TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/28 W123 1243000-2

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Veröffentlicht am 28.07.2020
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Entscheidungsdatum

28.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
FPG §93 Abs1 Z1
FPG §93 Abs2
FPG §94 Abs1
FPG §94 Abs5

Spruch

W123 1243000-2/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des XXXX , geboren XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.09.2018, Zl. 732417102-180526481, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid zur Gänze behoben.

Es wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten weiterhin zukommt.

B)Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 12.08.2003 einen Antrag gemäß § 3 AsylG 1997.

2.       Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.09.2003, Zl. 03 24.171-BAE, wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.).

3.       Mit Schriftsatz vom 20.10.2003 erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.09.2003 in vollem Umfang.

4.       Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 30.11.2009, GZ. C2 243000-0/2008/21E, wurde der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.09.2003 stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt. Gemäß § 12 AsylG 1997 wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

5.       Mit Aktenvermerk vom 13.06.2018 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer ein Asylaberkennungsverfahren ein.

6.       Am 06.07.2018 fand die Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde statt.

7.       Am 05.07.2018 leitete die Staatsanwaltschaft Wien Anklage gegen den Beschwerdeführer wegen § 142 Ab. 1 StGB, § 15 StGB und § 144 Abs. 1 StGB ein.

8.       Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27.08.2018, 115 Hv 75/18v, wurde der Beschwerdeführer nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten bedingt (Probezeit 3 Jahre) verurteilt. Hinsichtlich der übrigen Anklagepunkte wurde der Beschwerdeführer freigesprochen.

9.       Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid der belangten Behörde vom 24.09.2018 wurde der dem Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30.11.2009 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 aberkannt und festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht zukommt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte IV.-VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer zudem ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Schließlich wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 1 und § 94 Abs. 1 FPG der Konventionspass entzogen und dem Beschwerdeführer gemäß § 93 Abs. 2 FPG aufgetragen, das Dokument unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen (Spruchpunkt VIII.).

Die Begründung des angefochtenen Bescheids lautet auszugsweise:

„[…]

C) Feststellungen

[…]

Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten:

Ihre Asylgewährung beruhte darauf, dass Sie in Österreich zum Christentum konvertierten und bestand damals auch kein Zweifel, dass Sie aus innerer Überzeugung die Konversion vollzogen haben und dem christlichen Glauben angehören bzw. diesen praktizieren.

Festgestellt wird jedoch, dass Ihr Interesse am Christentum nach Asylzuerkennung nachgelassen hat bzw. nicht mehr besteht und Sie es daher nicht mehr weiterhin ablehnen können, sich unter den Schutz Ihres Heimatlandes zu stellen.

Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten wurde am 13.06.2018 eingeleitet. Der Status des Asylberechtigten wurde Ihnen vor mehr als fünf Jahren zuerkannt. Sie wurden jedoch straffällig, da Sie wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt, rechtskräftig verurteilt wurden.

Sie wurden rechtskräftig verurteilt und bedeuten eine Gefahr für die Allgemeinheit des Aufnahmestaates. Zufolge des Strafregisterauszuges der Justizbehörden scheint folgende Verurteilung auf.

LG für Strafsachen Wien 115 Hv 75/18v vom 27.08.2018 RK 27.08.2018

§83 Absatz 1 StGB

Datum der (letzten) Tat 20.03.2018

Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

[…]

E) Rechtliche Beurteilung

[…]

Seit der Asylzuerkennung im Jahr 2009 bis zur Erlassung dieses Aberkennungsbescheides sind zwar mehr als fünf Jahre vergangen, jedoch wurden Sie straffällig, weshalb die unwiderlegliche Vermutung der sozialen Verfestigung auf Sie nicht anwendbar ist.

[…]“

10.      Gegen den obgenannten Bescheid der belangten Behörde richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 18.10.2018. Zu Spruchpunkt I. (Asylaberkennung) wurde auf
§ 30 StPO hingewiesen. Gemäß dieser Bestimmung obliege das Hauptverfahren wegen Straftaten, die nur mit einer Geldstrafe oder mit einer Geldstrafe und einer ein Jahr nicht übersteigenden Freiheitsstrafe außer im § 30 Abs. 1 StPO taxativ aufgezählten Ausnahmen (unter die § 83 StGB nicht falle) dem Bezirksgericht. Die Strafdrohung des § 83 Abs. 1 StGB sei eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen. Demnach falle die Straftat, derentwegen der Beschwerdeführer verurteilt worden sei, nicht in die Zuständigkeit des Landesgerichts. Da für die Verurteilung aus dem Jahr 2007 bereits die Tilgung eingetreten sei, dürfe sie gemäß § 1 Abs. 2 und 4 Tilgungsgesetz nicht als nachteilig für den Beschwerdeführer angenommen werden und sei somit auch nicht von einer mehrmaligen Begehung einer strafbaren Handlung auszugehen. Somit sei der Beschwerdeführer gemäß § 2 Abs. 3 AsylG nicht straffällig geworden und habe die belangte Behörde ein Aberkennungsverfahren nicht einleiten dürfen.

11.      Am 21.07.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt.

12.      Am 22.07.2020 übermittelte die belangte Behörde eine Stellungnahme und führte einleitend aus, dass ungeklärt sei, ob im Falle eines Hervorkommens von Tatsachen während des Beschwerdeverfahrens, die einen Sachverhalt nach § 7 Abs. 3 AsylG begründen, die Verpflichtung der Verständigung der Niederlassungsbehörden nicht auf das Bundesverwaltungsgericht übergehe. Diesbezüglich verwies die belangte Behörde auf die anhängige Amtsrevision zum Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.05.2020, W147 1306574-2/40E.

Es sei zwar iSd § 7 Abs. 3 AsylG unbestritten, dass sich der Beschwerdeführer mehr als fünf Jahre legal im Bundesgebiet aufhalte. Jedoch sei der Beschwerdeführer straffällig iSd § 2 Abs. 3 AsylG geworden, da eine Vorsatztat vorliege (§§ 5, 83 StGB) und eine Verurteilung durch das Landesgericht (Wien) erfolgt sei. Der Gesetzestext lasse gänzlich außer Acht, aufgrund welcher Rechtsgrundlage sich die Zuständigkeit des Landesgerichtes entfalte. Sohin seine ausnahmslos jegliche in §§ 30 ff der Strafprozessordnung normierte Konstellationen einzubeziehen, auch die Prorogationsregel nach § 37 Abs. 2 StPO 1975 vorletzter Satz, welche hier konkret zur Anwendung gekommen sei. Dass es dem Gesetzgeber bei der Einführung der Bestimmungen zur Straffälligkeit darum gegangen sein möge, nur Straftaten von bestimmter Gravidität festzulegen, welche eine Hemmung der Anwendung des § 7 Abs. 3 AsylG nach sich ziehe, sei nach Ansicht der belangten Behörde ausgeschlossen, zumal auch solche minderschweren Straftaten mit teilweise weitaus geringerem Übel als ein Delikt nach § 83 StGB ausdrücklich etwa in § 30 StPO normiert seien.

Nach Ansicht der belangten Behörde würde dieser Sachverhalt gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darstellen.

Abschließend stellte die belangte Behörde für den Fall, dass eine stattgebende oder zurückverweisende Entscheidung erfolge, den Antrag, die ordentliche Revision im Hinblick auf die Zulässigkeit der Aberkennungsentscheidung (Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides) ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 AsylG 2005 zuzulassen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter I. dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben mittels Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes sowie in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden.

Die Feststellungen zu Identität, Herkunft und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich gleichbleibenden und daher glaubhaften Angaben vor dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der belangten Behörde, in dem Beschwerdeschriftsatz und in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;

2. einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder

3. der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

§ 7 Abs. 3 AsylG lautet:

„Das Bundesamt kann einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt – wenn auch nicht rechtskräftig – nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.“

Gemäß § 2 Abs. 3 AsylG ist ein Fremder im Sinne dieses Bundesgesetzes straffällig geworden, wenn er

1. wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt, oder

2. mehr als einmal wegen einer sonstigen vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist

rechtskräftig verurteilt worden ist.

3.2. Gemäß § 30 Abs. 1 StPO obliegt dem Bezirksgericht das Hauptverfahren wegen Straftaten, die nur mit einer Geldstrafe oder mit einer Geldstrafe und einer ein Jahr nicht übersteigenden Freiheitsstrafe oder nur mit einer solchen Freiheitsstrafe bedroht sind mit Ausnahme taxativ aufgezählter Straftatbestände.

Gemäß § 37 Abs. 1 erster Satz StPO ist im Falle gleichzeitiger Anklage mehrerer beteiligter Personen (§ 12 StGB) oder einer Person wegen mehrerer Straftaten das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen. Gemäß Abs. 2 erster Satz leg.cit. ist dabei unter Gerichten verschiedener Ordnung das höhere, unter Gerichten gleicher Ordnung jenes mit Sonderzuständigkeit für alle Verfahren zuständig, wobei das Gericht, das für einen unmittelbaren Täter zuständig ist, das Verfahren gegen Beteiligte (§ 12 StGB) an sich zieht.

3.3. Gegenständlich liegt ein Fall des § 7 Abs. 3 erster Satz AsylG vor:

3.3.1. Unstrittig ist, dass die Asylaberkennung durch die belangte Behörde nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgte (Asylzuerkennung am 30.11.2009, Asylaberkennung am 24.09.2018). Ferner ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Wien vom 27.08.2018 wegen § 83 Abs. 1 StGB verurteilt und hinsichtlich sämtlich anderer Anklagetatbestände freigesprochen wurde.

3.3.2. Gemäß § 83 Abs. 1 StGB ist, wer einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen. Entsprechend § 30 Abs. 1 StPO fällt somit die Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB in die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes, zumal § 83 Abs. 1 StGB ausdrücklich nicht als Ausnahmetatbestand in § 30 Abs. 1 StPO erwähnt wird.

3.3.3. Nach dem klaren Wortlaut gelangt die Bestimmung des § 2 Abs. 3 Z 1 AsylG nur dann zur Anwendung, wenn der Fremde wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt, rechtskräftig verurteilt wurde.

Der Beschwerdeführer wurde zwar wegen Tatbeständen, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fallen, angeklagt (vgl. die vorgesehenen Strafmaße der §§ 142 und 144 StGB). Folgerichtig fielen diese auch in die Zuständigkeit des Landesgerichtes Wien, jedoch von den Anklagerhebungen der §§ 142 und 144 StGB mit Urteil des Landesgerichtes Wien vom 27.08.2018 freigesprochen. Die Verurteilung des Beschwerdeführers nach § 83 Abs. 1 StGB durch das Landesgericht Wien erfolgte somit ausschließlich aufgrund des § 37 StPO („Zuständigkeit des Zusammenhangs“).

Soweit die belangte Behörde behauptet, dass ausnahmslos jegliche in §§ 30 ff der StPO normierte Konstellationen einzubeziehen seien, auch die Prorogationsregel nach § 37 Abs. 2 vorletzter Satz StPO, welche gegenständlich zur Anwendung gekommen sei, vermag sie nicht plausibel zu begründen, warum – entgegen dem klaren Wortlaut des § 2 Abs. 3 Z 1 AsylG – der Tatbestand des § 83 Abs. 1 StGB in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fallen soll. Allein der Umstand, dass der Beschwerdeführer von einem Landesgericht (und nicht von einem Bezirksgericht) nach § 83 Abs. 1 StGB – gegenständlich ausschließlich aufgrund der Zusammenhangsbestimmung des § 37 StPO –verurteilt wurde, kann nicht dazu führen, dass aus diesem Grunde die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 AsylG iVm § 2 Abs. 3 AsylG zur Straffälligkeit beim Beschwerdeführer erfüllt wären diesem daher der Asylstatus abzuerkennen ist.

Auch eine teleologische Interpretation des § § 7 Abs. 3 AsylG führt zu keinem anderen Ergebnis: Der Gesetzgeber wollte offenkundig verhindern, dass nicht jedes Vergehen gegen das StGB automatisch zu einer Asylaberkennung führt.

3.3.4. Da somit aus den dargelegten Gründen bereits die formalen Voraussetzungen für eine Asylaberkennung nicht vorlagen, war der angefochtene Bescheid zur Gänze aufzuheben.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ist die Rechtslage eindeutig, liegt keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. VwGH 28.02.2018, Ra 2017/04/0120 mit Verweis auf VwGH 28.5.2014, Ro 2014/07/0053).

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da keiner der vorgenannten Fälle vorliegt. Auch sind keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich. Soweit die belangte Behörde vermeint, dass offenbar die Rechtslage deshalb ungeklärt sei, weil eine Amtsrevision zur Frage, ob im Falle eines Hervorkommens von Tatsachen während des Beschwerdeverfahrens, die einen Sachverhalt nach § 7 Abs. 3 AsylG begründen, die Verpflichtung der Verständigung der Niederlassungsbehörden nicht auf das Bundesverwaltungsgericht übergehe, anhängig sei, verkennt sie zum einen den Wortlaut des § 7 Abs. 3 AsylG, der eindeutig die Verpflichtung zu einer derartigen Verständigung der belangten Behörde auferlegt (vgl. „hat das Bundesamt“). Zum anderen ist eine solche Klärung schon deshalb nicht notwendig, da keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die zuständige Aufenthaltsbehörde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren eingeschritten wäre.

Schlagworte

Aberkennung des Status des Asylberechtigten Behebung der Entscheidung strafrechtliche Verurteilung Vergehen Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W123.1243000.2.00

Im RIS seit

10.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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