TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/6 W235 2232724-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.10.2020
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Entscheidungsdatum

06.10.2020

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5 Satz1
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W235 2232724-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2020, Zl. 1256641506-200004157, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 21 Abs. 5 erster Satz BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführerin, eine iranische Staatsangehörige, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 02.01.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Ein Abgleich im VIS System des Bundesministeriums für Inneres hat ergeben, dass der Beschwerdeführerin von der italienischen Botschaft in Teheran am XXXX 11.2019 ein Schengen-Visum für 13 Tage im Zeitraum XXXX 12.2019 bis XXXX 12.2019 erteilt worden war (vgl. AS 9).

1.2. Am Tag der Antragstellung wurde die Beschwerdeführerin einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei sie zunächst angab, an keinen Krankheiten zu leiden, nicht schwanger zu sein und über keine Familienangehörige in Österreich oder in einem anderen Staat der Europäischen Union zu verfügen. Ihr Zielland sei Österreich gewesen, aber hierfür habe sie keine bestimmten Gründe. Den Iran habe die Beschwerdeführerin mit ihrem eigenen Reisepass am XXXX 12.2019 legal verlassen und sei mit einer Zwischenlandung in Italien nach Österreich geflogen, wo sie am XXXX 12.2019 angekommen sei. Die Person, die sie am Flughafen in Österreich abgeholt habe, habe ihr heute ihren Reisepass weggenommen. Sie sei in ein Haus gebracht worden und diese Person habe gesagt, die Beschwerdeführerin solle warten, bis sie abgeholt werde. Gestern sei sie abgeholt und in eine große Stadt gebracht worden. Die Person habe ihr gesagt, sobald sie einen Polizisten sehe, solle sie um Asyl ansuchen. Sie habe in keinem anderen Land um Asyl angesucht, habe jedoch im November 2019 ein italienisches Visum erhalten. Genaueres wisse die Beschwerdeführerin nicht darüber, da sie im Iran einer Person ihren Reisepass gegeben habe, die dann alles organisiert habe. Zu ihrem Fluchtgrund gab die Beschwerdeführerin an, dass ihr Onkel sie habe zwangsverheiraten wollen.

Der Beschwerdeführerin wurde weiters am 02.01.2020 eine Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ausgehändigt, mit der ihr zur Kenntnis gebracht wurde, dass aufgrund von Konsultationen mit Italien die in § 28 Abs. 2 AsylG definierte 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen nicht mehr gilt. Diese Verfahrensanordnung wurde der Beschwerdeführerin am selben Tag übergeben und von ihr unterfertigt (vgl. AS 39).

1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 07.01.2020 ein auf Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmegesuch an Italien.

Mit Schreiben vom 09.03.2020 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der italienischen Dublinbehörde mit, dass die Zuständigkeit im Fall der Beschwerdeführerin wegen Unterlassung einer fristgerechten Antwort auf das österreichische Aufnahmegesuch auf Italien übergegangen ist (vgl. AS 71).

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Italien angenommen wird. Diese Verfahrensanordnung wurde der Beschwerdeführerin nachweislich am 10.03.2020 übergeben (vgl. AS 109).

1.4. Am 22.06.2020 wurde die Beschwerdeführerin nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit einer Rechtsberaterin im Zulassungsverfahren und unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Farsi vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen, wobei sie zunächst angab, dass es ihr nicht besonders gut gehe, aber sie die Einvernahme machen könne. Bei Einvernahmen bekomme sie Stress und Panik. Die Beschwerdeführerin sei mit einem italienischen Schengen-Visum über Italien nach Österreich gereist. Sie habe in Italien keinen Asylantrag gestellt, weil sie vor ihrer Familie geflüchtet sei und diese hätten gewusst, dass sie ein Visum von Italien habe. Ihre Familie hätte die Beschwerdeführerin in Italien gefunden und habe sie deshalb nicht in Italien bleiben wollen. Auf Vorhalt, woher ihre Familie wissen hätten sollen, dass sie ein italienisches Visum habe, wenn sie doch vor ihrer Familie geflohen sei und das Visum mit Hilfe eines Schleppers erhalten habe, brachte die Beschwerdeführerin vor, sie sei wegen ihrer Familie väterlicherseits geflüchtet und sei sicher, dass „sie“ erfahren hätten, dass sie in Italien sei. Daher habe sie weitergemusst. Ihren Anschlussflug habe sie nicht selbst gebucht. Angehörige oder Verwandte habe die Beschwerdeführerin in Österreich nicht.

Zur beabsichtigten Vorgehensweise des Bundesamtes, sie aus Österreich auszuweisen, gab die Beschwerdeführerin an, sie könne nicht nach Italien zurück. „Sie“ würden sie finden und töten. Zu den vorab ausgefolgten Länderfeststellungen zu Italien brachte sie vor, sie wisse, dass es dort keine Sicherheit gebe. Die Beschwerdeführerin könne dort nicht zurückkehren. Auf die Frage der Rechtsberaterin, ob sie in Österreich besondere Anknüpfungspunkte habe, gab die Beschwerdeführerin an, sie habe hier Sicherheit und fühle sich sicher.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO für die Prüfung dieses Antrages zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde gegen die Beschwerdeführerin die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Italien zulässig ist.

Begründend wurde im Wesentlichen festgestellt, dass die Beschwerdeführerin Staatsangehörige des Iran sei und an keinen schweren lebensbedrohlichen Krankheiten leide sowie nicht immungeschwächt sei. Festgestellt werde, dass sie in Besitz eines von XXXX 12.2019 bis XXXX 12.2019 gültigen italienischen Schengen-Visums gewesen sei. Am 07.01.2020 sei ein Aufnahmegesuch an Italien gestellt worden und habe sich die Zuständigkeit Italiens durch Verfristung gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO am 09.03.2020 ergeben. Die Beschwerdeführerin habe in Österreich keine Angehörigen und keine sozialen Kontakte, die sie an Österreich binden würden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf auf den Seiten 8 bis 27 des angefochtenen Bescheides Feststellungen zum italienischen Asylverfahren, einschließlich der Lage von Dublin-Rückkehrern in Italien sowie zur Situation aufgrund der COVID-19-Pandemie. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin bei ihrer Überstellung nach Italien einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre.

Beweiswürdigend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass ihren Angaben betreffend die Staatsangehörigkeit Glauben geschenkt werde. Dass die Beschwerdeführerin an schweren, lebensbedrohenden Krankheiten leide oder immungeschwächt sei, habe sie weder behauptet noch sei dies aus der Aktenlage ersichtlich. Die Feststellungen zum Konsultationsverfahren und zum zuständigkeitsbegründenden Sachverhalt würden sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt und aus den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin ergeben. Dass sie in Besitz eines von XXXX 12.2019 bis XXXX 12.2019 gültigen italienischen Schengen-Visums sei, habe die Visa-Abfrage ergeben. Die Feststellungen zu den privaten bzw. familiären Anknüpfungspunkten der Beschwerdeführerin in Österreich hätten sich aus der Aktenlage in Verbindung mit ihren glaubhaften Angaben ergeben. Die Feststellungen zu Italien würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren. Wenn die Familie der Beschwerdeführerin tatsächlich Kenntnis von ihrem italienischen Visum hätte, wäre Italien im Fall einer Bedrohung selbstverständlich in der Lage und willens, die Beschwerdeführerin vor allfälligen Übergriffen Privater zu schützen. Es stehe ihr offen, sich an die dortigen Sicherheitsbehörden zu wenden. Die Erstattung einer Anzeige hätte zur Folge, dass die Beschwerdeführerin einerseits Schutz durch die italienischen Behörden bekäme und andererseits, dass gegen die Bedroher straf- und fremdenpolizeiliche Maßnahmen ergriffen werden würden. Die Feststellungen zur COVID-19-Pandemie hätten sich aus dem Amtswissen ergeben.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, dass sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO formell erfüllt sei. Es liege kein Familienbezug in Österreich vor und sei der Aufenthalt im Bundesgebiet zu kurz, um einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens anzunehmen. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung nicht zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK bzw. von Art. 7 GRC führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesem Aspekt zulässig sei. Italien sei bereit, die Beschwerdeführerin einreisen zu lassen und ihren Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen bzw. die sonstigen, Italien treffenden Verpflichtungen der Beschwerdeführerin gegenüber zu erfüllen. Ein im besonderen Maße substanziiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer relevanten Verletzung der Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK im Fall einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, dass die gegenständliche Zurückweisungsentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden sei. Betreffend die COVID-19-Pandemie wurde ausgeführt, dass das allgemeine Risiko am Erreger SARS-CoV-2 zu erkranken, weltweit erhöht sei. Allerdings sei das individuelle Risiko der Beschwerdeführerin an SARS-CoV-2 schwer oder gar tödlich zu erkranken sehr niedrig, da sie jung und nicht immungeschwächt sei. Ein „real risk“ einer Verletzung des Art. 3 EMRK aufgrund der COVID-19-Pandemie drohe der Beschwerdeführerin bei einer Überstellung sohin nicht. Die Anordnung zur Außerlandesbringung habe gemäß § 61 Abs. 2 FPG zur Folge, dass die Abschiebung in den Zielstaat zulässig sei.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin im Wege ihrer nunmehr ausgewiesenen Vertretung fristgerecht am 02.07.2020 Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und stellte einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Begründend wurde unter Verweis auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Einvernahme ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin die berechtigte Befürchtung habe, dass sie in Italien von Familienangehörigen aufgespürt und getötet werden könne. Ferner würden systemische Mängel im italienischen Asylwesen bestehen. Es gebe Berichte über ignorierte Versuche in Italien Asyl zu beantragen und über kollektive Kettenabschiebungen nach Slowenien oder Bosnien. Auch im Bescheid werde angeführt, dass die formelle Registrierung des Antrags, die Voraussetzung für den tatsächlichen Zugang zur Unterbringung sei, bis zu einigen Monaten dauern könne. Das Finden von alternativen Unterbringungsmöglichkeiten könne problematisch sein. Unter Verweis auf einen Bericht von Ärzte ohne Grenzen vom 12.04.2016 wurde auf täglich mehr werdende inoffizielle Unterkünfte hingewiesen. Im Feber 2018 seien geschätzt mindestens 10.000 Personen von der Unterbringung in Italien faktisch ausgeschlossen gewesen. Auch würden Studien und der Menschenrechtskommissar des Europarates [Anm.: bezogen auf das Jahr 2013; vgl. Seite 4 der Beschwerde, Fußnote 2] die ausweglose Situation von Flüchtlingen in Italien schildern. Ferner sei der Nachweis eines festen Wohnsitzes Voraussetzung für den Erhalt eines italienischen Gesundheitsausweises und somit für den Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Die wenigsten Flüchtlinge würden aufgrund ihrer Obdachlosigkeit über einen solchen Ausweis verfügen und hätten daher nur Zugang zu einer minimalen, nicht ausreichenden Notversorgung. Wenn eine Person unerlaubt eine staatliche Unterbringung verlasse, werde von einer freiwilligen Abreise ausgegangen und sie verliere das Recht auf Unterbringung, was auch für Dublin-Rückkehrer gelte.

Es hätten bereits mehrere europäische nationale Gerichte entschieden, dass im Fall der Zuständigkeit Italiens gemäß der Dublin III-VO das eigentlich unzuständige Land seien Selbsteintritt erklären müsse, um eine Verletzung von Art. 3 EMRK zu vermeiden. Die Entscheidung des EGMR Tarakhel gegen die Schweiz gebe explizit vor, dass eine Überstellung nach Italien nur dann erfolgen dürfe, wenn die Behörde detaillierte und verlässliche Zusicherungen seitens der italienischen Behörden bezüglich einer menschenwürdigen Unterbringung habe. Im Ergebnis könne festgehalten werden, dass es rechtswidrig sei, eine Person mit dem Profil der Beschwerdeführerin an den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, wenn es Gründe für die Annahme gebe, dass die Aufnahmebedingungen für die Beschwerdeführerin in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen würden, die die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 4 GRC mit sich brächten.

4. Ohne bezughabendes Vorbringen legte die Beschwerdeführerin im Wege ihrer ausgewiesenen Vertretung am XXXX 07.2020 ein Ambulanzprotokoll eines Klinikums vom XXXX 07.2020 dem Bundesverwaltungsgericht vor. Diesem ist zu entnehmen, dass sich die Beschwerdeführerin wegen Ohrenschmerzen am XXXX 07.2020 in diesem Klinikum in ambulanter Behandlung befand.

5. Mit Bericht vom 26.08.2020 gab die Landespolizeidirektion Niederösterreich bekannt, dass die Beschwerdeführerin am selben Tag auf dem Luftweg nach Italien überstellt worden war.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Der Beschwerdeführerin, einer iranischen Staatsangehörigen, wurde von der italienischen Botschaft in Teheran am XXXX 11.2019 ein Schengen-Visum für 13 Tage im Zeitraum XXXX 12.2019 bis XXXX 12.2019 erteilt. In Besitz dieses Visums reiste die Beschwerdeführerin in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 02.01.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Festgestellt wird sohin, dass die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich in Besitz eines italienischen Visums war, das seit weniger als sechs Monaten abgelaufen ist.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 07.01.2020 ein auf Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmegesuch an Italien. Aufgrund von Verfristung trat die Zuständigkeit Italiens zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerdeführerin ein, was der italienischen Dublinbehörde vom Bundesamt mit Schreiben vom 09.03.2020 mitgeteilt wurde. Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Italiens wieder beendet hätte, liegt nicht vor.

Konkrete, in der Person der Beschwerdeführerin gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Italien sprechen, liegen nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Fall einer Überstellung nach Italien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Die Beschwerdeführerin war in Österreich am XXXX 07.2020 wegen Ohrenschmerzen in ambulanter Behandlung eines Klinikums. Eine aktuelle bzw. im Überstellungszeitpunkt vorgelegen habende und/oder darüber hinausgehende Behandlungsbedürftigkeit wird nicht festgestellt. Sohin wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin weder an einer körperlichen noch an einer psychischen Krankheit leidet, die einer Überstellung nach Italien aus gesundheitlichen Gründen entgegengestanden ist.

Es bestehen keine besonders ausgeprägten privaten, familiäre oder berufliche Bindungen der Beschwerdeführerin im österreichischen Bundesgebiet.

Am 26.08.2020 wurde die Beschwerdeführerin komplikationslos auf dem Luftweg nach Italien überstellt.

1.2. Zum italienischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Italien:

Zum italienischen Asylverfahren sowie zur Situation von Dublin-Rückkehrern in Italien wurden im angefochtenen Bescheid auf den Seiten 8 bis 27 umfangreiche Feststellungen getroffen, welche von der erkennenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes geteilt und auch für gegenständliches Erkenntnis herangezogen werden.

Ungeachtet dessen wird explizit festgestellt:

a). Allgemeines:

In Italien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Im Oktober 2018 gab es mit Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 (auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) einige legislative Änderungen (AIDA 4.2019).

[…]

Mit Stand 27. September 2019 waren in Italien 49.014 Personen in einem Asylverfahren, davon haben 26.240 Personen ihren Asylantrag im Jahr 2019 gestellt (Mdl 27.9.2019).

Im Jahre 2019 haben die italienischen Asylbehörden bis zum 7. Juni 42.916 Asylentscheidungen getroffen, davon erhielten 4.605 Personen Flüchtlingsstatus, 2.790 subsidiären Schutz, 672 humanitären Schutz, 2.340 waren unauffindbar und 32.304 wurden negativ entschieden (Mdl 7.6.2019). Mit Anfang Oktober 2019 waren in Italien 50.298 Asylanträge anhängig (SN 2.10.2019).

Die Asylverfahren nehmen, inklusive Beschwerdephase, bis zu zwei Jahre in Anspruch (USDOS 13.3.2019).

b). Dublin-Rückkehrer:

Wenn Italien einer Überstellung ausdrücklich zustimmt, wird der Flughafen angegeben, welcher der für das konkrete Asylverfahren zuständigen Quästur am nächsten liegt. Wenn Italien durch Fristablauf zustimmt, landen Rückkehrer üblicherweise auf den Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Quästur für ihr Asylverfahren zuständig ist. Mit dieser ist dann ein Termin zu vereinbaren. Die Quästuren sind oft weit von den Ankunftsflughäfen entfernt und die Asylwerber müssen auf eigene Faust und oft auch auf eigene Kosten innerhalb weniger Tage dorthin reisen, was bisweilen problematisch sein kann (AIDA 4.2019).

Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab.

1.       Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, kann er dies tun, so wie jede andere Person auch. Der Rückkehrer könnte aber auch als illegaler Migrant betrachtet und mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung konfrontiert werden. Derartige Fälle wurden 2018 vom Flughafen Mailand Malpensa berichtet (AIDA 4.2019).

2.       Wenn das Verfahren eines Antragstellers suspendiert wurde, weil er sich dem Verfahren vor dem Interview entzogen hat, kann der Rückkehrer binnen 12 Monaten ab Suspendierung einen neuen Interviewtermin beantragen. Sind mehr als 12 Monate vergangen und das Verfahren wurde beendet, kann nur ein Folgeantrag gestellt werden, für den seit Oktober 2018 verschärfte Regelungen gelten (AIDA 4.2019).

3.       Wurde das Verfahren des Antragstellers in der Zwischenzeit negativ entschieden und ihm dies zur Kenntnis gebracht, ohne dass er Beschwerde eingelegt hätte, ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich. Wenn dem Antragsteller die negative Entscheidung nicht zur Kenntnis gebracht werden konnte, gilt diese seit Oktober 2018 nach 20 Tagen als zugestellt und ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich (AIDA 4.2019).

Mit Gesetz 132/2018 wurde der humanitäre Schutzstatus stark überarbeitet und der Zugang zu dieser Schutzform eingeschränkt. Abgelaufene (alte) Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen werden nicht erneuert (VB 22.2.2019) und können auch nicht mehr verlängert werden. Sie können jedoch bei rechtzeitiger Antragstellung und Erfüllung der Voraussetzungen in einen anderen Titel umgewandelt werden (Aufenthaltstitel für Arbeit, Familienzusammenführung etc. oder in einen humanitären Titel neuer Rechtslage) (VB 25.2.2019). Ansonsten läuft der Titel ab und der Aufenthalt in Italien ist nicht mehr rechtmäßig (VB 22.2.2019). Wenn Dublin-Rückkehrer im Besitz eines humanitären Aufenthalts waren, der nicht fristgerecht in einen der neuen Aufenthaltstitel umgewandelt wurde, sind sie zum Aufenthalt in Italien nicht mehr berechtigt und damit von der Versorgung ausgeschlossen (SFH 8.5.2019).

c). Non-Refoulement:

Medienberichten zufolge wurden 2018 über 100 auf See aufgelesene Migranten nach Libyen zurückgebracht. Italienische Gerichte haben Überstellungen von afghanischen Asylwerbern in EU-Mitgliedstaaten, in denen Asylverfahren der besagten Afghanen bereits negativ erledigt worden waren, unter Verweis auf ein Ketten-Refoulement nach Afghanistan annulliert (AIDA 4.2019).

Mit Gesetz 132/2018 wurde auch das Prinzip der sicheren Herkunftsstaaten in Italien eingeführt. Da aber bislang keine entsprechende Liste sicherer Herkunftsstaaten beschlossen wurde, wird das Konzept in der Praxis derzeit nicht angewendet (AIDA 4.2019).

Es gibt Berichte über ignorierte Versuche Asyl zu beantragen und kollektive Kettenabschiebungen nach Slowenien und weiter nach Bosnien-Herzegowina (AI 1.3.2019).

d). Versorgung:

Mit der Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) gibt es auch weitgehende Änderungen im Unterbringungssystem. Das bisherige System (CARA als Erstaufnahme, SPRAR als kommunal organisierte Unterbringung und Integration für Asylwerber und Schutzberechtigte, CAS als Notmaßnahme für Bootsflüchtlinge) wird völlig neu organisiert und nur noch zwischen einer Erstaufnahme und einer sekundären Versorgungsschiene unterschieden (VB 19.2.2019; vgl. AIDA 4.2019).

Erstaufnahmeeinrichtungen („prima accoglienza“) werden CAS und CARA ersetzen. Zielgruppe dieser Einrichtungen sind Asylwerber (auch in einem Beschwerdeverfahren oder in Dublin-out-Verfahren bis zur Überstellung), ausdrücklich auch Dublin-Rückkehrer (VB 19.2.2019) und Vulnerable (mit Ausnahme von UMA) (SFH 8.5.2019). Fremde, die in Italien bereits einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, werden in jener Region untergebracht, in welcher der Antrag ursprünglich eingebracht wurde. In allen anderen Fällen ist jene Region zuständig, in der sich der Flughafen befindet, an dem der Fremde ankommt. Für diese Erstaufnahmeeinrichtungen wurden seitens des italienischen Innenministeriums neue Ausschreibungsspezifikationen ausgearbeitet, die bereits durch den italienischen Rechnungshof genehmigt und an die Präfekturen übermittelt wurden. Die Ausschreibung und staatliche Verwaltung/Kontrolle der Einrichtungen obliegt nach wie vor den Präfekturen. Seitens des italienischen Innenministers wurde betont, dass die Einhaltung sämtlicher europarechtlicher Bestimmungen (hier insbesondere die Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU) unter Wahrung der menschlichen Würde jedenfalls sichergestellt ist. Herkunft, religiöse Überzeugung, Gesundheitszustand, Vulnerabilität sowie die Familieneinheit finden Berücksichtigung. Bei den Kernleistungen (Sozialbetreuung, Information, soziokulturelle Mediation, sanitäre Einrichtungen sowie Startpaket, Taschengeld und Telefonkarte) soll es zu keiner Kürzung oder Streichung kommen. Integrationsmaßnahmen werden im neuen System nur noch Schutzberechtigten zukommen. Bei den Ausschreibungsspezifikationen wird zwischen kollektiven und individuellen (z.B. Selbstversorger) Unterbringungsplätzen unterschieden. Die Versorgung sieht unter anderem folgende Leistungen vor:

?        Unterbringung, Verpflegung

?        Sozialbetreuung, Information, linguistisch-kulturelle Mediation

?        notwendige Transporte

?        medizinische Betreuung: Erstuntersuchung, ärztliche Betreuung in den Zentren zusätzlich zum allgemeinen Zugang zum nationalen Gesundheitsdienst

?        Hygieneprodukte

?        Wäschedienst oder Waschprodukte

?        Erstpaket (Kleidung, Bettzeug, Telefonkarte)

?        Taschengeld (€ 2,50/Tag/Person bis zu € 7,50/Tag für eine Kernfamilie)

?        Schulbedarf

?        usw.

Nach Auskunft des italienischen Innenministeriums sind Plätze für Familien sowie allein reisende Frauen (mit Kindern) vorgesehen. In den Spezifikationen sind Personalschlüssel, Reinigungsintervalle, Melde- und Aufzeichnungsverpflichtungen des Betreibers in Bezug auf Leistungen an die Bewohner, An-/Abwesenheiten etc. festgelegt. Die Präfekturen sind zu regelmäßigen, unangekündigten Kontrollen berechtigt und verpflichtet (VB 19.2.2019).

Ende 2018 wurden amtliche Ausschreibungsvorgaben für die Unterbringungseinrichtungen veröffentlicht, die die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen sollen. Die Vorgaben garantieren persönliche Hygiene, Taschengeld (Euro 2,50/Tag in der Erstaufnahme) und Euro 5,- für Telefonwertkarten, jedoch keine Integrationsmaßnahmen mehr (Italienisch-Kurse, Orientierungskurse, Berufsausbildungen oder Freizeitaktivitäten). Ebenso eingespart wird psychologische Betreuung, welche nur noch in Hotspots und Schubhaftzentren verfügbar ist. Rechtsberatung und kulturelle Mediation werden reduziert (AIDA 4.2019; vgl. SFH 8.5.2019).

Die sekundären Aufnahmeeinrichtungen (früher SPRAR) heißen ab sofort SIPROIMI („Sistema di protezione per titolari di protezione internazionale e per minori stranieri non accompagnati“ – Schutzsystem für international Schutzberechtigte und unbegleitete minderjährige Fremde). Asylwerber, mit Ausnahme unbegleiteter Minderjähriger, haben dort keinen Zugang mehr (AIDA 4.2019). SIPROIMI stehen nur noch Personen mit internationalem Schutz, unbegleiteten Minderjährigen sowie Personen zur Verfügung, die nach der neuen Rechtslage einen Aufenthaltstitel wegen besonders berücksichtigungswürdiger Umstände haben („neue“ humanitäre Titel). In diesen Einrichtungen werden zusätzlich zu den oben beschrieben Leistungen auch Maßnahmen mit dem Ziel einer umfassenden Integration (Gesellschaft, Arbeitsmarkt, Sprache, etc.) geboten (VB 19.2.2019).

Nur diejenigen asylsuchenden Personen und Inhaber eines humanitären Status, denen vor dem 4. Oktober 2018 ein Platz in einem SPRAR-Zentrum zugesagt wurde, werden noch in einem SPRAR-Zentrum untergebracht (SFH 8.5.2019). Personen mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich mit Stichtag 05.10.2018 noch in einem SPRAR/SIPROIMI befanden, können dort für den vorgesehenen Zeitraum bzw. bis zum Ende des Projektzeitraumes weiterhin bleiben. Jene Fremde mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich noch in einer Erstaufnahmeeinrichtung befinden, verbleiben dort so lange, bis ihnen von der Quästur der Aufenthaltstitel („permesso di soggiorno“) übergeben wurde und werden danach aus dem Aufnahmesystem entlassen (VB 19.2.2019).

In den letzten Jahren war das italienische Aufnahmesystem angesichts der zahlreichen Anlandungen von Migranten von Überforderung und dem Versuch geprägt, möglichst viele Unterbringungsplätze in möglichst kurzer Zeit zu schaffen. Dabei entstanden verschiedene Arten von Unterbringungszentren auf Projektbasis in Gemeinden, Regionen und zentraler Ebene mit nur grob festgelegten Zielgruppen. Mit der Neustrukturierung wurde ein differenziertes Aufnahmesystem geschaffen, das auch der Kritik des italienischen Rechnungshofes Rechnung trägt, der die undifferenzierte Unterbringung bzw. Erbringung insbesondere von kostspieligen Integrationsmaßnahmen an Migranten ohne dauerhaften Aufenthaltstitel bemängel hat. So werden Asylwerber zukünftig in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Personen mit Schutzstatus bzw. einer der neuen Formen des humanitären Schutzes sowie allein reisende Minderjährige erhalten Zugang zu den sekundären Aufnahmeeinrichtungen, in denen zusätzlich integrative Leistungen angeboten werden (VB 19.2.2019). Ende 2018 wurden amtliche Ausschreibungsvorgaben für Unterbringungseinrichtungen veröffentlicht, die die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen sollen. Durch die neuen Vergabekriterien wurde auch auf den Vorwurf reagiert, dass die Aufnahmeeinrichtungen außerhalb des SPRAR keine einheitlichen Standards sicherstellen. Durch die Staffelung der Strukturen nach Unterbringungsplätzen mit entsprechend angepasstem Personalstand und Serviceleistungen kann seitens der Präfekturen im Rahmen der Vergabeverfahren auf den Bedarf und die Gegebenheiten vor Ort im jeweiligen Fall eingegangen werden, wodurch sich die Kosten von € 35/Person/Tag auf € 21/Person/Tag senken sollen. Die Vorgaben garantieren persönliche Hygiene, Taschengeld (Euro 2,50/Tag in der Erstaufnahme) und Euro 5,- für Telefonwertkarten, jedoch keine Integrationsmaßnahmen mehr (VB 19.2.2019; vgl. AIDA 4.2019). Dass eine solche Restrukturierung ohne Einbußen bei der Qualität oder dem Leistungsangebot (so der Vorwurf bzw. die Befürchtung der Kritiker) machbar ist, erscheint angesichts der vorliegenden Unterlagen aus Sicht des VB nachvollziehbar (VB 19.2.2019). Kritiker meinen hingegen, die neuen Vorgaben würden zu einem Abbau von Personal in den Unterbringungseinrichtungen und zur Reduzierung der gebotenen Leistungen führen. Kleinere Zentren würden unwirtschaftlich und zur Schließung gezwungen, stattdessen würden größere kostensenkende Kollektivzentren geschaffen (SFH 8.5.2019).

Asylwerber dürfen zwei Monate nach Antragstellung legal arbeiten (AIDA 4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). In der Praxis haben Asylwerber jedoch Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt, etwa durch Verzögerungen bei der Registrierung ihrer Asylanträge (die damit einhergehende Aufenthaltserlaubnis ist für den Zugang zum Arbeitsmarkt wichtig), oder durch die anhaltende Wirtschaftskrise, die Sprachbarriere oder die geografische Abgelegenheit der Unterbringungszentren usw. (AIDA 4.2019).

Es gibt Berichte über Diskriminierung und Ausbeutung von Migranten durch Arbeitgeber. Die hohe Arbeitslosigkeit schmälert die Chancen von Migranten auf legale Anstellung (USDOS 13.3.2019).

e). Unterbringung:

Grundsätzlich sind bedürftige Fremde zur Unterbringung in Italien berechtigt, sobald sie den Willen erkennbar machen, um Asyl ansuchen zu wollen. Das Unterbringungsrecht gilt bis zur erstinstanzlichen Entscheidung bzw. dem Ende der Rechtsmittelfrist. Bei Rechtsmitteln mit automatisch aufschiebender Wirkung besteht das Unterbringungsrecht auch bis zur Entscheidung des Gerichts. Bei Rechtsmitteln ohne automatische aufschiebende Wirkung kann diese vom Gericht zuerkannt werden und in einen solchen Fall besteht auch das Unterbringungsrecht weiter. Seit Ende 2018 haben einige Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung mehr. Gemäß der Praxis in den Vorjahren erfolgt der tatsächliche Zugang zur Unterbringung erst mit der formellen Registrierung des Antrags (verbalizzazione), die bis zu einige Monate nach der Antragstellung stattfinden kann, abhängig von Region und Antragszahlen. In dieser Zeit müssen Betroffene alternative Unterbringungsmöglichkeiten finden, was problematisch sein kann. Zum Ausmaß dieses Phänomens gibt es allerdings keine statistischen Zahlen. Betroffene Asylwerber ohne ausreichende Geldmittel sind daher auf Freunde oder Notunterkünfte angewiesen, oder es droht ihnen Obdachlosigkeit. In ganz Italien gibt es auch informelle Siedlungen oder besetzte Häuser, in denen Fremde leben, unter ihnen Asylwerber und Schutzberechtigte (AIDA 4.2019).

[…]

Mit der Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ bekannt) wird festgelegt, dass die Erstaufnahmeeinrichtungen („prima accoglienza“), welche CAS und CARA ersetzen sollen, ausdrücklich auch die reguläre Unterbringungsmöglichkeit für Dublin-Rückkehrer sind (VB 19.2.2019), da für Asylwerber kein Zugang zu den Zentren der zweiten Stufe (SIPROIMI-Zentren) vorgesehen ist (AIDA 4.2019).

[…]

Genauer sollen Dublin-Rückkehrer, die bereits einen Asylantrag in Italien gestellt hatten, bevor sie das Land verließen, vom Flughafen in die Provinz der Antragstellung überstellt werden. Dublin-Rückkehrer, die noch keinen Asylantrag in Italien gestellt haben, sind in der Provinz des Ankunftsflughafens unterzubringen. Die Familieneinheit sollte dabei immer gewahrt bleiben (AIDA 4.2019).

Bezüglich des Verlustes des Rechtes auf Unterbringung gelten noch immer die Regeln aus dem Dekret 142/2015: Verlässt eine Person unerlaubt eine staatliche Unterbringung, so wird von einer freiwilligen Abreise ausgegangen und sie verliert das Recht auf Unterbringung. Dies gilt auch nach einer Dublin-Rückkehr (SFH 8.5.2019). Die Präfektur kann eine neuerliche Unterbringung verweigern (AIDA 4.2019). Solche Personen sind gegebenenfalls auf private oder karitative Unterbringungsmöglichkeiten bzw. Obdachlosenunterkünfte angewiesen. Hat der Rückkehrer vor der Weiterreise kein Asylgesuch in Italien gestellt und tut dies erst nach der Rückkehr, besteht das Recht auf Unterbringung ohne Einschränkung. Da sich die formelle Einbringung des Antrags aber oftmals über Wochen verzögern kann, kann bis zur Unterbringung eine entsprechende Lücke entstehen (SFH 8.5.2019; vgl. AIDA 4.2019).

f). Medizinische Versorgung:

Mit Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018; auch als „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz bekannt) ist die medizinische Versorgung von Asylwerbern weiterhin gewährleistet. Es wurde oft kritisiert, dass durch das neue Gesetz Asylwerber von der medizinischen Versorgung abgeschnitten würden, weil deren Registrierung bei den Gemeinden („residenza“) nicht mehr vorgesehen ist. Letzteres ist grundsätzlich richtig, allerdings unterscheidet Italien beim „Wohnsitz“ zwischen „residenza“ und „domicilio“ (VB 19.2.2019). Nach der neuen Rechtslage ist die Einschreibung beim Nationalen Gesundheitsdienst für Asylwerber auf Basis des „domicilio“ garantiert (CILD 1.2.2019), welcher üblicherweise im Aufnahmezentrum liegt. Somit ist auch für Asylwerber weiterhin die Ausstellung einer Gesundheitskarte („tessera sanitaria“) möglich, mit welcher sie Zugang zu den medizinischen Leistungen erhalten. Zusätzlich sind in den Erstaufnahmezentren Ärzte beschäftigt, die neben medizinischen Erstuntersuchungen und Notfallmaßnahmen auch die nationalen Gesundheitsdienste entlasten sollen. Der Zugang zu medizinischer Notversorgung in öffentlichen Spitälern bleibt weiterhin bestehen, auch für illegale Migranten (VB 19.2.2019).

Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann in Bezug auf medizinische Versorgung dieselben Rechte und Pflichten wie italienische Staatsbürger. Das gilt unabhängig davon, ob sie staatliche Versorgung genießen oder nicht. Das Recht auf medizinische Versorgung entsteht formell im Moment der Registrierung eines Asylantrags, wobei es aber in der Praxis in einigen Regionen bis zu einigen Monaten Verzögerung kommen kann (AIDA 4.2019), weil bei bestimmten Quästuren die Zuweisung des Steuer-Codes (codice fiscale), die im Zuge der Formalisierung des Asylantrags erfolgt und für den Zugang zur medizinischen Versorgung wichtig ist, länger dauert. Bis dahin haben die betroffenen Asylsuchenden nur Zugang zu medizinischen Basisleistungen wie etwa einer Notfallversorgung, wie sie gemäß Artikel 35 des Einwanderungsgesetzes (TUI) auch illegalen Migranten zusteht. Die Anmeldung beim italienischen nationalen Gesundheitsdienst erfolgt im zuständigen Büro des lokalen Gesundheitsdienstes (Azienda sanitaria locale, ASL), in der Gemeinde, in der der Asylwerber seinen Wohnsitz (dimicilio) hat. Im Zuge der Registrierung wird eine europäische Gesundheitskarte (tessera europea di assicurazione malattia) ausgestellt. Die Registrierung berechtigt zu folgenden Leistungen: freie Wahl eines Hausarztes bzw. Kinderarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.); Geburtshilfe und gynäkologische Betreuung bei der Familienberatung (consultorio familiare) ohne allgemeinärztliche Überweisung; kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern. Das Recht auf medizinische Versorgung sollte im Rahmen der Erneuerung der Aufenthaltserlaubnis nicht erlöschen. Wenn die Aufenthaltserlaubnis abgelaufen ist, besteht keine Garantie auf Zugang zu nicht notwendiger medizinischer Versorgung bis zur Erneuerung derselben, was aufgrund bürokratischer Verzögerungen einige Zeit dauern kann. Wenn Asylwerber keine Wohnsitzmeldung (domicilio) vorweisen können, erhalten sie auch keine Gesundheitskarte. Eines der größten Hindernisse für den Zugang zu Gesundheitsdiensten ist jedoch die Sprachbarriere (AIDA 4.2019).

Asylwerber können sich auf Basis einer Eigendeklaration bei den ASL als bedürftig registrieren lassen. Sie werden dann arbeitslosen Staatsbürgern gleichgestellt und müssen keine Praxisgebühr („Ticket“) bezahlen. Die Befreiung gilt zunächst für zwei Monate ab Asylantragstellung (da in diesem Zeitraum kein Zugang zum Arbeitsmarkt besteht). Um die Ticket-Befreiung danach beizubehalten, müssen sich die AW offiziell arbeitslos melden. Laut Gesetz ist die Ticket-Befreiung auch bei niedrigem Einkommen möglich, doch durch die neue Rechtslage mit Gesetz 132/2018 kommen Asylwerber mit niedrigem Einkommen nicht in diesen Genuss, da ihnen entsprechende Bestätigungen aufgrund mangelnder verwaltungsinterner Anweisungen nicht ausgestellt werden (AIDA 4.2019).

Asylwerber mit psychischen Problemen und Folteropfer haben dasselbe Recht auf Zugang zu medizinischer Versorgung wie italienische Bürger. In der Praxis haben sie die Möglichkeit, von speziellen Leistungen des nationalen Gesundheitsdienstes, spezialisierter NGOs oder privater Stellen zu profitieren. Die NGOs ASGI und Ärzte ohne Grenzen betreiben in Rom seit April 2016 ein Zentrum zur Identifikation und Rehabilitation von Folteropfern. ASGI arbeitet auch mit anderen Institutionen zusammen und beobachtet die Einhaltung der verfassungsmäßigen Rechte der Migranten auf medizinische Versorgung (AIDA 4.2019).

Bei den Gesundheitsdienstleistungen in den Zentren sehen die neuen Ausschreibungskriterien in Aufnahmezentren mit bis zu 50 Plätzen durchschnittlich nur noch vier Stunden ärztliche Betreuung pro Person und Jahr vor, Pflegepersonal ist in diesen Zentren keines mehr vorgesehen. In großen Zentren (bis zu 300 Plätzen) muss ein Arzt nur noch 24 Stunden pro Woche statt wie bisher rund um die Uhr anwesend sein. Für die Zentren ist keine Unterstützung durch interne Psychologen/Psychiater mehr vorgesehen. Die soziale Unterstützung für Zentren mit bis zu 50 Plätzen wurde auf sechs Stunden pro Woche reduziert, jene für Zentren mit bis zu 300 Plätzen auf 24 Stunden pro Woche (SFH 8.5.2019).

[…]

g). Zur COVID-19-Pandemie:

Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursacht. In Italien wurden bisher 238.499 Fälle von mit diesem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher 34.634 Todesfälle bestätigt wurden (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen am 22.06.2020).

Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind (https://www.sozialministerium.at/ Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html, abgerufen am 22.06.2020).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Italien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage unter Berücksichtigung der Neuerungen durch das „Salvini-Dekret“ bzw. das „Salvini-Gesetz“ und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen – darunter konkret auch in Bezug auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO – samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen.

Festgestellt wird sohin, dass sich aus diesen Länderinformationen keine ausreichend begründeten Hinweise darauf ergeben, dass das italienische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweist. Daher ist aus Sicht der zuständigen Einzelrichterin, insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die generelle Versorgungs- und Unterbringungslage und die Sicherheitslage von Asylwerbern in Italien den Feststellungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid zu folgen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin, zu ihrer Staatsangehörigkeit, zu ihrer Einreise nach Österreich und zur Stellung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verfahren sowie aus dem Akteninhalt.

Dass der Beschwerdeführerin von der italienischen Botschaft in Teheran am XXXX 11.2019 ein Schengen-Visum für 13 Tage im Zeitraum XXXX 12.2019 bis XXXX 12.2019 erteilt wurde, diese sohin zum Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich in Besitz eines italienischen Visums war, das seit weniger als sechs Monaten abgelaufen ist, ergibt sich ebenso aus dem unbedenklichen Akteninhalt, insbesondere aus der VIS-Abfrage (vgl. AS 9) und wurde darüber hinaus von der Beschwerdeführerin selbst vorgebracht. In ihrer Erstbefragung gab sie an, dass sie in keinem anderen Land um Asyl angesucht, jedoch im November 2019 ein italienisches Visum erhalten habe (vgl. AS 21). Auch wurde die Erteilung des Visums für die Beschwerdeführerin durch die italienische Dublinbehörde – zumindest konkludent - bestätigt, die dem auf Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO gestützten Aufnahmegesuch des Bundesamtes nicht widersprochen hat.

Die Feststellungen zum Aufnahmegesuch der österreichischen Dublinbehörde und zum Übergang der Zuständigkeit an Italien aufgrund Verfristung sowie zur diesbezüglichen Mitteilung durch das Bundesamt ergeben sich aus den jeweiligen Schreiben bzw. aus der Korrespondenz der Dublinbehörden im Rahmen des Konsultationsverfahrens. Darauf, dass die Zuständigkeit Italiens beendet worden wäre, finden sich im gesamten Verfahren keine Hinweise, wobei ein derartiges Vorbringen weder vor dem Bundesamt noch in der Beschwerde erstattet wurde.

Eine die Beschwerdeführerin konkret treffende Bedrohungssituation in Italien wurde nicht ausreichend substanziiert vorgebracht, da das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführerin unplausibel und nicht nachvollziehbar ist. Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass sie vor ihrer Familie geflohen sei, da ihr Onkel sie habe zwangsverheiraten wollen. Ihre Familie hätte gewusst, dass sie ein Visum von Italien habe und hätte sie in Italien gefunden. Deshalb habe sie nicht in Italien bleiben wollen (vgl. AS 23, AS 163). Vor dem Hintergrund, dass die Beschwerdeführerin – ihren eigenen Angaben zufolge – das Visum schlepperunterstützt bzw. über Vermittler erhalten hat (vgl. AS 25: „Ich habe dieser Person meinen Reisepass gegeben, diese organisierte anschließend das Visum.“), ist nicht nachvollziehbar, dass ihre Familie von dem italienischen Visum hätte erfahren können und war die Beschwerdeführerin auch nicht in der Lage, den diesbezüglichen Vorhalt in der Einvernahme vom 22.06.2020 zu entkräften. So gab sie lediglich unsubstanziiert an, sie sei wegen ihrer Familie väterlicherseits geflüchtet und sei sicher, dass „sie“ erfahren hätten, dass sie in Italien sei (vgl. AS 165). Eine Steigerung erfuhr dieses Vorbringen im weiteren Verlauf der Einvernahme als die Beschwerdeführerin nunmehr angab, „sie“ würden sie finden und töten (vgl. AS 165). Wie bereits erwähnt ist nicht plausibel, dass die Familie der Beschwerdeführerin von dem italienischen Visum bzw. von einem Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Italien erfährt. Allerdings ist selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Angehörigen der Beschwerdeführerin erfahren würden, dass sie sich in Italien aufhält, darauf hinzuweisen, dass bei der Größe Italiens ein zufälliges Treffen auf ihre Familienmitglieder (sollten sie diese tatsächlich in Italien suchen) wohl ausgeschlossen ist. Ebenso ausgeschlossen ist es wohl, den genauen Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin in Italien zu erfahren, wenn die Beschwerdeführerin nicht von sich aus den Kontakt zu ihrer Familie sucht. Eine konkrete Bedrohungssituation für die Beschwerdeführerin in Italien kann aus diesem Vorbringen jedenfalls nicht erkannt werden. Lediglich der Vollständigkeit halber ist allerdings darauf zu verweisen, dass sich die Beschwerdeführerin in Italien bei Vorliegen einer tatsächlichen Bedrohung jederzeit an die italienischen Behörden bzw. die italienische Polizei wenden kann, die dazu willens und in der Lage sind, der Beschwerdeführerin Schutz vor Verfolgung zu bieten. Dass die italienischen Behörden nicht schutzwillig oder schutzfähig wären, wurde auch in der Beschwerde nicht vorgebracht.

Dass sich die Beschwerdeführerin wegen Ohrenschmerzen am XXXX 07.2020 in ambulante Behandlung eines Klinikums begeben hat, gründet auf dem vorgelegten Ambulanzprotokoll vom XXXX 07.2020. Da diesbezüglich weder ein Vorbringen erstattet noch weitere medizinische Unterlagen vorgelegt wurden, war die Feststellung zu treffen, dass eine aktuelle, im Überstellungszeitpunkt vorgelegen habende bzw. darüber hinausgehende Behandlungsbedürftigkeit nicht festgestellt wird. Ebenso verhält es sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Einvernahme vom 22.06.2020, es gehe ihr nicht gut, da sie bei Einvernahmen immer „Stress und Panik“ bekomme, zumal dieser Teil des Vorbringens in den schriftlichen Beschwerdeausführungen nicht mehr erwähnt wurde. Da sohin eine Behandlungsbedürftigkeit nicht feststellbar war, war sohin die Feststellung zum Nichtvorliegen schwerwiegender gesundheitlicher Beeinträchtigungen, die einer Überstellung der Beschwerdeführerin nach Italien entgegengestanden sind, zu treffen.

Ferner ergibt sich die Feststellung zum Nichtvorhandensein besonders ausgeprägter privater, familiärer oder beruflicher Bindungen der Beschwerdeführerin in Österreich aus ihren eigenen Angaben im Verfahren. Gegenteiliges ist auch dem sonstigen Akteninhalt nicht zu entnehmen. Sowohl in der Erstbefragung als auch in der Einvernahme vor dem Bundesamt gab die Beschwerdeführerin dezidiert an, keine Familienangehörigen bzw. sonstige Verwandte in Österreich zu haben (vgl. AS 17 bzw. AS 165).

Letztlich ergibt sich die Feststellung zur komplikationslosen Überstellung der Beschwerdeführerin nach Italien am 26.08.2020 aus dem diesbezüglichen Bericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich von selben Tag.

2.2. Die Feststellungen zum italienischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern beruhen auf den im angefochtenen Bescheid angeführten Quellen. Bei diesen vom Bundesamt herangezogenen Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild zum Asylverfahren in Italien ergeben. Nach Ansicht der erkennenden Einzelrichterin handelt es sich bei den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Des Weiteren ist darauf zu verweisen, dass die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl herangezogenen Quellen nach wie vor aktuell bzw. mit späteren Quellen inhaltlich deckungsgleich bzw. zum Teil sogar nahezu wortident sind.

Die Gesamtsituation des Asylwesens in Italien ergibt sich sohin aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen und insbesondere auch die geänderte Rechtslage nach dem „Salvini-Dekret“ bzw. „Salvini-Gesetz“ berücksichtigen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substanziell widersprechen, hat die Beschwerdeführerin nicht dargelegt. In der Einvernahme vor dem Bundesamt gab sie zu den vorab ausgefolgten Länderfeststellungen lediglich unsubstanziiert an, dass sie wisse, dass es „dort“ keine Sicherheit gebe und sie „dorthin“ nicht zurückkehren könne.

Aber auch die Beschwerde tritt den Länderberichten des Bundesamtes nicht entgegen, sondern bezieht sich selbst auf diese und zieht diese für die eigene Argumentation heran. Hinzu kommt, dass die Berichte, die in der Beschwerde zitiert werden, im Vergleich zu den Länderinformationen des Bundesamtes veraltet sind. Der Bericht von Ärzte ohne Grenzen stammt vom 12.04.2016 und ist sohin ca. dreieinhalb Jahre älter als das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, das in seiner letzten Überarbeitung (ohne Berücksichtigung der Feststellungen zur COVID-19-Pandemie) vom 30.09.2019 stammt. Ferner bezieht sich die Beschwerde auf die Unterbringungssituation für Asylwerber im Feber 2018 sowie auf Studien, die wiederum die Lage im Jahr 2013 schildern. Auch sind die Beschwerdeausführungen lediglich allgemein gehalten und weisen keinen Bezug zur Person der Beschwerdeführerin auf. Beispielsweise wird in der Beschwerde vorgebracht, dass wenn eine Person unerlaubt eine staatliche Unterbringung verlasse, von einer freiwilligen Abreise ausgegangen werde und diese Person das Recht auf Unterbringung verliere. Dieses Vorbringen passt jedoch nicht zur Person der Beschwerdeführerin, da diese in Italien keinen Asylantrag gestellt hat und sohin gar nicht untergebracht war. Das Beschwerdevorbringen betreffend „drohende Obdachlosigkeit“ geht sohin ins Leere. Mangels konkretem Vorbringen sind die Beschwerdeausführungen daher nicht geeignet, die durch tatsächlich aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid, die ein differenziertes Bild zeichnen und ebenso auf die Situation von Dublin-Rückkehrern Bezug nehmen, zu entkräften.

Die Länderfeststellungen sind grundsätzlich ausreichend aktuell und nehmen auch auf die aktuelle Situation in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie Bezug. Es ist notorisch, dass die Mitgliedstaaten allesamt – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – vom Ausbruch der Pandemie betroffen sind und hier vor großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich stehen. Diesbezüglich wurden und werden in den einzelnen Ländern tagesaktuell entsprechende Maßnahmen gesetzt (beispielsweise die Verhängung von Ausgangsbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen sowie teilweise die Vornahme von Grenzschließungen und Einschränkungen im Personen- und Warenverkehr sowie auch die teilweise Zurücknahme von bereits erfolgten Lockerungen), die die Ausbreitung von COVID-19 hintanhalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Bevölkerung – seien es nun eigene Staatsbürger oder dort ansässige Fremde – möglichst sicherstellen sollen. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die Heranziehung der Länderfeststellungen zu Italien nicht zu beanstanden; einerseits aufgrund der Annahme, dass dann – und nur dann – Überstellungen durchgeführt werden, wenn Italien für die Einhaltung der einschlägigen asyl- und fremdenrechtlichen Standards garantieren kann, was gegenständlich der Fall ist, da die Beschwerdeführerin bereits am 26.08.2020 nach Italien überstellt wurde, und die Länderfeststellungen insofern wieder volle Gültigkeit haben, und andererseits aufgrund des Umstandes, dass es sich bei der Beschwerdeführerin im Überstellungszeitpunkt um keine besonders vulnerable Person gehandelt hat und keine Anzeichen dafür vorlagen, dass sie zu den Personengruppen mit einem erhöhten Risiko an COVID-19 zu erkranken – wie ältere und/oder immungeschwächte Personen – gehört.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

3.2. Zu A)

3.2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

Nach Abs. 2 leg. cit. ist gemäß Abs. 1 auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

Sofern gemäß Abs. 3 leg. cit. nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienleb

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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