TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/1 W170 2229098-1

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Veröffentlicht am 01.12.2020
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Entscheidungsdatum

01.12.2020

Norm

BDG 1979 §43 Abs2
BDG 1979 §91
BDG 1979 §92 Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W170 2229098-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über 1. die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Karl Erich PUCHMAYR, und 2. die Beschwerde des Disziplinaranwalts Bgdr. Gerald ROHR, BA, MA gegen das Disziplinarerkenntnis (den Bescheid) der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, Senat 4 (jetzt: Bundesdisziplinarbehörde) vom 25.01.2020, Zl. BMI-46093/25-DK/4/2019-Erk, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)       In teilweiser Abweisung und teilweiser Stattgebung der Beschwerde des XXXX und in Stattgebung der Beschwerde des Disziplinaranwalts Bgdr. Gerald ROHR, BA, MA wird der Spruch des Disziplinarerkenntnisses geändert. Dieser lautet wie folgt:
„I. XXXX ist

schuldig,
er hat am 11.03.2019, gegen 19.05 Uhr,

1. seiner ehemaligen Lebensgefährtin XXXX , als diese die gemeinsame, zum Tatzeitpunkt, 9-jährige Tochter XXXX und ihre gleichaltrige Trainingskollegin XXXX vom Taekwondo-Training in der Volksschule in XXXX , abholte, vorsätzlich plötzlich und unerwartet von hinten einen kräftigen Stoß gegen die Schulter gegeben, sodass diese gegen die dortige Steinmauer gestoßen wurde;

2. als kausale Folge des von XXXX verursachten Stoßes gegen seine ehemalige Lebensgefährtin fahrlässig und rücksichtslos auch XXXX am Kopf gestoßen, sodass diese sofort zu weinen begann.

Dadurch hat XXXX seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 2 BDG, nämlich in seinem gesamten Verhalten darauf zu achten, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seines Amtes erhalten bleibt, gemäß § 91 BDG schuldhaft verletzt.
Gegen XXXX wird gemäß § 92 Abs. 1 Z 3 BDG eine Geldstrafe in der Höhe von einem Monatsbezug verhängt.
II. Darüber hinaus wird XXXX von dem Vorwurf, seine ehemalige Lebensgefährtin XXXX durch diesen Stoß verletzt zu haben,

freigesprochen.“

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitigen und zulässigen Beschwerden von XXXX und vom Disziplinaranwalt Bgdr. Gerald ROHR, BA, MA erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum bisherigen Verfahren und zum Strafverfahren:

Nach Erstattung einer entsprechenden Disziplinaranzeige wurde mit Bescheid (Einleitungsbeschluss) der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, Senat 4 (in Folge: Behörde), vom 02.09.2019, Zl. BMI-46093/25-DK/4/2019-EB, gegen XXXX (in Folge: Betroffener) ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

Der Spruch des Einleitungsbeschlusses hinsichtlich des Tatvorwurfes lautete:

„ XXXX ist verdächtig, er habe am 11.03.2019 gegen 19.05 Uhr seiner ehemaligen Lebensgefährtin XXXX , als diese die gemeinsame 9-jährige Tochter XXXX und ihre gleichaltrige Trainingskollegin XXXX vom TAEKWONDO-Training in der Volksschule in XXXX , abholte, plötzlich und unerwartet von hinten einen kräftigen Stoß gegen die Schulter gegeben, sodass diese gegen die dortige Steinmauer gestoßen wurde und dabei Verletzungen im Bereich der HWS erlitt. Als kausale Folge des von XXXX verursachten Stoßes gegen seine Ex-Lebensgefährtin wurde auch die Trainingskollegin seiner Tochter, XXXX , am Kopf gestoßen und begann diese sofort zu weinen.“

Daher habe sei der Betroffene verdächtig, seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 2 BDG verletzt zu haben.

Der Einleitungsbeschluss wurde dem Betroffenen am 04.09.2019 zugestellt, ein Rechtsmittel wurde gegen diesen nicht erhoben.

Das verfahrensgegenständliche Disziplinarerkenntnis der Behörde vom 25.01.2020, Zl. BMI-46093/25-DK/4/2019-Erk, wurde dem im Spruch bezeichneten Vertreter des Betroffenen (in Folge: Rechtsvertreter) am 27.01.2020 durch E-Mail und am 31.01.2020 per Post zugestellt, die Zustellung an den Disziplinaranwalt erfolgte am 28.01.2020. In diesem wurde der Betroffene wegen der oben dargestellten Dienstpflichtverletzungen schuldig gesprochen und zu einer Geldbuße in der Höhe von € 300,-- verurteilt.

Gegen dieses Disziplinarerkenntnis wurde (1.) seitens des Disziplinaranwaltes mit Schriftsatz vom 30.01.2020, bei der Behörde am 10.02.2020 eingelangt, und (2.) mit undatiertem, am 24.02.2020 zur Post gegebenem, Schriftsatz des Rechtsvertreters jeweils das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben, wobei sich die Beschwerde des Disziplinaranwaltes nur gegen die Strafhöhe, die Beschwerde des Rechtsvertreters gegen Schuld und Strafe richtete. In der Beschwerde des Rechtsvertreters wird insbesondere gerügt, dass die Behörde dem Antrag auf Einholung eines psychologischen oder psychiatrischen Gutachtens zum Beweis der Schuldunfähigkeit des Betroffenen nicht gefolgt sei und dass ein solches Gutachten den Nachweis erbracht hätte, dass der Betroffene in Bezug auf die Dienstpflichtverletzung nicht schuldhaft gehandelt hätte.

In einem von der Staatsanwaltschaft Linz unter der Zahl 55 BAZ 444/19d-1 gegen den Betroffenen geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen §§ 83, 88 StGB wurde nach einem außergerichtlichen Tatausgleich (siehe Wortlaut des Entschuldigungs-E-Mails des Betroffenen unter 1.3.) von der Verfolgung zurückgetreten.

1.2. Zur Person des Betroffenen:

Der Betroffene ist Exekutivbeamter der Landespolizeidirektion für Oberösterreich in der Einstufung E2b, Gehaltsstufe 12, nächste Vorrückung am 01.07.2021, sein Grundbezug beträgt nunmehr € 2.435,0 brutto, die Wachdienstzulage beträgt € 99,40.

Der Betroffene gab an, am 01.02.1999 in den Exekutivdienst eingetreten zu sein, er ist als eingeteilter Beamter der Polizeiinspektion XXXX zugeteilt und befindet sich seit Mai 2019 im Krankenstand.

Der Betroffene hat Vermögen in der Höhe von 50.000 Euro und monatlich € 700 Miete sowie € 733 Alimente für zwei Kinder (10 und 12 Jahre alt) zu bezahlen. Er hat keine Schulden und ist ledig.

Im Laufe seiner Dienstzeit ist der Betroffene einmal für die Durchführung der Verkehrserziehertätigkeit und zumindest einmal während seiner Verwendung beim EKO Cobra, wo er insbesondere als Taucher und Flugbeobachter verwendet wurde, belobigt worden. Der Betroffene ist disziplinarrechtlich unbescholten.

1.3. Zum verfahrensgegenständlichen Vorfall am 11.03.2019 und der Verantwortung des Betroffenen:

Der Betroffene befand sich mit XXXX (in Folge: Ex-Lebensgefährtin) von 2006 bis Sommer 2018 in einer Lebensgemeinschaft, der zwei Töchter, unter anderem die am 11.03.2019 9-jährige XXXX , entstammen.

Da der Betroffene seine Tochter XXXX am 11.03.2019 auf Grund der Trennung von seiner Ex-Lebensgefährtin bereits länger nicht gesehen hatte und wusste, dass sich diese am 11.03.2019 abends beim Taekwondo-Training in der Volksschule in XXXX , befinden würde, begab sich der Betroffene zu dieser Volksschule und verfolgte das Training seiner Tochter XXXX in der Hoffnung, dass diese während oder nach dem Training zu ihm kommen und mit ihm reden würde. Diese begab sich aber nach dem Ende des Trainings sofort und ohne zum Betroffenen zu kommen in die Garderobe, wo die Ex-Lebensgefährtin wartete. Daher begab sich der Betroffene zum Ausgang der Volksschule, da er wusste, dass die Ex-Lebensgefährtin und seine Tochter durch diesen Ausgang das Gebäude verlassen müssten. Als nun am 11.03.2019, gegen 19.05 Uhr, die Ex-Lebensgefährtin und XXXX , gemeinsam mit der gleichaltrigen Trainingskollegin XXXX , das Schulgebäude verließen, gingen sie am Betroffenen vorbei, wobei die Ex-Lebensgefährtin diesen unter Verwendung der Grußformel „Hallo“ grüßte, sich aber weder die Ex-Lebensgefährtin noch XXXX anschickten, mit dem Betroffenen zu reden. Verärgert über diese subjektiv wahrgenommene Missachtung seiner Person stieß der Betroffene seine Ex-Lebensgefährtin, obwohl er wusste und auch vor Ort wahrnahm, dass diese an einer Knieverletzung laborierte und daher humpelte, vorsätzlich von hinten und für die Ex-Lebensgefährtin vollkommen überraschend, so stark, dass diese aus dem Gleichgewicht kam und gegen eine Wand gestoßen wurde. Zwar ist im Zweifel festzustellen, dass die Ex-Lebensgefährtin durch diesen Stoß nicht verletzt wurde, der Betroffene hat eine Verletzung der Ex-Lebensgefährtin aber billigend in Kauf genommen. Die Verantwortung, der Betroffene habe seine Ex-Lebensgefährtin weggestoßen, um zu seiner Tochter XXXX zu gelangen, ist eine Schutzbehauptung und war zu diesem Zeitpunkt nicht die Intention des Betroffenen, der nur von dem Ärger über die Situation getrieben war und diese – vorgebrachte – Intention auch nicht versucht hat, in der Situation zu verbalisieren.

Durch diesen Stoß wurde auch die 9-jährige XXXX , vermutlich von der weggestoßenen Ex-Lebensgefährtin, am Kopf getroffen und begann sofort zu weinen. Diese Misshandlung der XXXX wurde zwar durch den Betroffenen verursacht, er hatte diese aber zuvor im Zweifel nicht wahrgenommen und daher XXXX nur aus – wenn auch auffallender – Rücksichtslosigkeit misshandelt. Diese wurde aber nicht verletzt, auch wenn XXXX wegen dieses Vorfalls in den folgenden Tagen nicht mehr alleine zur Volksschule gehen wollte und wieder von ihren Eltern gebracht werden musste, obwohl sie zuvor diese Wege bereits alleine bestritten hat.

Seine Tochter XXXX nahm den Stoß zwar nicht unmittelbar augenscheinlich wahr, aber sie bekam die gesamte Situation mit und hat unmittelbar von der Ex-Lebensgefährtin erfahren, was vorgefallen war.

Ohne sich darum zu kümmern, ob die Ex-Lebensgefährtin oder die weinende XXXX verletzt worden sind, hat der Betroffene sofort und ohne weitere Kontaktaufnahme, auch nicht mit seiner Tochter, die Örtlichkeit verlassen.

Zum Zeitpunkt der Tat (und auch davor) litt der Betroffene an einer paranoiden Persönlichkeitsakzentuierung, dabei handelt es sich aber weder um eine Geisteskrankheit, eine geistige Behinderung, eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung oder eine andere schwere, einem dieser Zustände gleichwertige seelische Störung, die ihn unfähig gemacht hätte, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, noch war die Einsicht in das Unrecht der Tat oder die Möglichkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, herabgesetzt. Der Betroffene wusste zum Tatzeitpunkt genau, was er tat, und dass dieses Verhalten verpönt ist.

Erst am 05.05.2019 und unter Vermittlung des Vereins „Neustart“ im Rahmen eines außergerichtlichen Tatausgleiches entschuldigte sich der Betroffene durch ein E-Mail bei der Ex-Lebensgefährtin. Dieses hatte folgenden Wortlaut:

„Liebe XXXX !

Ich möchte mich auf diesem Wege bei Dir für meine übertriebene Reaktion entschuldigen.

Für mich ist allerdings auch im Rahmen der Einrichtung „Neustart“ vorstellbar, die Entschuldigung persönlich auszudrücken.

Es wäre nett zu erfahren, wo XXXX wohnt. Vielleicht weißt du es und kannst es mir schreiben.

XXXX kann sich in dieser Woche am Mittwoch ihren ‚Goldi‘ abholen.

Liebe Grüße

XXXX “

Die Ex-Lebensgefährtin hat nach dem Vorfall ein Treffen für eine persönliche Entschuldigung abgelehnt.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte der Betroffene ein teilweises Tatsachengeständnis ab, das aber für die Feststellung der Umstände keinen besonderen Mehrwert hatte und in dem der Betroffene insbesondere hinsichtlich des Motivs für die Tat eine Schutzbehauptung vorschob. Es ist und war keine Reue erkennbar, zwar hat der Betroffene vor der Disziplinarkommission angeführt, dass es ihm leidtue, ohne hiezu nähere Ausführungen zu treffen; vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dies aber nicht wiederholt und bekannte sich der Betroffene auch nicht zum Tatvorwurf schuldig. Der Betroffene hat seine Tat marginalisiert, er hat etwa angeführt, die Ex-Lebensgefährtin nur gestupst und nicht gestoßen zu haben.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweiswürdigung zu 1.1. („Zum bisherigen Verfahren“):

Die Feststellungen zum Gang des bisherigen Disziplinarverfahrens ergeben sich unstrittig aus der Aktenlage, die den Parteien in der Verhandlung am 17.11.2020 vorgehalten wurde und der nicht entgegengetreten wurde.

Die Feststellungen zum Spruch des Einleitungsbeschlusses beschränken sich auf die Darstellung des – zum damaligen Zeitpunkt – Tatverdachtes.

Die Feststellungen zum von der Staatsanwaltschaft Linz geführten Ermittlungsverfahren ergeben sich unstrittig aus der Aktenlage, die den Parteien in der Verhandlung am 17.11.2020 vorgehalten wurde und der nicht entgegengetreten wurde.

2.2. Beweiswürdigung zu 1.2. („Zur Person des Betroffenen“):

Auch diese Feststellungen ergeben sich unstrittig aus der Aktenlage, die den Parteien in der Verhandlung am 17.11.2020 vorgehalten wurden und denen nicht entgegengetreten wurde.

2.3. Beweiswürdigung zu 1.3. („Zum verfahrensgegenständlichen Vorfall am 11.03.2019 und der Verantwortung des Betroffenen“):

Die Feststellung zur beendeten Lebensgemeinschaft des Betroffenen und der Ex-Lebensgefährtin begründet sich ebenso auf deren übereinstimmende Aussagen, ebenso die zu den gemeinsamen Kindern.

Die Feststellungen, dass und warum sich der Betroffene zum Ort des Trainings seiner Tochter begeben hat, begründen sich im Wesentlichen aus seinen diesbezüglichen Aussagen, die lebensnahe und nachvollziehbar sind.

Dass sich seine oben genannte Tochter nach dem Ende des Trainings sofort und ohne zum Betroffenen zu kommen, in die Garderobe, wo die Ex-Lebensgefährtin wartete, begeben hat, ergibt sich aus der Aussage des Betroffenen und jener der Ex-Lebensgefährtin und war auch im Verfahren ebenso wenig strittig, wie dass und warum sich der Betroffene zum Ausgang der Volksschule begeben hat.

Hinsichtlich der Vorfälle am 11.03.2019, gegen 19.05 Uhr, als die Ex-Lebensgefährtin und XXXX gemeinsam mit der gleichaltrigen Trainingskollegin XXXX das Schulgebäude verließen, ist auf die Aussagen des Betroffenen, der Ex-Lebensgefährtin sowie der XXXX (letztere wurde nur im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens einvernommen, die Einvernahme wurde aber in der mündlichen Verhandlung verlesen und auf die Einvernahme der Zeugin durch alle Parteien verzichtet) zu verweisen. Offen ist, ob die Ex-Lebensgefährtin den Betroffenen gegrüßt hat oder nicht; hier ist den Ausführungen der Ex-Lebensgefährtin zu folgen, die als Zeugin – im Gegensatz zum Betroffenen – unter Strafandrohung ausgesagt hat und die durch eine diesbezügliche Falschaussage nichts gewinnen kann.

Offen ist weiters das Motiv für den Stoß; der Betroffene sprach davon, dass er zu XXXX kommen habe wollen und daher die im Weg befindliche Ex-Lebensgefährtin weggestoßen habe. Dies ist aber nicht glaubhaft, da der Betroffene weder vor noch nach dem Stoß versucht hat, seine (vor dem Stoß an ihm vorbeigehende) Tochter anzusprechen. Hätte er Kontakt mit ihr herstellen wollen, hätte er seine Tochter irgendwann angesprochen. Daher kann diese Verantwortung des Betroffenen der Entscheidung nicht unterstellt werden, vielmehr ist die Äußerung des Betroffenen in der Stellungnahme vom 20.11.2019 (S. 2), dass er sich in einer begreiflichen Erregung befunden habe bzw. (S. 3), dass er sich geärgert habe, nachvollziehbar. Daher ist festzustellen, dass der Stoß aus Ärger über die subjektiv wahrgenommene Missachtung der Person des Betroffenen erfolgte.

Dass der Betroffene vor dem Stoß gewusst hat, dass die Ex-Lebensgefährtin an einer Knieverletzung laborierte und am Humpeln der Ex-Lebensgefährtin erkannte, dass dieses Leiden noch akut war, ergibt sich aus seinen Aussagen, insbesondere vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Denklogisch kann der Stoß durch den Betroffenen nur vorsätzlich erfolgt sein, dies hat er auch nicht bestritten.

Dass im Zweifel festzustellen ist, dass die Ex-Lebensgefährtin durch diesen Stoß nicht verletzt wurde, ergibt sich aus deren Aussage vor dem Bundesverwaltungsgericht, nach der sie nicht ausschließen könne, dass die von ihrem praktischen Arzt XXXX festgestellten Schmerzen auch durch die Bewegungseinschränkung nach der Knieverletzung hervorgerufen worden seien; daher ist im Zweifel ein kausaler Zusammenhang zwischen diesen Schmerzen und dem verfahrensgegenständlichen Stoß nicht feststellbar.

Wer aber einen anderen, der an einer akuten, wahrnehmbaren Beeinträchtigung eines Knies leidet, von hinten überraschend stößt, nimmt billigend eine Verletzung dieser Person in Kauf. Dies gilt auch für den Betroffenen, der einerseits als Polizist und ehemaliges Mitglied einer Sondereinheit über die Folgen des Einsatzes von Körperkraft weiß und andererseits eingestanden hat, „dass es besonders gefährlich sei, jemand zu stoßen, der am Knie verletzt sei“ (Verhandlungsschrift S. 9). Daher war dem Betroffenen klar, dass der Stoß die Ex-Lebensgefährtin verletzen könnte und es war ihm zumindest egal. Er hat also eine allfällige Verletzung billigend in Kauf genommen.

Hinsichtlich der Feststellungen der Folgen des Stoßes in Bezug auf XXXX ist auf die Aussagen der Ex-Lebensgefährtin und die in das Verfahren eingebrachten Aussagen der XXXX zu verweisen, denen die Parteien nicht entgegengetreten sind. Da sich der Betroffene nicht überzeugt hat, ob ein Kind im Weg der gestoßenen Ex-Lebensgefährtin war, hat dieser diesbezüglich rücksichtslos gehandelt, ein Vorsatz war aber – zumindest im Zweifel – nicht festzustellen.

Dass die Tochter des Betroffenen den Stoß zwar nicht unmittelbar augenscheinlich wahrgenommen hat, sie aber die gesamte Situation mitbekam und unmittelbar von der Ex-Lebensgefährtin erfahren hat, was vorgefallen war, ergibt sich aus den Aussagen der Ex-Lebensgefährtin, die dem Betroffenen „Was soll das?“ nachgerufen hat, sodass für die Tochter, die sich in einer lebensnahen Betrachtung des Vorfalls mit Sicherheit zur Quelle des Lärms – die weinende Schulkollegin, die am Boden kauernde Mutter, der sich entfernende Betroffene – umgedreht und den Zusammenhang hergestellt hat.

Dass der Beschwerdeführer dann ohne weiteres, das heißt auch ohne sich darum zu kümmern, ob die Ex-Lebensgefährtin oder die weinende XXXX verletzt worden sind, sofort und ohne weitere Kontaktaufnahme gegangen ist, hat er selbst ausgesagt.

Hinsichtlich der Feststellungen zur paranoiden Persönlichkeitsakzentuierung, zum Fehlen einer Geisteskrankheit, einer geistigen Behinderung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung ist auf das Gutachten der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen XXXX zu verweisen. Das Gutachten ist vollständig, es besteht aus Befund und Gutachten im engeren Sinne und ist nachvollziehbar, da sich die Schlüsse im Gutachten im engeren Sinne auf die Befunderhebung stützen und nachvollziehbar erklären, wie die Sachverständige zu dem gegenständlichen Ergebnis kommt. Die Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung auch dargetan, dass es unterschiedliche Vorgutachten gab und insbesondere die fachliche Beurteilung des Gutachtens XXXX widerlegt, indem sie ausführte, dass in diesem Gutachten zwar die Erkrankung aus dem schizophrenem Formenkreis in den Raum gestellt bzw. als wahrscheinlich oder fraglich bezeichnet worden sei, dies aber eine vage Äußerung sei und sich um eine einmalige Momentaufnahme handle. Als Mangel des Gutachtens XXXX könne man – so die Sachverständige XXXX nachvollziehbar, anführen, dass auf den Längsschnitt bzw. die Entwicklung der Erkrankung nicht eingegangen worden sei und die Erkrankung im Prodromalstadium, also im Vorstadium, vorliege. Das Gutachten XXXX sei 2018 erstellt worden, es habe damals aber kein Prodromalstadium vorgelegen, weil sich ja die Krankheit nicht ausgebreitet habe, daher sei das Gutachten XXXX nicht nachvollziehbar. Diese Auffassung wird vom Bundesverwaltungsgericht geteilt. Auch hat die Sachverständige XXXX nachvollziehbar dargestellt, wann und ab wann eine Geisteskrankheit, eine Persönlichkeitsstörung und eine akzentuierte Persönlichkeit vorliegt und nachvollziehbar die psychische Situation des Betroffenen eingeordnet. Dem Gutachten ist nicht auf gleichem wissenschaftlichen Niveau entgegengetreten worden und ist dieses – wie oben ausgeführt – schlüssig und nachvollziehbar; daher ist dieses den Sachverhaltsfeststellungen zur psychischen Beschaffenheit des Betroffenen zu unterstellen.

Hinsichtlich der Feststellungen wann und wie sich der Betroffene bei der Ex-Lebensgefährtin entschuldigt hat, ist auf dessen Aussage, das vorgelegte E-Mail vom 05.05.2019 und auf die Aussage der Ex-Lebensgefährtin zu verweisen.

Hinsichtlich der Verantwortung des Betroffenen im Disziplinarverfahren ist auf die Aktenlage, hinsichtlich der Schutzbehauptung zum Motiv auf die obigen Feststellungen und die dazugehörige Beweiswürdigung zu verweisen.

Dass keine Reue erkennbar ist und war, ergibt sich aus dem Eindruck des Bundesverwaltungsgerichts, der von der Verantwortung des Betroffenen vor der Behörde (Verhandlungsschrift vom 03.02.2020, S. 6: „Es ist für mich mühsam, das durchzukauen, ich mag einfach nicht mehr.“), der ohne auf den Sachverhalt bezugnehmenden Entschuldigungen (Verhandlungsschrift vom 03.02.2020, S. 7: „Es tut mir leid, was passiert ist.“, „Entschuldigungs“-E-Mail: „Ich möchte mich auf diesem Wege bei Dir für meine übertriebene Reaktion entschuldigen.“ – Bei dem Stoß des Betroffenen handelte es sich um keine Reaktion, er externalisiert mit dieser Aussage die Verantwortung, weil er ja nur reagiert habe und dies nur problematisch sei, weil die Reaktion übertrieben gewesen sei. Weiters fehlt jede Bezugnahme auf das Vorgefallene, mit dem sich der Betroffene offenbar nicht beschäftigen will, so vermag er nicht einmal zu differenzieren, ob ihm seine Tat oder die für ihn nachteiligen Folgen leidtun) und der Aussage hinsichtlich dessen, ob sich der Betroffene schuldig bekennt (Verhandlungsprotokoll 17.11.2020, S. 4: „Hinsichtlich der Gesamtheit der Vorwürfe erklärt P [Anmerkung: Betroffener] nach Hinweis von R [Anmerkung: Richter], dass der Milderungsgrund eines reumütigen Geständnisses ein schwerwiegender Milderungsgrund ist, dass er hiezu nichts sagen wolle.“) sowie der vom Betroffenen versäumten Möglichkeit, am Ende der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sein Bedauern auszudrücken, gestützt wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Frage, ob das festgestellte Verhalten des Betroffenen disziplinarrechtlich strafbar ist:

Disziplinarrechtlich strafbar ist ein Verhalten, das gegen die dienstrechtlich normierten Pflichten eines Beamten verstößt. Damit über dieses Verhalten im Rahmen eines Disziplinarerkenntnisses oder des im Falle einer Entscheidung über eine Beschwerde an dessen Stelle tretenden Erkenntnisses eines Verwaltungsgerichtes (VwGH 09.09.2015, Ro 2015/03/0032) entschieden werden kann, muss dieses nicht nur tatbestandsmäßig sein, sondern es muss hinsichtlich des Verhaltens ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden sein und es darf hinsichtlich des Verhaltens keine Verjährung eingetreten sein.

3.2. Zur Frage der Einleitung des Verfahrens hinsichtlich der vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen:

Einleitend ist daher zu prüfen, ob hinsichtlich des im Disziplinarerkenntnis bestraften Verhaltens ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, da – wie schon oben ausgeführt – im Disziplinarerkenntnis bzw. im Spruch des nunmehrigen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichts nur über Sachverhalte, hinsichtlich derer ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, entschieden werden darf (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0007).

Im Einleitungsbeschluss der Behörde, vom 02.09.2019, Zl. BMI-46093/25-DK/4/2019-EB, wurde dem Betroffenen vorgeworfen, er habe am 11.03.2019 gegen 19.05 Uhr seiner ehemaligen Lebensgefährtin XXXX , als diese die gemeinsame, zum Tatzeitpunkt 9-jährige Tochter XXXX und ihre gleichaltrige Trainingskollegin XXXX vom TAEKWONDO-Training in der Volksschule in XXXX , abholte, plötzlich und unerwartet von hinten einen kräftigen Stoß gegen die Schulter gegeben, sodass diese gegen die dortige Steinmauer gestoßen wurde und dabei Verletzungen im Bereich der Halswirbelsäule erlitt. Als kausale Folge des vom Betroffenen verursachten Stoßes gegen seine Ex-Lebensgefährtin wurde auch die Trainingskollegin seiner Tochter, XXXX , am Kopf gestoßen und begann diese sofort zu weinen.

Bereits bei Erlassung des durch ein ordentliches Rechtsmittel bekämpfbaren Einleitungsbeschlusses war die Frage der Verjährung zu beurteilen und kann daher nicht neuerlich aufgeworfen werden (VwGH 22.02.2018, Ra 2017/09/0050; VwGH 23.02.2017, Ra 2016/09/0113; VwGH 14.11.2002, 2001/09/0008; VwGH 17.11.1994, 94/09/0112; VwGH 27.04.1989, 88/09/0004). Im gegenständlichen Verfahren wurde durch die belangte Behörde mit oben genanntem Einleitungsbeschluss vom 10.12.2019 ein ausreichend konkreter Einleitungsbeschluss erlassen, Verfolgungsverjährung nach § 94 Abs. 1 BDG kommt daher nicht in Betracht.

Zu betrachten bleibt daher lediglich die Frist des § 94 Abs. 1a BDG, nach der drei Jahre nach der an den beschuldigten Beamten erfolgten Zustellung der Entscheidung, gegen ihn ein Disziplinarverfahren durchzuführen, eine Disziplinarstrafe nicht mehr verhängt werden darf. Seit der Erlassung des Einleitungsbeschlusses sind noch keine zwei Jahre vergangen, Verjährung nach § 94 Abs. 1a BDG liegt daher jedenfalls nicht vor, unbeachtlich dessen, dass die Zeit des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens in den Zeitraum nicht einzurechnen wäre.

3.3. Zur Frage, ob die inkriminierten Handlungen ein disziplinarrechtlich strafbares Verhalten darstellen:

Mangels erkennbarer Abweichung knüpft das BDG bei den von ihm nicht definierten Deliktselementen (tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes menschliches Verhalten) am Begriffsverständnis des Allgemeinen Teils des StGB an (Hinweis Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, S 21 ff; VwGH 21.02.2001, 99/09/0126). Unter Schuld ist dabei die „Vorwerfbarkeit der Tat mit Rücksicht auf die darin liegende zu missbilligende Gesinnung des Täters“ zu verstehen, die drei Komponenten umfasst: a) das biologische Schuldelement, d.h. der Täter muss voll zurechnungsfähig sein; b) das psychologische Schuldelement, d.h. der Täter muss vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben und c) das normative Schuldelement, d.h. dem Täter muss zugemutet werden können, dass er sich rechtmäßig verhält (vgl. Kucsko-Stadlmayer, aaO, S 31). Diese angeführten Elemente sind Voraussetzung für eine disziplinäre Strafbarkeit eines Verhaltens; fehlt auch nur eines dieser Elemente, so darf eine Strafe nicht verhängt werden. Liegt etwa ein (sachlicher oder persönlicher) Strafausschließungsgrund vor, hat die Tat bzw. der Täter straflos zu bleiben (vgl. Kucsko-Stadlmayer, aaO, S 44; VwGH 23.05.2013, 2012/09/0110).

Anders als im gerichtlichen Strafrecht oder im Verwaltungsstrafrecht ist das in den Straftatbeständen des Disziplinarrechts der Beamten normierte strafbare Verhalten nicht in einem Typenstrafrecht genau umschrieben, sondern durch die Normierung von allgemeinen und besonderen Dienstpflichten nur auf relativ unbestimmte Weise festgelegt (VwGH 06.11.2012, 2010/09/0041).

Gemäß § 43 Abs. 2 BDG hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Die Beurteilung des außerdienstlichen Verhaltens dahingehend, ob das Vertrauen der Bevölkerung in die sachliche Wahrnehmung (d.h. das ordnungsgemäße Funktionieren der Verwaltung) erhalten bleibt, ist notwendigerweise im Zeitpunkt seiner Setzung nicht auf die aktuell besorgten dienstlichen Aufgaben, wie sie § 43 Abs. 1 BDG vor Augen hat, sondern auf die potentiell wahrzunehmenden Aufgaben des Beamten, die ihm zukämen, wenn er sich im Dienst befände, abzustellen (VwGH 29.06.1989, 86/09/0164; VwGH 15.02.2013, 2013/09/0001). Bei Rechtsverletzungen, die außer Dienst oder ohne Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit erfolgen, ist grundsätzlich darauf abzustellen, ob der Schutz des betreffenden Rechtsgutes zu den Berufspflichten des Beamten gehört. Damit wird der Forderung Rechnung getragen, § 43 Abs. 2 BDG wolle in das außerdienstliche Verhalten des Beamten nur „in besonders krassen Fällen“ eingreifen. Hinzu kommt, dass ein Verhalten außer Dienst aufgrund der besonderen Aufgaben des Beamten die Bedingungen für die Annahme einer Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG erfüllen kann, wenn diese Umstände in ihrer Art, Ausgestaltung und Gewichtung einem besonderen Funktionsbezug vergleichbar sind. Eine solche Konstellation, die einem besonderen Funktionsbezug gleichkommt, wird vor allem dann gegeben sein, wenn aufgrund von Auswirkungen des außerdienstlichen Verhaltens der Beamte in der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit beeinträchtigt ist (VwGH 26.01.2012, 2011/09/0181).

So hat der Verwaltungsgerichtshof etwa ausgeführt, dass einem Polizeibeamten vorgeworfene Diebstähle zum Nachteil von Kollegen und Kameradschaftskassen gerade bei einem Polizisten selbst bei einem geringen Wert nicht als wenig gravierend zu erachten sind, weil dadurch gerade jene Rechtsgüter verletzt werden, deren Schutz einem Sicherheitswachebeamten grundsätzlich obliegt (VwGH 03.10.2013, 2013/09/0080 mit Hinweis auf VwGH 18.05.2010, 2006/09/0230). Weiters führt der Verwaltungsgerichtshof an, dass die Beachtung der Bestimmungen des StGB zu den Kernbereichen der Aufgaben eines Justizwachebeamten gehören, wenngleich er – so der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich – anders als etwa ein Polizist nicht der Aufklärung von Straftaten verpflichtet ist (VwGH 20.06.2011, 2011/09/0023); dies muss also umso mehr für einen Polizisten gelten. Schließlich ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach ein Vergehen nach § 83 Abs 1 StGB, begangen durch einen außer Dienst befindlichen provisorischen Exekutivbeamten auch ohne einschlägige Verurteilung, ungeachtet des sonstigen dienstlichen Verhaltens einen Kündigungsgrund iSd § 10 Abs. 4 Z 4 BDG darstellt, weil zweifellos davon auszugehen ist, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung von dienstlichen Aufgaben im Sinne des § 43 Abs. 2 BDG gerade eines Wachebeamten (jetzt: Exekutivbeamten), dessen vornehmlichster Tätigkeitsbereich in der Verhinderung von strafbaren Handlungen besteht, nicht erhalten bleibt, wenn dieser selbst jene Rechtsgüter, zu deren Schutz er nach den Gesetzen berufen ist, bewusst verletzt (VwGH 18.12.2001, 2001/09/0143).

Die Verhütung von gefährlichen Angriffen und strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben, insbesondere im Familienkreis oder in Bezug auf ehemalige Partner, gehört zu den Hauptaufgaben der Sicherheitsexekutive (siehe §§ 16, 21 Abs. 2, 22 Abs. 2, 38a SPG), ebenso wie die Führung von unparteiischen Ermittlungen in diesem Bereich (§§ 3, 103 Abs. 1 StPO, §§ 83 ff StGB). Ebenso gehört die Erste Allgemeine Hilfeleistung zum Kern der Aufgaben der Sicherheitsexekutive (§ 19 SPG). Darüber hinaus haben die Sicherheitsbehörden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dem Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen vor dem Schutz anderer Güter Vorrang einzuräumen (§ 28 SPG).

Daher ist ein außerdienstliches Verhalten, bei dem ein Exekutivbeamter oder eine Exekutivbeamtin ungerechtfertigt, unentschuldigt, vorsätzlich und schuldhaft Gewalt gegen eine Partnerin bzw. einen Partner (i.S. eines Ehegatten, einer Ehegattin, eines eingetragenen Partners, einer eingetragenen Partnerin, aber auch einer Person, mit der er bzw. sie in Lebensgemeinschaft lebt oder auch nur vertieften, regelmäßigen Umgang hat [„Freund“, „Freundin“ als Vorstufe zu einer Lebensgemeinschaft]), gegen sein Kind oder gegen einen früheren Partner oder eine frühere Partnerin ausübt, immer als eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 43 Abs. 2 BDG zu sehen, auch wenn nicht das Niveau einer (versuchten) Körperverletzung erreicht wird, sondern es sich lediglich um Misshandlungen handelt, da von einer Person, die solche Handlungen setzt, nicht erwartet werden kann, eben solchen Handlungen entschieden und unparteiisch zu begegnen, weder im Licht der Sicherheits- noch der Kriminalpolizei. Ebenso ist ein solches außerdienstliches Verhalten eine gleichartige Dienstpflichtverletzung, wenn dieses zwar nicht vorsätzlich, aber aus Rücksichtslosigkeit passiert, da die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dem Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen vor dem Schutz anderer Güter Vorrang einzuräumen und sie daher eine besondere Sorgfaltspflicht im Umgang mit anderen Menschen trifft und eine solche rücksichtslose Handlung das Vertrauen der Allgemeinheit daher zu erschüttern geeignet ist.

Es ist dabei gleichgültig, ob das Verhalten des Exekutivbediensteten in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist oder nicht (VwGH 20.11.2003, 2002/09/0088).

Im gegenständlichen Fall hat der Betroffene am 11.03.2019, gegen 19.05 Uhr, seiner Ex-Lebensgefährtin vorsätzlich, plötzlich und unerwartet von hinten einen kräftigen Stoß gegen die Schulter gegeben, sodass diese gegen die dortige Steinmauer gestoßen wurde. Als kausale Folge des vom Betroffenen verursachten Stoßes gegen seine ehemalige Lebensgefährtin wurde auch XXXX am Kopf gestoßen und begann diese sofort zu weinen. Diese Beeinträchtigung der XXXX erfolgte zwar nicht vorsätzlich, aber aus Rücksichtslosigkeit, da sich der Betroffene nicht überzeugt hat, dass sich kein Kind im Bereich der Wirkung seines Stoßes befindet, obwohl das Training in der Volksschule gerade vorbei war und der Betroffene daher damit rechnen musste, dass neben seiner Ex-Lebensgefährtin auch andere Personen, insbesondere Kinder, die Schule verlassen.

Darüber hinaus liegt kein Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund, insbesondere keine Geisteskrankheit, keine geistige Behinderung, keine tiefgreifende Bewusstseinsstörung oder keine andere schwere, einem dieser Zustände gleichwertige seelische Störung vor, hinsichtlich der Ex-Lebensgefährtin hat der Betroffene vorsätzlich gehandelt, hinsichtlich der XXXX fahrlässig, allerdings aus Rücksichtslosigkeit.

Daher hat der Betroffene durch die oben geschilderten Handlungen seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 2 BDG, nämlich in seinem gesamten Verhalten darauf zu achten, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seines Amtes erhalten bleibt, gemäß § 91 BDG schuldhaft verletzt und ist entsprechend schuldig zu sprechen.

Lediglich im Zweifel ist der Betroffene vom Vorwurf, die Ex-Lebensgefährtin durch den Stoß verletzt zu haben, freizusprechen, da nach der Aussage der Ex-Lebensgefährtin vor dem Bundesverwaltungsgericht ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Stoß und der Verletzung nicht mehr zweifelsfrei herzustellen sein wird.

Der Beweisantrag, wegen der Verletzungen der Ex-Lebensgefährtin und der XXXX ein medizinisches Gutachten einzuholen, wird abgewiesen, da – in Bezug auf die Ex-Lebensgefährtin im Zweifel – nicht von einer vom Betroffenen kausal herbeigeführten Verletzung der genannten Personen ausgegangen wird.

Ausdrücklich wird abermals darauf hingewiesen, dass auf eine unmittelbare Einvernahme der XXXX nach der Verlesung von deren Aussage in der mündlichen Verhandlung am 17.11.2020 von den Parteien ausdrücklich verzichtet wurde.

3.4. Zur Strafbemessung:

Aus dem Grundsatz „nulla poena sine lege“ ergibt sich auch im Disziplinarverfahren, dass sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht richtet, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre. Gemäß § 92 Abs. 1 BDG in der zum Tatzeitpunkt anzuwendenden Fassung waren Disziplinarstrafen (1.) der Verweis, (2.) die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezugs, (3.) die Geldstrafe in der Höhe von einem Monatsbezug bis zu fünf Monatsbezügen, (4.) die Entlassung. Gemäß § 92 Abs. 1 BDG in der geltenden Fassung sind Disziplinarstrafen (1.) der Verweis, (2.) die Geldbuße bis zur Höhe eines Monatsbezugs, (3.) die Geldstrafe in der Höhe von mehr als einem Monatsbezug bis zu fünf Monatsbezügen, (4.) die Entlassung. § 92 BDG in der Fassung BGBl. I Nr. 98/2020 ist deshalb nicht günstiger, da er Geldbußen in einem höheren Ausmaß zulässt und Geldstrafen jedenfalls mehr als einen Monatsbezug betragen müssen, während zum Tatzeitpunkt noch Geldstrafen in der Höhe eines Monatsbezugs möglich waren. In seiner Gesamtauswirkung ist demnach § 92 BDG in der am 11.03.2019, dem Tatzeitpunkt, (BGBl. I Nr. 140/2011) anzuwendenden Fassung, günstiger und im gegenständlichen Fall anzuwenden.

Gemäß § 93 Abs. 1 BDG ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

Die Disziplinarkommission – an deren Ermessensübung das Bundesverwaltungsgericht gebunden wäre, so diese im Sinne des Gesetzes erfolgt wäre – hat den Betroffenen zu einer Geldbuße von € 300 verurteilt, obwohl aus deren Erwägungen zum Strafrahmen eine Geldstrafe zu verhängen war, diese aber wegen des Affekts, unter dem der Betroffene gehandelt habe bereits bei der Festsetzung des Strafrahmens mildernd gewertet hat. Auch – so die Behörde weiter – habe sich der Betroffene sehr zeitnahe entschuldigt und sich von seinem Fehlverhalten distanziert. Neben dem Umstand, dass Milderungsgründe erst im Schritt nach der Festsetzung des Strafrahmens zu berücksichtigen sind (und dort nochmals berücksichtigt wurden) hat die Behörde nicht erkannt, dass die Entschuldigung des Betroffenen nur pro forma erfolgte und diese sowie sein Verhalten im Disziplinar- und Strafverfahren eben genau diese Distanzierung zur Straftat vermissen ließ, die die Behörde hier miteinbezogen hat. Daher entspricht die Ermessensübung nicht dem Gesetz und ist diese vom Bundesverwaltungsgericht zu wiederholen und das Ermessen des Bundesverwaltungsgerichts an die Stelle des Ermessens der Behörde zu setzen.

Gemäß § 93 Abs. 2 BDG ist, hat der Beamte durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt, nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, der ausgesprochen hat, dass nach § 93 Abs. 2 BDG die Strafe nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, die weiteren Dienstpflichtverletzungen sind als Erschwerungsgrund im Sinne des § 33 Abs. 1 Z 1 StGB zu werten. Einzelne Aspekte der Tathandlungen, die bereits den disziplinären Vorwurf bildeten, und daher bei der Verhängung der Disziplinarstrafe berücksichtigt wurden, können hingegen nicht nochmals als eigene Erschwerungsgründe gewertet werden. Auch im Disziplinarverfahren darf ein bereits die Dienstpflichtverletzung ausmachendes Tatbestandsmerkmal bei der Strafbemessung nicht nochmals als erschwerender oder als mildernder Umstand gewertet werden. So können die Umstände, die bereits bei der Bemessung der Disziplinarstrafe verwertet wurden, nicht abermals als besondere Erschwerungsgründe berücksichtigt werden (VwGH 25.09.2019, Ra 2019/09/0062).

Im gegenständlichen Fall hat der Betroffene gegen eine schwerwiegende Dienstpflicht verstoßen, da die Verhütung von gefährlichen Angriffen bzw. die unparteiische Aufklärung von strafbaren Handlungen im Bereich Leib und Leben in oder nach einer Beziehung zu den wesentlichen Aufgaben der Sicherheitsexekutive, die der Betroffene angehört, zählen. Da die Bevölkerung von Sicherheitsorganen, die selbst Handlungen begehen, die gefährlichen Angriffen bzw. strafbaren Handlungen im Bereich Leib und Leben in Bezug auf eine bestehende oder vergangene Partnerschaft entsprechen – der Beschwerdeführer hat eine Verletzung der Ex-Lebensgefährtin billigend hingenommen – oder zumindest nahekommen, nachvollziehbar ein unparteiisches Einschreiten bzw. Ermitteln in solchen Fällen absprechen würde, stellen solche Handlungen schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen dar, hinsichtlich der ein hohes generalpräventives Interesse an deren Verhinderung besteht. Auch ist der Betroffene hinsichtlich der Tathandlung zwar geständig, hat aber weder sein Motiv wahrheitsgemäß offengelegt noch Reue gezeigt, sodass auch ein nicht zu vernachlässigendes spezialpräventives Interesse besteht. Andererseits ist die Tat für sich im untersten Bereich der denkmöglichen Misshandlungen und Verletzungen von (ehemaligen) Partnern anzusiedeln, da es „nur“ zu einem Stoß, wenn auch überraschend und von hinten, gekommen ist und die Tat im Zweifel keine Verletzungen zur Folge hatte, auch wenn es solche billigend in Kauf nahm. Es erscheint daher im Lichte der Schwere der Schuld, der General- und Spezialprävention eine Geldbuße von zumindest einem halben Monatsgehalt bis zu einer Geldstrafe von bis zu zwei Monatsgehältern als Strafrahmen angemessen zu sein.

Mildernd sind die Unbescholtenheit und die zumindest zweimalige Belobigung des Betroffenen zu werten. Ausdrücklich nicht liegt ein reumütiges Geständnis vor, das Tatsachengeständnis des Betroffenen hat keinen entscheidenden Beitrag zur Klärung des Sachverhaltes geleistet, insbesondere, da er zu seinem Motiv nicht die Wahrheit gesagt hat. Eine Distanzierung zu seiner Tat lässt der Betroffene auch vermissen. Mildernd ist schließlich die schwierige Lebenssituation des Betroffenen zum Tatzeitpunkt sowie seine psychische Auffälligkeit der paranoiden Persönlichkeitsakzentuierung, wobei die beiden letzteren Punkte nur leicht mildernd wirken, weil jeder erwachsene Mensch eine gewisse Persönlichkeitsakzentuierung aufweist und jeder Mensch im Laufe seines Lebens in schwierige Lebenssituationen kommt.

Erschwerend ist, dass der Betroffene erstens nicht nur vorsätzlich seine Ex-Lebensgefährtin misshandelte, sondern auch noch die (damals) 9-jährige XXXX , wenn auch nicht vorsätzlich so doch aus Rücksichtslosigkeit, gefährdet hat, sowie zweitens eine Verletzung der Ex-Lebensgefährtin billigend in Kauf genommen hat und sich nach dem Angriff entfernt hat, ohne sich um die „zufällig“ in seinen Angriff geratene XXXX oder die Ex-Lebensgefährtin zu kümmern. Nach der Rechtsprechung des OGH (OGH 02.06.1981, 9Os55/81) stellt Wut den Erschwerungsgrund der Z 5 des § 33 StGB nicht her. Zwar liegen nur diese beiden Erschwernisgründe vor, sie sind aber – auf einen Vergleich der Anzahl von Milderungs- und Erschwernisgründen kommt es nicht an – in einer Zusammenschau genauso schwerwiegend wie die vorliegenden Milderungsgründe, weshalb die Mindeststrafe nicht in Betracht kommt. Unter Beachtung der persönlichen Verhältnisse und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Betroffenen ist somit eine Geldstrafe am untersten Rand, eben in der Höhe eines Monatsgehaltes, zu verhängen und spruchgemäß zu entscheiden.

3.5. Zum noch unterbliebenen Kostenausspruch:

Gemäß §§ 117 Abs. 2 BDG, 17 VwGVG ist, wird über den Beamten vom Bundesverwaltungsgericht (siehe VwGH 22.05.2019, Ro 2019/09/0002, Rz 18) eine Disziplinarstrafe verhängt, im Erkenntnis auszusprechen, ob und inwieweit er mit Rücksicht auf den von ihm verursachten Verfahrensaufwand, seine persönlichen Verhältnisse und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit die Kosten des Verfahrens zu ersetzen hat. Kosten für nichtamtliche Sachverständige zählen im Disziplinarverfahren zu den Verfahrenskosten (VwGH 22.05.2019, Ro 2019/09/0002).

Sofern die Behörde den Kostenanspruch nicht gemeinsam mit der Hauptsache erledigt, ist sie verpflichtet, einen gesonderten Bescheid über die Kostenfrage zu erlassen (VwGH 25.11.1960, VwSlg 5432 A/1960; VwGH 20.04.1995, 93/06/0137; VwGH 01.07.1998, 95/09/0166), für das Bundesverwaltungsgericht wird eine solche Entscheidung in Beschlussform ergehen.

Da die beigezogene Sachverständige bis dato die Gebührennote für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung nicht gelegt hat, ist über den vom Betroffenen zu leistenden Kostenersatz zu einem späteren Zeitpunkt und gesondert abzusprechen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die unter A) zitiert wurde, orientiert. Es ist keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu sehen.

Schlagworte

außerdienstliches Verhalten Beamter Dienstpflichtverletzung Disziplinaranwalt - Stattgebung Disziplinarerkenntnis Disziplinarstrafe Disziplinarverfahren Einleitungsbeschluss Ermessensfehler Ermessensübung Erschwerungsgrund Geldstrafe Gewalttätigkeit Milderungsgründe Schuldfähigkeit Schwere der Dienstpflichtverletzung Spruchpunkt - Abänderung Strafbemessung Strafhöhe Strafverfahren Teilstattgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W170.2229098.1.00

Im RIS seit

01.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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