TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/20 96/19/0878

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Veröffentlicht am 20.06.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §9 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Dezember 1994, Zl. 103.113/3-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Dezember 1994 wurde der am 24. November 1993 gestellte Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (AufG) gemäß § 9 Abs. 3 dieses Gesetzes abgewiesen.

Die Behörde begründete dies damit, daß aus dem Grunde des § 9 Abs. 3 AufG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) keine weiteren Bewilligungen erteilt werden dürften, wenn die in § 2 Abs. 1 AufG und der darauf beruhenden Verordnung festgelegte Anzahl von Bewilligungen erreicht sei. Ab diesem Zeitpunkt seien anhängige Anträge, die sich nicht auf den in § 3 AufG verankerten Rechtsanspruch stützten, abzuweisen. Für das Bundesland Wien sei in der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem AufG für 1994, BGBl. Nr. 72/1994, eine Höchstzahl von 4.300 Bewilligungen festgesetzt. Diese sei nunmehr erreicht. Auch bei eingehender Prüfung des Gesamtvorbringens habe ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht abgeleitet werden können. Angesichts dieser Rechtslage sei, ohne auf das weitere Berufungsvorbringen einzugehen, spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Juni 1995, B 300/95-5, wurde die Behandlung der gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde abgelehnt. Diesem Beschluß ist unter anderen zu entnehmen, daß "nach den Beschwerdebehauptungen die Verletzung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes wäre. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen."

Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 1996, B 300/95-7, wurde die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten. In der Beschwerdeergänzung vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (22. Dezember 1994) hatte die belangte Behörde die Rechtslage vor Inkrafttreten der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, anzuwenden.

Gemäß § 9 Abs. 3 AufG in dieser Fassung durften, sobald die gemäß § 2 Abs. 1 AufG festgelegte Anzahl erreicht war, keine weiteren Bewilligungen erteilt werden. Die Entscheidung über anhängige Anträge gemäß § 3 war auf das folgende Jahr zu verschieben; andere anhängige Anträge waren abzuweisen.

§ 3 leg. cit. bestimmt auszugsweise, daß ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten von Fremden, die auf Grund einer Bewilligung oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als zwei Jahren ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich haben, eine Bewilligung zu erteilen ist, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

In der Beschwerde bleibt unbestritten, daß die maßgebliche Höchstzahl von 4.300 Bewilligungen "nunmehr", also im Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde, erreicht gewesen ist. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen diese Feststellung keine Bedenken.

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde aber vor, die Vergabe der Quotenplätze willkürlich und nicht "chronologisch" vorgenommen zu haben. Im Sinne des Grundsatzes der verfassungskonformen Interpretation von Gesetzen hätte die Behörde auf die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gehabt. Die belangte Behörde habe keine Interessensabwägung durchgeführt. In diesem Zusammenhang werde auf den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Juni 1995 (den hier angefochtenen Bescheid betreffend) verwiesen, in dem der Verfassungsgerichtshof davon ausgehe, daß die gerügte Rechtsverletzung im vorliegenden Fall nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes wäre.

Aus der Formulierung des Ablehnungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes ist für den Beschwerdeführer aber nichts zu gewinnen. Die Erledigung des Verfassungsgerichtshofes erschöpft sich in der Ablehnung der Behandlung der Verfassungsgerichtshofbeschwerde. Der Verfassungsgerichtshof brachte damit lediglich zum Ausdruck, daß die vom Beschwerdeführer gerügte Rechtsverletzung allenfalls in einer unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes liegen könnte. Keinesfalls wurde damit aber eine auf einfachgesetzlicher Ebene liegende Rechtsverletzung auch nur angedeutet.

Was die mangelnde Berücksichtigung privater und familiärer Interessen des Beschwerdeführers betrifft, so sieht die Bestimmung des § 3 AufG eine Sonderregelung bezüglich der Erteilung von Bewilligungen zum Zweck der Familienzusammenführung, und zwar einen Rechtsanspruch, vor; weiters ist die Anzahl der Personen, denen im Rahmen der Familienzusammenführung der Aufenthalt zu gestatten ist, bei Festlegung der Zahl der Bewilligungen, die für jeweils ein Jahr höchstens erteilt werden dürfen (§ 2 Abs. 1 AufG), anzurechnen. Gemäß"§ 9 Abs. 3 AufG aF ist die Entscheidung über derartige Anträge bei Quotenerschöpfung auf das folgende Jahr zu verschieben. Mit diesen Regelungen wird nach dem Willen des Gesetzgebers der in Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK) verankerte Grundsatz des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens berücksichtigt. Damit hat der Gesetzgeber bei der Schaffung der in Rede stehenden Bestimmung bereits auf die durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Rechte des Fremden Bedacht genommen. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf den Umstand, in Wien geboren zu sein und bis zu seinem neunten Lebensjahr hier gelebt sowie hier familiären Anschluß zu haben, vermag der Beschwerde daher nicht zum Erfolg zu verhelfen, wird damit doch nicht geltend gemacht, daß der Beschwerdeführer in den begünstigten Personenkreis des § 3 leg. cit. fiele, sein Antrag somit anläßlich der Quotenerschöpfung nicht abzuweisen (sondern gemäß § 9 Abs. 3 zweiter Satz AufG aF zurückzustellen) gewesen wäre.

Soweit der Beschwerdeführer die Abweisung seines Antrages damit bekämpft, daß die Vergabe der Bewilligungen auf der Grundlage des § 2 Abs. 1 AufG willkürlich und nicht chronologisch erfolgt und seine besondere persönliche und familiäre Interessenslage nicht berücksichtigt worden sei, ist er darauf hinzuweisen, daß das Gesetz in § 9 Abs. 3 AufG aF lediglich darauf abstellt, ob die Quote erschöpft ist, und für diesen Fall vorschreibt, daß dann die anhängigen Anträge abzuweisen sind. Für den Fall der Übergehung des Beschwerdeführers bei Vergabe der quotenabhängigen Bewilligungen kennt das Gesetz keinen Folgenbeseitigungsanspruch im Sinne der Möglichkeit einer nachträglichen Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aufgrund des infolge Quotenerschöpfung abgewiesenen Antrages (vgl. hg. Erkenntnis vom 16. Mai 1997, Zlen. 96/19/0295, 0296 u.a.).

Der Verfassungsgerichtshof führt in seinem Erkenntnis vom 29. Juni 1995, B 2318/94, Slg. Nr. 14.191, zur Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 3 AufG aF aus, daß ein verfassungskonformes Verständnis dieser Bestimmung zur Auffassung führe, daß sich die Rechtskraft des abweisenden, die Bewilligung versagenden Bescheides nur auf die Beurteilung des Bewilligungsantrages in Beziehung auf die konkrete, zum Entscheidungszeitpunkt geltende und daher maßgebende Verordnung erstrecke; es sei dem Bewilligungswerber anheim gesellt, sich neuerlich um eine Bewilligung im Rahmen einer anderen, durch eine spätere Verordnung festgelegte Quote zu bewerben (wobei die Behörde gehalten sei, insbesondere jene Umstände zu berücksichtigen, die schon im früheren Verfahren vorgelegen und grundsätzlich für die Bewilligungserteilung gesprochen hätten). Ein Antragsteller, dessen Ansuchen zu Unrecht abgewiesen und darob der abweisende Bescheid aufgehoben wurde, sei gleichwohl nach der zum Zeitpunkt der neuen Entscheidung geltenden Quotenverordnung zu behandeln, aber in deren Rahmen bevorzugt zu berücksichtigen.

Schließlich irrt der Beschwerdeführer, wenn er den Antragszeitpunkt 24. November 1993 als für die behördliche Entscheidung relevanten Zeitpunkt nennt. Vielmehr hat die belangte Behörde die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung zu beachten, also das im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides geltende Recht anzuwenden. Die belangte Behörde legte daher zu Recht die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1994, BGBl. Nr. 72/1994, ihrer Entscheidung zugrunde.

Auch die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers betreffend die mangelnde Belehrung gemäß § 13a AVG hinsichtlich der Vornahme weiterer Verfahrenshandlungen (so zB. die Darstellung seiner Nahebeziehung zu Österreich) erweist sich als verfehlt. Abgesehen davon, daß sich die Rechtsbelehrung des § 13a AVG nicht auf die inhaltliche Gestaltung von während eines Verwaltungsverfahrens zu erstattenden Äußerungen bezieht, wäre der Wortlaut des § 9 Abs. 3 AufG in der damals anzuwenden Fassung - wie schon oben ausgeführt - einer Berücksichtigung derartiger Vorbringen entgegengestanden.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996190878.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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