher ein sehr geringer, sohin im Rahmen der fallbezogenen Verhältnismäßigkeit jedenfalls ein weitaus geringerer Stellenwert zu, als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen zugesonnen werden musste. Dies insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung – zumal der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er die ihn treffenden Verpflichtungen nicht einhält und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft ändern würde.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt. Dies auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Behörde auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, da das Bundesamt Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bei den Vertretungsbehörden jener Staaten eingeleitet hat, deren Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführer bisher zu besitzen behauptet hat. Die bisherige Dauer der Schubhaft ist insbesondere dem Verhalten des Beschwerdeführers selbst zuzurechnen, da er widersprüchliche Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit gemacht hat und so die österreichischen, aber auch ausländische Behörden mehrmals erfolgreich getäuscht hat.

3.1.6. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Auf Grund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens – insbesondere der Tatsache, dass er widersprüchliche Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit gemacht hat, er sein Grundversorgungsquartier verlassen hat um unterzutauchen und er einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr zum Untertauchen nutzen wollte – kann ein gelinderes Mittel zur Sicherung der Abschiebung des Beschwerdeführers nicht als zielführend eingestuft werden.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.7. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des Beschwerdeführers zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.8. Das Gericht kann nicht ausschließen, dass es aufgrund der derzeitigen Pandemie (Covid-19) in den kommenden Wochen weiterhin zu Verzögerungen oder Annullierungen von Flügen im internationalen Flugverkehr kommen könnte. Die realistische Möglichkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht jedoch aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand – kooperatives Verhalten und eine baldige Ausstellung eines HRZ vorausgesetzt – mit ein bis zwei Monaten einzustufen.

Da derzeit die Identität des Beschwerdeführers und seine Staatsangehörigkeit noch nicht geklärt ist, und erst die diesbezüglichen Ergebnisse des Heimreisezertifikatverfahrens noch abzuwarten sind, sind derzeitige Verzögerungen im internationalen Flugverkehr für die Dauer der Schubhaft nicht kausal und derzeit nicht relevant. Aufgrund der Fortschritte zur Erlangung eines COVID-19-Imofstoffes ist davon auszugehen, dass wieder Lockerungen im internationalen Flugverkehr erfolgen und vermehrt Abschiebungen erfolgen können.

Eine Abschiebung noch im Jahr 2020 oder zu Beginn des Jahres 2021 ist aus derzeitiger Sicht jedenfalls realistisch. Aus derzeitiger Sicht ist auch damit zu rechnen, dass Charter-Abschiebungen – wie auch durch konkret geplante Chartertermine im Dezember 2020 nach Afghanistan belegt – wieder durchführbar werden.

3.2. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine Änderungen ergeben hat.

3.3. Zu Spruchteil B. - Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist der Fall wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Einreiseverbot faktischer Abschiebeschutz Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft Identität Kooperation Mitwirkungspflicht öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Rückübernahmeabkommen Schubhaft Sicherungsbedarf Staatsangehörigkeit Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W251.2223852.14.00

Im RIS seit

02.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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