Entscheidungsdatum
04.08.2020Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W235 2224607-1/12E
W235 2224605-1/11E
BEschluss
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX und 2. XXXX , geb. XXXX , beide: StA. Iran, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.09.2019, Zl. 1224106506-190312837 (ad 1.) und Zl. 1224106408-190312896 (ad 2.) beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde werden die bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheiten gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1.1. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind ein Ehepaar und Staatsangehörige des Iran. Beide Beschwerdeführer stellten nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 27.03.2019 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.
Ein Abgleich im VIS System des Bundesministeriums für Inneres ergab, dass den Beschwerdeführern von der italienischen Botschaft in Teheran am XXXX .01.2019 Schengen-Visa für zehn Tage im Zeitraum XXXX .03.2019 bis XXXX .04.2019 erteilt worden waren.
1.2. Am Tag der Antragstellung wurde die Erstbeschwerdeführerin einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei sie im Wesentlichen angab, dass sie an keinen Krankheiten leide, nicht schwanger sei und abgesehen von ihrem mitgereisten Ehegatten über keine Familienangehörige in Österreich oder im Gebiet der Europäischen Union verfüge. Sie seien gemeinsam am XXXX .03.2019 legal mit dem Flugzeug direkt von Teheran nach Wien gereist. Nach Österreich hätten sie gewollt, weil der Cousin des Zweitbeschwerdeführers hier lebe. Die Beschwerdeführer hätten italienische Visa gehabt und in keinem anderen Land um Asyl angesucht.
In seiner eigenen Erstbefragung erstattete der Zweitbeschwerdeführer im Wesentlichen das gleiche Vorbringen wie die Erstbeschwerdeführerin und ergänzte lediglich dahingehend, dass sein Cousin für ihn wie ein Bruder sei.
Im Rahmen ihrer jeweiligen Erstbefragungen legten beide Beschwerdeführer ihre iranischen Reisepässe vor, aus denen die Erteilung der italienischen Visa ersichtlich ist.
Den Beschwerdeführern wurde weiters am 27.03.2019 eine Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ausgehändigt, mit der ihnen zur Kenntnis gebracht wurde, dass aufgrund von Konsultationen mit Italien die in § 28 Abs. 2 AsylG definierte 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen nicht mehr gilt.
1.3. Betreffend die Beschwerdeführer richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 31.03.2019 auf Art. 12 Abs. 2 oder 3 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) gestützte Aufnahmegesuche an Italien.
1.4. Am 15.04.2019 langte eine Stellungnahme der damaligen rechtsfreundlichen Vertreterin der Beschwerdeführer beim Bundesamt ein, in welcher verfahrenswesentlich ausgeführt wurde, dass die Situation in den italienischen Auffanglagern prekär sei und der volle Zugang zum italienischen Gesundheitssystem nur mit einer europäischen Gesundheitskarte möglich sei, welche nur auf Basis einer Residenzkarte ausgestellt werde. Die neue italienische Gesetzgebung normiere, dass Asylwerbern keine Residenzkarte mehr ausgestellt werde und diese nur Zugang zur Notfallversorgung in den Beherbergungszentren hätten. Die medizinische Versorgung werde daher – insbesondere betreffend die fachärztliche Behandlung – stark eingeschränkt. Auch seien Asylwerber in Italien gezwungen, in temporären Aufnahmelagern zu leben, wo die Lebensbedingungen schlecht seien. Ferner wurde auf den Bericht „Mutual Trust Is Not Enough“ vom 12.12.2018 verwiesen bzw. dieser der Stellungnahme beigelegt.
1.5. Mit Schreiben vom 30.05.2019 stimmte die italienische Dublinbehörde der Wiederaufnahme beider Beschwerdeführer auf der Basis von Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ausdrücklich zu.
Mit Verfahrensanordnungen gemäß § 29 Abs. 3 AsylG wurde den Beschwerdeführern nachweislich am 20.06.2019 mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, ihre Anträge auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Italien angenommen wird. Diese Verfahrensanordnungen wurden den Beschwerdeführern am selben Tag übergeben.
1.6.1. Am 04.07.2019 fanden Einvernahmen beider Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach erfolgter Rechtsberatung im Beisein eines Rechtsberaters im Zulassungsverfahren sowie eines Dolmetschers für die Sprache Farsi statt.
Die Erstbeschwerdeführerin brachte in ihrer Einvernahme zunächst vor, dass sie psychische Probleme habe. Der Zweitbeschwerdeführer und sie hätten in Wien eine Wohnung genommen, da die Erstbeschwerdeführerin aus psychischen Gründen nicht in einem Lager leben könne. Dort seien viele Afghanen und sie könne nicht mit Afghanen gemeinsam sein. Aktuell sei sie in psychiatrischer Behandlung und nehme Medikamente. Ohne Medikamente gehe es ihr sehr schlecht. Die Erstbeschwerdeführerin sei in Behandlung und suche einen Psychologen sowie einen Psychotherapeuten auf. Derzeit nehme sie Medikamente. Bei Atemproblemen, in Stresssituationen und bei Angstzuständen nehme sei Bromazepam. Sonst nehme sie die Medikamente, die auf dem Rezept angeführt seien [Anm.: Pram Filmtabletten 20mg, Pregabalin 25mg, Mirtazapin 30mg; vgl. AS 251 im Akt der Erstbeschwerdeführerin]. Seit sie 14 Jahre alt sei, habe sie diese Beschwerden und sei auch schon in Teheran bei einem Psychotherapeuten gewesen. Zwischen ihrem 14. und 18. Lebensjahr sei sie regelmäßig bei dem Arzt gewesen. Zuerst wöchentlich und dann seltener. Die Zweitbeschwerdeführerin habe auch Blutabnahmen gehabt, da sie viele Medikamente genommen habe. Sie leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Sie habe Angst vor Menschenmengen und bekomme kalte Hände und Atemnot, wenn sie gestresst sei. Sie sei traurig, weine regelmäßig, habe keinen Appetit und darüber hinaus Schlafprobleme, Angstzustände sowie auch Gedanken, Selbstmord zu begehen. Als sie 15 Jahre alt gewesen sei, sei etwas vorgefallen und da habe sie einen Selbstmordversuch mit Medikamenten unternommen. Was vorgefallen sei, wolle die Zweitbeschwerdeführerin nicht erzählen. Auch ihre Leistungen als Studentin – sie habe Geophysik studiert, aber nicht abgeschlossen – seien nur mittelmäßig gewesen, da sie, wenn sie psychische Probleme gehabt habe, keine Prüfungen machen habe können.
In Österreich lebe der Cousin des Zweitbeschwerdeführers. Mit diesem würden die Beschwerdeführer zwar nicht im gemeinsamen Haushalt leben, jedoch in einer Wohnung, die dem Cousin gehöre. Der Cousin des Zweitbeschwerdeführers bezahle das Essen und auch die Behandlungen der Erstbeschwerdeführerin.
Die Erstbeschwerdeführerin sei gemeinsam mit dem Zweitbeschwerdeführer mit dem Flugzeug von Teheran am XXXX .03.2019 nach Österreich gekommen. In Italien seien sie nicht gewesen. Zur beabsichtigten Vorgehensweise des Bundesamtes, ihre Außerlandesbringung aus Österreich nach Italien anzuordnen, gab die Erstbeschwerdeführerin an, sie habe dort niemanden, der ihr helfen könne. Hier habe sie den Cousin des Zweitbeschwerdeführers. Auf die Möglichkeit der Einsicht in die Feststellungen des Bundesamts zu Italien verzichtete die Erstbeschwerdeführerin und gab dazu an, dass sie die Lage in Italien kenne. Die Lage in den Flüchtlingsheimen sei sehr schlecht und die medizinische Versorgung sei auch nicht gegeben. In diesem Zustand könne sie nicht nach Italien. Auf Vorhalt, sie habe bei der Erstbefragung angegeben, dass sie gesund sei, entgegnete die Erstbeschwerdeführerin, dass sie das nicht gesagt habe und auch nicht danach gefragt worden sei. Auf weiteren Vorhalt, dass auch die [damalige] rechtfreundliche Vertreterin die Erkrankung der Erstbeschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme nicht erwähnt habe, gab sie an, sie habe die medizinischen Unterlagen mitgeschickt und wisse nicht, warum die Vertreterin dies nicht erwähnt habe.
Im Rahmen ihrer Einvernahme legte die Erstbeschwerdeführerin nachstehende Unterlagen vor:
? Rezept vom XXXX .07.2019 für Pregabalin 25mg und für Mirtazapien 30mg;
? Rezept vom XXXX .07.2019 für Pram Ftbl. 20mg und für Bromazepam 3mg;
? Bestätigung einer Psychologin und Psychotherapeutin vom XXXX .06.2019, der zu entnehmen ist, dass die Erstbeschwerdeführerin seit ca. zwei Monaten in psychotherapeutischer Behandlung und suizidgefährdet ist;
? Bestätigung einer Psychologin und Psychotherapeutin vom XXXX .07.2019, der zufolge das Wohnen in einem „Asylantenlager“ negative Einflüsse auf die Zweitbeschwerdeführerin hat und sie so massiv gefährdet, dass sie suizidal werden kann;
? handschriftlich ausgefülltes Formular eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom XXXX .07.2019 mit den Diagnosen: Depression, Angstsyndrom, SMG [Anm.: ist vermutlich die Abkürzung für „Selbstmordgefahr“ bzw. „selbstmordgefährdet“] und der Anmerkung, dass weitere Behandlung und Kontrolle notwendig ist und
? in deutscher Übersetzung vorgelegtes farsisprachiges Schreiben eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie (ohne Datum), dass die Erstbeschwerdeführerin seit ihrem 14. Lebensjahr wegen Depressionen und „Unruhe“ bei diesem Arzt in Behandlung ist und medikamentös behandelt wurde mit der Diagnose bipolare Störung
1.6.2. Der Zweitbeschwerdeführer gab in seiner eigenen Einvernahme im Wesentlichen an, dass es ihm gut gehe. Den Wohnsitz hätten die Beschwerdeführer verlegt, weil es der Erstbeschwerdeführerin psychisch und seelisch sehr schlecht gehe. Es sei für sie besser in einer Wohnung zu leben als in einem Flüchtlingsheim. Die Wohnung gehöre dem Cousin des Zweitbeschwerdeführers. Dieser Cousin sei seit ca. fünf bis sechs Jahren in Österreich und habe einen Konventionspass. Er unterstütze die Beschwerdeführer auch mit Essen und Geld. Auch kümmere sich die Frau des Cousins um die Erstbeschwerdeführerin. Die Erstbeschwerdeführerin habe schon einmal einen Selbstmordversuch unternommen und sei bereits im Iran in Behandlung gewesen. Auf Vorhalt, aus welchen Gründen er in der Erstbefragung nicht angegeben habe, dass es der Erstbeschwerdeführerin psychisch schlecht gehe, gab der Zweitbeschwerdeführer an, dass keine Fragen zu diesem Bereich gestellt worden wären.
Es sei richtig, dass die Beschwerdeführer mit einem gültigen italienischen Visum nach Österreich eingereist seien. Sie seien direkt von Teheran nach Wien geflogen und am XXXX .03.2019 in Österreich angekommen. In Italien seien sie nicht gewesen. Zur beabsichtigten Vorgehensweise des Bundesamtes, seine Außerlandesbringung aus Österreich nach Italien anzuordnen, gab der Zweitbeschwerdeführer an, dass die Beschwerdeführer nicht nach Italien fahren könnten. Auf die Möglichkeit der Einsicht in die Feststellungen des Bundesamts zu Italien verzichtete der Zweitbeschwerdeführer und wollte hierzu auch keine Stellungnahme abgeben.
1.7. Im Akt der Erstbeschwerdeführerin befindet sich ein (internes) E-Mail des Bundesamtes, in welchem angeführt wird, dass die Erstbeschwerdeführerin für 12.08.2019 eine PSY III Ladung bekommen hat.
1.8. Mit Stellungnahme vom 07.08.2019 brachten die Beschwerdeführer im Wege ihrer damaligen rechtsfreundlichen Vertreterin zusammengefasst vor, dass die Erstbeschwerdeführerin der Vertreterin die medizinischen Unterlagen nicht übermittelt habe und der diesbezügliche Teil der Niederschrift ein Übersetzungsfehler gewesen sei. Die Erstbeschwerdeführerin leide seit Jahren an einer bipolaren Störung, wogegen sie bereits im Iran medikamentös und psychiatrisch behandelt worden sei. Sie müsse regelmäßig Medikamente nehmen, komme kaum zu Ruhe, leide an starken Depressionen sowie an einer Angst- und an einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung. Laut fachärztlicher Begutachtung sei sie nicht belastbar, mit der neuen Situation massiv überfordert und benötige einen stabilen Wohnort. Eine Überstellung in ein Flüchtlingslager würde die Suizidgefahr wieder aufleben lassen. Am XXXX .07.2019 habe sich die Erstbeschwerdeführerin in die psychiatrische Abteilung eines Krankenhauses begeben, wo sie für drei Tage ambulant behandelt worden sei und ihr Medikamente verschrieben worden seien. Die Ärzte hätten eine bipolare Störung, eine Depression und eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Derzeit sei die Erstbeschwerdeführerin instabil und würde das Wohnen in einem Flüchtlingsheim ihre gesundheitliche Verfassung höchstwahrscheinlich verschlechtern. Die bestehenden suizidalen Gedanken könnten zur Selbstverletzung und schlimmstenfalls zum Selbstmord führen.
Der Stellungnahme beigelegt waren nachstehende Unterlagen:
? handschriftlich ausgefülltes Formular eines Krankenhauses vom XXXX .07.2019, dem die Diagnosen Verdacht auf bipolare Störung und Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung sowie eine Medikation zu entnehmen sind;
? handschriftlich ausgefülltes Formular eines Krankenhauses vom XXXX .07.2019 betreffend eine ambulante Behandlung der Erstbeschwerdeführerin von XXXX .07.2019 bis XXXX .07.2019 mit den Diagnosen bipolare Störung, Depressionen und posttraumatische Belastungsstörung samt Medikation und dem Hinweis, dass eine stationäre Aufnahme sinnvoll wäre und
? undatiertes Schreiben eines Assistenzarztes für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin in englischer Sprache
1.9. Mit E-Mail eines psychosozialen Dienstes wurde bekannt gegeben, dass die Erstbeschwerdeführerin den PSY III Termin am 12.08.2019 aus medizinischen Gründen nicht wahrnehmen kann.
Diesem E-Mail wurde ein fachärztlicher Befundbericht eines sozialpsychiatrischen Ambulatoriums vom XXXX .08.2019 beigelegt, dem zu entnehmen ist, dass sich der Zustand der Erstbeschwerdeführerin verschlechtert habe, sie nicht mehr in der Lage sei, ambulante Kontakte wahrzunehmen und per Hausbesuch konsultiert werde. Aktuell bestehe ein schon psychotisch wirkendes depressiv ängstliches Zustandsbild. Die Anamnese habe mit dem Zweitbeschwerdeführer erhoben werden müssen, da die Erstbeschwerdeführerin nicht kontaktierbar gewesen sei. Dieser gab an, dass die Erstbeschwerdeführerin schon in ihrer Jugend erkrankt sei und im Alter von 14 Jahren ein erster Suizidversuch stattgefunden habe. In letzter Zeit habe sich ihr Zustandsbild zunehmend verschlechtert, depressiv gefärbt und ängstlich. In XXXX sei sie vollkommen in sich zusammengebrochen. Der Verdacht liege nahe, dass es in XXXX zu einer Retraumatisierung gekommen sei, zu der die Erstbeschwerdeführerin allerdings aufgrund ihres derzeitigen Zustandsbildes keinesfalls befragbar sei. Die Erstbeschwerdeführerin sei zumindest latent als suizidal einzustufen und nehme schon seit Tagen aufgrund einer Appetitstörung in Zusammenhang mit ihren Ängsten und Flashbacks kaum noch Nahrung zu sich. Allerdings lehne sie einen Spitalsaufenthalt vehement ab; dies vermutlich da sie sich vor dem Verlassen des Bettes bzw. der Wohnung zu sehr fürchte.
Der psychopathologische Status wurde wie folgt beschrieben:
„Bewusstseinsklar, allseits orientiert, Stimmungslage extrem depressiv ängstlich mit latenter Suizidalität, paktfähig. Duktus durch erschwerte Explonierbarkeit nicht genau beurteilbar, Patientin wirkt fallweise halluzinierend oder zumindest durch Flashbacks deutlich wahrnehmungsbeeinträchtigt. Affizierbarkeit in beiden Skalenbereichen deutlich eingeschränkt, reagiert praktisch nur auf Angsttrigger. Gewichtsverlust durch Appetitstörung, Ein- und Durchschlafstörungen, vegetativ Tremor.“
Diagnostiziert wurden eine posttraumatische Belastungsstörung, eine bipolar affektive Störung sowie eine gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen. An laufender Medikation wurden Citalopram 20mg, Pregabalin 75mg, Seroquel 25mg, Temesta 2,5mg und Mirtazapin 30mg angeführt.
Zusammengefasst könne gesagt werden, dass sich die Erstbeschwerdeführerin in einem äußerst kritischen psychiatrischen Zustandsbild befinde und ihr eine weiterführende ausführliche Befragung aus fachärztlicher Sicht nicht zumutbar wäre. Der Trigger für dieses Zustandsbild scheine in Zusammenhang mit XXXX zu stehen. Aus fachärztlicher Sicht sei von einer Vorführung oder Vorladung dorthin absolut abzuraten. Für den Fall, dass eine weiterführende Untersuchung unbedingt notwendig sei, wäre am besten ein Hausbesuch bzw. ein anderer Untersuchungsort in Wohnnähe geeignet. Die nächsten geplanten Schritte seien Medikationsanpassung und Stabilisierung des Allgemeinzustandes.
2. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO für die Prüfung dieser Anträge zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. der jeweiligen angefochtenen Bescheide wurde gegen die Beschwerdeführer die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Italien zulässig ist.
Begründend wurde betreffend die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen festgestellt, dass diese derzeit in psychiatrischer und medikamentöser Behandlung sei. Sie habe der Behörde mehrere Befunde vorgelegt. Zur Abklärung ihres psychischen Zustandes sei der Erstbeschwerdeführerin eine Ladung zur PSY III Untersuchung ausgefolgt worden, welcher sie nicht Folge geleistet habe. Sie habe der Behörde ein Schreiben eines Psychologen vorgelegt, wonach es ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sei, zu diesem Termin zu erscheinen. Weiters sei anzumerken, dass die Erstbeschwerdeführerin bei der Erstbefragung angegeben habe, an keinen Beschwerden und Krankheiten zu leiden und auch keine Medikamente zu nehmen. Auch in der Stellungnahme der [damaligen] rechtsfreundlichen Vertreterin vom 15.04.2019 seien die psychischen Probleme nicht erwähnt worden. Festgestellt werde, dass die erforderliche medizinische Versorgung in Italien in ausreichendem Maße gewährleistet sei. Es könne nicht festgestellt werden, dass im Fall der Erstbeschwerdeführerin sonstige schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestünden. Zum Zweitbeschwerdeführer wurde ausgeführt, dass nicht festgestellt werden könne, dass in seinem Fall schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestünden. Betreffend beide Beschwerdeführer wurde festgestellt, dass diese in Besitz eines gültigen italienischen Schengen-Visums am XXXX .03.2019 in das Gebiet der Europäischen Union eingereist seien und, dass sich Italien für die Führung der Asylverfahren der Beschwerdeführer für zuständig erklärt habe. Die Beschwerdeführer seien gemeinsam in der Grundversorgung der Betreuungsstelle XXXX untergebracht gewesen, die sie freiwillig verlassen hätten, um in eine Wohnung, die der Cousin des Zweitbeschwerdeführers zur Verfügung gestellt habe, zu ziehen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer in Italien systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt wären oder diese dort zu erwarten hätten. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf in den angefochtenen Bescheiden Feststellungen zum italienischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Italien.
Beweiswürdigend führte das Bundesamt betreffend die Erstbeschwerdeführerin aus, dass sich die in den Feststellungen angeführte Krankheit und die medikamentöse Behandlung aus den ärztlichen Befunden und aus den Angaben der Erstbeschwerdeführerin ergeben würden. Der in den Feststellungen angeführte psychische Zustand ergebe sich aufgrund mehrerer Untersuchungen durch Fachärzte einer psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses. Der Ladung zur PSY III Untersuchung habe sie nicht Folge geleistet und ein Schreiben eines psychosozialen Dienstes vorgelegt, wonach es ihr gesundheitlich nicht möglich sei, dieser Untersuchung Folge zu leisten. Die Feststellung, dass die erforderliche medizinische Versorgung in Italien gewährleistet sei, ergebe sich aus den aktuellen Länderberichten. Bei Verdacht auf medizinische Probleme bzw. Selbstmordankündigung werde auf einen Generalerlass verwiesen, demzufolge in einem solchen Fall die Überstellung durch besonders geschulte Organe und im Bedarfsfall durch ärztliche Begleitung erfolge. Im Fall des Zweitbeschwerdeführers hätten sich keine Hinweise ergeben, dass er an einer schweren körperlichen Krankheit oder an einer schweren psychischen Störung leide. Aufgrund der VIS-Abfrage und der widerspruchsfreien Angaben der Beschwerdeführer, stehe die Einreise in die Europäische Union mit einem italienischen Schengen-Visum fest. Die Feststellungen zum Konsultationsverfahren und zum zuständigkeitsbegründenden Sachverhalt würden sich aus den unbedenklichen Akteninhalten ergeben. Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben seien aufgrund der nicht anzuzweifelnden Angaben der Beschwerdeführer getroffen worden. Betreffend die Lage im Mitgliedstaat wurde hinsichtlich beider Beschwerdeführer ausgeführt, dass diese Feststellungen auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren würden. Aus den Angaben der Beschwerdeführer seien keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass sie tatsächlich Gefahr liefen, dass ihnen in Italien eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohen könne. Betreffend die Erstbeschwerdeführerin wurde angeführt, dass ihr Vorbringen zur unzureichenden medizinischen Versorgung in Italien mangels Substanz als nicht glaubhaft erachtet werde. Wie in den Feststellungen zu Italien angeführt, werde dort die erforderliche medizinische Versorgung gewährt. Der Vollständigkeit halber werde erwähnt, dass sich Italien mit Schreiben vom 30.05.2019 ausdrücklich bereit erklärt habe, beide Beschwerdeführer im Rahmen der Verpflichtungen aus der Dublin III-VO zur Prüfung ihrer Asylanträge zu übernehmen.
In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu den jeweiligen Spruchpunkten I. der angefochtenen Bescheide, dass sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer und aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO formell erfüllt sei. Da beide Beschwerdeführer von derselben Außerlandesbringung von Österreich nach Italien betroffen seien, stelle diese keinen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistet Recht auf Achtung des Familienlebens dar. Mit dem Cousin des Zweitbeschwerdeführers würden die Beschwerdeführer nicht im gemeinsamen Haushalt leben und es bestünden auch keine Abhängigkeiten. Die vorgebrachten finanziellen Zuwendungen seien unter Verwandten durchaus üblich. Auch hätten sich in den gegenständlichen Verfahren keine Hinweise darauf ergeben, dass durch eine Außerlandesbringung in unzulässiger Weise in das Recht auf Achtung des Privatlebens der Beschwerdeführer eingegriffen werde. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer relevanten Verletzung von Art. 8 EMRK führe und die Zurückweisungsentscheidungen daher unter diesem Aspekt zulässig seien. Italien sei bereit, die Beschwerdeführer einreisen zu lassen, ihre Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen und die sonstigen, Italien aus der Dublin III-VO treffenden Verpflichtungen den Beschwerdeführern gegenüber zu erfüllen. Festzuhalten sei, dass in Italien die Gefahr einer Verletzung der EMRK nicht eintreten werde. Ein in besonderem Maße substanziiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer hier relevanten Verletzung der Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK im Fall einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, sei in den Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG habe daher bei Abwägung aller Umstände nicht erschüttert werden können. Zu den Spruchpunkten II. der jeweils angefochtenen Bescheide wurde ausgeführt, dass die gegenständlichen Zurückweisungsentscheidungen gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden seien.
Im Bescheid betreffend die Erstbeschwerdeführerin wurde nach Zitierung der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes betreffend die Überstellungszulässigkeit wörtlich ausgeführt:
„Betreffend Ihren psychischen und physischen Zustand ist zunächst darauf zu verweisen, dass sich aus dem gesamten vorliegenden Sachverhalt insgesamt kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass es sich bei Ihnen um einen lebensgefährlich Erkrankten handelt und daher eine Überstellung nach Italien von vornherein als unzulässig angesehen werden müsste. Aus dem gesamten vorliegenden Sachverhalt ergibt sich weiters kein Hinweis auf anstehende und dringliche ärztliche Behandlungen, beispielsweise in Form von Operationen oder sonstigen unaufschiebbaren ärztlichen Behandlungen. Nachdem Sie in ärztlicher Behandlung stehen, kann auch zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass dementsprechend dringliche ärztliche Behandlungen in absehbarer Zeit durchgeführt oder fixiert worden wären, wenn tatsächlich schwerwiegende Erkrankungen vorliegen würden. Derartige dringliche Behandlungen, welche allenfalls einen Hinweis auf das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung darstellen würden, sind in Ihrem Fall nicht durchgeführt oder festgesetzt worden. Auch ist Ihrem gesamten Vorbringen nicht zu entnehmen, dass Sie an einer derart schwerwiegenden Erkrankung leiden, welche mit Lebens- oder gravierender körperlicher Schädigungsgefahr verbunden wäre.“
Bei der Erstbeschwerdeführerin sei zweifelsfrei davon auszugehen, dass sie sich nicht in einem lebensbedrohlichen Zustand befinde. Weiters seien für sie in Italien Behandlungsmöglichkeiten gegeben und sei die unerlässliche medizinische Versorgung gewährleistet. Dass ihr der Zugang zu allenfalls erforderlichen Behandlungen in Italien verwehrt wäre, habe sich im Verfahren nicht ergeben. Maßgebliche Rechtsfrage sei insgesamt, ob sich durch die Durchführung der Außerlandesbringung ein gesundheitlicher Leidenszustand derart verschlechtere, dass der Schutzbereich des Art. 3 EMRK verletzt wäre. Diese hier maßgebliche Frage sei aufgrund des vorliegenden Sachverhalts, aufgrund des Vorbringens und unter Zugrundelegung der Judikatur des EGMR und des VfGH zu verneinen.
Eine Anordnung zur Außerlandesbringung habe gemäß § 61 Abs. 2 FPG zur Folge, dass die Abschiebung in den Zielstaat zulässig sei.
3. Gemäß einer Aufenthaltsbestätigung eines Krankenhauses der Stadt Wien befindet sich die Erstbeschwerdeführerin seit XXXX .10.2019 in stationärer Behandlung dieses Krankenhauses (vgl. AS 421 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).
Einem Bericht der Landespolizeidirektion Wien vom 15.10.2019 ist zu entnehmen, dass betreffend die Zustellung des oben angeführten Bescheides an die Erstbeschwerdeführerin mit dem Krankenhaus, in dem sie stationär aufhältig ist, telefonisch Kontakt aufgenommen und von Seiten der behandelnden Ärztin die Auskunft erteilt wurde, dass der Zustand der Erstbeschwerdeführerin nicht allzu gut sei und derzeit keine Fortschritte zu erkennen seien. Auch sei noch kein Ende der Behandlung bekannt (vgl. AS 449 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).
4. Gegen die oben angeführten Bescheide erhoben die Beschwerdeführer am 14.10.2019 im Wege ihrer nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertreterin fristgerecht Beschwerde wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und stellten Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Begründend wurde nach Wiederholung des Verfahrensganges und des wesentlichen Vorbringens der Erstbeschwerdeführerin ausgeführt, dass die belangte Behörde zum Gesundheitszustand der Erstbeschwerdeführerin keine Feststellungen getroffen, sondern lediglich ihr Vorbringen wiederholt und ausgeführt habe, dass sie der PSY III Untersuchung keine Folge geleistet habe. Auch habe sie bei der Erstbefragung keinerlei krankheitsbedingten Beschwerden angegeben. Diese fehlenden Feststellungen würden einen schweren Verfahrensfehler darstellen. Inzwischen habe sich der Gesundheitszustand der Erstbeschwerdeführerin weiter destabilisiert und sie sei aufgrund eines weiteren Suizidversuchs stationär in ein Krankenhaus aufgenommen worden. Am XXXX .10.2019 sei durch das Bezirksgericht XXXX eine vorläufige Unterbringung angeordnet worden. Die belangte Behörde habe es auch verabsäumt, sich mit der aktuellen Situation in Italien hinsichtlich der Unterbringung und der Möglichkeit des Zugangs zu medizinischer Versorgung vulnerabler Personen auseinander zu setzen.
An sich noch nicht im Verwaltungsakt befindlichen Unterlagen wurden betreffend die Erstbeschwerdeführerin Folgende vorgelegt:
? fachärztlicher Befundbericht eines sozialpsychiatrischen Ambulatoriums vom XXXX .10.2019, dem zu entnehmen ist, dass aktuell bei der Erstbeschwerdeführerin ein schwer depressives ängstliches Zustandsbild mit deutlicher Antriebsminderung, verminderter Nahrungsaufnahme, Schlafstörungen und Flashbacks bestehe, weiters habe sie am XXXX .09.[2019] eine Überdosis Medikamente in suizidaler Absicht genommen, woraufhin sie in der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses untergebracht wurde und
? Protokoll einer Erstanhörung in Unterbringungssachen des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX .10.2019, GZ XXXX , demzufolge gemäß den Ausführungen des Sachverständigen von einer Suizidgefährdung ausgegangen werden müsse und in der Folge der Beschluss verkündet wurde, dass die Unterbringung der Erstbeschwerdeführerin vorläufig zulässig ist
5. Mit Beschluss vom 23.10.2019 erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 17 BFA-VG zu.
6.1. Mit Urkundenvorlage vom 05.11.2019 legte die Erstbeschwerdeführerin durch ihre rechtsfreundliche Vertreterin einen fachärztlichen Befundbericht der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses vom XXXX .10.2019 vor, dem zusammengefasst zu entnehmen ist, dass sich die Erstbeschwerdeführerin seit XXXX .10.2019 in stationärer Behandlung in diesem Krankenhaus befinde, da sie in suizidaler Absicht Tabletten eingenommen habe. Bei ihr stehe eine posttraumatische Belastungsstörung und eine depressiv ängstliche Symptomatik im Vordergrund. Aufgrund akuter Suizidalität sei bei anhaltender Selbstgefährdung eine Unterbringung erfolgt. Die Erstbeschwerdeführerin sei in einem massiv reduzierten Zustandsbild, nehme kaum Nahrung zu sich, sei in den Gesprächen weinerlich und massiv belastet. Sie berichte von immer wiederkehrenden Albträumen und sei aus ärztlicher Sicht akut gefährdet. Eine Abschiebung würde sehr wahrscheinlich zu einer weiteren Aggravierung und Selbstgefährdung führen.
6.2. Am 04.02.2020 langten ohne bezughabendes Vorbringen nachstehende Unterlagen betreffend die Erstbeschwerdeführerin beim Bundesverwaltungsgericht ein:
? fachärztlicher Befundbericht eines sozialpsychiatrischen Ambulatoriums vom XXXX .01.2020, dem entnommen werden kann, dass die Erstbeschwerdeführerin von XXXX .10.2019 bis XXXX .01.2020 in einem Krankenhaus stationär aufhältig war und seither regelmäßige Termine wahrnimmt, weiters ist sie zwar von Suizidalität distanziert, aber labil, weinerlich, klagt über Panikattacken und es droht jederzeit ein neuerliches Auftreten akuter Suizidalität, ferner traut sie sich nicht alleine auf die Straße und kann das Krankenhaus nur in Begleitung des Zweitbeschwerdeführers erreichen und finden sich die Diagnosen: bipolare affektive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, posttraumatische Belastungsstörung und Verdacht auf emotional instabile Persönlichkeitsstörung samt Medikation und
? fachinterner Patientenbrief der psychiatrischen Abteilung eines Krankenhauses vom XXXX .01.2020, dem im Wesentlichen der Bericht über den stationären Aufenthalt der Erstbeschwerdeführerin vom XXXX .10.2019 bis XXXX .01.2020 sowie als Tagpatientin am XXXX .01.2020, XXXX .01.2020 und XXXX .01.2020 entnommen werden kann, ferner finden sich die Diagnosen schwere depressive Episode, Zustand nach Medikamentenintoxikation, posttraumatische Belastungsstörung und Verdacht auf emotional instabile Persönlichkeitsstörung samt Medikation und die Empfehlungen für eine weitere fachärztliche Betreuung und eine Fortsetzung der regelmäßigen Psychotherapie samt Auszügen aus erhobenen Befunden
6.3. Aufgrund einer Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht erstattete die Erstbeschwerdeführerin im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertreterin am 02.07.2020 eine Stellungnahme, in welcher ausgeführt wurde, dass die Erstbeschwerdeführerin an einer bipolaren affektiven Störung, an einer schweren depressiven Episode und an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Auch mit der medikamentösen Behandlung habe die schwere depressive Störung nicht hintangehalten werden können. Aktuell wurde der Erstbeschwerdeführerin eine depressive Episode mit vager Suizidalität konstatiert und werde von zusätzlichen Stressfaktoren – wie einer Überstellung – aus fachärztlicher Sicht unbedingt abgeraten. Eine Behandlungsunterbrechung würde zudem ein extrem hohes Risiko darstellen.
Beigelegt wurde ein fachärztlicher Befundbericht eines sozialpsychiatrischen Ambulatoriums vom XXXX .06.2020, demzufolge die Erstbeschwerdeführerin seit XXXX .08.2019 in regelmäßiger Betreuung und Behandlung in dieser Einrichtung sei. Weiters bestätigt der Befundbericht die Ausführungen in obiger Stellungnahme und enthält zusätzliche Informationen über die aktuelle Medikation der Erstbeschwerdeführerin.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.
Zu A)
1.1. Gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG ist das Verfahren zugelassen, wenn der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben ist. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
Nach Abs. 2 leg. cit. ist gemäß Abs. 1 auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
Sofern gemäß Abs. 3 leg. cit. nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG hat die Behörde (hier: das Bundesverwaltungsgericht) Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid (hier: Beschluss). Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:
Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Erweist es sich als unmöglich einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systematische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
Art. 7 Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) […]
Art. 12 Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa
(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaates im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:
a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;
b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;
c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.
(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund derer er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.
Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund derer er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.
(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.
Art. 17 Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde. Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.
(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen. Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen. Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen. Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.
Art. 18 Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats
(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:
a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;
b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.
(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab. Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird. In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.
2.1. Im gegenständlichen Verfahren ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl unter Zugrundelegung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zutreffend davon aus, dass in materieller Hinsicht Italien zur Prüfung der in Rede stehenden Anträge auf internationalen Schutz gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO zuständig ist, da die Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich in Besitz gültiger italienischer Visa waren, aufgrund derer sie in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen konnten. Den Beschwerdeführern wurde nämlich von der italienischen Botschaft in Teheran Schengen-Visa für zehn Tage im Zeitraum XXXX .03.2019 bis XXXX .04.2019 erteilt. Zudem stimmte die italienische Dublinbehörde der Aufnahme der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 30.05.2019 gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO ausdrücklich zu.
2.2. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH vom 17.06.2005, B336/05 sowie vom 15.10.2004, G237/03) und des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 17.11.2015, Ra 2015/01/0114, vom 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949 sowie vom 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht in den gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.
2.2.1. Die gegenständlichen Fälle, die aufgrund des durchzuführenden Familienverfahrens gemäß § 34 AsylG untrennbar miteinander verbunden sind, sind dadurch gekennzeichnet, dass bei der Erstbeschwerdeführerin verschiedene psychische Erkrankungen bzw. Störungen diagnostiziert wurden, an denen sie bereits seit ihrem 14. Lebensjahr leidet und die schon im Iran behandelt wurden. In Österreich ist die Erstbeschwerdeführerin zumindest seit April 2019 in medizinischer bzw. psychotherapeutischer Behandlung und nimmt Medikamente. Bereits im Juni 2019 wurde festgestellt, dass sie suizidgefährdet ist und sie befand sich von XXXX .10.2019 bis XXXX .01.2020 nach einem Selbstmordversuch in stationärer Behandlung eines Krankenhauses. Auch aktuell liegt nach wie vor eine Behandlungsbedürftigkeit der Erstbeschwerdeführerin in therapeutischer und medikamentöser Hinsicht vor.
Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art. 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde. In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu verweisen, der in seinem Urteil N. gegen Vereinigtes Königreich vom 27.05.2008, Nr. 26565/05, ausführte, dass keine Verpflichtung der Vertragsstaaten bestehe, jeden Ausländer vor einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes in seinem Heimatland zu bewahren, was selbst dann gelte, wenn die Rückführung wegen der schlechten medizinischen Versorgung zum Tod oder zu einer Verkürzung der Lebenserwartung führe. Gemäß ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte stellt es abgesehen von außerordentlichen Umständen keinen Eingriff in die durch Art. 3 EMRK garantieren Rechte dar, wenn mit der Ausweisung merklich schwierigere Lebensumstände und eine reduzierte Lebenserwartung verbunden sind, da zahlreiche Konventionsgarantien zwar wirtschaftliche und soziale Auswirkungen haben, die Konvention jedoch im Wesentlichen bürgerliche und politische Rechte schützt. Diesbezüglich führt der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis U 48/08 vom 07.11.2008 aus, dass im Allgemeinen ein Fremder kein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (vgl. Fall Ndangoya). Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH vom 21.02.2017, Ro 2016/18/0005-3 mit Verweis auf EGMR vom 13.12.2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien).
2.2.2. Zunächst ist festzuhalten, dass die Behörde betreffend den Gesundheitszustand der Erstbeschwerdeführerin keine fundierten bzw. nachvollziehbaren Feststellungen getroffen hat, die unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel eine Entscheidungsgrundlage in rechtlicher Hinsicht bilden können. Das Bundesamt stellte zunächst fest, dass die Erstbeschwerdeführerin in psychiatrischer und medikamentöser Behandlung sei und der Behörde mehrere Befunde vorgelegt habe und traf in der Folge die (Negativ)feststellung, dass nicht festgestellt werden könne, dass im Fall der Erstbeschwerdeführerin sonstige schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestünden (vgl. Seite 14 des die Erstbeschwerdeführerin betreffenden Bescheides). Feststellungen zu den Auswirkungen einer Überstellung der Erstbeschwerdeführerin nach Italien traf das Bundesamt nicht. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führt das Bundesamt aus, dass sich aus dem gesamten vorliegenden Sachverhalt insgesamt kein Anhaltspunkt ergebe, dass es sich bei der Erstbeschwerdeführerin um einen lebensgefährlich Erkrankten handle und daher eine Überstellung nach Italien von vornherein als unzulässig angesehen werden müsse (vgl. Seite 55 des Bescheides der Erstbeschwerdeführerin).
Unter Berücksichtigung der bereits im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zahlreich vorgelegten psychotherapeutischen Bestätigungen (unter anderem auch zur Selbstmordgefährdung) und fachärztlichen (Befund)berichten – auch betreffend die ambulante Behandlung in einem Krankenhaus von XXXX .07.2019 bis XXXX .07.2019 -, denen zusammengefasst die Diagnosen verschiedener psychischer Erkrankungen zu entnehmen sind, ist nicht nachvollziehbar wie die Behörde ohne weitere Ermittlungen zu tätigen zu der Feststellung gelangt, dass keine „sonstigen“ schweren psychischen Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestünden. Die Erstbeschwerdeführerin hat sich ca. seit April 2019 in psychotherapeutische Behandlung begeben und wurde ihr in mehreren, offenbar voneinander unabhängigen medizinischen Einrichtungen eine (zumindest) latente Suizidalität bescheinigt. Hinzu kommt, dass die Erstbeschwerdeführerin auch medikamentös behandelt wird (die Medikation ist unter anderem auch den vorgelegten Rezepten zu entnehmen), wozu im angefochtenen Bescheid ebenfalls keine Feststellungen getroffen wurden. Bei Durchsicht der vorgelegten medizinischen Unterlagen ist erkennbar, dass im Laufe des Verfahrens keine Verbesserung des psychischen Krankheitsbildes der Erstbeschwerdeführerin eingetreten ist. So wurde (vor Erlassung des angefochtenen Bescheides) in einem fachärztlichen Befundbericht vom XXXX .08.2019 ausgeführt, dass sich der psychische Zustand der Erstbeschwerdeführerin derart verschlechtert habe, dass sie nicht mehr in der Lage sei, ambulante Kontakte wahrzunehmen und per Hausbesucht konsultiert werden müsse.
Vor dem Hintergrund dieser Informationen hätte jedenfalls ein psychiatrisches Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen, ob bzw. inwieweit eine Überstellung der Erstbeschwerdeführerin nach Italien eine (unzumutbare bzw. unwiederbringliche) Verschlechterung ihres psychischen Gesundheitszustandes bewirken würde. Offensichtlich war dem Bundesamt die Notwendigkeit der Einholung eines solchen Gutachtens auch bewusst, da die Erstbeschwerdeführerin zu einer Untersuchung betreffend die Einholung einer gutachterli