TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/14 W282 2231892-1

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Veröffentlicht am 14.10.2020
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Entscheidungsdatum

14.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W2828 2231892-1/8E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 13.10.2020 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten RA Mag. Dr. Gregor KLAMMER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2020, Zl. XXXX bezüglich eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.10.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Feststellungen

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinem Aufenthalt:

Der Beschwerdeführer (BF) führt die im Spruch genannte Identität (Name und Geburtsdatum) und ist serbischer Staatsangehöriger. Seine Muttersprache ist Serbisch. Der Beschwerdeführer ist gesund und erwerbsfähig.

Der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers lag vor seiner Einreise in das Bundesgebiet im Jahr 2018 in Serbien, wo er geboren wurde, aufgewachsen ist und seine Schulpflicht absolviert hat. Der BF hat in Serbien bis zu seiner Einreise überwiegend bei seinen Eltern gelebt, die sich auch noch in Serbien aufhalten. Der BF hat im Oktober 2010 seine am XXXX geborene Gattin, die österreichische Staatsbürgerin ist, in Serbien geheiratet. Der BF hat mit seiner Gattin drei mj. Kinder, die mit ihm und seiner Gattin in Wien XXXX leben. Der BF und seine Gattin teilen sich die Obsorge für die Kinder. Die mj. Tochter des BF wurde im XXXX geboren, der mj. Sohn des BF im XXXX . Das jüngste Kind des BF wurde im XXXX geboren. Alle Kinder des BF sind österreichische Staatsbürger. Die Gattin des BF wurde im Jahr 2019 operiert und darf derzeit keine schweren Lasten heben.

Der BF ist im Dezember 2018 in das Bundesgebiet eingereist, hält sich seitdem durchgehend hier auf ohne über einen zum über den visumfreien Aufenthalt hinaus berechtigenden Aufenthaltstitel oder über ein Visum zu verfügen. Er hat in Folge Ende Dezember 2018 den ggst. Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt. Zuvor hat sich der BF mehrmals kurzfristig für visumfreie Zeiträume im Bundesgebiet aufgehalten. Dem BF und seiner Gattin ist bekannt, dass der BF den Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) im Wege des Familiennachzugs erst beantragen kann, wenn seine österreichische Gattin 21 Jahre alt ist. Weiters ist dem BF und auch seiner Gattin bekannt, dass der BF sich als serbischer Staatsangehöriger nur 90 Tage innerhalb von 180 Tagen im Schengenraum aufhalten darf, solange ihm kein Visum oder ein Aufenthaltstitel erteilt wurde. Der BF hat den ggst. Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 gestellt, damit er bei seiner Gattin und seinen Kindern im Bundesgebiet schon vor jenem Zeitpunkt leben kann, indem seine Gattin 21 Jahre alt wird.

Der BF hilft im Haushalt mit und kümmert sich auch um die gemeinsamen Kinder. Weiters unterstützt der BF seinen Schwiegervater bei Einkäufen, der an Bluthochdruck und Adipositas leidet, bei Einkäufen und alltäglichen Verrichtungen; eine unmittelbare Abhängigkeit des Schwiegervaters von der Hilfe des BF ist jedoch nicht gegeben.

Mit Ausnahme seiner Familie verfügt der Beschwerdeführer über keine umfangreichen sozialen Kontakte in Österreich. Er spricht nur wenig Deutsch, er hat diesbezüglich keine Sprachprüfung absolviert, möchte jedoch in Kürze die Prüfung auf A1 Niveau absolvieren. Besonders berücksichtigungswürdige Integrationsumstände oder Integrationsanstrengungen in sozialer, gesellschaftlicher, sprachlicher oder wirtschaftlicher Hinsicht liegen beim BF nicht vor. Die Sozialkontakte des BF beschränken sich im Wesentlichen auf seinen Familienkreis.

Der BF war bis dato im Bundesgebiet nicht erwerbstätig. Der BF hat in Serbien die Pflichtschule absolviert und eine Bäckerlehre begonnen, diese jedoch nach zwei Wochen abgebrochen. Derzeit bezieht die Familie Sozialleistungen bzw. wartet die Gattin des BF auf einen Bescheid hinsichtlich ihrer Mutterschaftskarenz. Der BF ist über seine Gattin krankenversichert. Die Gattin des BF verfügt in Wien über ein familiäres Netzwerk, da sich ihre Eltern, ihre zwei Brüder und ihre Schwester hier aufhalten.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Serbien gilt als sicherer Herkunftsstaat. Dem BF droht bei Rückkehr nach Serbien keine wie immer geartete Gefährdung in den Rechtsgütern des Art. 2 oder 3 EMRK, des 6. und 13. Zusatzprotokolls der EMRK und droht ihm auch keine wie immer geartete staatliche Verfolgung.

1.2 Zum angefochtenen Bescheid:

Der BF hat im Dezember 2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eingebracht.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge „Bundesamt“) hat diesen Antrag mit angefochtenem Bescheid vom XXXX 2020 zur im Spruch angegeben Zahl abgewiesen (Spruchpunkt I.), gegen den BF gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), seine Abschiebung nach Serbien für zulässig erklärt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen gesetzt (Spruchpunkt IV.)

Der BF hat gegen diesen Bescheid fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter Beschwerde erhoben. Am 13.10.2020 hat vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit des BF und seines Rechtsvertreters stattgefunden, in deren Rahmen der der BF sowie seine Ehegattin einvernommen wurden. Das Bundesamt blieb der Verhandlung entschuldigt fern. Nach Verkündung des Erkenntnisses beantrage der Rechtsvertreters des BF eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.

II. Beweiswürdigung

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt des Bundesamtes (insbesondere in die Niederschrift der Einvernahme vor dem Bundesamt) und in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts sowie durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden, an deren Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel bestehen, und durch Einvernahme des Beschwerdeführers am heutigen Tag und der Einvernahme der Gattin des BF als Zeugin.

Die Feststellungen zum Einreisezeitpunkt, der Aufenthaltsdauer, der familiären Situation, sowie dem Integrationsstatus des BF in wirtschaftlicher, sprachlicher, sozialer und gesellschaftlicher Hinsicht stützen sich auf die Einvernahme des BF in der mündlichen Verhandlung (Niederschrift OZ 7) sowie auf seine Angaben bei der Einvernahme vor dem Bundesamt (AS 46). Die Feststellung zum Motiv, aus dem der BF den ggst. Antrag nach § 55 AsylG 2005 gestellt hat, insbesondere, dass er hiermit einen Aufenthaltstitel erlangen will, da er einen solchen nach dem NAG von seiner Gattin derzeit noch nicht ableiten kann, da diese noch nicht 21 Jahre alt ist und somit die Altersbeschränkung des Familiennachzugs im NAG einem dementsprechenden Antrag entgegensteht, ergeben sich aus seinen Angaben bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt und bei Vernehmung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Auch die Gattin des BF gestand bei ihrer Einvernahme zu, bei Übersiedlung des BF darüber in Kenntnis gewesen zu sein, dass dieser vor ihrem 21. Geburtstag kein Aufenthaltsrecht von ihr ableiten kann und er eigentlich nach 90 Tagen wiederausreisen hätte müssen. Es steht hierbei für das Verwaltungsgericht auf Ebene der Beweiswürdigung und aufgrund des persönlichen Eindrucks des BF fest, dass der BF jene Bestimmung zur Familienzusammenführung im NAG, die festlegt, dass eine solche erst bei Erreichen des 21. Lebensjahres des Zusammenführenden (in diesem Fall die Gattin des BF) möglich ist, zu umgehen versucht. Die - auf menschlicher Ebene durchaus nachvollziehbare - Motivation des BF liegt darin, bereits vor diesem Zeitpunkt bei seiner Frau und seinen Kindern im Bundesgebiet leben zu wollen. Dies geht letztlich auch aus der Stellungnahme des Rechtsvertreters vom 10.02.2020 (AS 66) klar hervor, in der dieser zugesteht, dass der ggst. Aufenthaltstitelantrag nach § 55 AsylG 2005 nur deshalb gestellt wurde, da derzeit die Altersvoraussetzungen für den Familiennachzug noch nicht gegeben sind.

Die Feststellung, dass der Vater der Gattin des BF (sein Schwiegervater) nicht tatsächlich allein von der Hilfe des BF abhängig ist, ergibt sich daraus, dass die Mutter und Geschwister der Gattin des BF den Schwiegervater ebenfalls unterstützen könnten, zumal die Gattin des BF bei ihrer Einvernahme angab, ihre ganze Kernfamilie halte sich in Wien auf. Hierzu gab der BF an, sein Schwiegervater schätze ihn mehr als seine eigenen Söhne, was zwar in charakterlicher Hinsicht für den BF spricht, jedoch keinen Ausschlussgrund dafür darstellt, dass der Schwiegervater auch von seiner eigenen Familie unterstützt werden könnte. Weiters ist den vorgelegten medizinischen Unterlagen des Schwiegervaters zu entnehmen, dass dieser zwar in seiner körperlichen Leistung eingeschränkt ist, er jedoch medikamentös behandelt wird (Urkundenvorlage OZ 6). Eine Pflegebedürftigkeit des Schwiegervaters des BF, die noch dazu ausschließlich vom BF abdeckt werden könnte besteht somit nicht, zumal der Schwiegervater auch krankenversichert ist und somit im Bedarfsfall auf öffentliche Pflegeleistungen zurückgreifen kann.

Die Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat beruht auf § 1 Z 6 Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV).

III. rechtlich war zu erwägen:

Zu A)

3.1. Rechtsgrundlagen:

Der mit „Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK“ betitelte § 55 AsylG 2005 lautet wie folgt:

„(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.“

Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

„(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

„(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Der mit Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ betitelte §41a Abs. 10 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz lautete wie folgt:

„(10) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 bis 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn es sich um einen unbegleiteten minderjährigen Fremden handelt und sich der Minderjährige auf Grund eines Gerichtsbeschlusses, kraft Gesetzes oder einer Vereinbarung der leiblichen Eltern mit dem Kinder- und Jugendhilfeträger zum Schutz des Kindeswohles nicht bloß vorübergehend in Obhut von Pflegeeltern oder des Kinder- und Jugendhilfeträgers befindet. Die Pflegeeltern gelten diesfalls als gesetzliche Vertreter im Sinne des § 19. Dieser Aufenthaltstitel ist gebührenfrei zu erteilen.“

3.2 Zu Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides:

Entsprechend der Bestimmungen des § 55 AsylG 2005 ist eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Zur Prüfung der inhaltlichen Berechtigung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 AsylG 2005 ist eine Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG vorzunehmen. Dafür ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Daraus und aus der Eingliederung dieses Aufenthaltstitels nach § 55 AslyG 2005 unter jene aus „berücksichtigungswürdigen (humanitären) Gründen“ ergibt sich, dass die Erteilung letztlich an eine humanitäre Notlage des Aufenthaltstitelwerbers anknüpfen soll, da ein Aufenthaltstitel auf Basis des die Zuwanderung und die Migration regelnden NAG unter keinen Umständen erteilt werden kann. Gegenständlich liegt eine solche Situation aber schon vorweg nicht vor, da der BF aufgrund seiner Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin sehr wohl dem Grunde nach als „Familienangehöriger“ iSd § 2 Abs. 1 Z 9 NAG zu qualifizieren ist. Das NAG legt aber bereits in dieser Bestimmung fest, dass diese Eigenschaft erst dann verwirklicht wird, wenn im Fall von Ehegatten der/die Zusammenführende das 21. Lebensjahr erreicht. Im gegenständlichen Fall hat das Beweisverfahren aber zweifelsfrei ergeben, dass der BF und seine Gattin bloß die Erfüllung dieser Altersbeschränkung für die Familienzusammenführung iSd § 47 NAG nicht abwarten möchten, wobei die Gattin des BF bereits im März 2021 21 Jahre alt wird. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG ist dem BF somit ab dem 21. Lebensjahr seiner Gattin gewiss, nur möchte der BF schlichtweg nicht auf diesen Zeitpunkt warten. Tatsächlich kommt aber dieser Altersgrenze erhebliche Bedeutung zu, da der Gesetzgeber eben auch Drittstaatsangehörigen, die Ehegatten von Österreichern/Österreicherinnen oder sonst daueraufenthaltsberechtigten Personen sind, vor deren jeweiligen 21. Lebensjahr bewusst kein (Dauer-)Aufenthaltsrecht einräumen wollte. Der BF versucht jedoch entgegen dieses klaren gesetzgeberischen Willens seinen Daueraufenthalt schon vor diesem Zeitpunkt zu erzwingen.

Die belangte Behörde begründete den abweisenden Bescheid im Wesentlichen damit, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich nicht schwerer wiegen würden als die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen. Dabei ist dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu folgen:

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen.

Bei der Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die folgenden Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423): Erstens die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, zweitens das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, drittens die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, viertens der Grad der Integration, fünftens die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, sechstens die strafgerichtliche Unbescholtenheit, siebentens Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, achtens die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren und schließlich neuntens die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Auch wenn das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, so ist die bloße Aufenthaltsdauer freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247).

Bei der nach § 9 BFA-VG vorzunehmenden Interessenabwägung ist es zudem notwendig, sich mit den Auswirkungen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf das Kindeswohl auseinanderzusetzen (vgl. etwa VwGH 28.11.2019, Ra 2019/19/0359; 24.09.2019, Ra 2019/20/0420; 20.09.2017, Ra 2017/19/0163; jeweils mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Judikatur eine dauerhafte Trennung von Familienangehörigen, mit denen ein gemeinsames Familienleben im Herkunftsland dauerhaft nicht zumutbar ist, im Ergebnis nur dann für gerechtfertigt erachtet, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie dies insbesondere bei Straffälligkeit des Fremden oder bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug der Fall ist (vgl. VwGH 28.11.2019, Ra 2019/19/0359, mwN).

Gegenständlich steht eingangs außer Frage, dass der BF mit seiner Gattin und seinen drei mj. Kindern ein Familienleben iSd Art. 8 ERMK führt. Der BF wohnt mit seinen Kindern und seiner Gattin in einem gemeinsamen Haushalt; er ist auch finanziell von seiner Gattin abhängig.

Bei der nun vorzunehmenden Interessenabwägung ist daher zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer ein erhebliches Interesse an einem Verbleib in Österreich hat, weil sich ein Teil seiner Kernfamilie im Bundesgebiet aufhält. Dem Interesse an einer Fortsetzung dieses Familienlebens steht aber das große öffentliche Interesse am geordneten Vollzug fremdenrechtlicher Vorschriften gegenüber.

Bei der Gewichtung der für den Fremden sprechenden Umstände iSd § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG 2014 darf maßgeblich relativierend einbezogen werden, dass er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 04.02.2020, Ra 2020/14/0026; 25.04.2019, Ra 2019/19/0114, jeweils mwN). Das Familienleben des BF hat dieser im Bundesgebiet fast ausschließlich während einer Zeit begründet, in der er sich seines unrechtmäßigen Aufenthaltes und damit der Tatsache, dass ihm kein Bleiberecht zukommt und sein Verbleib im Bundesgebiet daher höchst unsicher ist, ausdrücklich bewusst war.

Zur Aufenthaltsdauer ist festzuhalten, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 25.04.2018, Ra 2018/18/0187). Relativierend ist daher zu berücksichtigen, dass die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers von weniger als zwei Jahren iSd höchstgerichtlichen Judikatur als kurz zu werten ist und der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet ab Überschreitung der visumfreien Aufenthaltsdauer fast über die ganze Dauer unrechtmäßig war. Dem BF und seiner Gattin war diese Tatsache auch schon vor der Einreise des BF bewusst.

Zur Frage der Bindungen an den Heimatstaat: Der BF hat nach wie vor sehr starke Bindungen nach Serbien, da sich dort seine Eltern und Geschwister aufhalten. Der BF hat vor seiner Einreise im Jahr 2018 auch überwiegend bei seinen Eltern in Serbien gelebt. Der BF wurde in Serbien sozialisiert und kann auch wieder vorübergehend bis zu jenem Zeitpunkt in seiner Heimat leben, an dem ihm ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ erteilt werden kann, wenn seine Gattin (demnächst) 21 Jahre alt wird. Das der BF mit seiner Familie etwas zerstritten ist, weil diese gegen seine Ehe mit seiner jetzigen Gattin war, reicht nicht aus, um von einem binnen dieser kurzen Zeit erfolgten vollständigen Abbruch der Beziehungen auszugehen.

Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere bzw. überragende Integration des Beschwerdeführers in Österreich liegen in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht nicht vor. Die Integration der Beschwerdeführerin ist vielmehr für die Dauer ihres Aufenthalts eher unterdurchschnittlich ausgeprägt. In sprachlicher Hinsicht hat der BF keine erkennbaren Integrationsschritte unternommen. Er gab zwar an, in Kürze die Sprachprüfung auf A1 Niveau absolvieren zu wollen, konnte aber bei seiner Befragung ohne Dolmetscher drei typischerweise auf A1 Niveau angesiedelte Fragen des erkennenden Richters auf Deutsch nicht beantworten. Auch in sozialer Hinsicht beschränken sich die Sozialkontakte des BF erkennbar auf seine Familie, bzw. die Familie seiner Gattin.

Es verstößt in einer Gesamtschau auch nicht gegen das Kindeswohl gemäß § 138 ABGB der mj. Kinder des BF, wenn der Beschwerdeführer bloß vorübergehend und kurzfristig nicht mehr im Bundesgebiet lebt und der Kontakt durch Besuche im Rahmen des visumfreien Aufenthalts oder durch andere Kommunikationsmittel für diesen beschränkten Zeitraum aufrechterhalten wird. Da die Gattin des BF bereits Ende März 2021 21 Jahre alt wird, und dann die Beantragung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ bzw. ein Familiennachzug nach § 47 NAG grds. möglich wird, ist es dem BF jedenfalls zumutbar, wenn er bis zu diesem Zeitpunkt unter Einhaltung der Bedingungen des visumfreien Aufenthalts (90 Tage innerhalb von 180 Tagen) sich teils in Serbien und teils im Bundegebiet aufhält. Von der in der Beschwerde dramatisierten Darstellung „die Kinder des BF müssten bei dessen Rückkehr nach Serbien ebendort aufwachsen“ kann daher absolut keine Rede sein. Die Gattin des BF kann insbesondere auch während der Abwesenheit des BF in diesen kurzen Zeiträumen von ihren hier lebenden Verwandten unterstützt werden, da ihre gesamte Kernfamilie in Wien wohnt. Darüber hinaus ist auf die umfangreichen und kostenlosen öffentlichen Kinderbetreuungs- und sozialen Unterstützungsleistungen in Wien hinzuweisen, auf die die Gattin des BF während diese sicherlich herausfordernden, aber lediglich kurzfristigen Zeiträume zurückgreifen kann. Es besteht entgegen dem Vorbringen des Rechtsvertreters des BF bei Vornahme entsprechender Anstrengungen daher keinerlei Notwendigkeit, dass die Kinder des BF mit diesem nach Serbien ausreisen müssen.

Mit diesen aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer und dem Fehlen von integrationsbegründenden Umständen nur beschränkt ins Gewicht fallenden Interessen des BF am Verbleib im Bundesgebiet sind die öffentlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und dem Vollzug fremdenrechtlicher Bestimmung zu messen. Die Rückkehrentscheidung stellt dabei angesichts der familiären Bindungen in Österreich einen Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF dar.

Die öffentlichen Interessen an der Nicht-Erteilung des Aufenthaltstitels bei gleichzeitiger Aufenthaltsbeendigung sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im ggst. Fall deutlich erhöht: Zum einen muss es nicht akzeptiert werden, dass der Fremde mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003, mwN). Es steht für das Verwaltungsgericht jedoch fest, dass der BF im Hinblick auf sein Familienleben durch Missachtung seiner Ausreisepflicht genau dies zu erreichen versucht bzw. seinen Aufenthalt im Wege des Familiennachzugs vor Erreichen des 21. Lebensjahres seiner Gattin zu erzwingen versucht. Er gibt dies letztlich auch inhaltlich zu, in dem er angibt die Regelungen der Familienzusammenführung des NAG und somit die Altersbeschränkungen des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG zu kennen, diese jedoch durch den ggst. Aufenthaltstitelantrag umgehen zu wollen, um schon vor dem 21. Geburtstag seiner Gattin im Bundesgebiet verbleiben zu können. Der Verwaltungsgerichtshof hat insbesondere in Fällen, in denen ein Fremder seinen in Österreich aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen (Ehegatten, Lebenspartnern bzw. Kindern) nachgereist war und einen Antrag auf internationalen Schutz bzw. auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zur von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug gestellt hatte, festgehalten, dass in solchen Konstellationen das öffentliche Interesse besonders schwer wiegt, zumal von den Beteiligten nicht von einem (rechtmäßigen) Verbleib in Österreich ausgegangen werden konnte (vgl. VwGH 21.2.2020, Ra 2020/18/0047; 19.12.2019, Ra 2019/21/0186; jeweils mzwN). Im ggst. Fall haben sowohl der BF als auch die Gattin des BF unumwunden zugestanden, dass ihnen die Tatsache bekannt ist und auch schon bei der Einreise des BF bekannt war, dass die Familienzusammenführung des BF mit seiner Gattin iSd § 47 NAG erst mit Erreichen des 21 Lebensjahres der Gattin möglich ist und ein gemeinsames Leben im Bundesgebiet über den Zeitraum des visumfreien Aufenthalts des BF hinaus vor dem 21. Lebensjahr der Gattin des BF nicht möglich sein wird. Dennoch möchte der BF schon vor diesem Zeitpunkt in Österreich leben und hat daher den ggst. Antrag gestellt. Dies ist menschlich zwar absolut verständlich, stellt dennoch aber eine von Anfang an versuchte Umgehung der Bestimmungen der (Alters-)Beschränkungen des Familiennachzugs, durch Stellung des ggst. Aufenthaltstitelantrags nach § 55 AsylG 2005 dar.

Bei der Interessensabwägung gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG überwiegen somit die öffentlichen Interessen die privaten Interessen des Beschwerdeführers deutlich, weshalb die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 nicht vorliegen, sodass gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 3 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist. Dieses Ergebnis steht mit der einschlägigen Judikatur des VwGH zu § 55 AsylG 2005 in Einklang. Die lediglich zeitweise und kurzfristige Trennung des BF von seiner im Bundesgebiet aufhältigen Familie, bis zu jenem nahen Zeitpunkt indem die Beantragung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ nach dem NAG möglich wird, ist im öffentlichen Interesse daher hinzunehmen.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG von Amts wegen gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (vgl. VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0157). Demnach ist die Abschiebung unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für den Betreffenden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs. 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben oder die Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre (Abs. 2) oder solange die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs. 3).

Anzuführen ist hierzu erneut, dass es sich bei Serbien gemäß § 1 Abs. 6 HStV um einen sicheren Herkunftsstaat handelt.

Da keine dieser Voraussetzungen hier zutrifft, ist festzustellen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zulässig ist. In Anbetracht der vorrangigen Funktion der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG, (lediglich) den Zielstaat der Abschiebung festzulegen, ist es nicht Aufgabe des Bundesamtes oder des Bundesverwaltungsgerichts, im Verfahren zur Erlassung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme letztlich ein Verfahren durchzuführen, das der Sache nach einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz gleichkommt (vgl. VwGH 07.03.2019, Ra 2019/21/0044). Serbien gilt als sicherer Herkunftsstaat (§ 1 Z 6 HStV), was für die Annahme einer grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und -willigkeit der dortigen Behörden spricht, zumal bei der Festlegung sicherer Herkunftsstaaten insbesondere auf das Bestehen oder Fehlen von staatlicher Verfolgung, Schutz vor privater Verfolgung und Rechtsschutz gegen erlittene Menschenrechtsverletzungen Bedacht zu nehmen ist (in diesem Sinn etwa VwGH 10.08.2017, Ra 2017/20/0153).

Unter Berücksichtigung der Lebensumstände des gesunden und arbeitsfähigen Beschwerdeführers sowie basierend auf den vorliegenden Länderinformation (Länderinformationsblatt Serbien idF Teilaktualisierung 05.06.2020) liegen keine Gründe vor, die eine Abschiebung unzulässig machen würden. Der BF gehört im Hinblick auf die COVID-19 Pandemie auch keiner Risikogruppe an und sind in diesem Hinblick keine besonderen Vulnerabilitäten gegeben. Auch liegt in Serbien die Anzahl der bestätigten Infektionen mit COIVD-19 (34.854) und auch die Anzahl der dadurch bedingten Todesfälle (765) unter jenen Österreichs (https://covid19.who.int/region/euro/country/rs, Stand 13.10.2020).

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides war daher ebenfalls gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach
§ 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides.

Gemäß § 55 Abs. 3 FPG kann, wenn in einer Abwägung festgestellt wird, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen, eine längere angemessene Frist festgesetzt werden.

Da ggst. keine besonderen Umstände iSd § 55 Abs. 3 FPG während des Verfahren hervorkamen, hat das Bundesamt die Frist für die freiwillige Ausreise § 55 Abs. 1 leg. cit. folgend zu Recht mit 14 Tagen festgelegt.

Die Beschwerde gegen diesen Spruchpunkt war daher ebenfalls gemäß
§ 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

Zu B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen Rechtsfragen, insbesondere zu den Erteilungsvorrausetzungen eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 auf die (in der Begründung zitierte) ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Familienleben illegaler Aufenthalt Interessenabwägung öffentliches Interesse Pandemie Risikogruppe Rückkehrentscheidung sicherer Herkunftsstaat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W282.2231892.1.00

Im RIS seit

27.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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