TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/29 L502 2213613-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.04.2020
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Entscheidungsdatum

29.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §3 Abs3 Z2
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L502 2213616-1/17E

L502 2213607-1/19E

L502 2213613-1/9E

L502 2213611-1/9E

L502 2213618-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX und 5.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Jordanien, 2.), 3.), 4.) und 5.) vertreten durch XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 05.12.2018, FZ. XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.01.2020 zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) und dessen Ehegattin, die Zweitbeschwerdeführerin (BF2), stellten im Gefolge ihrer illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 12.07.2018 über den Flughafen Wien anläßlich der Personenkontrolle jeweils für sich und als gesetzliche Vertreter für ihre gemeinsamen minderjährigen Kinder, den Drittbeschwerdeführer (BF3), den Viertbeschwerdeführer (BF4) und den Fünftbeschwerdeführer (BF5), einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 13.07.2018 erfolgte dort die Erstbefragung des BF1 und der BF2 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. In der Folge wurden die Verfahren zugelassen.

3. Am 28.09.2018 wurden der BF1 und die BF2 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zu ihren Anträgen auf internationalen Schutz niederschriftlich einvernommen, im Zuge dessen sie verschiedene Beweismittel vorlegten, die in Kopie zum Akte genommen wurden. Ihnen wurde auch Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme zu den vorab übermittelten länderkundlichen Informationen des BFA zur Lage im Herkunftsstaat gegeben, worauf beide verzichteten.

4. Anlässlich der vorgelegten Registrierungsbestätigung des BF1 beim Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) richtete das BFA eine entsprechende Anfrage an die Staatendokumentation. Die Anfragebeantwortung langte am 04.12.2018 beim BFA ein.

5. Mit den im Spruch genannten Bescheiden des BFA vom 05.12.2018 wurden ihre Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z. 2 iVm § 6 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurden die Anträge auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Jordanien abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Jordanien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihnen jeweils eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI).

6. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 10.12.2018 wurde ihnen von Amts wegen gemäß § 52 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

7. Gegen die dem BF1 durch Hinterlegung mit 12.12.2018 und den anderen Beschwerdeführern mit 12.12.2018 persönlich zugestellten Bescheide wurde mit Schriftsatz ihrer zugleich bevollmächtigten Vertretung vom 08.01.2019 innerhalb offener Frist in vollem Umfang Beschwerde erhoben.

8. Mit 24.01.2019 langten die Beschwerdevorlagen des BFA beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurden die gg. Beschwerdeverfahren der nunmehr zuständigen Abteilung des Gerichts zur Entscheidung zugewiesen.

9. Mit 28.01.2019 erließ das BFA Berichtigungsbescheide iSd § 62 Abs. 4 AVG aufgrund einer fehlerhaften Fertigungsklausel in den angefochtenen Bescheiden.

10. Am 28.05.2019 langte beim BVwG eine Beschwerdeergänzung ein, mit der mehrere Unterlagen als Beweismittel vorgelegten wurden.

11. Mit 29.05.2019 übermittelte das BFA eine Meldung der LPD XXXX den BF1 betreffend.

12. Mit Schreiben des BVwG vom 06.12.2019 wurde die Vertretung der Beschwerdeführer zur Bekanntgabe des aktuellen Aufenthaltsortes des BF1 aufgefordert.

13. Mit Schriftsatz vom 10.12.2019 gab die Vertretung die Auflösung des Bevollmächtigungsverhältnisses hinsichtlich des BF1 bekannt. Mit Eingabe vom 23.12.2019 gab sie bekannt, dass sein Aufenthaltsort nicht bekannt sei und kein Kontakt mehr mit ihm bestehe.

14. Am 19.12.2019 langten beim BVwG mehrere von der BF2 beim BFA als Beweismittel eingebrachte Unterlagen ein.

15. Das BVwG führte am 08.01.2020 eine mündliche Verhandlung in der Sache der Beschwerdeführer in Anwesenheit der BF2, ihrer Kinder und ihres Vertreters durch, der BF1 war unentschuldigt nicht erschienen.

16. Am 22.01.2020 bzw. 27.01.2020 legte die BF2 ein weiteres Beweismittel vor. Dessen vom BVwG – zwei Mal - veranlasste Übersetzung aus der arabischen in die deutsche Sprache langte dort am 12.02.2020 sowie am 10.04.2020 ein.

17. Das BVwG erstellte Auszüge aus den Datenbanken der Grundversorgungsinformation, des Melde- sowie des Strafregisters.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die genaue Identität der Beschwerdeführer steht nicht fest. Sie sind jordanische Staatsangehörige und als palästinensische Flüchtlinge in XXXX /Jordanien bei der UNRWA registriert. Sie gehören der arabischen Volksgruppe und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an. BF1 und BF2 sind seit XXXX verheiratet, aus ihrer Ehe stammen drei gemeinsame minderjährige Kinder, der 2014 geborene BF3, der 2015 geborene BF4 und der 2017 geborene BF5. Die Beschwerdeführer stammen aus XXXX , wo sie in den Stadtteilen XXXX und XXXX ihren Wohnsitz hatten.

In Jordanien leben noch die Mutter, ein Bruder und mehrere Onkel und Tanten des BF1. Seine Mutter bezieht eine Pension und wird von seinem als Automechaniker und Elektriker erwerbstätigen Bruder unterstützt. Er steht mit seinen Familienangehörigen, insbesondere mit seiner Mutter, in Kontakt. Er hat in Jordanien für zwölf Jahre die Schule besucht und war zuletzt als Verkäufer von Baustoffen erwerbstätig. In XXXX leben auch die Eltern, zwei Brüder und sieben Schwestern der BF2. Ihr Vater war ehemals als Bauleiter und Englischlehrer in Saudi-Arabien erwerbstätig und bestreitet seinen Lebensunterhalt nun aus Mieteinnahmen einer in seinem Eigentum stehenden Immobilie. Auch ihre in Jordanien lebenden Geschwister sind an diesem Unternehmen beteiligt. Eine weitere Schwester lebt in den USA. Darüber hinaus leben weitere Onkel und Tanten in Jordanien. Sie steht mit ihrer Mutter in regelmäßigem Kontakt. Sie hat in Jordanien für 14 Jahre die Schule besucht und diese mit der Matura abgeschlossen. Sie studierte in der Folge für zwei Jahre Finanz- und Bankwirtschaft und war danach von 27.07.2007 bis 10.04.2016 als Bankangestellte bei der XXXX erwerbstätig. Zuletzt war sie Hausfrau und kümmerte sich um ihre aus der aktuellen Ehe stammenden Kinder. Aus einer früheren geschiedenen Ehe der BF2 stammen drei weitere Kinder, mit denen sie nicht im gemeinsamen Haushalt lebte.

Die Beschwerdeführer haben Jordanien am 12.07.2018 legal unter Verwendung ihrer jordanischen Reisepässe ausgehend vom Flughafen XXXX verlassen und sind auf dem Luftweg nach Österreich eingereist, wo der BF1 und die BF2 am 12.07.2018 für sich und als gesetzliche Vertreter für ihre minderjährigen Kinder jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz stellten. Die Beschwerdeführer halten sich seither durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf, wobei der BF1 seit 26.09.2019 unbekannt wohnhaft ist bzw. er seither über keine aufrechte Meldeadresse im Bundesgebiet verfügt.

Andere private oder familiäre Anknüpfungspunkte der Beschwerdeführer in Österreich bestehen nicht. Sie beziehen seit der Antragstellung Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber, mit Ausnahme des BF1, für den diese mit 26.09.2019 eingestellt wurden, und sind in Österreich noch keiner sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen. BF1 und BF2 sind gesund und arbeitsfähig.

Alle Beschwerdeführer sprechen Arabisch als Muttersprache, verfügen über keine außergewöhnlichen Kenntnisse der deutschen Sprache und leiden unter keinen gravierenden Erkrankungen. Der BF1 hat im Jahr 2018 einen Werte- und Orientierungskurs, eine eintägige Informationsveranstaltung des ÖIF und eine Spracheinstufung absolviert.

BF1 und BF2 sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Die BF2 hat zu einem unbekannten Zeitpunkt vor der Ausreise einen Privatkredit zur Finanzierung des Kaufs einer Wohnung und deren Einrichtung aufgenommen. Dieser Kredite wurde von ihrem früheren Arbeitgeber, der XXXX , gewährt. Die Kreditsumme betrug XXXX Dinar, als Sicherheit diente ihr früherer Gehalt, als monatliche Rückzahlung wurde ein Betrag von XXXX Dinar vereinbart, zuletzt haftete noch ein Betrag von ca. XXXX Dinar aus, zwischenzeitig fällig wurden Rückzahlungen samt Zinsen in Höhe von insgesamt über XXXX Dinar. Eine klageweise Fälligstellung und/oder anschließende gerichtliche Zwangsexekution im Zusammenhang mit diesem Kredit hat noch nicht stattgefunden.

Ob von ihr ein zweiter Kreditvertrag in Höhe von behaupteten 4.000 Dinar ebenso bei der XXXX oder allenfalls bei einer privaten Kreditvermittlung abgeschlossen wurde, war nicht feststellbar, wie auch allfällige bereits geleistete Rückzahlungen oder noch aushaftende Beträge diesbezüglich nicht feststellbar waren.

Es war auch nicht feststellbar, dass die BF2 allenfalls vor der Ausreise einem Strafverfahren im Zusammenhang mit den von ihr behaupteten Kreditgeschäften unterworfen war oder bei einer Rückkehr unterworfen sein würde.

1.3. Der BF1 hatte während aufrechter Ehe mit seiner nunmehrigen Gattin ein außereheliches Liebesverhältnis mit einer früheren Kundin von ihm.

Es war nicht feststellbar, dass er und/oder seine Gattin bzw. die gemeinsamen Kinder deshalb vor der Ausreise einer Bedrohung durch die Familie dieser Geliebten ausgesetzt waren wie auch die Gefahr einer solchen Bedrohung für den Fall der Rückkehr nach Jordanien nicht feststellbar war.

1.4. Die Beschwerdeführer sind bei einer Rückkehr nach Jordanien weder mangels hinreichender Existenzgrundlage noch aufgrund der allgemeinen Lage dort einer maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt.

1.5. Feststellungen zur allgemeinen Lage in Jordanien:

1.5.1. Sicherheitslage:

Laut den Sicherheits- und Reiseinformationen des Dt. Auswärtigen Amtes besteht insbesondere aufgrund der Lage in Syrien und im Irak landesweit die Gefahr von Terroranschlägen in Jordanien und eine Sicherheitsgefährdung, auch an Orten, die von Ausländern besucht werden. Die jordanischen Behörden haben daher ihre Sicherheitsvorkehrungen an diesen Orten entsprechend erhöht. An den Grenzen zu Syrien und dem Irak kommt es wiederholt zu Zwischenfällen und vereinzelten Auseinandersetzungen. Das syrisch-jordanische und das irakisch-jordanische Grenzgebiet sind militärisches Sperrgebiet (AA 19.3.2020). Gemäß französischem Außenministerium besteht im gesamten Land die Notwendigkeit erhöhter Aufmerksamkeit (FD 19.3.2020).

Die jordanischen Behörden gehen auf diese Bedrohung ein und mobilisieren weiterhin, um die Gefahr von Terroranschlägen oder Infiltrationen an den Grenzen zu verhindern. Die meisten öffentlichen und touristischen Orte unterliegen einer verstärkten Überwachung, manchmal mit Sicherheitskontrollen, die eingehalten werden müssen. Von Reisen in die Grenzgebiete zum Irak und zu Syrien wird generell abgeraten (FD 19.3.2020).

In Jordanien kommt es sowohl in Amman als auch in anderen Städten und Ortschaften des Landes vor allem an den Wochenenden nach dem Freitagsgebet des Öfteren zu Demonstrationen und Protestaktionen, in denen verschiedene Bevölkerungsgruppen ihre wirtschaftlichen, sozialen und politischen Forderungen artikulieren. In der Folge kann es zu Verkehrsbeeinträchtigungen und auch vereinzelten gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen (AA 19.3.2020).

1.5.2. Bevölkerung:

Ca. 98 Prozent der Einwohner Jordaniens sind Araber (GIZ 3.2020c; vgl. CIA 15.3.2020). Anders als in den Nachbarländern gibt es in Jordanien nur eine zahlenmäßig geringe autochthone Bevölkerung. Die sogenannten ost-jordanischen Stämme sind zwar politisch relevant, doch stellen sie eine Minderheit dar. Die große Mehrheit der heutigen Bewohner Jordaniens sind Nachkommen von Menschen, die seit dem 19. Jahrhundert als Flüchtlinge, Vertriebene oder per Zwangsansiedlung in das Land kamen. Das gilt sowohl für Palästinenser, die mehr als die Hälfte der Bevölkerung Jordaniens ausmachen, als auch für Armenier, kaukasische Tscherkessen und Tschetschenen, weiter für hunderttausende Iraker sowie 1,3 Millionen Menschen aus Syrien. Letztere setzen sich aus rund 670.000 beim UNHCR registrierten Flüchtlingen sowie mehr als 10.000 palästinensischen Flüchtlingen aus Syrien zusammen. Knapp 60 Prozent der Bevölkerung Jordaniens sind palästinensischer Herkunft, davon sind gut zwei Drittel registrierte Palästina-Flüchtlinge (GIZ 3.2020c).

1.5.3. Palästinenser:

Knapp 60 Prozent der Bevölkerung Jordaniens sind palästinensischer Herkunft, davon sind gut die Hälfte registrierte Palästina-Flüchtlinge. Die Beziehungen zwischen Palästinensern und Jordaniern sind ambivalent. Obwohl Palästinenser heute mehr als die Hälfte der jordanischen Gesamtbevölkerung ausmachen und die jordanische Wirtschaft auf das Kapital und das Know How der palästinensisch-stämmigen Bevölkerung angewiesen ist, sind Palästinenser bislang politisch nicht angemessen repräsentiert. Der Zugang zu Posten im öffentlichen Dienst und bei den Sicherheitskräften ist zwar möglich, aber erschwert. Der aufenthaltsrechtliche Status der Palästinenser ist nicht einheitlich. Ein Teil der in Jordanien lebenden Palästinenser fühlt sich zunehmend von erneuter Staatenlosigkeit bedroht (GIZ 3.2020a). Mehr als zwei Millionen bei der UNRWA registrierte Palästinaflüchtlinge (Anm.: die UNRWA ist eine für die Unterstützung von palästinensischen Flüchtlingen zuständige UN-Hilfsorganisation) leben in Jordanien (UNRWA o.D / Stand: 5.11.2018). Die meisten palästinensischen Flüchtlinge sind im Besitz der vollen jordanischen Staatsbürgerschaft (UNRWA o.D / Stand: 5.11.2018; vgl BADIL 2019), was ihnen die gleichen Rechte wie anderen jordanischen Bürgern verleiht (BADIL 2019). In Jordanien gibt es zehn offizielle palästinensische Flüchtlingslager, in denen mit fast 370.000 Menschen in etwa 18 Prozent der insgesamt in Jordanien lebenden Palästinenser leben (UNRWA o.D. / Stand: 5.11.2018). Fast 10.000 palästinensische Flüchtlinge aus Syrien haben um die Unterstützung der UNRWA in Jordanien angesucht. Die Mehrheit dieser Flüchtlinge dürfte in bitterer Armut leben und über einen unsicheren rechtlichen Status verfügen (UNRWA o.D / Stand: 5.11.2018).

Im Wesentlichen gibt es in Jordanien vier Gruppen von Palästinensern, von denen viele mit Diskriminierungen konfrontiert sind: Diejenigen, die nach dem arabisch-israelischen Krieg von 1948 nach Jordanien und in das von Jordanien kontrollierte Westjordanland kamen, erhielten ebenso wie jene, die nach dem Krieg 1967 ins Land kamen und keinen Aufenthaltstitel in der Westbank hatten, die vollwertige Staatsbürgerschaft. Palästinenser, die nach 1967 noch über einen Aufenthaltstitel für die Westbank verfügten, bekamen die Staatsbürgerschaft nicht mehr, erhielten jedoch - sofern sie nicht ein Reisedokument der Palästinensischen Autonomiebehörde besaßen - zeitweilige Reisepässe ohne nationale Identifikationsnummern. Diese Personen erhalten Zugang zu manchen Regierungsdiensten, zahlen in Krankenhäusern, Bildungseinrichtungen und Ausbildungszentren aber die Tarife für Nichtstaatsbürger. Flüchtlinge, die nach 1967 aus Gaza flohen, hatten keinen Anspruch auf die Staatsbürgerschaft und erhielten temporäre Reisedokumente ohne nationale Nummer. Sie haben keinen Zugang zu Regierungsdiensten und sind meist komplett von der angebotenen Unterstützung der UNRWA abhängig. Die vierte Gruppe sind Syrer palästinensischer Herkunft, die zwar oft an der Grenze abgewiesen wurden, jedoch Zugang zu UNRWA-Dienstleistungen haben (USDOS 11.3.2020).

Palästinenser sind im Parlament sowie in höheren Regierungsämtern und Positionen im Militär unterrepräsentiert, ebenso wie bei Universitätszulassungen. Auch ist der Zugang zu Universitätsstipendien eingeschränkt. Im privaten Sektor hingegen sind sie gut vertreten (USDOS 11.3.2020). Palästinenser sind oft von Arbeitsplätzen im öffentlichen Bereich sowie im Militär ausgeschlossen (FH 4.2.2019).

1.5.4. Grundversorgung und Wirtschaft:

Jordaniens Volkswirtschaft ist schwach. Das Land verfügt nur über wenige natürliche Ressourcen und sehr begrenzte landwirtschaftliche Nutzflächen (BMZ o.D.).

Die Staatsverschuldung (2018: 95 Prozent des BIP) nimmt weiter zu. Auf Druck des Internationalen Währungsfonds wollte die jordanische Regierung im Frühjahr 2018 die Einkommensteuer erhöhen, was starke Unruhen auslöste. Seither gehen Teile der Bevölkerung immer häufiger auf die Straße, um zu protestieren. Im Herbst 2019 streikten Lehrkräfte im ganzen Land. Die jordanische Regierung hat für den Zeitraum 2018-2022 ein Reformprogramm aufgelegt, das unter anderem auf den Ausbau erneuerbarer Energien sowie auf Haushaltskonsolidierung durch höhere Steuern und weniger Subventionen setzt. Ob diese Maßnahmen mehr Jobs schaffen und Wachstum bewirken können, ist offen. Vermutlich wird die Einkommensungleichheit zunehmen, was die ohnehin angespannte Lage weiter verschärfen würde (GIZ 3.2020b).

Das Wirtschaftswachstum lag in den letzten Jahren bei durchschnittlich 2 Prozent und war zu gering, um die hohe Staatsverschuldung abbauen zu können. Aktuell steckt das Land in einer ökonomischen Krise. Mit dem niedrigen Wachstum gehen eine hohe Arbeitslosigkeit (20 Prozent) sowie ein niedriges Bruttoinlandsprodukt per capita (ca. 7.500 Euro/Jahr, kaufkraftbereinigt) einher. Der staatlich fixierte Mindestlohn beträgt 225 JD/Monat (ca. 270 Euro, für Ausländer 155 JD/185 Euro). Viele Jordanier verdienen tatsächlich nicht mehr – und dies bei einem geschätzten Existenzminimum von 500 JD (ca. 625 Euro) pro Monat und Familie und Lebenshaltungskosten, die real auf mitteleuropäischem Niveau liegen. Elementare Arbeitnehmerrechte werden oftmals nicht beachtet (GIZ 3.2020b).

Die jordanische Bevölkerung ist sehr jung: Etwa 35 Prozent der rund 9,7 Millionen Einwohner sind unter 15 Jahre alt. Der inländische Arbeitsmarkt kann ihnen bisher keine ausreichenden beruflichen Perspektiven bieten, die Jugendarbeitslosigkeit liegt nach Schätzungen deutlich über 30 Prozent (BMZ o.D.).

Knappe Ressourcen (wenig Wasser, wenig Rohstoffe), Defizite bei der Staatsführung und eine schwach entwickelte Industrie machen Jordanien ökonomisch in hohem Maße abhängig von Importen und externen Finanzzuflüssen. Internationale Finanzhilfen und Kredite (USA, IWF, arabische Golfstaaten), Überweisungen jordanischer Arbeitskräfte im Ausland (in 2018 waren es ca. 3 Mrd. JD/Jahr bzw. rund 8 Prozent des BIP), Tourismus (10-12 Prozent des BIP, davon ca. 50 Prozent Gesundheitstourismus) sowie Dienstleistungen und Phosphatexporte sichern bislang das Überleben. Charakteristisch ist ein starkes Gefälle zwischen Stadt und Land (GIZ 3.2020b).

Bedingt durch die regionalen Umwälzungen und insbesondere die Krise in Syrien (Kosten für Flüchtlingsintegration und zur Grenzsicherung, ausbleibende Gaslieferungen aus Ägypten, weniger Rücküberweisungen von Migranten und wegbrechende regionale Absatzmärkte) und bedingt durch verschleppte Reformen, die hohe Jugendarbeitslosigkeit und eine der niedrigsten Frauenerwerbsquoten der Welt herrscht in weiten Teilen der Bevölkerung eine wirtschaftliche Perspektivlosigkeit. Jordanien ist deshalb von externen Zuwendungen abhängig: vor allem von Leistungen und Umschuldungen internationaler Geber sowie von den Geldüberweisungen der im Ausland lebenden Jordanierinnen und Jordanier (BMZ o.D.).

Die Präsenz von rund 1,3 Millionen Menschen aus Syrien, von denen rund 670.000 beim UNHCR registrierte Flüchtlinge sind (GIZ 3.2020b; vgl. GIZ 3.2020c), bedeutet hohen zusätzlichen Druck auf die ohnehin knappen natürlichen Ressourcen des Landes (Wasser, Energie) sowie hohe öffentliche Zusatzausgaben, vor allem für Gesundheitsversorgung und Bildung, weiter für die allgemeine Infrastruktur und die Subventionierung von Energie. Viele Kommunen sind überlastet. Da die meisten Flüchtlinge aus Syrien keine Ersparnisse haben und aufgrund ihrer Not bereit sind, für absolute Minimallöhne zu arbeiten, ist die in Jordanien ohnehin scharfe Konkurrenz um Arbeitsplätze noch härter geworden, vor allem zwischen Arbeitssuchenden aus Ägypten und Syrien. Die schon vorher sehr niedrigen Löhne befinden sich in einer Abwärtsspirale. Dies bedeutet auch eine weitere Schwächung der ohnehin geringen Arbeitnehmerrechte sowie der Kaufkraft bedeutender Teile der Bevölkerung (GIZ 3.2020b).

Es gibt etwa 1,4 Millionen Arbeitsmigranten in Jordanien, von denen etwa eine Million keine Arbeitserlaubnis besitzt, was sie besonders anfällig für Ausbeutung macht. Arbeitsrechtsorganisationen haben die Besorgnis über schlechte Arbeitsbedingungen, Zwangsarbeit und sexuellen Missbrauch in den sogenannten Qualifying Industrial Zones geäußert, in denen hauptsächlich weibliche und ausländische Fabrikarbeiter Waren für den Export verarbeiten (FH 4.2.2019).

1.5.5. Medizinische Versorgung:

Das Versorgungsniveau ist in Amman sehr gut. Hier sind besonders die beiden großen Privatkrankenhäuser, das Al-Khalidi Medical Center und das Arab Medical Center, zu nennen. Außerhalb der Hauptstadt ist mit starken Einschränkungen zu rechnen, v.a. auch hinsichtlich des Rettungsdienstes bei Unfällen (AA 18.3.2020). Bei der Versorgung gibt es ein ausgeprägtes Stadt-Land-Gefälle und eine sich immer weiter öffnende Schere zwischen arm und reich. Im Großraum Amman ist die medizinische Versorgung gut, in den ländlichen Gebieten deutlich schlechter (GIZ 3.2020c).

Der medizinische Standard in den öffentlichen Krankenhäusern ist gut, die Krankenpflege entspricht nicht immer europäischem Niveau. Privatkliniken haben einen besseren Standard. Medikamente sind ausreichend erhältlich. Die medizinische Versorgung in öffentlichen Krankenhäusern entspricht nicht oder nur mit Einschränkungen westeuropäischem Standard. Private Krankenhäuser sind besonders im Raum Amman zahlreich und mit westeuropäischem Standard größtenteils vergleichbar (BMEIA 25.3.2020).

Kinder bis einschließlich sechs Jahren werden kostenlos versorgt. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei rund 75 Jahren. Nachdem es im Gefolge des 11.9.2001 für Araber immer schwieriger wurde, zur medizinischen Behandlung in westliche Länder zu reisen, verzeichnet Jordanien merkliche Zuwächse beim Gesundheitstourismus (GIZ 3.2020c).

Die Regierung gewährte Männern großzügigere Sozialversicherungsleistungen als Frauen. Die Gesetze und Vorschriften zur Krankenversicherung für Beamte, unterstehen dem Civil Service Bureau (Büro für den öffentlichen Dienst) und erlauben es Frauen, ihren Versicherungsschutz auf Angehörige oder Ehepartner auszudehnen, auch wenn sie keine Staatsbürger sind. Männer müssen Staatsbürger sein, um die vollen Versicherungsleistungen auf Ehepartner und Unterhaltsberechtigte auszudehnen (USDOS 11.3.2020). Darüber hinaus werden in Jordanien seit jeher, staatstragende Berufsgruppen wie Beamte, Polizisten und Angehörige des Militärs, kostenlos oder zu vergünstigten Bedingungen medizinisch behandelt. Alle anderen Berufstätigen sind in Krisensituationen auf ihre Familien, ihre Ersparnisse oder auf Almosen angewiesen. Im Zuge der Privatisierung ehemaliger Staatsbetriebe hat Jordanien im Jahr 2001 eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung eingeführt, die unter anderem bei Arbeitsunfällen, Krankheit und Schwangerschaft einspringt. Diese Versicherung gilt allerdings nur für einen Teil der Beschäftigten und sie schützt nicht die vielen tausend Arbeitsmigrant/innen in Jordanien. Landwirtschaftliche Helfer, Hausangestellte und eine Reihe anderer Berufe sind von der Versicherung bislang ausgeschlossen, ebenso wie von der Unfallversicherung (GIZ 3.2020c).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in die Verfahrensakten unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF1 und der BF2, der bekämpften Bescheide, des Beschwerdeschriftsatzes, einer Beschwerdeergänzung und der sonstigen im Zuge des Verfahrens von ihnen vorgelegten Beweismittel, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Einsichtnahme in die jüngste Aktualisierung des Länderinformationsblattes des BFA zur Lage in Jordanien sowie die Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters und des Grundversorgungsdatensystems.

2.2. Mangels Vorlage nationaler Identitätsdokumente war die genaue Identität der Beschwerdeführer nicht feststellbar. Die Feststellungen ihrer jordanischen Staatsangehörigkeit und ihrer Zugehörigkeit zur arabischen Volksgruppe sowie sunnitischen Religionsgemeinschaft stützen sich auf ihre gleichbleibenden und daher glaubwürdigen Angaben im Verlauf des gg. Verfahrens. Ihre Registrierung als palästinensische Flüchtlinge in Jordanien war zudem der von ihnen vorgelegten und vom BFA amtswegig überprüften Registrierungskarte des UNRWA-Büros in XXXX zu entnehmen.

Die Feststellungen zu den sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat vor der Ausreise sowie in Österreich im Gefolge derselben, zum Reiseverlauf zwischen Jordanien und Österreich, zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer, zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit und zu ihren Integrationsbemühungen ergaben sich in unstrittiger Weise aus einer Zusammenschau ihrer persönlichen Angaben im Verlauf des gg. Verfahrens, dem Inhalt der von ihnen vorgelegten Unterlagen sowie aus den vom BVwG eingeholten Informationen der genannten Datenbanken.

2.3.1. Anlässlich seiner Erstbefragung am 13.07.2018 brachte der BF1 zu seinen Antragsgründen befragt vor, dass aufgrund einer früheren außerehelichen Liebesbeziehung gegen ihn von der Familie seiner Geliebten ein Ausreiseverbot erwirkt worden sei und diese Familie ihn auch ermorden habe wollen. Seine Schwiegereltern hätten ihm die Ehegattin und die Kinder wegnehmen wollen, diese würden aber zu ihm halten und seien sie letztlich zusammen geflüchtet.

Auch anlässlich seiner Einvernahme vor dem BFA am 28.09.2018 gab er an, eine außereheliche Beziehung gehabt zu haben. Als deren Familie von der Beziehung erfahren habe, habe er seine Geliebte heiraten wollen um Schwierigkeiten zu beseitigen. Allerdings hätten deren Brüder, die Staatsbedienstete seien, nach ihm gesucht, weil er die Ehre ihrer Schwester verletzt habe und sie ihn daher umbringen wollten. Er sei auch von einem Mitglied dieser Familie telefonisch bedroht worden, wobei ihm und seiner Familie mit der Entehrung und dem Umbringen gedroht worden sei. Daraufhin habe er mit seiner Familie den Wohnsitz gewechselt. Seine Ehegattin habe von all dem vorerst nichts gewusst. Allerdings habe die Familie seiner Geliebten die Familie seiner Gattin ausfindig gemacht und kontaktiert. Daraufhin sei die Gattin von ihrer Familie unter falschem Vorwand eingeladen und in der Folge nicht mehr fortgelassen worden um zu verhindern, dass sie und die gemeinsamen Kinder von der Familie der Geliebten umgebracht werden. Er selbst habe sich versteckt gehalten und nach einer Lösung gesucht. Auch ein Stammesgericht habe aber keine Lösung finden können und schließlich sei er von einer Freundin seiner Geliebten davon in Kenntnis gesetzt worden, dass auch der Stammesführer seine Tötung genehmigt habe. Aufgrund des großen Einflusses der Familienangehörigen seiner Geliebten habe er auch nicht den Schutz der jordanischen Behörden suchen können. In der Folge habe er sein Haus und sein Auto verkauft und habe mithilfe eines Freundes und dessen Kontaktperson in der Türkei die Ausreise organisiert. Sein Schlepper habe auch jemanden finden können, der das gegen ihn erwirkte Ausreiseverbot für ein zweistündiges Zeitfenster löschen konnte, weshalb er problemlos mit seiner Familie über den jordanischen Flughafen fliehen habe können.

Die BF2 gab anlässlich ihrer Erstbefragung am 13.07.2018 zu ihren Ausreisegründen befragt an, dass ihr Ehegatte eine Beziehung mit einer anderen Frau gehabt habe und die Eltern der Geliebten ihres Ehegatten von der Beziehung erfahren hätten. Ab diesem Zeitpunkt habe es täglich Drohungen gegeben, weshalb sie Jordanien verlassen hätten.

In der Einvernahme vor dem BFA am 28.09.2018 gab sie an, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe, sondern nur ihr Ehegatte. Das Problem ihres Ehegatten sei gewesen, dass er eine außereheliche Beziehung mit einem Mädchen aus einer einflussreichen Familie gehabt habe und solche Beziehungen in arabischen Ländern nicht angebracht seien. Sie habe von Drohanrufen gegen ihren Ehegatten nichts mitbekommen und habe überhaupt nicht gewusst worum es geht. Im Rahmen eines Besuchs bei ihrer Familie habe diese sie über die Umstände aufgeklärt.

Für die minderjährigen BF3, BF4 und BF5 wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.

In der Beschwerde wurde neu vorgebracht, dass der BF1 vor kurzem erfahren habe, dass die Apotheke eines seiner Onkel wegen ihm in Brand gesetzt worden sei. Er befürchte zudem wegen der trotz eines Ausreiseverbots erfolgten Ausreise verhaftet zu werden.

Außerdem wurde dort neu vorgebracht, dass die BF2 Angst habe nach Jordanien zurückzukehren, weil sie vor der Ausreise in einer Bank gearbeitet und dort vor fünf Jahren einen Kredit aufgenommen habe. Aufgrund von Schwierigkeiten habe sie den Kredit nicht mehr bezahlen können und vor kurzem von ihrer Schwester erfahren, dass wegen der Schulden ein Verfahren gegen sie eingeleitet worden sei, weshalb sie Angst habe deswegen inhaftiert zu werden.

2.3.2. Etwaige Kreditverbindlichkeiten in ihrer Heimat betreffend hat die BF2 im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 08.01.2020 – im Gegensatz zum Beschwerdevorbringen – nicht nur von einem, sondern von zwei aushaftenden Krediten berichtet, die sie selbst bei ihrer früheren Arbeitgeberin, der XXXX , aufgenommen habe. Dabei schilderte sie anfangs deren Höhe und Rückzahlungsmodalitäten sowie ungefähr noch aushaftende Restbeträge. Sie legte zudem auf Nachfrage im Einzelnen dar, dass sie bis 2016 als Bankangestellte insbesondere auch im Bereich der Privat- und Firmenkundenkredite tätig gewesen sei, was die Annahme nahelegte, dass sie nicht nur mit den Vergabemodalitäten, sondern auch mit den Aspekten der Fälligstellung und zwangsweisen Eintreibung aushaftender Verbindlichkeiten vertraut ist, was sie letztlich bestätigte bzw. näher erläuterte.

Weshalb sie angesichts dieser beruflichen Kenntnisse jedoch gerade den aktuellen Stand ihrer persönlichen Verbindlichkeiten auf Nachfrage nicht genau darlegen konnte, warf Zweifel an der Glaubwürdigkeit ihrer Darstellung von ihr drohenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit allfälligen Kreditverbindlichkeiten auf.

Nach Aufforderung durch das Gericht in der Verhandlung übermittelte sie schließlich im Gefolge derselben eine von der genannten Bank ausgestellte Kreditkontoinformation vom 20.01.2020. Deren Übersetzung in die deutsche Sprache folgend wurden ebendort bisher beglichene ebenso wie noch aushaftende Zahlungen sowie das Fehlen einer etwaigen Bürgschaft dargestellt. Mit keinem Wort fand sich jedoch die Erwähnung einer Fälligstellung oder etwaiger weiterer Eintreibungsmaßnahmen. Schon daraus wurde erkennbar, dass der gegenteiligen Behauptung der BF2, im Zusammenhang mit diesem Konsumkredit bei einer Rückkehr zivil- oder gar strafgerichtlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, keine Glaubwürdigkeit zukam. Im Übrigen hatte sie in der Verhandlung auch Einzelaspekte dieses Kreditgeschäfts wie eine Bürgschaft ihres ersten Ehegatten behauptet, die nicht übereinstimmten mit dem Inhalt der von ihr vorgelegten Kreditkontoinformation, weshalb auch den anderen im Zusammenhang damit von ihr dargelegten Randgeschehnissen (vgl. S. 12 und 13 der Niederschrift) keine Glaubwürdigkeit zukam.

Angesichts widersprüchlicher Angaben der BF2 zur Zahl der von ihr aufgenommenen Kredite und aus eben angestellten Erwägungen war für das BVwG auch nicht feststellbar, dass es tatsächlich einen von ihr in der Verhandlung behaupteten zweiten Kredit zu ihren Gunsten gegeben hat bzw. von wem ihr ein solcher gewährt worden wäre.

Ein dazu von ihr mit der Beschwerde wie auch in der mündlichen Verhandlung vorgelegtes Beweisstück hatte diesbezüglich keinen Beweiswert. Wie die in der Verhandlung vorgenommene Übersetzung desselben ergab, war diesem Schreiben zum einen nicht zu entnehmen, welchem Gericht es zuzuordnen wäre. Es fand sich zum anderen dort ein Kreditgeber, der sich im mündlichen Vorbringen wie auch in der Beschwerde der BF2 nirgendwo fand bzw. der jedenfalls nicht, wie sie behauptet hatte, ihre frühere Arbeitgeberin war. Schließlich war dessen Inhalt auch insofern nicht nachvollziehbar, weil dort zwar von einem gerichtlichen Exekutionstitel zu Lasten der BF2 zu lesen war, was grundsätzlich nicht lebensfremd wäre angesichts fällig gestellter aushaftender Verbindlichkeiten, jedoch erschloss sich nicht, weshalb es im Zusammenhang damit zur Ausstellung eines „Haftbefehls für die Dauer von 90 Tagen“ gegen sie gekommen sein sollte, wie dort lesbar war. Auch eine solche lebensfremde Vermengung zivilrechtlicher und strafrechtlicher Aspekte im Zusammenhang mit einem Kreditgeschäft ließ dieses Beweismittel als inhaltlich unrichtig erscheinen und legte die Annahme eines bloßen Konstrukts der BF2 nahe.

Im Lichte dieser Erwägungen gelangte das Gericht zu seinen Feststellungen oben unter 1.2. Der Behauptung der BF2, dass sie bei einer Rückkehr befürchte, wegen Kreditverbindlichkeiten von einer Festnahme bedroht zu sein, mangelte es daher schon an einer dies nahelegenden Tatsachengrundlage.

2.3.3. Als denkmöglich stellte sich das behauptete Geschehen dar, dass der BF1 vor seiner Ausreise in Jordanien eine außereheliche Beziehung mit einer jordanischen Staatsangehörigen, einer früheren Kundin von ihm, unterhielt. Ausgehend von der Wahrunterstellung eines solchen Geschehens stellte sich jedoch die behauptete Bedrohung des BF1 und/oder der übrigen Beschwerdeführer durch Familienmitglieder seiner früheren Geliebten mangels Plausibilität des wie auch Konsistenz im Vorbringen von BF1 und BF2 dazu als nicht glaubwürdig dar.

Zunächst ist darauf zu verweisen, dass die beiden Beschwerdeführer das angebliche Bedrohungsszenario vor der Ausreise schon erstinstanzlich in wesentlichen Punkten gänzlich unterschiedlich schilderten. So legte der BF1 in seiner Erstbefragung dar, dass er selbst nach Bekanntwerden dieser Affäre von der Familie seiner Geliebten mit dem Tod bedroht und auch ein Ausreiseverbot gegen ihn erwirkt worden sei. Die Familie seiner Gattin habe zwar versucht ihn von ihr und den Kindern zu trennen, mit keinem Wort erwähnte er dabei jedoch eine Bedrohung auch seiner Gattin und der gemeinsamen Kinder durch die Familie seiner Geliebten. Die BF2 wiederum legte in ihrer Erstbefragung dar, dass nach Bekanntwerden der Affäre ihres Gatten „ab diesem Zeitpunkt die Bedrohungen angefangen“ und ihre Eltern sie „dann“ zu sich genommen hätten, wobei sie dem hinzufügte, dass es „jeden Tag Drohungen“ gegeben habe. Stellte sie damit offenbar Drohungen gegen die ganze Familie in den Raum, andernfalls nicht erklärbar wäre, weshalb sie und die Kinder „dann“ von ihren Eltern zu sich genommen worden wären, erwiderte sie nach ihren Rückkehrbefürchtungen befragt in Widerspruch dazu, dass ihr Gatte sicher getötet werde, von einer Gefährdung ihrer Person und/oder der Kinder war aber keine Rede. In einer Gesamtschau behaupteten BF1 und BF2 somit eingangs ihrer Verfahren alleine eine Gefährdung des BF1 aus genannten Gründen, sieht man davon ab, dass die BF2 dazwischen implizit auch ihre eigene Gefährdung und die ihrer Kinder in den Raum stellte.

In Übereinstimmung damit führte die BF2 in ihrer Einvernahme vor dem BFA zu diesem Geschehen befragt aus, sie selbst habe „keine eigenen Fluchtgründe“, solche habe nur ihr Gatte. Dieser habe eine außereheliche Beziehung gehabt und habe die Familie (bloß) „seinetwegen“ ausreisen müssen.

Der BF1 vermeinte in seiner Einvernahme im Unterschied dazu plötzlich, nicht nur er, sondern seine ganze Familie sei von der Familie seiner Geliebten mit dem Tod bedroht worden (AS 93). Ebenso im Gegensatz zu seiner Darstellung in der Erstbefragung, dass die Familie seiner Gattin ihn von ihr und den Kindern (bloß) trennen wollte, behauptete er in der Einvernahme, ihre Familie habe sie und die Kinder zu sich geholt, „weil sie (gemeint: die Familie der Gattin) wussten, dass deren Leben in Gefahr sei, weil sie (gemeint: Gattin und Kinder) umgebracht würden, wenn man sie fände“.

Erkennbar wurde in einer Gegenüberstellung dieser Aussagen auch, dass die Wahrnehmung der Drohungen durch die BF2 unterschiedlich dargestellt wurde. Hatte sie in ihrer Erstbefragung noch behauptet, ab dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Affäre ihres Gatten (gemeint: auf Seiten der Familie seiner Geliebten) hätten Drohungen begonnen, weshalb sie „dann“ zu ihrer Familie geholt worden sei, vermeinte sie in ihrer Einvernahme, sie habe erst von der Affäre ihres Gatten erfahren, nachdem sie – unter dem Vorwand des Besuchs ihrer Schwester aus den USA – zu ihrer Familie geholt worden sei. Zur Person dieser Geliebten meinte sie bloß, sie wisse „nicht einmal wer sie war“, sie „wolle das auch gar nicht wissen“.

In der Beschwerde von BF1 und BF2 wurde sodann vorgebracht, dass alle Beschwerdeführer „aus Rache“ für die außereheliche Beziehung des BF1 entehrt und getötet werden sollten.

In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG zu diesem Szenario befragt stellte die BF1 vorerst neuerlich fest, sie habe „keine eigenen Gründe“ für ihre Ausreise gehabt. Auf weitere Nachfragen hin brachte sie unmissverständlich zum Ausdruck, dass die Familie der Geliebten ihres Gatten nach Kenntnisnahme dieser Affäre den Eltern der BF2 davon berichtet hätten und dass dies „bedeuten“ hätte können, dass ihr Gatte getötet werde bzw. dass ihn „Feinde hinrichten“ würden. Im Weiteren fügte sie hinzu, dass die Familie der Geliebten ihres Gatten zum Vater der BF2 gemeint habe, dass „sie dessen Kopf (gemeint: des Gatten der BF2) wollten“. Die Frage, ob auch sie selbst bedroht worden sei, verneinte sie explizit. Nach ihren Rückkehrbefürchtungen gefragt erwiderte sie, sie werde wohl wegen ihrer Kreditprobleme festgenommen werden und würde man ihr dann auch ihre Kinder wegnehmen. Nochmals darauf angesprochen, ob sie demnach keine Befürchtungen wegen der früheren Affäre ihres Gatten hege, erwiderte sie, sie würde nach der Einreise wohl zu ihren Eltern fahren und diese würden sie „in ein Zimmer einsperren, damit sie keinen Kontakt zur Außenwelt habe“, und wäre dann das weitere Wohlergehen der Kinder in Frage gestellt sein. Ihre Eigendarstellung enthielt somit auch angesichts mehrfacher Nachfragen in der Verhandlung keinen Hinweis darauf, dass sie eine individuelle Bedrohung ihrer eigenen Person wie auch ihrer Kinder wegen der früheren Affäre ihres Gatten bzw. Vaters erlebt habe oder bei einer Rückkehr befürchte.

Dass sie demgegenüber auf die nachfolgende Frage ihres Vertreters hin, ob sie denn auch befürchte, dass sie und ihre Kinder Opfer einer Blutrachehandlung der Familie der früheren Geliebten ihres Gatten werden könnte, diese Befürchtung bejahte, vermochte die bis dahin konsistente Darstellung der BF2 fehlender individueller Bedrohung ihrer Person und ihrer Kinder angesichts dieser suggestiven Fragestellung und der offenkundig alleine daraus resultierenden Divergenz in ihrem Vorbringen nicht in Frage zu stellen.

Wenig plausibel war darüber hinaus die Darstellung des BF1 in seiner Einvernahme, dass die Familie seiner Geliebten von der Existenz der – seit Jänner 2018 bestehenden – Affäre mit ihm bereits im März 2018 erfahren habe, nachdem einer ihrer Brüder ihr Mobiltelefon kontrolliert hatte, eine Freundin der Geliebten ihn daraufhin vor deren Brüder gewarnt habe, er danach von diesen telefonisch kontaktiert und – seine gesamte Familie - mit dem Tod bedroht, die Ausreise jedoch erst im Juli 2018 angetreten worden sei. Wäre tatsächlich dieses behauptete Bedrohungsszenario mit derart gravierenden möglichen Folgen für die Beschwerdeführer über mehrere Monate hinweg vorgelegen, wäre mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit konkreten Verfolgungshandlungen gegen sie über diesen Zeitraum hinweg zu rechnen gewesen, was jedoch dem Vortrag im gg. Verfahren nicht zu entnehmen war. Nicht zuletzt hat er seiner Darstellung auch angefügt, dass seine Verfolger äußerst einflussreich gewesen seien, sodass diese gegen ihn ein Ausreiseverbot erwirken konnten, ein Bruder seiner Geliebten hochrangiger Offizier beim Militär, zwei weitere Brüder Beamte bei verschiedenen Sicherheitsbehörden und ein Onkel seiner Geliebten Mitarbeiter des Geheimdienstes seien und gerade letzterer ihn „überall“ finden könnte, ja seine Verfolger sogar in Kenntnis seiner Mobiltelefonnummer gewesen seien, was ebenso in Widerspruch zum Fehlen konkreter Verfolgungshandlungen über diesen Zeitraum hinweg stand.

Dazu passte auch, dass er meinte, seine neue Telefonnummer – mit der er mit seiner Ehegattin nach deren Trennung in Kontakt geblieben sei – habe niemand herausfinden können und ein gegen ihn erwirktes Ausreiseverbot sei durch Schmiergeldzahlung für den Zeitraum seiner legalen Ausreise über den Flughafen von XXXX ausgesetzt worden. Wäre ein Onkel seiner Geliebten aber tatsächlich Mitglied des Geheimdienstes und in der Lage gewesen ihn zu lokalisieren, wie er behauptete, wäre eine legale Ausreise der Beschwerdeführer unter Verwendung ihrer echten Reisepässe und durch die Personenkontrolle am Flughafen aufgefallen.

Es war auch nicht schlüssig, dass ein unbekanntes Familienmitglied seiner Geliebten ihn vorab telefonisch kontaktiert habe um ihn mit dem Tod zu bedrohen, zumal dieser dann ja gewarnt gewesen wäre und sich dem Zugriff seiner Verfolger entziehen hätte können.

In zeitlicher Hinsicht widersprüchlich und daher auch nicht glaubwürdig war die Behauptung von BF1 und BF2 vor dem BFA, dass sie sich nach Beginn der Drohungen in XXXX versteckt gehalten hätten. So vermeinte der BF1, nach der behaupteten Entdeckung seiner Affäre durch die Angehörigen seiner Geliebten im März 2018 sei er von diesen telefonisch kontaktiert und bedroht worden, weshalb es zur Übersiedlung nach XXXX gekommen sei. Dort sei die BF2 dann auch von ihrer Herkunftsfamilie kontaktiert worden. Geht man allerdings von einer zeitnahen telefonischen Bedrohung des BF1 nach dem Bekanntwerden seiner Kontaktdaten aus, da es im gg. Sachverhalt auch keine Anhaltspunkte für einen längeren Zeitraum dazwischen gab, war dies nicht mit der Darstellung der BF2 zu vereinbaren, dass sie sich in XXXX nur einen Monat lang aufgehalten hätten, zumal die Ausreise erst im Juli erfolgte. Darüber hinaus hatte sie in ihrer Erstbefragung, wie oben schon erwähnt wurde, ausgesagt, dass sie nach Einsetzen der Drohungen von ihren Eltern zu sich genommen worden und demnach nicht nach XXXX umgezogen sei.

Die Erklärung des BF1, wonach seine Ehegattin vorerst von den Drohungen nichts gewusst und ihm zunächst geglaubt habe, dass er aufgrund „ganz normaler Probleme bei der Arbeit“ nach XXXX übersiedeln habe müssen, war insofern nicht plausibel, als dieser Darstellung aus Sicht seiner Ehegattin keine nachvollziehbare Motivation für einen solchen Umzug innewohnte.

Nicht nachvollziehbar war, dass sich der BF1 bis einen Tag vor der Ausreise versteckt gehalten habe, angesichts dessen, dass er seinen Angaben zufolge in der Zwischenzeit u.a. bemüht gewesen sei eine Lösung für sein Problem zu finden und dafür ein Stammesgericht angerufen habe, was jedoch voraussetzen würde, dass er sich außerhalb seines Versteckes bewegt habe.

Dem Gericht erschloss sich auch nicht, weshalb eine angebliche Freundin seiner Geliebten, die ihn zuvor vor deren Brüder gewarnt habe, ihn schließlich davon in Kenntnis gesetzt habe, dass ein Stammesführer ihn zur Tötung freigegeben habe.

Als nicht glaubwürdig stellte sich für das Gericht die Behauptung des BF1 dar, es sei gegen ihn von den Angehörigen oder Verwandten seiner früheren Geliebten ein Ausreiseverbot erwirkt worden, das er bei der Ausreise gegen Bestechung umgehen habe können. Zum einen sprach gegen eine solche Annahme das von ihm behauptete einflussreiche verwandtschaftliche Netzwerk seiner früheren Geliebten, folgte man diesem Hinweis von ihm. Vor allem aber fand sich im persönlichen Vortrag seiner Gattin, der BF2, überhaupt kein Hinweis auf ein solches Ausreiseverbot, während anzunehmen gewesen wäre, dass sie zutreffendenfalls darüber wie auch über die Gegenmaßnahmen ihres Gatten zumindest grundsätzlich in Kenntnis gesetzt worden oder gewesen wäre. Sie vermeinte vielmehr eingangs ihres Verfahrens wie auch in ihrer Einvernahme ausdrücklich, dass es keine Schwierigkeiten bei der legalen und insoweit „normalen“ Ausreise samt Personenkontrolle gegeben habe.

Zuletzt sprach auch der Umstand, dass sich der BF1 zwischenzeitig seinem Verfahren in Österreich entzogen hat, zumal er den Aussagen seiner Gattin vor dem BVwG zufolge seinen Wohnsitz mutmaßlich bei Freunden oder Bekannten im Bundesgebiet nahm bzw. den eingesehenen Datenbanken zufolge unsteten Aufenthalts ist, und deshalb auch unentschuldigt nicht an der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG teilnahm, gegen das von ihm – und von seiner Gattin - behauptete Verfolgungsszenario in der Heimat.

Eine in der Beschwerde behauptete besondere politische Vernetzung der Familie seiner Geliebten war im Übrigen aus dem bloßen Hinweis dort auf eine Internetseite und auf mehrere dort namentlich genannte jordanische Staatsbedienstete, die behaupteter Weise über gleichlautende oder ähnliche Nachnamen verfügen wie seine Geliebte, nicht zu gewinnen, zumal eine Verwandtschaft dieser Geliebten zu den Genannten daraus nicht abzuleiten war.

Eine zwischenzeitige, in der Beschwerde behauptete Brandstiftung in einer Apotheke eines Onkels des BF1, die seinetwegen geschehen sei, stellte mangels Nachweisen dafür und sonstiger weitergehender Angaben dazu eine bloße, nicht substantiierte und daher nicht feststellbare Behauptung dar.

In einer Gesamtbetrachtung dieser Erwägungen gelangte das Gericht daher zum Ergebnis, dass BF1 und BF2 eine vermeintliche Bedrohung durch die Familie seiner früheren Geliebten vor der Ausreise und damit folgerichtig auch bei einer Rückkehr nicht glaubwürdig darstellen konnten, sondern dass dieses als bloßes gedankliches Konstrukt ohne Tatsachengehalt anzusehen war.

2.3.4. Insgesamt betrachtet fehlte sohin dem Vorbringen der Beschwerdeführer zu den von ihnen geäußerten Fluchtgründen bzw. Rückkehrbefürchtungen eine substantiierte Tatsachengrundlage. Eine individuelle Verfolgung vor der Ausreise oder die Gefahr einer solchen bei einer Rückkehr konnten sie damit nicht glaubhaft darlegen.

2.4. Die Annahme, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr auch insoweit keiner maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt wären, als sie etwa in wirtschaftlicher Hinsicht in eine existenzbedrohende Notlage geraten würden, stützt sich darauf, dass es sich beim BF1 und der BF2 um arbeitsfähige Personen handelt, die beide über Berufserfahrung verfügen. Die BF2 besitzt außerdem ein hohes Ausbildungsniveau mit einschlägiger beruflicher Erfahrung im Bankwesen. Die Beschwerdeführer haben zudem zahlreiche Verwandte im Herkunftsstaat, die sie nötigenfalls unterstützen können. Dass sie in ihrer Heimat bei einer Rückkehr eine neue Lebensgrundlage finden, war im Lichte dessen als maßgeblich wahrscheinlich anzusehen.

2.5. Die vom BVwG getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage in Jordanien stützen sich auf das jüngste Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA vom 16.04.2020 und stellen sich in den für die gg. Entscheidung wesentlichen Aspekten als ausreichend und tragfähig dar.

In der Beschwerde fand sich kein entgegenstehendes substantielles Vorbringen. Den dort angeführten Quellen waren keine über die getroffenen Feststellungen hinausgehenden entscheidungserheblichen Informationen bezüglich der individuellen Situation der Beschwerdeführer in Jordanien zu entnehmen. Insbesondere soweit sich diese auf die Haftbedingungen in Jordanien und auf das Vorkommen von Ehrenmorden bezogen, war daraus nichts für die Beschwerdeführer zu gewinnen, zumal weder deren drohende Verfolgung durch Blutrache noch die drohende Inhaftierung der BF2 glaubwürdig waren.

Zudem war deren Vorbringen auch kein stichhaltiger Hinweis auf eine individuelle Gefährdung bei einer Rückkehr aufgrund der in ihrer Heimat herrschenden allgemeinen Lage zu entnehmen.

Eine nähere Erörterung der für die oben getroffenen Feststellungen maßgeblichen, erst kürzlich verfügbar gewordenen aktuellen Länderinformationen, die im Wesentlichen auch nicht von den vom BFA herangezogenen abwichen, mit den Beschwerdeführern im Rahmen einer weiteren mündlichen Verhandlung oder die Einräumung eines weiteren schriftlichen Parteigehörs war im Lichte dessen als obsolet anzusehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 53/2019.

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG 2005 idgF.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheides des Bundesamtes.

Zu A)

1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht. Darüber hinaus darf keiner der in § 6 Abs. 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vorliegen, andernfalls der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden kann.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judika

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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