TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/14 W272 2191408-3

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Veröffentlicht am 14.11.2019
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Entscheidungsdatum

14.11.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W272 2191408-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.10.2019, Zahl 1112556810/190897711, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsbürger, stellte am 22.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Mit Bescheid vom 02.03.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Dem Antragsteller wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Des Weiteren wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Antragstellers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Es wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Antragstellers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Mit gezeichneter Vollmacht vom 15.03.2018 wurde die ARGE Rechtsberatung mit der Rechtsvertretung beauftragt.

Mit Schriftsatz vom 21.03.2018 erhob der Antragsteller im Wege seiner Rechtsvertretung gegen den Bescheid vom 02.03.2018 in vollem Umfang fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Am 20.11.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt.

Im Vorakt befindet sich ein Abschluss-Bericht einer näher genannten Polizeiinspektion vom 22.05.2019. Aus diesem Bericht ergibt sich, dass der Antragsteller verdächtigt wird, am 07.05.2019 in seinem Asylheim aus Wut gegen eine Glasscheibe einer Eingangstür geschlagen und diese dabei beschädigt zu haben. In seiner Beschuldigtenvernehmung vom 21.05.2019 gab der Antragsteller zu, dass er die Glasscheibe der Tür aus Wut zerstört habe.

Mit Erkenntnis vom 10.07.2019, hg.GZ. W133 2191408-1/12E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde vom 21.03.2018 gegen den Bescheid vom 02.03.2018 betreffend alle Spruchpunkte als unbegründet ab. Diese Entscheidung erwuchs

durch die Zustellungen am 11.07.2019 in Rechtskraft. In diesem Erkenntnis stellte das Gericht fest, dass der Vater, sechs Schwestern, sieben Brüder sowie jeweils eine Tante väterlicherseits und eine Tante mütterlicherseits, drei Onkel väterlicherseits sowie mehrere Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers sich nach wie vor in dessen Herkunftsprovinz Kapisa aufhalten. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seiner Familie in Afghanistan.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren Krankheiten und ist arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer leidet unter einer Anpassungsstörung mit einer längeren depressiven Reaktion, einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Außerdem besteht beim Beschwerdeführer eine leichte bis mittelgradige Intelligenzminderung. Der Beschwerdeführer nimmt täglich Antipsychotika und Medikamente gegen seine Schlafstörungen. Er befindet sich gelegentlich in psychologischer und psychiatrischer Behandlung. Der Beschwerdeführer könne als innerstaatliche Fluchtalternative nach Herat oder Mazar-e-Sharif zurückkehren. Es könne aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht festgestellt werden, dass der BF in einen unmittelbaren lebensbedrohlichen Zustand geraten würde. Weiters wurden unter Verwendung der aktuellen Länderinformation festgestellt, dass in Afghanistan psychisch erkrankte Personen in Afghanistan behandelt werden können und es in den beiden Städten auch entsprechende Gesundheitseinrichtungen gibt. Beweiswürdigend führte das Erkenntnis aus: Das Vorliegen einer psychischen Erkrankung beim Beschwerdeführer ergibt sich aus den im Laufe des Verfahrens vorgelegten Befunden (Klinisch-Psychologischer Befund vom 12.09.2017, Psychologischer Befundbericht vom 28.03.2018, Psychiatrische Befunde vom 19.12.2017, 02.03.2018, 10.04.2018, 23.04.2018 und 07.06.2018, Sozialbericht vom 19.06.2018 sowie Klinisch-Psychologischer Befund vom 19.06.2018). In Zusammenschau ergibt sich aus diesen Befunden, dass der Beschwerdeführer unter einer Anpassungsstörung mit einer längeren depressiven Reaktion, einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung und einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Außerdem besteht beim Beschwerdeführer eine leichte bis mittelgradige Intelligenzminderung. Insbesondere aus den jüngeren psychiatrischen Befunden ergibt sich, dass beim Beschwerdeführer keine akute Suizidgefährdung besteht.

Darauf, dass der Beschwerdeführer aufgrund des Vorliegens der psychischen Erkrankung eine spezielle medizinische Behandlung dringend benötigt, haben sich im Verfahren keine Hinweise ergeben. Aus dem Klinisch-Psychologischen Befund vom 19.06.2018 ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer eine engmaschige Weiterführung der psychiatrischen Behandlung und tagesstrukturierende Maßnahmen empfohlen werden. Der Beschwerdeführer nimmt aufgrund seiner psychischen Probleme Medikamente und befindet sich gelegentlich in psychologischer sowie psychiatrischer Behandlung.

Betreffend der beim Beschwerdeführer vorliegenden psychischen Erkrankung ist Folgendes festzuhalten: Aus den Länderberichten ergibt sich, dass in der afghanischen Bevölkerung viele Menschen an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen leiden. Die afghanische Regierung ist sich der Problematik bewusst und hat geistige Gesundheit als Schwerpunkt gesetzt. Die Infrastruktur für die Bedürfnisse mentaler Gesundheit entwickelt sich langsam. So existieren z. B. in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in einigen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Mental erkrankte Personen können beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und bei anderen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden. Einige dieser NGOs sind die International Psychological Organisation (IPSO) in Kabul, die Medica Afghanistan und die PARSA. Es ist daher - im Gegensatz zum Vorbringen der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers in der mündlichen Beschwerdeverhandlung - festzuhalten, dass in Afghanistan Möglichkeiten zur Behandlung von psychischen Erkrankungen wie im Beschwerdefall vorliegend grundsätzlich gegeben sind. Die vorgelegten medizinischen Befunde betreffend die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers sind nicht geeignet, die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers in Zweifel zu ziehen, und es haben sich dafür auch keine substantiierten Hinweise im Verfahren ergeben.

Er konnte auch die Fragen des Verwaltungsgerichtes ohne Probleme verstehen, erfassen und beantworten. Insofern konnte von der im Rahmen der Beschwerde beantragten Einholung eines psychologischen/psychiatrischen Sachverständigengutachtens abgesehen werden. Das

Bundesverwaltungsgericht konnte sich aufgrund des persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers in der mündlichen Beschwerdeverhandlung und insbesondere aufgrund der zahlreichen vorgelegten Befunde ein ausreichendes Bild von der psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers machen. Im Klinisch-Psychologischen Befund vom 19.06.2018 wurden dem Beschwerdeführer zudem ausdrücklich tagesstrukturierende Maßnahmen empfohlen. In Zusammenschau konnte somit festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an keinen schweren Krankheiten leidet und arbeitsfähig ist.

Mit Mandatsbescheid vom 18.07.2019 wurde dem BF eine Wohnsitzauflage gem. § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG erteilt. Ihm wurde die Betreuungseinrichtung SBS Graz Andritz, Nordberggasse 8, 8045 Graz zugewiesen. Begründet wurde die Wohnsitzauflage damit, dass der BF durch sein Verhalten gezeigt hat, dass er nicht gewillt ist seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Seine Frist für die freiwillige Ausreise endete am 25.07.2019 und bislang erfolgte kein Nachkommen der Ausreiseverpflichtung. Der BF habe kein Interesse gezeigt den Aufforderungen der Behörde Folge zu leisten. Der BF übernahm den Mandatsbescheides am 19.07.2019.

Aus dem rechtskräftigen Schubhafterkenntnis des BVwG vom 14.08.2019, hg.GZ. W140 2222259-1, ergibt sich im weiteren Verlauf folgender Verfahrensgang betreffend den Beschwerdeführer:

Dem Beschwerdeführer wurde in der Folge vom BFA eine Wohnsitzauflage erteilt, welcher er nicht nachgekommen ist. Er reiste in weiterer Folge nach Erhalt der verfahrensabschließenden Entscheidung des BVwG vom 10.07.2019 nicht binnen 2 Wochen freiwillig in seinen Herkunftsstaat aus, sondern versuchte am Ende der Frist nach Deutschland zu gelangen. Der Beschwerdeführer unternahm keine Schritte, sich ein Dokument für die Heimreise zu besorgen.

Stattdessen besorgte er sich ein Zugticket nach Deutschland. Der Beschwerdeführer wurde am 23.07.2019 von der deutschen Polizei im Zug nach Deutschland kontrolliert. Da er keine Dokumente mit sich führte, wurde er festgenommen und an die österreichischen Behörden rücküberstellt. Nach erfolgter ED-Behandlung wurde der Antragsteller am 23.07.2019 von der zuständigen Landespolizeidirektion niederschriftlich einvernommen. Mit Mandatsbescheid vom 23.07.2019 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm §57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Mit mündlich verkündeter Entscheidung des BVwG vom 14.08.2019, hg.GZ. W140 2222259- 1/8Z, wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Anhaltung in Schubhaft nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG und § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3 und Z 9 FPG als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlagen. Am 28.08.2019 erging die entsprechende gekürzte Ausfertigung dieser Entscheidung.

Der Beschwerdeführer befand sich seit 23.07.2019 in Schubhaft.

Am 19.08.2019 (um 09:20) Uhr wurde dem BF mitgeteilt, dass seine Abschiebung für den 03.09.2019 festgelegt wurde.

Am 20.08.2019 beantragte der Antragsteller bei beiden Höchstgerichten (VwGH und VfGH) die Gewährung von Verfahrenshilfe für die Abfassung und Einbringung einer ao. Revision bzw. Beschwerde gegen das Erkenntnis des BVwG vom 10.07.2019.

Am 27.08.2019 langte beim BVwG ein "Antrag auf einstweilige Anordnung unmittelbar aufgrund des Unionsrechts" ein. Dieser Antrag langte am 28.08.2019 in der zuständigen Gerichtsabteilung ein. Darin beantragt der rechtlich vertretene Antragsteller, das BVwG möge aufgrund der bevorstehenden Abschiebung am 03.09.2019 eine einstweilige Anordnung erlassen, mit der dem BFA vorläufig die Durchsetzung der Abschiebung des Antragstellers untersagt werde. Begründend wird im Schriftsatz zusammengefasst ausgeführt, der Grundsatz der faktischen Effizienz werde im vorliegenden Fall unterlaufen, wenn für eine Person, die auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe angewiesen sei, keine Möglichkeit bestehe, vorläufigen Rechtsschutz vor dem Vollzug der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu erlangen. Auch Art. 47 Abs. 3 GRC sehe ein Recht auf Prozesskostenhilfe vor (mit weiteren Ausführungen im Schriftsatz). Die verwaltungsgerichtliche Entscheidung über die aufenthaltsbeendende Maßnahme werde bereits am 03.09.2019 mittels Abschiebung vollstreckt. Die zeitgerechte Einbringung einer Revision und die Beantragung von aufschiebender Wirkung nach § 30 VwGG seien nicht möglich. Das Verfahrenshilfesystem werde dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz nicht gerecht. Die effektive Überprüfbarkeit der Entscheidung des VwG im Rahmen der rechtsstaatlich gebotenen Kontrolle durch den VwGH sei ohne Gewährung der beantragten einstweiligen Anordnung nicht möglich. Aus den im Verfahrenshilfeantrag dargelegten Gründen sei die zu bekämpfende Entscheidung rechtswidrig. Dem Antragsteller drohe in Afghanistan aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage und der besonderen Vulnerabilität wegen der bestehenden psychischen Erkrankung eine erniedrigende und unmenschliche Behandlung. Zudem drohe eine maßgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes. Dabei handle es sich um einen nicht wiedergutzumachenden Schaden. Es bestehe die Gefahr einer schweren, raschen und irreversiblen Gesundheitsverschlechterung, welche mit intensivem Leiden und einer signifikanten Verkürzung der Lebenserwartung verbunden sei. Die beantragte Anordnung erweise sich aus diesem Grund als dringlich. Zudem laufe das Recht auf Prozesskostenhilfe ins Leere. Die Zuständigkeit des BVwG ergebe sich auch aus der bisherigen Rechtsprechung des VwGH. Am 28.08.2019 wies der Verwaltungsgerichtshof den Antrag auf Verfahrenshilfe des Antragstellers ab. Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Beschluss vom 02.09.2019, Zahl W133 2191408-1/22Z, den Antrag auf Erlassung einstweiligen Anordnung zur Untersagung der Durchsetzung der Abschiebung des BF zurück. Begründend führte das Verwaltungsgericht an, dass im Antrag argumentiert wird, dass dem Antragsteller in Afghanistan aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage und der besonderen Vulnerabilität wegen der bestehenden psychischen Erkrankung eine erniedrigende und unmenschliche Behandlung drohe. Zudem drohe eine maßgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes. Dabei handle es sich um einen nicht wiedergutzumachenden Schaden. Es bestehe die Gefahr einer schweren, raschen und irreversiblen Gesundheitsverschlechterung, welche mit intensivem Leiden und einer signifikanten Verkürzung der Lebenserwartung verbunden sei. Die beantragte Anordnung erweise sich aus diesem Grund als dringlich.

Diesem Vorbringen konnte seitens des Verwaltungsgerichtes nicht gefolgt werden, da das BVwG bereits in seiner verfahrensabschließenden Entscheidung vom 10.07.2019 die vom Antragsteller selbst vorgebrachte und befundmäßig belegte psychische Erkrankung und Beeinträchtigung festgestellt und war vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte zum Schluss gelangt, dass ihm mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus diesem Grund keine Verfolgung oder unmenschliche Behandlung in Afghanistan droht. Auch ist aktuell nicht zu erkennen, das durch den Vollzug der Abschiebung ein nicht wiedergutzumachender Schaden durch eine maßgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Antragstellers entsteht, zumal das BFA - wie ebenfalls oben festgestellt wurde - im Rahmen der Schubhaftverhandlung vor dem BVwG am 14.08.2019 zugesichert hat, dass der Antragsteller im Falle der Abschiebung seine regelmäßig eingenommenen Medikamente ausreichend mitbekommen und er im Falle der Rückführung nach Afghanistan in einem entsprechenden und adäquaten Programm einer NGO in Afghanistan untergebracht wird, um ihm entsprechende Behandlungen zukommen zu lassen. Auch der Rechtsvertreter teilte in dieser Verhandlung mit, dass das BFA sowohl die finanzielle als auch die organisatorische Unterstützung bereits zugesagt hat. Auch haben sich in Bezug auf die Sicherheitslage keine maßgeblichen Veränderungen im Sinne einer Verschlechterung in Bezug auf die Städte Mazar-e Sharif und Herat im Vergleich zum Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vom 10.07.2019 ergeben. Dies wurde vom Antragsteller auch gar nicht behauptet.

Am 03.09.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Akt aufliegend ist eine Vollmacht für die Diakone Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH für sämtliche Verfahren vor österreichischen Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichten. Anlässlich der Befragung am 03.09.2019 vor der LPD Wien Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug (AFA) gab der BF folgendes an:

"Ich halte meine damaligen Gründe vollinhaltlich aufrecht. Nun gebe ich meine neuen Gründe an. Ich wurde von Ärzten untersucht und die sagten mir, dass ich sehr krank bin. Mit dieser Krankheit kann ich in Afghanistan nicht leben. Ich würde dort sterben, weil man mich dort nicht medizinisch behandeln könnte. Die Menschen in Afghanistan verstehen mich nicht, wenn ich spreche. Ich habe auch kein Geld um in Afghanistan zum Arzt zu gehen. Die verlangen dort sehr viel. Im Dorf gibt es nur Taliban und sehr wenig Ärzte. Der Geld hat überlebt und die anderen sterben.

Befragt über die Krankheit gibt die Vertretung folgendes an: Chronische Suizidalität, Intelligenzentwicklungsstörung, deutlich depressives Bild, 2-maliger Suizidversuch.

Das sind alle meine Gründe und ich habe diesen nichts mehr hinzuzufügen.

Krank war ich schon immer: Der Arzt war vor einigen Tagen bei mir.

Anmerkung der Vertretung: Sonntag 01.09.2019."

Am 03.09.2019 erging ein Mandatsbescheid, Zahl 1112556810/190897711/190897738, gem. § 12a Abs. 4 AsylG, womit festgestellt wurde, dass die Voraussetzungen des § 12 a Abs. 4 Z 1 und 2 nicht vorliegen und dem BF der faktische Abschiebeschutz nicht zuerkannt werde. Dieser Mandatsbescheid wurde dem vertretenen BF am gleichen Tag zugestellt.

Am 03.09.2019 wurde dem BF in Bezug auf sein erstes Asylverfahren, VZ 160577642, mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 03.09.2019, GZ: E3280/2019-4, die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit 03.09.2019 wurde der BF aus der Schubhaft entlassen.

Am 10.09.2019 wurde der Mandatsbescheid der Rechtsvertretung zugestellt.

Am 20.09.2019 erhob der BF Vorstellung gegen den Mandatsbescheid.

Am 02.10.2019 erfolgte ein Bericht der LPD Steiermark, in welchem mitgeteilt wird, dass der BF die ihm mit Wohnsitzauflage gem. § 57 FPG vom 18.07.2019 zugeordnete Unterkunft seitens des BF nie aufgesucht wurde. Der BF konnte dort nicht angetroffen werden. Eine ZMR-Abfrage ergab, dass der BF seit 18.09.2019 in 1110 Wien, Neu Albern 2 gemeldet ist.

Aufgrund der eingebrachten Vorstellung gegen den oben angeführten Mandatsbescheid hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Ermittlungsverfahren geführt und mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 04.10.2019, Zahl. 1112556810/190897711, gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass die Voraussetzung des § 12a Abs. 4 Z1 und Z 2 AsylG nicht vorliege und unter einem dem Beschwerdeführer den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG nicht zuerkannt.

Zur Lage im Herkunftsstaat:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat im angefochtenen Bescheid umfangreiche Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan, dem Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, anhand des vom ihm ins Verfahren eingebrachten aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation über Afghanistan, vom 29.06.2018, mit der letzten Kurzinformation vom 04.06.2019, getroffen. Die im Vorverfahren ausgesprochene Rückkehrentscheidung sei aufrecht, da der BF zwischenzeitlich Österreich nicht verlassen habe. Im Zeitpunkt der Stellung des Folgeantrages sei der BF von einer Amtshandlung im Sinne des § 12 a Abs. 3 Z 3 AsylG betroffen gewesen. Der BF habe binnen 2 Tage vor festgelegten Abschiebetermin einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt. Der psychische Zustand des BF sei schon im Erstverfahren berücksichtigt worden und habe es sich keine Änderung ergeben. Auch die allgemeine Lage im Herkunftsstaat, dies sei eindeutig zu erkennen, entspreche im Großen und Ganzen jener im Zeitpunkt der letzten Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz. Sodass davon auszugehen sei, dass sich keine Änderungen ergeben haben. Es sei daher davon auszugehen, dass der BF den Folgeantrag zur ungerechtfertigten Verhinderung und Verzögerung der Abschiebung gestellt habe. Daher seien die Voraussetzungen des § 12a Abs. 4 Z 1 und Z nicht gegeben und eine Zuerkennung des Abschiebeschutzes gem. § 12 AsylG 2005 nicht möglich. Dem BF wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 03.09.2019 die aufschiebende Wirkung zum Verfahren VZ: 160577642) zuerkannt und in Folge dessen sei er am 03.09.2019 aus der Schubhaft entlassen worden.

Dagegen erhob der BF durch seine Rechtsvertretung rechtzeitig Beschwerde gem. Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG. Nach Wiedergabe des Verfahrenslaufes, brachte der BF vor, dass er am 03.09.2019 im Stande der Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz stellte und einen anamnetischen Bericht vom 01.09.2019 des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie, XXXX , vorlegte, wonach beim BF chronische Suizidalität nach zweimaligem Suizidversuch, eine Intelligenzentwicklungsstörung und ein deutliches depressives Bild vorliege und bei einer Abschiebung mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Suizid zu befürchten sei. Am gleichen Tag erfolgte eine Einvernahme und wurde dargelegt, dass sich der psychische Gesundheitszustand des BF maßgeblich nach Abschluss des Erstverfahrens verschlechtert habe und der Folgeantrag daher nicht in Missbrauchsabsicht gestellt wurde. Die Behörde habe daher mangelhaft erhoben und die Beweise nicht entsprechend gewürdigt. Die maßgebliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes stelle eine entscheidungsrelevante Änderung seiner subjektiven Situation im Vergleich zur Situation bei rechtskräftigen Abschluss des Erstverfahrens dar und sei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diese neue Situation im Falle einer Abschiebung nach Afghanistan zu einer Verletzung seiner Rechte gem. Art. 2 und 3 EMRK führen würde, weshalb dem BF zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei.

Weiters sei die präjudizielle Norm des § 12a Abs. 4 AsylG verfassungswidrig, weshalb der Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet sei. Aufgrund der Entscheidung des EGMR in der Rechtssache Mohammed/Österreich vom 06.06.2013 (Appl. 2.283/12) und der darauffolgenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (G 59/2013 vom 26.02.2014) angepasst, um den Anforderungen des EGMR im Hinblick auf die drohende Art. 3 bzw. Art 8 iVm Art 13 EMRK Verletzung zu entsprechen. Die Anpassung erfolgte jedoch nur in Hinblick § 12a Abs. 1 und 2 AsylG 2005, der Gesetzestext in Abs. 4 leg. cit blieb unverändert. So würde nun eine Art. 3 EMRK Verletzung, welche dem BF schon früher bekannt war, sich jedoch nicht auf die objektive Situation im Herkunftsland bezieht, nicht zu berücksichtigen und eine Abschiebung trotzt Art. 3 EMRK zulässig seien, da die Prüfung bei Folgeantragsstellung zwei Tage vor der Abschiebung sich nur auf die objektive Änderung im Herkunftsstaat bezieht, wie es Z. 2 des § 12a Abs. 4, wie im gegenständlichen Fall vorsieht.

Auch hätte die Behörde den faktischen Abschiebeschutz nicht gewährt, zumal sich "lediglich" die subjektiven Gründe geändert haben. Die Behörde hat zwar mittels Mandatsbescheid über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 12 a Abs. 4 AsylG abzusprechen, dies stellt allerdings kein effektives Rechtsmittel in Hinblick auf Art 13 EMRK dar, da eine Vorstellung (als Rechtsmittel im Mandatsverfahren) ex lege keine aufschiebende Wirkung zukommt (§ 57 Abs. 2 AVG). Ein Antragsrecht auf vorläufigen Rechtsschutz bestehe nicht.

Das Bundesamt hat zwar gem. § 50 Abs. 1 AsylG 2005 von einer Abschiebung abzusehen, wenn dadurch eine Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK droht. Missachtet die Behörde allerdings dieses Refoulement-Verbot, besteht für die betroffene Person aber kein effektiver Rechtsschutz gegen die behördliche Entscheidung. Die einzige Rechtsschutzmaßnahme ist die Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde, die allerdings erst nach der erfolgten Abschiebung nach Afghanistan in Frage kommt. Zu diesem Zeitpunkt wird die drohende Verletzung von Art. 3 EMRK allerdings schon realisiert. Da in der vorliegenden Konstellation ein effektiver Rechtsbehelf nicht offen steht und ein solcher (weiterhin) gesetzmäßig nicht vorgesehen ist, stehe die Bestimmung des § 12a Abs. 4 AsylG im Widerspruch zur Rechtsprechung des EGMR und sei demnach verfassungswidrig. Weiters werde eine mündliche Verhandlung beantragt, da dies nicht nur zur Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör zu diesem, sondern auch das Rechtsgespräch und die Erörterung von Rechtsfragen diene.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die zitierten Feststellungen des BFA werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben.

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte erstmals am 22.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, über welchen in Bezug auf die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten und die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten im Rechtsmittelweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.07.2019, Zahl: W133 2191408-1/12E, rechtskräftig negativ entschieden wurde. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Antragstellers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Es wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Antragstellers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Das Erkenntnis erwuchs mit Zustellung am 11.07.2019 in Rechtskraft.

Mit Mandatsbescheid vom 18.07.2019 wurde dem BF eine Wohnsitzauflage gem. § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG erteilt. Ihm wurde die Betreuungseinrichtung SBS Graz Andritz, Nordberggasse 8, 8045 Graz zugewiesen. Der BF übernahm den Mandatsbescheides am 19.07.2019.

Mit Mandatsbescheid vom 23.07.2019 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm §57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Mit diesem Tag wurde der BF in Schubhaft genommen.

Mit mündlich verkündeter Entscheidung des BVwG vom 14.08.2019, hg.GZ. W140 2222259- 1/8Z, wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Anhaltung in Schubhaft nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG und § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3 und Z 9 FPG als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlagen. Am 28.08.2019 erging die entsprechende gekürzte Ausfertigung dieser Entscheidung.

Am 19.08.2019 (um 09:20) Uhr wurde dem BF mitgeteilt, dass seine Abschiebung für den 03.09.2019 festgelegt wurde.

Die Abschiebung war mit 03.09.2019, 23:20 Uhr geplant.

Am 20.08.2019 beantragte der Antragsteller bei beiden Höchstgerichten (VwGH und VfGH) die Gewährung von Verfahrenshilfe für die Abfassung und Einbringung einer ao. Revision bzw Beschwerde gegen das Erkenntnis des BVwG vom 10.07.2019.

Am 28.08.2019 wies der Verwaltungsgerichtshof den Antrag auf Verfahrenshilfe des Antragstellers ab.

Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Beschluss vom 02.09.2019, Zahl W133 2191408-1/22Z, den Antrag auf Erlassung einstweiligen Anordnung zur Untersagung der Durchsetzung der Abschiebung des BF zurück.

Am 03.09.2019 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Begründend damit, dass die persönliche gesundheitliche Situation sich seit der rechtskräftigen Entscheidung des BVwG vom 10.07.2019 verschlechtert habe und er daher Gefahr laufe bei Abschiebung nach Afghanistan zu sterben. Mit Antragsstellung legte der BF die Vollmacht für die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH vor.

Am 03.09.2019 erging ein Mandatsbescheid gem. § 12a Abs. 4 AsylG, womit festgestellt wurde, dass die Voraussetzungen des § 12 a Abs. 4 Z 1 und 2 nicht vorliegen und dem BF der faktische Abschiebeschutz nicht zuerkannt werde. Der Mandatsbescheid wurde am gleichen Tag dem vertretenen BF zugestellt.

Am 03.09.2019 wurde dem BF in Bezug auf sein erstes Asylverfahren mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 03.09.2019, GZ: E3280/2019-4, die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit 03.09.2019 wurde der BF aus der Schubhaft entlassen. Ein gelinderes Mittel gem. § 77 FPG wurde nicht angewandt.

Am 10.09.2019 wurde der Mandatsbescheid der Rechtsvertretung zugestellt. Am 20.09.2019 erhob der BF Vorstellung gegen diesen Bescheid.

Der BF ist seit zumindest 18.09.2019 in 1110 Wien, Neu Albern 2 aufhältig.

Am 02.10.2019 erfolgte ein Bericht der LPD Steiermark, in welchem mitgeteilt wird, dass der BF die ihm mit Wohnsitzauflage gem. § 57 FPG vom 18.07.2019 zugeordnete Unterkunft seitens des BF nie aufgesucht wurde. Der BF konnte dort nicht angetroffen werden

Aufgrund der eingebrachten Vorstellung gegen den oben angeführten Mandatsbescheid hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Ermittlungsverfahren geführt und mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 04.10.2019, Zahl. 1112556810/190897711, gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass die Voraussetzung des § 12a Abs. 4 Z1 und Z 2 AsylG nicht vorliege und unter einem dem Beschwerdeführer den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG nicht zuerkannt.

Dagegen erhob der BF durch seine Rechtsvertretung rechtzeitig Beschwerde gem. Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG.

Ein neuer Abschiebetermin ist nicht bekannt.

Der Beschwerdeführer leidet an einer Anpassungsstörung mit einer längeren depressiven Reaktion, einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Weiter leidet der BF einer Intelligenzentwicklungsstörung. Es ergibt sich keine akute Suizidgefährdung.

Zur Lage im Herkunftsstaat:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat im angefochtenen Bescheid umfangreiche Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan, dem Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, anhand des vom ihm ins Verfahren eingebrachten aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation über Afghanistan, vom 29.06.2018, mit der letzten Kurzinformation vom 04.06.2019, getroffen.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den vom Bundesamt im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers an.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsakts des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur allgemeinen Lage in Afghanistan wurden die im angefochtenen Bescheid festgestellten Länderinformationen herangezogen. Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. In der Beschwerde trat der Beschwerdeführer diesen Länderinformationen nicht entgegen, sondern rügte lediglich, dass sich die subjektive Situation des BF entscheidungsrelevant verändert habe.

Der Gesundheitszustand ergibt sich aus dem in den Vorakten vorgelegten Befunden und den vom 01.09.2019 vorgelegten anamnestischen Bericht des XXXX , Facharzt für Psychiatrie und Neurologie. Es wurden als Diagnose die chronische Suizidalität, Intelligenzentwicklungsstörung, deutliches depressives Bild und zweimaliger Suizidversuch (Befund KH-Mauer) gestellt. Die Diagnosen wurden aufgrund der bereits im Asylverfahren vorgebrachten Dokumente sowie eines Gespräches im Rahmen eines Rechtsberatungsbesuches im Polizeianhaltezentrum am 01.09.2019 erstellt. Das Gericht hatte sich bereits im Rahmen des Asylverfahrens mit der gesundheitlichen Beeinträchtigung des BF beschäftigt und gewürdigt. Auch die entsprechenden Befunde legten nicht dar, dass bei Abschiebung des BF mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ein Suizid zu befürchten ist, wie auch im Erkenntnis vom 10.07.2019 festgestellt. Warum der vorgelegte Bericht vom 01.09.2019 nun von den bisherigen Ergebnissen abgeht, wurde nicht dargelegt, zumal keine geänderte Berichtssituation seit der Verkündung des Erkenntnisses vom 10.07.2019 dargelegt wurden, die dazu führen würden, dass sich nunmehr bei Abschiebung ein akuter Suizid zu befürchten sei. Der anamnestische Befund von XXXX berücksichtigt jene Unterlagen, Berichte und Befunde, welche schon vor Abschluss des Asylverfahrens bekannt und berücksichtigt waren.

Dass der BF am 03.09.2019 aus der Schubhaft ohne Anwendung eines gelinderen Mittels entlassen wurde ergibt sich zu einem aus dem Bescheid des BFA, der nicht anführte ein solches Mittel angeordnet zu haben, sowie die Anhaltedatei, welches in diesem Bereich keinem Vermerk aufweist. Auch wurde seitens Behörde kein Bescheid vorgelegt, in welchem dem BF ein gelinderes Mittel gem. § 77 FPG aufgetragen wurde.

Der Wohnort des BF ergibt sich aus dem Auszug des ZMR.

Die Zustellung des Mandatsbescheides an den BF ergibt sich aus der Übernahmebestätigung, im Akt aufliegend und die Zustellung an die Rechtsvertretung aufgrund des im Akt aufliegenden Rückscheines.

Dass die Abschiebung mit 03.09.2019, 23:20 Uhr anberaumt war, ergibt sich aus der Auskunft der Behörde an den Richter am 13.11.2019.

Die nachweisliche Information der beabsichtigten Abschiebung mit 03.09.2019 erfolgte am 19.08.2019, 09:20 Uhr, welches durch den unterfertigten Zustellschein, welcher im Akt aufliegt, belegt ist.

3. Rechtliche Beurteilung

Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" betitelte § 12a AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:

"(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und

3. darüber hinaus

a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;

b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder

c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.

(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.

(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden."

Zunächst ist festzuhalten, dass dem gegenständlichen Verfahren ein Folgeantrag gemäß § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 zugrunde liegt, zumal das Verfahren aufgrund des ersten Antrages auf internationalen Schutz vom 22.04.2016 bereits vor der Stellung des zweiten Antrages auf internationalen Schutzes am 03.09.2019, durch das Erkenntnis vom 10.07.2019 W133 2191408-1/12E rechtskräftig abgeschlossen war.

Zu Recht hat das Bundesamt ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seines Folgeantrages gemäß § 12a Abs. 3 AsylG ex lege kein faktischer Abschiebeschutz zukommt, da er diesen Folgeantrag am 03.09.2019, sohin binnen 18 Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin am 03.09.2019, gestellt hat, wobei dem Beschwerdeführer dieser Abschiebetermin am 19.08.2019 nachweislich zur Kenntnis gebracht worden ist, der Beschwerdeführer sich überdies in Schubhaft befunden hat und gegen ihn aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.07.2019 eine rechtskräftige und aufrechte Rückkehrentscheidung bestanden hat.

Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (330 BlgNR 24. GP) zu § 12a AsylG 2005 geht hervor, dass die Festlegung des Abschiebetermins und die diesbezügliche Information an den Fremden seiner Antragstellung vorangehen müssen. Der Fremde muss also zum Zeitpunkt seiner Antragstellung von der Tatsache seiner zeitnah bevorstehenden Abschiebung und dem geplanten Termin Kenntnis haben. Schriftlichkeit der Information ist nicht gefordert. Die Information wird beispielsweise auch in Einem mit dem Ausspruch der Festnahme erfolgen können. Um dem Rechtsschutzgedanken ausreichend Rechnung zu tragen, ist es daher angebracht, die Rechtsfolgen des Abs. 3 nur dann eintreten zu lassen, wenn dem Fremden die bevorstehende Abschiebung bewusst ist und daher im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass es sich bei einem erst dann gestellten Folgeantrag lediglich um eine Reaktion auf die drohende Außerlandesbringung zwecks ihrer ungerechtfertigten Verhinderung handelt. Zu beachten ist dabei insbesondere der Umstand, dass der wohlmeinende Folgeantragsteller seinen Antrag natürlich sogleich bei Vorliegen einer (neuen) Verfolgungs- oder Bedrohungssituation und nicht als Reaktion auf fremdenpolizeiliche Tätigkeit stellen wird.

In casu wurde dem Beschwerdeführer am 19.08.2019 um 09:20 Uhr, sohin vor seiner Antragstellung am 03.09.2019, ein Informationsblatt über die bevorstehende Abschiebung zur Unterfertigung ausgefolgt, dessen Zustellung er bestätigte. Im Übrigen wurde vom Beschwerdeführer und dessen Rechtsvertreter weder in der Vorstellung noch in der Beschwerde behauptet, dass der Beschwerdeführer von seiner zeitnah bevorstehenden Abschiebung keine Kenntnis hatte. Der Beschwerdeführer wurde sohin vor dem Antragszeitpunkt, 03.09.2019, im Sinne des Gesetzes "nachweislich" über den Abschiebetermin am 03.09.2019 informiert.

Im gegenständlichen Fall hat der BF am selben Tag der geplanten Abschiebung seinen Folgeantrag gestellt und somit binnen zwei Tage vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin.

Das Bundesamt hätte dem Beschwerdeführer sohin lediglich dann faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 AsylG zuerkennen müssen, wenn sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat. Die Prüfung der Behörde hat sich ausschließlich auf §12a Abs. 4 Z.2 zu beschränken.

Dem Bundesamt ist zuzustimmen, wenn es unter Berücksichtigung der seiner Entscheidung zugrunde gelegten Länderinformationen davon ausgeht, dass sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat Afghanistan nicht entscheidungsrelevant geändert hatte. Der Beschwerdeführer hat keine ihn betreffende bzw. entscheidungsrelevante allgemeine Lageänderung im Herkunftsstaat dargelegt. Sein Fluchtvorbringen wurde bereits vormals für unglaubwürdig befunden, wobei auch ausreichend auf den Gesundheitszustand und deren Behandlung im Herkunftsstaat sowie die familiären als auch privaten Verhältnisse des Beschwerdeführers eingegangen bzw. diese Aspekte ausreichend berücksichtigt wurden. Das Gericht legte dar unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen des BF, dass eine Behandlung im Herkunftsstaat zumindest in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat möglich sind. Ebenfalls ist eine Betreuung durch Nichtregierungsorganisationen möglich. Weiters teilte die Rechtsvertretung mit, dass das BFA die finanzielle als auch die organisatorische Unterstützung zugesagt habe. Auch bezüglich der sonstigen Sicherheitslage hat sich keine Änderungen zum Erkenntniszeitpunkt vom 10.07.2019 ergeben. Eine Änderung der Möglichkeiten der medizinischen Versorgung im Herkunftsstaat ist nicht eingetreten, sodass sich insgesamt die objektive Situation im Herkunftsstaat nicht entscheidungsrelevant seit der letzten Entscheidung geändert hat. Eine solche objektive Situation im Herkunftsstaat wurde auch nicht vorgebracht.

Die Voraussetzung des § 12a Abs. 4 AsylG für die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes war sohin zum Zeitpunkt der Zustellung des Mandatsbescheides an den BF nicht erfüllt.

Am selben Tag der Zustellung des Mandatsbescheides wurde der BF jedoch aus der Schubhaft entlassen. Gegen den BF wurde auch kein gelinderes Mittel nach § 77 FPG angewandt oder er nach einer Festnahme gem. § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten. Sodass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des 12a Abs. 4 AsylG 2005, nämlich ein Fall gem. Abs. 3, nach Entlassung aus der Schubhaft nicht mehr vorgelegen sind.

Sodass der faktische Abschiebeschutz zwar vorerst nicht zugekommen ist und auch die Zuerkennung nach Abs. 4 nicht, in weitere Folge jedoch eine dafür erforderliche Voraussetzung weggefallen ist. In diesem Fall geht das Gericht davon aus, dass mit Wegfall der Voraussetzung nach Abs. 3 Z. 3 der faktische Abschiebeschutz wieder entsteht und ein Verfahren nach Abs. 2 nicht entgegensteht.

Da sohin der ex-lege nichtzukommende faktische Abschiebeschutz seit Entlassung aus der Schubhaft und keine Maßnahmen nach § 12a Abs. 3 Z. 3b oder 3c erfolgten, war der Bescheid nicht zu erlassen und die zugrundeliegenden gesetzlichen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden. Auch zum Zeitpunkt der nunmehrigen Entscheidung sind die Voraussetzung des § 12a Abs. 3 nicht mehr gegeben und damit auch keine Möglichkeit der Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach Abs. 4.

Zum Vorbringen, dass der § 12 a Abs. 4 AsylG 2005 verfassungswidrig sei, ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis 2012/21/0118 vom 20.12.2013 bereits mit der gegenständlichen Bestimmung auseinandergesetzt hat. So stellte er fest, dass aus den Erläuterung zur Regierungsvorlage (330 BlgNR 24. GP, 15) zu § 12a Abs. 4 AsylG 2005 hervorgeht, dass die Entscheidung durch das Bundesasylamt gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 über die Zuerkennung faktischen Abschiebeschutzes in den Fällen des § 12a Abs. 3 AsylG 2005 dazu dient, den gemäß Art. 13 EMRK (sowie auf Grund des Rechtsstaatsprinzips) gebotenen Rechtsschutz zu gewährleisten. Dies setzt aber jedenfalls im Hinblick auf eine drohende Verletzung des Art. 3 EMRK voraus, dass bereits ex ante eine Überprüfung erfolgt; die nachträgliche Kontrolle im Rahmen eines Maßnahmenbeschwerdeverfahrens ist nicht ausreichend (vgl. etwa Wiederin, Aufenthaltsbeendende Maßnahmen im Fremdenpolizeirecht (1993), 43, 156; s. auch Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention5 (2012) Rz 181). Gerade um - selbst im Fall einer Asylantragstellung innerhalb der letzten beiden Tage vor einem Abschiebetermin - eine förmliche Entscheidung durch das Bundesasylamt noch vor der Abschiebung zu ermöglichen, wurde im Gesetz vorgesehen, dass diese Entscheidung in Form eines Mandatsbescheides zu ergehen hat und die inhaltliche Prüfung - abgesehen vom Fall des § 12a Abs. 4 Z 1 AsylG 2005 bei Antragstellung bis zum dritten Tag vor dem Abschiebetermin - grundsätzlich auf die objektive Situation im Herkunftsstaat beschränkt ist. Aus all dem ist - verfassungskonform - abzuleiten, dass eine Abschiebung nicht vor Erlassung des Bescheides gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 über die Zuerkennung faktischen Abschiebeschutzes durchgeführt werden darf, auch wenn dies im Gesetz nicht ausdrücklich festgelegt wurde und zufolge den Erläuterungen der Mandatsbescheid nur "tunlichst" vor Durchführung der Abschiebung zu ergehen hat. Da im gegenständlichen Fall auch das vorgesehen Rechtsschutzsystem - Mandatsbescheid- eingehalten wurde und damit der Rechtsschutz gem. Art. 13 EMRK, kann auch seitens des Gerichtes keine verfassungswidrige Bestimmung in § 12a Abs. 4 AsylG 2005 erkannt werden.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

In casu ergaben sich das Vorliegen einer rechtskräftigen Ausweisung (Rückkehrentscheidung), die maßgeblichen Zeitpunkte hinsichtlich der Information über die geplante Abschiebung und bezüglich der Folgeantragstellung sowie der Umstand, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Antragstellung angehalten wurde, aus der Aktenlage und blieben vom Beschwerdeführer auch unbestritten. Der Beschwerdeführer trat zudem den von der Verwaltungsbehörde herangezogenen Länderberichten nicht substantiell entgegen. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt war somit aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte.

Zu Spruchpunkt II. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im gegenständlichen Fall fehlt es an der Rechtsprechung zur Frage der Anwendung des § 12a Abs. 4 AsylG 2005 und Fortsetzung des Verfahrens nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005, wenn der Fremde, welcher einen Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt hat, nicht abgeschoben wurde und eine Voraussetzung nach § 12a Abs. 3 AsylG 2005 wegfällt. Weiters fehlt es an Rechtsprechung, ob das Verfahren nach Abs. 2 durch das Verwaltungsgericht weiterzuführen ist oder die die Behörde ein entsprechendes Verfahren führt, um den Verfahrensablauf nach § 22 BFA-VG zu gewährleisten.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung faktischer Abschiebeschutz Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W272.2191408.3.00

Im RIS seit

26.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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