TE OGH 2020/11/24 10Ob20/20v

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Veröffentlicht am 24.11.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. J*****, Rechtsanwalt, *****, als Masseverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des A*****, AZ ***** des Bezirksgerichts *****, vertreten durch Dr. Josef Strasser, Dr. Maria Weidlinger und Dr. Tanja Baminger-Dvorak, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Grünbart-Lison Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, wegen 30.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 9. Mai 2019, GZ 6 R 30/19b-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 17. Jänner 2019, GZ 1 Cg 15/18f-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Das Verfahren wird über Antrag der klagenden Partei fortgesetzt. Die Bezeichnung der klagenden Partei wird dahin berichtigt, dass sie zu lauten hat wie folgt:

Dr. J*****, Rechtsanwalt, *****, als Masseverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des A*****, AZ ***** des Bezirksgerichts *****.

II. Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1]       I. Nach Einlangen der Revision wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts ***** über das Vermögen des ursprünglichen Klägers und nunmehrigen Schuldners das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Dadurch war das Rechtsmittelverfahren gemäß § 7 Abs 1 IO iVm § 181 IO unterbrochen (AZ 10 Ob 57/19h). Nunmehr hat der Masseverwalter im Schuldenregulierungsverfahren den Eintritt in das Verfahren im Sinn des § 7 Abs 2 IO erklärt und dessen Fortsetzung beantragt. Das Verfahren war daher mit dem Masseverwalter als klagende Partei fortzusetzen (§ 7 IO) und die Bezeichnung der klagenden Partei auf diesen zu berichtigen (§ 235 ZPO; RS0039713).

[2]       II. Der ursprüngliche Kläger (in der Folge: der Kläger) und der Beklagte kennen einander seit etwa 2012, sie sind Geschäftspartner.

[3]       Der Beklagte und der Kläger gründeten am 2. 6. 2016 gemeinsam die F***** GmbH, um Fenster zu vertreiben. Geschäftszweig der F***** GmbH war der Handel mit Fenstern, Böden, Fliesen und Waren aller Art und Montage. Geschäftsführer dieser GmbH war der Kläger, ihre Gesellschafter waren mit einem Anteil von 40 % der Kläger und mit einem Anteil von ursprünglich 60 % die K***** GmbH. Geschäftsführer und (im hier maßgeblichen Zeitraum nach dem offenen Firmenbuch, FN *****) Mehrheitsgesellschafter der bereits 2008 gegründeten K***** GmbH ist der Beklagte. Geschäftszweig der K***** GmbH ist die Vermittlung und Durchführung von Hoch- und Tiefbauarbeiten, vorbereitende Baustellenarbeiten, Bauinstallationen und sonstige Ausbauarbeiten und Baudienstleistungen sowie Vermittlung und Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen und des Handels mit Waren aller Art. Die Anteile der K***** GmbH an der F***** GmbH wurden im August 2017 an den Kläger übertragen.

[4]       Im August 2016 gründete der Kläger die (damalige) H***** GmbH (nunmehr: A***** GmbH in Liqu) mit dem Geschäftszweig Kauf, Verkauf, Renovierung und Vermietung von Immobilien. Alleiniger Gesellschafter sowie Geschäftsführer dieser GmbH war der Kläger.

[5]       Da es nach der Gründung der F***** GmbH Probleme mit den Fliesenlieferanten gab, beabsichtigte der Kläger, anstatt der Fliesen Pellets zu verkaufen. Diese Pellets wurden zunächst in Kroatien produziert. Da dies nicht entsprechend funktionierte, hatten die Streitteile schließlich die Idee, die Pellets in Österreich zu produzieren und zu diesem Zweck wiederum eine Gesellschaft, nämlich die S***** GmbH zu gründen. Deren Geschäftsführer sollte der Beklagte sein. Die Streitteile besprachen den Ankauf einer Pelletsproduktionslinie. Der Kläger sah sich nach einer Anlage um und fand ein Angebot der He***** GmbH. Der Beklagte trat an die He***** GmbH heran, um das bestehende Interesse zu bekunden.

[6]            Die He***** GmbH unterbreitete der H***** GmbH am 21. 2. 2017 ein Angebot zum Kauf einer Pelletsproduktionslinie zum Preis von 345.000 EUR exklusive USt. An den Vertragsverhandlungen über den Kauf der Pelletsproduktionslinie waren sowohl der Kläger als auch der Beklagte beteiligt. Die H***** GmbH trat als Käuferin der Pelletsproduktionslinie auf, weil die S***** GmbH im Februar 2017 noch nicht gegründet war. Geplant war, dass die S***** GmbH dann diesen Kaufvertrag von der H***** GmbH übernimmt.

[7]       Die He***** GmbH forderte im Zuge des Verkaufs von der Käuferin eine Depotzahlung in Höhe von 50.000 EUR.

[8]       Zum Abschluss des Kaufvertrags kam es zwischen der He***** GmbH (in der Folge auch: Verkäuferin) und der H***** GmbH. Der Kläger unterfertigte den Kaufvertrag als Geschäftsführer der H***** GmbH. Im Zuge des Abschlusses des Kaufvertrags überwies der Kläger am 6. 3. 2017 die von der Verkäuferin geforderte Depotzahlung in Höhe von 50.000 EUR an diese.

[9]       Die folgenden, unter Anführungszeichen wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichts wurden im Berufungsverfahren vom Beklagten angefochten:

„Dieser Betrag in Höhe von 50.000 EUR stammte aus dem Privatvermögen des Klägers. In weiterer Folge verfasste der Kläger, da er diese Depotzahlung in Höhe von 50.000 EUR aus seinem Privatvermögen getätigt hatte, eine Vereinbarung über diese Depotzahlung mit nachstehendem Wortlaut:

'Vereinbarung Depotzahlung März 2017

[Beklagter] bestätigt hiermit, dass er die Depotzahlung von 50.000 EUR die [Kläger] an die He***** GmbH gezahlt hat. Privat ersetzen wird sollte es zum Scheitern oder sonst irgendwelchen Ausfällen oder Gründen kommen. Die Frist für die Gültigkeit der Vereinbarung gilt ab Juni. Ab Anfang Juni kann jederzeit von [Kläger] die Depotzahlung zurückgefordert werden.'

Diese Vereinbarung wurde sowohl vom Kläger als auch vom Beklagten unterfertigt.“

[10]           Mit Gesellschaftsvertrag vom 2. 5. 2017 wurde die S***** GmbH gegründet. Geschäftsführer dieser Gesellschaft war der Beklagte. Gesellschafter waren neben dem Beklagten die K***** GmbH sowie eine andere damalige Gesellschafterin der K***** GmbH, M*****.

[11]     Die H***** GmbH erfüllte den Kaufvertrag mit der He***** GmbH in weiterer Folge nicht. Die Gründe dafür stehen nicht fest. Die He***** GmbH forderte den offenen Rechnungsbetrag sowohl gegenüber dem Kläger als auch gegenüber dem Beklagten ein, wobei die Forderungsschreiben teilweise an die H***** GmbH und teilweise an die S***** GmbH gerichtet waren. Der Beklagte sicherte zunächst die Zahlung bis Mitte bzw Ende Mai 2017, spätestens bis Förderungszusage zu. Die He***** GmbH „kündigte“ den Kaufvertrag mangels Zahlung mit Schreiben vom 28. 8. 2017 „auf“.

[12]           Trotz Aufforderung durch den Kläger zahlte die He***** GmbH die Depotzahlung nicht an diesen zurück.

[13]           Am 11. 10. 2017 forderte der Kläger beim Beklagten die Depotzahlung von 50.000 EUR bis spätestens 20. 10. 2017 zurück. Eine Zahlung erfolgte nicht.

[14]     In diesem Zusammenhang traf das Erstgericht noch folgende, vom Beklagten in der Berufung angefochtene Feststellung: „Vonseiten des Beklagten wurde zwar zugestanden, dass diese Zahlung vom Kläger getätigt wurde, eine Rückzahlung an diesen jedoch abgelehnt.“

[15]     Der Kläger begehrt, gestützt auf die (undatierte) „Vereinbarung Depotzahlung März 2017“ (Blg ./A), vom Beklagten die Zahlung von (nach Einschränkung) 30.000 EUR samt Zinsen. Er habe auf Drängen des Beklagten den Betrag von 50.000 EUR zur Sicherstellung des Kaufpreises aus seinem Privatvermögen an die Verkäuferin der Pelletsproduktionslinie gezahlt. Käuferin der Anlage sollte letztendlich – nach Übernahme des Kaufvertrags von der H***** GmbH – die S***** GmbH sein, deren Geschäftsführer und Gesellschafter der Beklagte sei. Der Beklagte habe sich persönlich zur Rückzahlung des Betrags verpflichtet, falls das Geschäft scheitere. Das Geschäft sei ins Stocken geraten, als für die Pelletsproduktionslinie weder Standort noch Finanzierung gefunden worden seien. Durch das passive Verhalten des Beklagten sei weder der Kaufpreis für die Pelletsproduktionslinie gezahlt noch der Kaufvertrag auf die S***** GmbH übertragen worden. Dies sei nicht vom Kläger zu verantworten. Der Beklagte sei „Mastermind“ hinter dem Geschäft gewesen. Der Kläger habe keinen Anspruch gegen die Verkäuferin He***** GmbH, weil zwischen ihm und dieser Gesellschaft kein Vertragsverhältnis bestehe. Sofern er als Geschäftsführer der H***** GmbH in der Lage sei, Ansprüche dieser gegen die He***** GmbH an den Beklagten abzutreten, könne dies jederzeit Zug–um–Zug gegen Zahlung des Klagebegehrens erfolgen.

[16]     Der Beklagte bestritt, dass der Kläger aus seinem privaten Vermögen über sein Drängen 50.000 EUR an die He***** GmbH gezahlt hätte. Er bestritt auch das Zustandekommen einer Vereinbarung, wonach er dem Kläger 50.000 EUR ersetzen solle. Sollte eine solche Vereinbarung dennoch zustande gekommen sein, werde sie wegen Irrtums und Wegfalls der Geschäftsgrundlage angefochten. Selbst wenn eine solche Vereinbarung getroffen worden wäre, müsste der Beklagte nur Zug–um–Zug gegen die Abtretung des Rückforderungsanspruchs des Klägers bzw der H***** GmbH an den Beklagten leisten.

[17]           Auch stelle sich die Frage, wofür der Beklagte haften solle: Weder der Kläger noch der Beklagte seien Parteien des Kaufvertrags gewesen. Vielmehr sei die Lieferung einer Pelletsproduktionslinie bis April 2017 zwischen der He***** GmbH und der H***** GmbH vereinbart gewesen. Nicht der Kläger, sondern die H***** GmbH habe die Depotzahlung an die Verkäuferin der Pelletsproduktionslinie geleistet. Die Verantwortung dafür, dass der Kaufvertrag über die Pelletsproduktionslinie letztlich gescheitert sei, trage der Kläger. Dem Kläger wäre es auch möglich gewesen, eine von der H***** GmbH geleistete Depotzahlung von 50.000 EUR von der Verkäuferin wieder zu erlangen. Der Beklagte habe die Verkäuferin der Pelletsproduktionslinie mehrfach darauf hingewiesen, dass nicht er, sondern die H***** GmbH deren Vertragspartner sei, dies ungeachtet des Umstands, dass eine spätere Übernahme der Pelletsproduktionslinie durch die S***** GmbH in Aussicht gestellt worden sei.

[18]     Der Beklagte wandte erstens eine Gegenforderung in Höhe von 20.000 EUR im Weg der Aufrechnung gegen das Klagebegehren ein. In dieser Höhe habe er Kreditverbindlichkeiten des Klägers beglichen. Der Kläger anerkannte diese Gegenforderung und schränkte im Hinblick darauf das Klagebegehren auf den Betrag von 30.000 EUR sA ein (ON 15).

[19]     Der Beklagte wandte eine weitere Gegenforderung von 35.048,88 EUR gegen das Klagebegehren ein. In dieser Höhe habe der Kläger als Geschäftsführer der F***** GmbH der HU***** GmbH einen Schaden verursacht. Dieser Schadenersatzanspruch sei dem Beklagten abgetreten worden. Diese weitere Gegenforderung bestritt der Kläger.

[20]     Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung mit 30.000 EUR zu Recht bestehe, hingegen die geltend gemachte Gegenforderung nicht zu Recht bestehe. Es verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 30.000 EUR samt Zinsen. In der Hauptsache führte es aus, dass die Auslegung der „Vereinbarung Depotzahlung März 2017“ ergebe, dass der Beklagte ab Juni 2017 zur Rückzahlung der Depotzahlung, die der Kläger aus seinem persönlichen Vermögen geleistet habe, verpflichtet sei, wenn der Vertrag nicht zustande komme. Die Rückzahlungsverpflichtung sollte unabhängig vom Grund des Scheiterns des Vertrags mit der Verkäuferin bestehen. Der Kläger sei nicht verpflichtet, sich bezüglich der Rückzahlung zuerst an die Verkäuferin zu wenden. Er habe dies ohnedies getan, sei aber gescheitert. Die (zweite) Gegenforderung von 35.048,88 EUR bestehe nicht zu Recht.

[21]     Das Berufungsgericht gab der vom Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung Folge und wies das Klagebegehren ab. Selbst wenn man vom Zustandekommen der vom Kläger behaupteten „Vereinbarung Depotzahlung März 2017“ ausginge, ergebe deren Auslegung, dass diese als ein ausschließlich zwischen den Parteien vereinbarter zweipersonaler Garantievertrag zu beurteilen sei. Denn die Vereinbarung könne so verstanden werden, dass damit trotz des der H***** GmbH zustehenden Rückforderungsanspruchs gegen die Verkäuferin He***** GmbH ein persönlicher Sicherungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten begründet werden sollte. Der Beklagte sollte für die fremde (Rückzahlungs-)Schuld der He***** GmbH gegenüber der H***** GmbH, hier jedoch konstruiert gegenüber dem Kläger haften. Zur Rechtswirksamkeit einer solchen Zahlungsverpflichtung bedürfe es jedoch eines dahinterstehenden Rechtsgrundes, weil abstrakte Geschäfte grundsätzlich unzulässig seien.

[22]     Es könne dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger behauptete Verpflichtungserklärung als zweipersonale Garantie, als Bürgschaft oder als konstitutives Anerkenntnis zu beurteilen sei. Selbst wenn man den wirtschaftlichen Zweck „Sicherung einer fremden Schuld“ – wie bei der Bürgschaft auf erste Anforderung – auch bei der zweipersonalen Garantie als tauglichen Rechtsgrund beurteilen wollte, liege ein solcher hier nicht vor: Der Kaufvertrag sei zwischen der He***** GmbH und der H***** GmbH zustande gekommen. Die H***** GmbH, nicht der Kläger, sei zur Leistung der Depotzahlung verpflichtet gewesen. Ein allfälliger Anspruch aus der Vertragsauflösung komme daher der H***** GmbH, nicht aber dem Kläger zu. Die vom Kläger behauptete Zahlung aus seinem Privatvermögen könnte nur für die H***** GmbH schuldbefreiende Wirkung haben. Nach der Verpflichtungserklärung solle der Beklagte eine Forderung des Klägers gegen die Verkäuferin He***** GmbH sichern, die nicht existiere. Es fehle daher an einem Sicherungszweck und an einem Bezug auf ein Grundgeschäft. Da auch sonst keinerlei rechtliche Beziehungen oder Verpflichtungen im Verhältnis zwischen den Streitteilen behauptet worden seien, liege ein abstraktes ungültiges zweipersonales Schuldversprechen vor.

[23]           Auch ein konstitutives Anerkenntnis sei zu verneinen. Ein solches sei nur wirksam, wenn dadurch ein Streit oder Zweifel über das Bestehen eines bestimmten Rechts bereinigt werden sollen. An diesen Voraussetzungen fehle es im vorliegenden Fall; der Kläger habe dazu nichts vorgebracht.

[24]     Da der Kläger seine Forderung ausschließlich auf die behauptete „Vereinbarung Depotzahlung März 2017“ stütze, aber diese Vereinbarung, wie auch immer man sie beurteilen möge, immer nur als grundsätzlich unzulässiges abstraktes Geschäft zu beurteilen sei, sei das Klagebegehren bereits aus rechtlichen Gründen nicht berechtigt, sodass es keiner Auseinandersetzung mit der Beweisrüge und der geltend gemachten Gegenforderung bedürfe.

[25]     Dessen ungeachtet bejahte das Berufungsgericht aber – „für den Fall anderer Rechtsansicht“ – eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz, die darin bestehe, dass die vom Erstgericht vorgenommene Beweiswürdigung zur Echtheit der Urkunde „Vereinbarung Depotzahlung März 2017“ (Blg ./A) unrichtig und überraschend sei.

[26]     Die Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob auch eine abstrakte zweipersonale Garantie zulässig sei und ob allenfalls ein darin verbriefter Zweck „Sicherung einer fremden Forderung“ eine taugliche Causa darstelle, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

[27]     Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Beklagten beantwortete Revision des Klägers.

Rechtliche Beurteilung

[28]     Die Revision ist zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

[29]           Der Revisionswerber macht geltend, dass die „Vereinbarung Depotzahlung März 2017“ (Blg ./A) vom Berufungsgericht falsch ausgelegt worden sei. Es liege kein unzulässiges abstraktes Geschäft vor, sondern eine zwischen den Streitteilen vereinbarte Garantieerklärung. Der Sicherungszweck sei ersichtlich und ein klarer Bezug auf das Grundgeschäft liege vor, weil die Depotzahlung, deren Empfänger und deren Zahler angeführt sei. Der Beklagte garantiere für die ordnungsgemäße Erfüllung des Grundgeschäfts. Daher sei die „Vereinbarung Depotzahlung März 2017“ nicht nur als Garantie, sondern auch als Bürgschaft auf erste Anforderung einzuordnen. Der Sicherungszweck sei ein tauglicher Rechtsgrund, dies gelte auch für eine zweipersonale Garantie. Darüber hinaus stelle die „Vereinbarung Depotzahlung März 2017“ auch ein Anerkenntnis dar. Dazu ist auszuführen:

[30]            1.1 Wird die Rechtsrüge – wie im vorliegenden Fall – gesetzmäßig ausgeführt, hat das Rechtsmittelgericht die materiell-rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen hin zu prüfen (RS0043352).

[31]           1.2 Voranzustellen ist, dass die oben wiedergegebenen wesentlichen Feststellungen des Erstgerichts zu der vom Kläger behaupteten „Vereinbarung Depotzahlung März 2017“ (Blg ./A) in der Berufung des Beklagten angefochten wurden. Da das Berufungsgericht die Beweisrüge nicht behandelt hat, kann sich im Revisionsverfahren nur die Frage stellen, ob diese Vereinbarung, selbst wenn sie so wie vom Kläger behauptet, getroffen worden sein sollte, als absolut unzulässige zweipersonale abstrakte Verpflichtungserklärung anzusehen wäre.

[32]     Das kann hier nach den bisher getroffenen unangefochtenen Feststellungen nicht bejaht werden:

[33]           2. Beim echten Garantievertrag übernimmt der Garant gegenüber dem Begünstigten die Haftung für den noch ungewissen Erfolg eines Unternehmens im weitesten Sinn oder für den durch ein Unternehmen entstehenden Schaden (7 Ob 11/01w; RS0017001 ua). Echte Garantien liegen stets vor, wenn ein anderer als ein Vertragspartner Zusicherungen abgibt oder wenn ein Vertragspartner dem anderen gegenüber eine Haftung übernimmt, die dem Wesen nach über die Gewährleistungspflichten und über die gesetzlichen Schadenersatzpflichten hinausgeht (Koziol, Der Garantievertrag [1981] 5). Zweck dieses Vertrags ist also, dass der Garant dem Begünstigten für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs einzustehen hat; dabei soll der Garant nicht etwa den von ihm garantierten Erfolg selbst herbeiführen, sondern lediglich im Fall des Nichteintritts den wirtschaftlichen Ausfall des Begünstigten decken, das heißt sein Interesse ersetzen (3 Ob 546/95).

[34]           3.1 Eine dreipersonale Garantie liegt jedenfalls dann vor, wenn die Verpflichtung des Garanten gegenüber dem Begünstigten ihren Rechtsgrund in seiner Beziehung zu einem Dritten hat. Die Leistung des Garanten findet dabei ihre Rechtfertigung einerseits in seinem Deckungsverhältnis zum Dritten, andererseits in dem zwischen dem Dritten und dem Begünstigten bestehenden Valutaverhältnis. Die Garantie im dreipersonalen Verhältnis soll typischerweise der vereinfachten Abwicklung der im Deckungs- und Valutaverhältnis bestehenden Grundbeziehungen dienen und kann diesen Zweck nur bei einer Loslösung von diesen erfüllen. Übernimmt daher jemand die Haftung für die Leistung eines Dritten aufgrund einer Vertragsbeziehung zu diesem, ist der Garantievertrag nach seiner Zweckbestimmung von beiden Grundverhältnissen gelöst und in diesem Sinn abstrakt (3 Ob 546/95 mwH; Koziol, Garantievertrag 32). Abstrakte Verpflichtungen werden in dreipersonalen Verhältnissen als wirksam betrachtet, weil dort die Grundverhältnisse erkennbar sind und eine Rückabwicklung möglich ist (4 Ob 2330/96t; Wiebe in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 859 Rz 27).

[35]           3.2 Eine dreipersonale Garantie liegt nach dem Vorbringen des Klägers hier nicht vor. Danach habe der Beklagte zwar die Haftung für die vom Kläger geleistete Depotzahlung übernommen. Zu deren Rückzahlung wäre jedoch im Fall des Scheiterns des Geschäfts allenfalls die Verkäuferin der Pelletsproduktionslinie verpflichtet gewesen. Eine Vertragsbeziehung des Beklagten zur Verkäuferin, aufgrund deren der Beklagte die vom Kläger geltend gemachte Haftung übernommen hätte, behauptet der Kläger nicht.

[36]           4.1 Unter einer zweipersonalen Garantie ist hingegen eine solche zu verstehen, bei der die Zuwendung des Garanten an den Begünstigten ihre causa, ihren Grund, allein in der Beziehung zwischen diesen beiden Beteiligten findet (3 Ob 546/95; Koziol, Garantievertrag 25 f, weist beispielsweise auf den Sachverhalt der Entscheidung 3 Ob 806/52 = SZ 26/81 hin).

[37]           4.2 An der vom Kläger als Anspruchsgrundlage behaupteten Vereinbarung waren nach seinem Vorbringen nur zwei Personen beteiligt, sodass darin grundsätzlich eine zweipersonale Garantie, wie dies dem Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts entspricht, liegen kann (Bollenberger, Zur Unterscheidung von zwei- und dreipersonalen Garantien, insbesondere im Hinblick auf Regressfragen, in FS Jud [2012], 43 [45]).

[38]           4.3 Ein abstraktes Verpflichtungsgeschäft ist dem österreichischen Recht, was der Revisionswerber nicht in Zweifel zieht, außerhalb des Wertpapier- und Anweisungsrechts grundsätzlich fremd (RS01114623; RS0014027 [T2]). Die ablehnende Haltung des Gesetzes gegenüber dem abstrakten Versprechen beruht darauf, dass mit seiner Hilfe Geschäfte verbindlich gemacht werden könnten, die gesetzlich verboten oder sittenwidrig sind, weil ja der Geschäftszweck nicht offen gelegt werden müsste. Einer Verpflichtung muss grundsätzlich der mit ihr verfolgte wirtschaftliche Zweck entnehmbar sein (Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 859 Rz 55). Eine abstrakte zweipersonale Garantie ist aus diesen Gründen nicht zulässig (8 Ob 147/17a; Koziol, Der Garantievertrag 30; P. Bydlinski in KBB6 § 880a ABGB Rz 7; Graf in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 880a ABGB Rz 8).

[39]           4.4 Zweipersonale Garantien bedürfen zu ihrer Gültigkeit daher der Anführung der causa, die sie erklärt (Bollenberger in FS Jud 47). Wenn eine entsprechende causa besteht, kann nach österreichischem Recht über den Wortlaut des § 880a ABGB hinaus jede sonstige Erfolgshaftung, und jede Haftung für einen Schaden mittels Garantievertrags übernommen werden (P. Bydlinski in KBB6 § 880a ABGB Rz 5 mwN; Bollenberger in FS Jud 47). Im Zusammenhang mit Rückgarantien zur Absicherung von Aufwandersatzansprüchen im Rahmen der Erfüllung gewährter Bankgarantien führte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 549/88 aus, dass solche zweipersonalen Garantien gerade auch im Hinblick auf die bei solchen Verhältnissen bestehende Problematik ihrer abstrakten Ausgestaltung nicht als isoliert bestehende Rechtsgeschäfte betrachtet werden dürfen, sondern vielmehr ihrem Zweck entsprechend als Teil einer geschlossenen Vertragskette anzusehen seien.

[40]           5.1 Auch Garantieverträge sind Rechtsgeschäfte, die gemäß den §§ 914, 915 ABGB auszulegen sind. Bei der Auslegung einer Haftungserklärung ist auf die konkreten Umstände, namentlich auf den Geschäftszweck und die Interessenlage Bedacht zu nehmen (RS0033002 [T5]). Eine entgeltliche causa kann bei einer zweipersonalen Garantie darin bestehen, dass der Garantiebegünstigte durch die Garantie zu einer bestimmten Tätigkeit oder zur Beteiligung an einer Unternehmung animiert wird (Bollenberger in FS Jud 48).

[41]           5.2 Schon aus dem Wortlaut der vom Kläger behaupteten „Vereinbarung Depotzahlung März 2017“ ergibt sich ein Hinweis auf das den Parteien der Vereinbarung bekannte Grundgeschäft, nämlich die namentliche Nennung der Verkäuferin der Pelletsproduktionslinie. Weiters ergibt sich daraus, dass die vom Kläger behauptete Haftung insbesondere im Fall des Scheiterns dieses Grundgeschäfts schlagend werden soll. Die für die Auslegung des Vertrags maßgebende Absicht der Parteien war, dass Käuferin der Pelletsproduktionslinie letztlich die noch zu gründende S***** GmbH sein sollte. Auch der Beklagte hatte am Gelingen des Geschäfts daher durchaus ein eigenes wirtschaftliches Interesse, sollte er doch Geschäftsführer und (wirtschaftlich dominierender) Gesellschafter dieser Gesellschaft werden. Durch die vom Kläger behauptete Garantie des Beklagten sollte nach dem Vorbringen des Klägers das gesamte festgestellte Vertragskonstrukt des geplanten Ankaufs der Pelletsproduktionslinie durch – letztlich – die S***** GmbH dahin abgesichert werden, dass der Kläger trotz seiner (behaupteten) Bemühungen – hier insbesondere die von ihm behauptete Leistung der Depotzahlung aus eigenem Vermögen – bei einem Scheitern des Vertrags keinen Schaden erleide.

[42]           5.3 In diesen Umständen kann nach dem Vorbringen des Klägers entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts durchaus eine causa für die hier von ihm behauptete Garantie des Beklagten liegen, sollte doch danach der Kläger durch die Garantie zu einer bestimmten Tätigkeit – hier die von ihm behauptete Leistung der Depotzahlung aus eigenem Vermögen für die H***** GmbH – und damit zur Beteiligung an der geplanten gemeinsamen Unternehmung der Pelletsproduktion auch zum wirtschaftlichen Vorteil des Beklagten animiert werden.

[43]           5.4 Ausgehend davon erweist sich aber die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, bereits nach den Behauptungen des Klägers sei von einer unzulässigen abstrakten zweipersonalen Garantie auszugehen, als korrekturbedürftig.

[44]           6. Der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass kein konstitutives Anerkenntnis vorliege, weil schon nach dem Vorbringen des Klägers kein streitiges und zu bereinigendes Recht vorliege (dazu 1 Ob 27/01d; RS0114623 [T3]) tritt der Kläger in der Revision lediglich mit der gegenteiligen Behauptung entgegen, es liege doch ein konstitutives Anerkenntnis vor, womit die Revision aber in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt ist.

[45]           7.1 Damit erweist sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig, weil das Berufungsgericht die Beweisrüge nicht behandelt hat. Denn es fehlen wie ausgeführt, entscheidungswesentliche Feststellungen zu den tatsächlich zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarungen.

[46]           7.2 Bejaht das Berufungsgericht einen Verfahrensmangel, so hat es die Rechtssache gemäß § 496 Abs 1 Z 2 ZPO an das Erstgericht zur Verhandlung und Urteilsfällung zurückzuverweisen. Dies hat das Berufungsgericht jedoch nicht getan, sondern einen Verfahrensmangel lediglich „für den Fall anderer Rechtsansicht“ bejaht. Da aber die Rechtsansicht des Berufungsgerichts mangels ausreichender Feststellungsgrundlage derzeit noch nicht überprüfbar ist, liegt darin lediglich eine theoretische und damit unbeachtliche Auseinandersetzung mit dem vom Berufungsgericht behandelten Verfahrensmangel.

[47]           8. Der Revision ist daher im Sinn des Aufhebungsantrags insofern Folge zu geben, als die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.

[48]     Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO und infolge des Kostenvorbehalts des Berufungsgerichts hier auch auf § 52 Abs 3 ZPO.

Textnummer

E130204

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0100OB00020.20V.1124.000

Im RIS seit

07.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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