TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/2 W140 2225521-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.04.2020
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Entscheidungsdatum

02.04.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §80

Spruch

W140 2225521-4/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl: XXXX , über die weitere Anhaltung von XXXX , in Schubhaft zu Recht erkannt:

I.Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.03.2020, XXXX , wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Das Bundesverwaltungsgericht führte u.a. Folgendes aus:

„Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit mündlich verkündetem Erkenntnis, XXXX , vom 02.01.2020 Folgendes entschieden: Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen (Spruchpunkt II.).

Das Bundesverwaltungsgericht führte in den Entscheidungsgründen des mündlich verkündeten Erkenntnisses vom 02.01.2020 Folgendes aus:

„Der Beschwerdeführer ist volljährig und NEPALESISCHER Staatsangehöriger; seine Identität steht nicht fest, er brachte zu keinem Zeitpunkt identitätsbezeugende Dokumente in Vorlage. Er verfügte in Österreich nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylverfahrens.

Er reiste unrechtmäßig nach Österreich ein, er hat Österreich seither nicht mehr verlassen. Er stellte in Österreich am 19.08.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er verließ das Quartier der Grundversorgung unabgemeldet, schlug die Grundversorgung aus und verfügte seither über Meldeadressen in WIEN. Es kann nicht festgestellt werden, dass er an seinen Meldeadressen tatsächlich lebte. Er bestritt den Lebensunterhalt durch Zuwendungen von Landsmännern und Schwarzarbeit.

Mit Bescheid vom 27.09.2011 wies das Bundesasylamt seinen Antrag auf internationalen Schutz sowohl im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten, als auch den Status des subsidiär Schutzberechtigten ab und wies ihn aus dem österreichischen Bundesgebiet aus. Mit Erkenntnis vom 10.12.2012, dem Beschwerdeführer zugestellt am 02.02.2013 wies der Asylgerichtshof seine Beschwerde gegen diesen Bescheid als unbegründet ab. Der Verfassungsgerichtshof gab dem Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht Folge. Der Beschwerdeführer kam seither der Ausreiseverpflichtung nicht nach und tat von sich aus nichts, um der Ausreiseverpflichtung nachzukommen.

Der Beschwerdeführer kam allen Ladungen zur belangten Behörde nach und füllte am 28.05.2013 den Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates aus. Der Antrag bei der NEPALESISCHEN Botschaft in DEUTSCHLAND scheiterte trotz mehrerer Urgenzen und einer Intervention durch das NEPALESISCHE Konsulat in WIEN mangels vorliegender Dokumente.

Der Beschwerdeführer ist sich der Ausreiseverpflichtung bewusst, will aber nicht ausreisen. Er verfügt über die nötigen Dokumente zumindest in NEPAL, weigert sich aber, sich diese schicken zu lassen, damit er nicht abgeschoben werden kann.

Am 15.10.2015 wurde er auf seinen Antrag hin wieder in die Grundversorgung aufgenommen, daneben arbeitet er weiter schwarz.

Am 30.06.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte, weil ihm die Erlangung eines Heimreisedokumentes nicht möglich sei. Mit Bescheid vom 11.12.2015 wies das Bundesamt seinen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete ab. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 07.04.2017, dem Beschwerdeführer zugestellt zu Handen seines Vertreters, seine Beschwerde als unbegründet ab.

Seit NOVEMBER 2017 gibt es eine NEPALESISCHE Botschaft in WIEN. Am 12.06.2018 suchte Österreich erneut um ein Heimreisezertifikat für ihn bei der NEPALESISCHEN Botschaft an. Am 12.06.2018 langte eine Note Verbal der NEPALESISCHEN Botschaft mit dem Ersuchen um Übermittlung eines Nachweises der StA. /Passkopie ein. Der Beschwerdeführer hatte früher das Formblatt zur Erlangung eines Heimreisezertifikates unterschrieben, dies ist eine wesentliche Voraussetzung der NEPALESISCHEN Behörden für eine weitere Bearbeitung des HRZ Antrages, jedoch keine personenbezogenen Dokumente in Vorlage gebracht. Das Bundesamt hat laufend urgiert und am 19.11.2019 den Antrag zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates erneut übermittelt, mit der Bitte um einen Vorführtermin. Im Jahr 2019 wurden 2 Heimreisezertifikate ausgestellt, wobei zumindest in einem Fall eine Kopie des Reisepasses vorgelegt wurde, das Verfahren ging rasch. Dies waren überhaupt die ersten Heimreisezertifikate, die NEPAL dem Bundesamt erteilt hat. Die Unterlagen werden nach NEPAL übermittelt und es werden laut Konsul vor Ort Recherchen durchgeführt. Eine genaue Dauer dieser Recherchen in Fällen ohne Dokumente ist nicht bekannt. Im August 2019 erfolgte ein Wechsel des Botschaftspersonals, weshalb die Kontakte erst neu aufgebaut werden müssen.

Mit Mandatsbescheid vom 02.10.2018, dem Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt am selben Tag, verpflichtete das Bundesamt den Beschwerdeführer zur Unterkunftnahme in der Betreuungsstelle XXXX binnen drei Tagen. Dem Beschwerdeführer konnte der Bescheid trotz mehrfacher Versuche an seiner Meldeadresse nicht zugestellt werden. Die Wohnsitzerhebung am 25.07.2019 an seiner Meldeadresse XXXX ergab, dass die dort aufhältige Person den Beschwerdeführer nicht kannte und er dort nicht aufhältig war; er wohnte unangemeldet bei Freunden. Er wurde amtlich abgemeldet.

Er kam der verpflichtenden Wohnsitznahme nicht nach. Es konnte nicht festgestellt werden, dass er aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war.

Am 23.08.2019 wurde der Beschwerdeführer polizeilich betreten, weil er in XXXX auf den UBAHN-Geleisen herumspazierte und vom Amtsarzt ins KH XXXX eingewiesen wurde. Von dort wurde er am 26.08.2019 in Begleitung seiner „Wahlschwester“ entlassen. Seit 27.08.2019 steht er in regelmäßiger Betreuung beim sozialpsychiatrischen Ambulatorium XXXX und nimmt zwei Psychopharmaka täglich ein. Seit der Entlassung aus dem Krankenhaus war der Beschwerdeführer unangemeldet bei Freunden wohnhaft.

In der Einvernahme am 07.11.2019 weigerte sich der Beschwerdeführer, dafür das Formular zur Beantragung eines Heimreisezertifikates erneut auszufüllen.

Am 07.11.2019 wurde er am Autobahnparkplatz in XXXX polizeilich betreten und festgenommen, seit 08.11.2019 wird er im Polizeianhaltezentrum XXXX angehalten. Mit Bescheid vom 08.11.2019, dem Beschwerdeführer zugestellt am 08.11.2019, erteilte ihm das Bundesamt keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen ihn sowie ein 5jähriges Aufenthaltsverbot und erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab. Mit Bescheid vom 08.11.2019, dem Beschwerdeführer zugestellt am selben Tag um 11:55 Uhr, verhängte das Bundesamt über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung. Beide Bescheide wurden auch seinem rechtsfreundlichen Vertreter zugestellt, der die Vollmacht zurücklegte. Der Beschwerdeführer verweigerte bei der Bescheidübernahme die Unterschrift.

Mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 21.11.2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft vorliegen.

Mit Beschluss vom 05.12.2019 erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung zu und stellte eine Anfrage an die Staatendokumentation betreffend die Verfügbarkeit von Medikamenten in NEPAL, die bereits einmal urgiert wurde.

Bis 11.11.2019 war der Beschwerdeführer in der Sicherheitszelle, weil er sich nicht von Selbstmordgedanken distanzierte, dann ein Tag in einer Einzelzelle, seither ist er in einer Gemeinschaftszelle und nimmt seine Medikamente ein. Er ist subdepressiv ohne akute Gefährdung, wird regelmäßig psychiatrisch kontrolliert und behandelt, er nimmt ein Beruhigungs- und ein Schlafmittel und hatte im Dezember eine Erkältung. Er ist haftfähig.

Er befand sich bis 23.12.2019 in Hungerstreik, den er freiwillig beendete. Am selben Tag stellte er einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr, dem das Bundesamt zustimmte. Dokumente legte er trotzdem seither nicht vor.

Der Beschwerdeführer wird auf Grund des Bescheides vom 05.12.2019 gemäß § 76 Abs. 1, 2 Z 2 FPG zur Sicherung der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme in Schubhaft angehalten.

Die belangte Behörde geht gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG zutreffend davon aus, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung verhindert: Er unterdrückt absichtlich seine Dokumente, versuchte die Abschiebung dadurch zu verhindern, dass er sich weigerte, das neue HRZ-Antragsformular auszufüllen, weiters dadurch, dass er sich unangemeldet im Bundesgebiet aufhält bzw. davor nicht an seiner Meldeadresse wohnhaft war. Zudem trat er in den Hungerstreik. Es liegt auch Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 8 FPG vor, weil der Beschwerdeführer der Wohnsitzauflage nicht nachkam; er war nicht aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert. Weiters bestand Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG, weil der Beschwerdeführer über kein soziales Umfeld verfügte, das gegen die Annahme von Fluchtgefahr spricht, sondern vielmehr über ein soziales Umfeld, das ihm bisher den Aufenthalt im Verborgenen ermöglichte.

Auf Grund des Vorverhaltens des Beschwerdeführers über einen derart langen Zeitraum, das in der letzten Zeit, als der Beschwerdeführer merkte, dass das Bundesamt nun mit mehr Nachdruck die Effektuierung der Ausweisung in Angriff nahm, immer unkooperativer wurde und sich auch im Verhalten des Beschwerdeführers in der hg. mündlichen Verhandlung bestätigte, ist dem Bundesamt nicht entgegenzutreten, wenn es davon ausgeht, dass mit der Anwendung gelinderer Mittel nicht das Auslangen gefunden werden kann.

Der Beschwerdeführer ist haftfähig und in Schubhaft in Behandlung. Mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung und der Ausstellung eines Heimreisezertifikates innerhalb der Schubhafthöchstdauer ist zumindest aktuell mit hinreichender Sicherheit zu rechnen. Die Verhängung der Schubhaft ist daher verhältnismäßig und die Beschwerde abzuweisen.

Aus denselben Gründen liegen auch die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft vor.“

Die Verwaltungsbehörde übermittelte am 03.03.2020 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verwaltungsakten womit "die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt".(…)


Das Bundesverwaltungsgericht hat von Amts wegen erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die zitierten Entscheidungsgründe der Vorentscheidung werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; (…)

3. Rechtliche Beurteilung (…)

Aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1 und Z 9 FPG liegt weiterhin Fluchtgefahr vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben.(…) Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.(…)“

Die Verwaltungsbehörde übermittelte am 26.03.2020 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verwaltungsakten womit "die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt".

Mit E-Mail vom 26.03.2020 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) folgende Stellungnahme:

„Verfahrensgang:

- Der Fremde reiste illegal Schlepperunterstützt im Jahr 2011 in das Bundesgebiet ein.

-        Der Fremde stellte am 19.08.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz auf der PI XXXX .

-        Mit Bescheid vom 29.09.2011 wies das Bundesasylamt Ihren Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab. Gleichtzeitig wurde gegen Ihre Person eine Ausweisung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet erlassen.

-        Gegen den Bescheid des Bundesamtes brachten der Fremde eine Beschwerde ein, welche mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.01.2013 rechtskräftig mit 02.01.2013 abgewiesen wurde.

-        Der Fremde verblieben trotz rechtskräftiger Ausweisungsentscheidung im Bundesgebiet.

-        Am 30.06.2015 beantragte der Beschwerdeführer durch Ihren rechtsfreundlichen Vertreter die Erteilung einer Duldungskarte, in eventu die Erteilung einer Identitätskarte.

-        Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts Zahl: XXXX vom 07.04.2017 wurde Ihr Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte bzw. einer Identitätskarte gem. § 46a Abs. 1 und 3 FPG abgewiesen und die Revision wurde gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

-        Gegen den Fremden wurde mit 17.10.2018 ein Mandatsbescheid gem. § 57 Abs. 1 FPG iVm. § 57 Abs.1 AVG eine Wohnsitzauflage erteilt. Dieser Wohnsitzauflage leisteten Sie keiner Folge,

-        Seit 02.09.2019 ist der Fremde nicht behördlich gemeldet, die Abmeldung aus der Grundversorgung erfolgte am 05.11.2019.

-        Am 07.11.2019 wurden der Fremde von Beamten der PI XXXX auf der Raststation XXXX bei Zustelldiensten angetroffen, ohne im Besitz einer Arbeitserlaubnis zu sein.

-        Der Fremde wurde am 07.11.2019 nach einer Festnahmeanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl festgenommen und niederschriftlich einvernommen.

-        Der Fremde zeigten Sich gegenüber den einschreitenden Beamten sehr unkooperativ, da Sie nach mehrmaliger Aufforderung, das Formblatt zur Erlangung eines Heimreisezertifikates auszufüllen, verweigerten. Ihr Verhalten lässt darauf schließen, dass Sie alles daransetzen, Ihre Abschiebung in Ihr Heimatland verhindern zu wollen.

-        Nach erfolgter Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde der Beschwerdeführer in das Polizeianhaltezentrum Wien XXXX überstellt.

-        Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.11.2019 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung iVm. einem 5 – jährigen Einreiseverbot erlassen.

-        Der Fremde brachte am 19.11.2019 fristgerecht das Mittel der Beschwerde gegen den Mandatsbescheid Schubhaft ein.

-        Mit mündlich verkündeten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht XXXX wurde die Schubhaft für rechtmäßig erklärt und die weitere Fortsetzung der Schubhaft für zulässig erklärt.

-        Der Beschwerdeführer brachte am 27.11.2019 fristgerecht das Mittel der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung iVm. Einreiseverbot ein.

-        Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts XXXX wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

-        Am 05.12.2019 wurde ein neuerlicher Schubhaftbescheid erlassen. Begründet wurde der Schubhaftbescheid, dass der Fremde zur Sicherung einer Erlassung einer aufenthaltsbeendende Maßnahme in Schubhaft genommen wird.

-        Am 30.12.2019 brachten der Fremde abermals eine Schubhaftbeschwerde ein. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.01.2020 wurde festgestellt, dass die Maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen und die Aufrechterhaltung verhältnismäßig ist.

-        Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts Zahl: XXXX wurde das Verfahren der Rückkehrentscheidung iVm. Einreiseverbot wegen der Zurückziehung der Beschwerde eingestellt. Der Fremde gab damals an, freiwillig in sein Heimatland zurückkehren zu wollen.

Stellungnahme des zuständigen Referenten:

Auf die Erkenntnisse betreffend der Schubhaft XXXX sowie der Rückkehrentscheidung iVm. Einreiseverbot Zahl: XXXX wird verwiesen.(…)

Die Behörde teilt mit, dass sich der Fremde äußerst unkooperativ gegenüber den Behörden verhält. Der Fremde trat mehrmals in den Hungerstreik um fremdenpolizeiliche Maßnahmen zu vereiteln. Weiters verweigert der Fremde die Ausfüllung der HRZ – Formblätter, ein Vorführtermin vor die nepalesische Botschaft ist noch nicht in Aussicht.

Der Fremde gab weiters vor der Behörde zweimal an, freiwillig ausreisen zu wollen, zog jedoch den Antrag zweimal zurück.

Bis dato wurde leider noch kein Heimreisezertifikat ausgestellt.(…)

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ersucht um Bestätigung der BFA – Entscheidung bzw. um die weitere Aufrechterhaltung der Schubhaft.

Weitere neue Geschehnisse seit Verlängerung der Schubhaft mit Erkenntnis Zahl: XXXX vom 06.03.2020:

Die Behörde bemüht sich weiterhin um die Erlangung eines Heimreisezertifikates.

Mit 20.03.2020 wurde seitens der Behörde abermals eine Sammelliste als Urgenz zur Beschaffung eines Heimreisezertifikates an die nepalesische Botschaft übermittelt. Bis dato wurde kein Heimreisezertifikat ausgestellt.“


Das Bundesverwaltungsgericht hat von Amts wegen erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die zitierten Entscheidungsgründe des Vorerkenntnisses werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage angeführten Ausführungen u. a. betreffend Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.

Der BF ist laut Befund und Gutachten des Amtsarztes vom 02.04.2020 haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere dem zitierten Vorerkenntnis. Auch die Entscheidungsgründe der Vorentscheidung werden der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

Im Besonderen ist hervorzuheben, dass die Behörde dargetan hat, dass sie sich im vorliegenden Fall um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht. Nach den Erfahrungswerten ist davon auszugehen, dass ein Heimreisezertifikat von der Nepalesischen Botschaft in Wien erlangt werden kann. Mit 20.03.2020 wurde seitens des BFA erneut eine Sammelliste als Urgenz zur Beschaffung eines Heimreisezertifikates an die Nepalesische Botschaft in Wien übermittelt.


3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. – Fortsetzung der Schubhaft

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Gemäß § 76 Abs 1 FPG idgF können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

Die Schubhaft darf gemäß § 76 Abs 2 FPG idgF nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

§ 76 Abs. 3 FPG idgF lautet:

Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise - wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG - erreicht werden ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig.

§ 80 FPG idgF lautet:

(1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.


Zur Judikatur:

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe.“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich infrage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zugrunde, dass die infrage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

Aufgrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Der Verwaltungsgerichthof führte in seiner Entscheidung vom 30.08.2018 (Ra 2018/21/0111) Folgendes aus: „In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 - einen neuen Hafttitel dar. Über vor oder nach der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen. Ein Erkenntnis nach § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 steht daher einer Beschwerde nach § 22a Abs. 1 BFA-VG 2014, mit der die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von vor oder nach der Erlassung des Erkenntnisses liegenden Haftzeiten begehrt wird, nicht entgegen.“

Aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1 und Z 9 FPG liegt weiterhin Fluchtgefahr vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben. Insbesondere zu berücksichtigen ist, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Die Schubhaft ist jedenfalls wegen Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Es ist zu betonen, dass bei Kooperation des Beschwerdeführers - freiwilliger Ausreise - die Anhaltung in Schubhaft mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit schon früher hätte beendet werden können. Dass sie noch andauert - und damit nun auch von den Maßnahmen hinsichtlich der Covid-19- Pandemie betroffen ist - hat zu einem überwiegenden Teil der Beschwerdeführer zu verantworten.

Der Beschwerdeführer hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund – dass sich die Behörde um ein Heimreisezertifikat bemüht – auch verhältnismäßig. Da die Covid-19 Maßnahmen auf die Ausstellung des Heimreisezertifikates keine Auswirkung haben, da dieses elektronisch und telefonisch betrieben werden kann, erweist sich die weitere Anhaltung als verhältnismäßig.

Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel aus.

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine - die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft - ändernden Umstände erkennen.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.


Zu Spruchpunkt II. – Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Haftfähigkeit Heimreisezertifikat Mandatsbescheid Meldeverpflichtung öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Verhalten Verhältnismäßigkeit Wohnsitzauflage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W140.2225521.4.00

Im RIS seit

10.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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