TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/11 I406 2233861-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.11.2020
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Entscheidungsdatum

11.11.2020

Norm

AVG §35
BFA-VG §22a
BFA-VG §42
BFA-VG §43 Abs1 Z2 lita
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §17
VwGVG §28 Abs6
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs3

Spruch

I406 2233861-1/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, vertreten durch die WEH Rechtsanwalt GmbH, Wolfeggstraße 1, 6900 Bregenz, gegen die Festnahme des Beschwerdeführers am 07.08.2020 um 10.55 bis 08.08.2020 um 13:50 Uhr und seine Vorführung zur XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl auf Verhängung einer Mutwillensstrafe wird als unbegründet abgewiesen.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsbürger, stellte am 15.10.2015 gemeinsam mit seiner Schwester und deren Kindern einen Antrag auf internationalen Schutz. Die belangte Behörde wies diesen mit Bescheid vom 15.11.2016 ab und erließ eine Rückkehrentscheidung. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 21.11.2019, Zl I403 2141478-1/21E ab. Die dagegen erhobene Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 21.01.2020 sowie der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 23.03.2020 ab.

Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und stellte am 07.08.2020 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz und machte als neuen Fluchtgrund geltend, er habe seinen neuen christlichen Glauben auf Facebook verbreitet und daher einen Drohbrief aus dem Irak erhalten und befürchte, umgebracht zu werden.

Mit Schriftsatz vom 07.08.2020, beim Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck eingelangt am 10.08.2020 erhob der Beschwerdeführer eine Maßnahmenbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Der Beschwerdeführer sei am 07.08.2020 in XXXX befragt und im Anschluss daran festgenommen worden, man habe ihm mitgeteilt, er solle am Folgetag nach XXXX überstellt werden. Nachdem der Rechtsvertreterin ausgehändigten „Informationsblatt für Festgenommene“ sei diese Festnahme „gemäß § 40 Abs. 1 Z 2 BFA-VG“ mit der Begründung erfolgt, er sei festgenommen worden, weil er Auflagen, die ihm die belangte Behörde auferlegt hätte, nicht eingehalten habe, er müsse spätestens nach 48 Stunden freigelassen werden. Der Beschwerdeführer habe Auflagen weder erhalten noch verletzt, die Festnahme sei daher rechtswidrig.

In weiterer Folge habe ein für die XXXX Journaldienst tuendes Organ dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers telefonisch mitgeteilt, es liege keine Festnahme gemäß § 40 Abs. 1 Z. 2 BFA-VG vor sondern eine § 40 Abs. 2 BFA-VG, da sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, er habe die Vorführung nach XXXX angeordnet.

Gegen die Festnahme am 07.08.2020, die Inhaftierung in XXXX , Anhaltung und zwangsweise Vorführung zur XXXX richte sich die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde.

Der Beschwerdeführer lebe in gesicherten Verhältnissen in XXXX , es bestehe keine Fluchtgefahr. Der Beschwerdeführer würde freiwillig zur Einvernahme beim BFA in XXXX erscheinen. Die Festnahme Gründe nach dem „Informationsblatt für Festgenommene“ lägen nicht vor. Die Festnahme wegen angeblich rechtswidrigen Aufenthaltes sei somit unverhältnismäßig. Der Beschwerdeführer habe überdies keine Möglichkeit, in den Irak auszureisen. Unter Berücksichtigung des unionsrechtlich gewährleisteten Rechtes des Beschwerdeführer auf Vertretung durch einen Rechtsanwalt stelle die Verhaftung des Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechtes auf ein faires Verfahren und auf effektive und umfassende Vertretung und Verteidigung nach der Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU dar, wenn er an einem Ort vorgeführt und vernommen werde, der einen unangemessenen hohen für ihn und seine Rechtsvertretung bedeute, in dem die Anreise insgesamt einen Tag An- und Abreise in Anspruch nehme, dies insbesondere da aufgrund der steigenden Infektionszahlen mit COVID-19 Reisetätigkeiten weitestmöglich eingeschränkt werden sollen. Die Vernehmung könne problemlos durch das BFA XXXX durchgeführt werden. Sie könne jedoch auch nach vorheriger Ladung ohne Inhaftierung und Zwang in XXXX durchgeführt werden, so dies erforderlich sei, der Beschwerdeführer würde jederzeit persönlich anreisen. Nach § 3 Z 3 AVG sei die Behörde am Wohnort der Partei zuständig, abweichende Normen seien mangels Erforderlichkeit verfassungswidrig.

Mit Mail vom 10.08.2020 forderte das Bundesverwaltungsgericht die belangte Behörde auf, die gegenständlichen Verfahrensakten vorzulegen.

Am 11.08.2020 erfolgte durch das BFA, XXXX die Vorlage eines Teiles der gegenständlichen Verfahrensakten.

Mit Mail vom 12.08.2020 forderte das Bundesverwaltungsgericht das BFA zur Vorlage der noch nicht vorgelegten Verfahrensakten auf.

Am 13.08.2020 langte der Verwaltungsakt des BFA, RD XXXX betreffend das erste Asylverfahren des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck ein.

Mit Stellungnahme vom 13.08.2020 teilte das BFA, XXXX mit, der Beschwerdeführer befinde sich nicht in Haft, auch bestehe keine Unterkunftnahmeverpflichtung gemäß § 50b AsylG. Der Beschwerdeführer habe sich bis zur Stellung des Folgeantrages am 07.08.2020 in Grundversorgung beim Land XXXX befunden, mit Antragstellung habe das Asylverfahren ohne Verfahrenszulassung den Übergang in die Bundesgrundversorgung bewirkt, der Beschwerdeführer sei nach Prognoseentscheidung der XXXX vorgeführt und als Asylwerber im Zulassungsverfahren in der Bunds- Betreuungsstelle West in XXXX in Bundes- Grundversorgung aufgenommen worden. Hier sei er auch aktuell aufhältig und ZMR-gemeldet. Die Einvernahme, in der geprüft werden solle, ob entschiedene Sache vorliege, sei für den 18.08.2020 in der XXXX anberaumt, die Ladung sei sowohl an den Beschwerdeführer als auch an dessen Rechtsvertreter gegangen. Die Vorgangsweise entspreche § 2 Abs. 1 Grundversorgungsgesetz - Bund, wonach kein Anspruch auf Versorgung in einer bestimmten Bundesbetreuungseinrichtung oder einem bestimmten Bundesland bestehe. Somit bestehe für die diesbezügliche (Standard)Vorgehensweise betreffend den Versorgungsübergang von Landes- auf Bundesgrundversorgung eine eindeutige gesetzliche Grundlage und sei deshalb auch im gegenständlichen Fall so vorgegangen worden. Ergebe die Prüfung des Sachverhaltes eine Verfahrenszulassung, würde der Beschwerdeführer erneut in die Landesgrundversorgung übergehen.

Am 18.08.2020 erfolgte eine weitere Übermittlung von Aktenteilen durch das BFA, XXXX .

In der in diesem Zuge übermittelten Stellungnahme führte das BFA aus, der Beschwerdeführer halte sich nach rechtskräftiger Abweisung seines ersten Asylantrages, Ablehnung der Beschwerde durch den VfGH und Zurückweisung der Revision durch den VwGH unrechtmäßig in Österreich auf und habe am 07.08.2020 vor einem Organ der LPD XXXX in Beisein seiner Rechtsvertretung einen Asylfolgeantrag gestellt. Nach erkennungsdienstlicher Behandlung, Erstbefragung und Ausfolgung der Informationsblätter sei das BFA informiert worden, dieses habe nach Prüfung der Unterlagen die Vorführung des Beschwerdeführers zur XXXX angeordnet. Nach Einlangen der Anordnung seien die Festnahme des Beschwerdeführers und seine Vorführung zur XXXX erfolgt, der diesbezügliche Transportauftrag für den 08.08. sei am 07.08., 11 Uhr 48 eingelangt.

Die Festnahme nach § 40 BFA-VG sei gesetzlich als Organbefugnis ausgestaltet, der Beschwerdeführer sei unverzüglich mündlich über die Gründe der Festnahmen informiert worden, dabei sei im Beisein des Dolmetschers sowie der Rechtsvertreterin als Festnahmegrund der Tatbestand des § 40 Abs. 2 Z 1 BFA-VG genannt worden, wonach die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt sind, Asylwerber oder Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, wenn dieser Fremde nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist. Lediglich bei der zusätzlichen schriftlichen Information in Form eines Formulars mit sämtlichen Festnahmetatbeständen für die Fremdenpolizei sei irrtümlich das falsche Feld angekreuzt und dieses Informationsblatt ausgefolgt worden, diesem Umstand komme rechtlich keine Bedeutung zu. Die Festnahme sei zweifelsfrei gemäß § 40 Abs. 2 Z1 BFA-VG zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt erfolgt, weil sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Folgeantragstellung unbefugt im Bundesgebiet aufgehalten habe. Die Exekutivbediensteten der durchführenden Polizeiinspektion seien als Mitarbeiter einer fremdenrechtlichen Fachinspektion in fremdenrechtlichen Maßnahmen besonders geschult und es sei daher nachvollziehbar, dass mündlich der korrekte Tatbestand der Festnahme genannt worden sei und irrtümlich das falsche Feld im gegenständlichen Formular angekreuzt worden sei. Auch wäre der anwesenden Rechtsvertreterin eine mündliche Falschinformation sofort aufgefallen und hätte sie diese festgehalten. Auch aus Abschnitt I Seite 2 des Anhalteprotokolls ergebe sich eindeutig die Intention der Festnahme (Asylantrag, illegale Einreise/Aufenthalt und Vorführung zur XXXX nach Folgeantrag) gemäß § 40 Abs. 2 Z1 BFA-VG. Das Anhalteprotokoll sei Zeile für Zeile mit dem Beschwerdeführer durchgegangen worden, dieser habe dieses mehrfach unterfertigt. Die Festnahme des Beschwerdeführers sei gesetzlich vorgesehen, zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und unerlässlich. Die Organe der zuständigen Polizeiinspektion seien sehr sorgsam mit der Maßnahme umgegangen und hätten so lange mit der Festnahme zugewartet, bis die Anordnung der Vorführung seitens des BFA eingetroffen sei. Die Entlassung aus der Anhaltung sei nach vollzogener Vorführung am 08.08.2020 um 13:50 Uhr erfolgt, die Freilassung sei im Anhalteprotokoll Abschnitt IV Seite 17 dokumentiert. Die in Verwahrung gehaltenen „Haft“-Effekten (wie Mobiltelefon, Schlüssel und Bargeld) seien ausgefolgt worden. Der Beschwerdeführer befinde sich seit 08.08.2020, 13:50 Uhr in keiner Maßnahme einer verwaltungspolizeilichen Anhaltung, er könne sich frei bewegen und das Areal der Betreuungsstelle jederzeit verlassen.

Das BFA habe nach einer Asylantragstellung vor einem Organ der öffentlichen Sicherheit auf Basis der übermittelten Unterlagen über die weitere Vorgangsweise zu entscheiden. Bei einem nicht zum Aufenthalt berechtigten Fremden könne die Vorführung zur BFA-Erstaufnahmestelle oder Regionaldirektion-Außenstelle angeordnet werden, wenn es die weitere Verfahrensführung erfordere. Verlange die weitere Verfahrensführung keine Vorführung, könne die Zuweisung an eine Betreuungsstelle des Bundes samt kostenfreier Anreise angeordnet werden. Folgeanträge würden als „Zulassungsverfahren“ iSd § 28 und 29 AsylG geführt, die Abarbeitung obliege gemäß § 29 Abs. 1 AsylG iVm BFA-G-Durchführungsverordnung den Erstaufnahmestellen.

Die Vorführung zur XXXX sei für die weitere Verfahrensführung unbedingt erforderlich gewesen, dies insbesondere zur erweiterten Identitätsermittlung aufgrund der Angaben in der Erstbefragung, zur Ausstellung der Verfahrenskarte gemäß § 50 AsylG, der gesundheitlichen Untersuchung in der Betreuungsstelle sowie der Einvernahme vor einem Organ des BFA. Die angeordnete Vorführung zum BFA- XXXX sei gesetzlich vorgesehen und aufgrund der einzuleitenden Verfahrensschritte damit notwendig und verhältnismäßig.

Angesichts des rechtskräftig abgeschlossenen ersten Asylverfahrens sei absehbar gewesen, dass ein rasches Ermittlungsverfahren erforderlich sein werde, um innerhalb von 20 Tagen den Kenntnisstand für eine Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG zu erlangen, dafür sei eine Einvernahme von innerhalb von 20 Tagen unerlässlich gewesen.

Es werde Ersatz für den Vorlageaufwand sowie für den Schriftsatzaufwand für die belangte Behörde beantragt.

Mit Schriftsatz vom 19.08.2020 stellte der Beschwerdeführer einen Fristsetzungsantrag.

In diesem Zuge machte der Beschwerdeführer neuerlich geltend, er wolle in XXXX einvernommen werde, dennoch sei er nach XXXX überstellt worden, dies ohne geringsten Grund und trotz nachgewiesener Unterkunftsmöglichkeit in XXXX .

Nach der Beendigung der Einvernahme des Beschwerdeführers durch die XXXX am 18.08.2020 habe der Einvernahmeleiter zwar erklärt, der Beschwerdeführer könne nach XXXX zurückkehren, wenn er auf die Bundesbetreuung verzichte, jedoch habe ein anderes Organ der belangten Behörde mit Hinweis auf einen auf Grund gesetzlicher Bestimmungen noch durchzuführenden COVID-Test erklärt, eine sofortige Abreise des Beschwerdeführers sei nicht möglich.

Der „rechtsführende“ Rechtsanwalt, der in dieser Angelegenheit auch als einziger alle Sachinformationen habe, befinden sich derzeit auf Urlaub, der einzige andere Anwalt der Kanzlei gehöre mit 69 Jahren der Hochrisikogruppe von Corona an, daher sei ihm eine Reise nicht zumutbar.

Am 21.08.2020 erfolgte eine weitere Übermittlung von Aktenteilen durch das BFA, XXXX .

Am 27.08.2020 erfolgte eine weitere Aktenvorlage durch das BFA, XXXX .

Mit der in diesem Zuge erstatteten Stellungnahme wies das BFA darauf hin, dass bei Aufnahme in die Grundversorgung des Bundes die derzeitigen COVID-Sicherheitsmaßnahmen zu absolvieren seien. Diese würden in einer Doppeltestung am ersten und am achten Tag der Aufnahme durchgeführt und dienten dem bestmöglichen Schutz für Hilfs- und schutzbedürftige Personen unterschiedlicher Nationen; sie seien keinesfalls ein Werkzeug für eine zwangsweise Anhaltung, sondern gründeten auf der aktuelle Covid-Lage in Österreich und seien eine erforderliche Vorsichtsmaßnahme, um die Verbreitung von COVID hintanzuhalten.

Aus dem Protokoll der Einvernahme durch das BFA XXXX , gehe hervor, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Einvernahme gewusst habe, dass er abgesehen von der freiwilligen Selbstverpflichtung zur Nachtruhe, keinen Bewegungsbeschränkungen unterliege, ebenso habe er gewusst, dass er jederzeit auf die Grundversorgung verzichten könne.

Auf die Grundversorgung hätte der Beschwerde für jederzeit einen Verzicht bei der zuständigen Behörde einbringen können, ebenso hätte er auf diese faktisch verzichten können. Dies hätte seinem Rechtsvertreter als zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugtem Rechtsanwalt bekannt sein müssen.

Der Beschwerdeführer habe am 19.08.2020 das Gelände der Betreuungsstelle verlassen.

Es werde beantragt, eine Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG iVm §17 VwGVG zu verhängen, da der Rechtsvertreter gewußt habe, dass sich der nicht in aufrechter Anhaltung befunden habe und die Verzögerung in Bezug auf den Verzicht auf Grundversorgung auf Unkenntnis der rechtlichen Bestimmungen zurückzuführen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer hält sich nach rechtskräftiger Abweisung seines ersten Asylantrages, Ablehnung der Beschwerde durch den VfGH und Zurückweisung der Revision durch den VwGH unrechtmäßig in Österreich auf.

Am 07.08.2020 stellte der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung vor einem Organ der Polizeiinspektion XXXX - XXXX , Fremden- und Grenzpolizeiliche Abteilung der Landespolizeidirektion XXXX einen Asylfolgeantrag.

Unmittelbar im Anschluß führte ein Organ der Fremden- und Grenzpolizeilichen Abteilung die Erstbefragung des Beschwerdeführers durch.

Nachdem das BFA informiert worden war, ordnete dieses die Vorführung des Beschwerdeführers zur XXXX in XXXX an, der Beschwerdeführer wurde um 10.55 festgenommen.

Nach erfolgter Vorführung des Beschwerdeführers zur XXXX in XXXX erfolgte am 08.08.2020 seine Einvernahme. Im Anschluß an die Einvernahme wurde der Beschwerdeführer um 13:50 Uhr aus der Anhaltung entlassen.

Nach zwei COVID-Testungen am 10. bzw. 17.08.2020 im Rahmen der COVID-Vorsichtsmaßnahmen in der Bundes-Grundversorgung und Einlangen der negativen Testergebnisse sowie einer Röntgenuntersuchung am 18.08.2020 verließ der Beschwerdeführer am 19.08.2020 die XXXX und verzog an eine namentlich genannte Adresse in XXXX .

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen beruhen auf dem Beschwerdevorbringen, den Stellungnahmen der belangten Behörde und den Vorentscheidungen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A)

Zu I.

Gemäß § 28 Abs. 6 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 33/2013 in der Fassung BGBl. I 24/2017 (in Folge: VwGVG), hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben, wenn im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. 1/1930 in der Fassung BGBl. I 106/2016 (in Folge: B-VG), eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.

§ 42 BFA-VG lautet:

„Antragstellung bei einer Sicherheitsbehörde oder bei Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Befragung und Befugnis zur erkennungsdienstlichen Behandlung

§ 42. (1) Stellt ein Fremder einen Antrag auf internationalen Schutz bei einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes eine erste Befragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 durchzuführen und den Fremden erkennungsdienstlich zu behandeln, sofern dies nicht bereits erfolgt ist und dieser das 14. Lebensjahr vollendet hat.

(2) Nach Durchführung der in Abs. 1 genannten Maßnahmen haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dem Bundesamt das Protokoll der Befragung sowie einen Bericht, aus dem sich Zeit, Ort und Umstände der Antragstellung, Angaben über Hinweise auf die Staatsangehörigkeit und den Reiseweg, insbesondere den Ort des Grenzübertritts, sowie das Ergebnis der erkennungsdienstlichen Behandlung (Abs. 1) und gegebenenfalls einer Durchsuchung (§ 38), zu übermitteln und eine Anordnung zur weiteren Vorgangsweise beim Bundesamt einzuholen.

§ 43 BFA-VG lautet:

Anordnung zur weiteren Vorgangsweise

§ 43. (1) Das Bundesamt hat auf Basis der gemäß § 42 übermittelten Information unverzüglich anzuordnen, dass

1. im Falle eines zum Aufenthalt berechtigten Fremden dieser aufzufordern ist, sich binnen vierzehn Tagen in einer Erstaufnahmestelle oder Regionaldirektion einzufinden oder

2. im Falle eines nicht zum Aufenthalt berechtigten Fremden

a. dieser zur Sicherung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme einer Erstaufnahmestelle oder einer Regionaldirektion vorzuführen ist oder

b. sofern die Vorführung zur weiteren Verfahrensführung nicht erforderlich ist, diesem die kostenlose Anreise in eine bestimmte Betreuungseinrichtung des Bundes zu ermöglichen ist; darüber ist der Fremde in geeigneter Weise zu informieren. § 2 Abs. 1a GVG-B 2005 gilt sinngemäß.“

Der Beschwerdeführer waren nach den Feststellungen zum Zeitpunkt der Folgeantragstellung am 07.08.2020 nicht zum Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet berechtigt. Das Bundesamt hat den Beschwerdeführer auf Grundlage des § 43 Abs. 1 Z. 2 lit. a der XXXX vorgeführt.

Den Ausführungen der belangten Behörde, die Vorführung zur XXXX sei für die weitere Verfahrensführung unbedingt erforderlich damit notwendig und verhältnismäßig gewesen, kann nicht entgegengetreten werden.

Soweit der Beschwerdeführer zu den COVID-Vorsichtsmaßnahmen in der Bundes-Grundversorgung verhalten wurde, ist darauf hinzuweisen, dass diese Maßnahmen – insbesondere angesichts der aktuellen Lage nicht die Intensität eines Freiheitsentzuges erreichen.

Da Festnahme und Vorführung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen erfolgten, sind sie rechtmäßig.

Da die Anhaltung des Beschwerdeführers am 08.08.2020 beendet wurde, war das Bundesverwaltungsgericht entsprechend Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit iVm § 22 a Abs. 2 BFA-VG nicht verpflichtet, binnen einer Woche zu entscheiden.

Zu II.

Bei einer Mutwillensstrafe nach § 35 AVG, wie bei der Ordnungsstrafe nach § 34 AVG, handelt es sich nicht um die Ahndung eines Verwaltungsdeliktes, sondern um ein Disziplinarmittel (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. September 1973, 1665/72, VwSlg. Nr. 8448 A/1973, sowie das zu § 34 AVG ergangene und auf den vorliegenden Beschwerdefall übertragbare Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Mai 1994, 92/10/0469, VwSlg. Nr. 14.064 A/1994).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt im Sinne des § 35 AVG mutwillig, wer sich (u.a.) im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und der Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet. Darüber hinaus verlangt das Gesetz aber noch, dass der Mutwille offenbar ist; dies ist dann anzunehmen, wenn die wider besseres Wissen erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschieht, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Februar 2012, 2011/01/0271, VwSlg. Nr. 18.337 A/2012, mwN).

Die Voraussetzungen zur Verhängung einer Mutwillensstrafe gemäß § 35 AVG sind im vorliegenden Beschwerdefall nicht gegeben, da die Aussichtslosigkeit nicht für jedermann erkennbar war.

Zu III. Kostenbegehren:

Der mit "Kosten" betitelte § 35 VwGVG idF BGBl. I Nr. 33/2013 lautet:

"§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:

1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro."

Da die Beschwerde im vorliegenden Fall abgewiesen wurde, ist die Behörde gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Dem Beschwerdeführer gebührt sohin kein Kostenersatz.

Die belangte Behörde beantragte in der Beschwerdevorlage den Beschwerdeführer zum Ersatz der Kosten in der gesetzlich vorgesehenen Höhe zu verpflichten.

Gemäß § 1 Z 3 und Z 4 VwG-AufwErsV betragen die Pauschalbeträge für den Vorlageaufwand der belangten Behörde als obsiegende Partei EUR 57,40 und für den Schriftsatzaufwand EUR 368,80.

Der Beschwerdeführer als unterlegene Partei hat sohin dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde Kosten in Höhe von EUR 426,20 zu ersetzen.

3.5. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Anhaltung Ausreiseverpflichtung Festnahme Folgeantrag Kostenersatz Maßnahmenbeschwerde Mutwillensstrafe Pandemie Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I406.2233861.1.00

Im RIS seit

27.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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