TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/3 W228 2216395-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.09.2020
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Entscheidungsdatum

03.09.2020

Norm

ASVG §4
ASVG §410
ASVG §44
ASVG §49
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W228 2216395-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid der vormaligen Wiener Gebietskrankenkasse, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse, vom 12.02.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 12.02.2019, XXXX , hat die vormalige Wiener Gebietskrankenkasse, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse (im Folgenden: ÖGK), festgestellt, dass XXXX (im Folgenden Beschwerdeführer) als Dienstgeber verpflichtet ist, für die in der Anlage des Bescheides namentlich angeführten Dienstnehmer und für die dort bezeichneten Zeiten Beiträge, Sonderbeiträge und Umlagen in Höhe von € 5.757,27 zu entrichten.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer mit den in der Anlage des Bescheides genannten Personen, in der Folge Botenfahrer genannt, schriftliche (als freie Dienstverträge bezeichnete) Verträge sowie Vereinbarungen über die Nutzung der vom Beschwerdeführer bereitgestellten Kraftfahrzeuge geschlossen habe. Die Botenfahrer seien jedoch als echte Dienstnehmer zu qualifizieren, zumal sie innerhalb eines vom Beschwerdeführer konkret vorgegebenen Zeitfensters Botenfahrten durchgeführt hätten, wobei die Arbeitseinteilung sowie die Erteilung von Anweisungen durch den Beschwerdeführer bzw. dessen Mitarbeiterin erfolgt sei. Ferner seien die Botenfahrer verpflichtet gewesen, die Fahrten persönlich durchzuführen und hätten sie sich nicht vertreten lassen können. Die Botenfahrer hätten für die Botenfahrten die vom Beschwerdeführer zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeuge sowie die vom Beschwerdeführer zur Verfügung gestellten Bon-Bücher für die Verrechnung verwendet. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 ASVG der persönlichen Abhängigkeit seien daher erfüllt. Aufgrund der in der Folge von der ÖGK im Zuge der GPLA vorgenommenen Umqualifizierung von § 4 Abs. 4 ASVG auf § 4 Abs. 2 ASVG sei daher vom Beschwerdeführer ein Nachverrechnungsbetrag in Höhe von € 5.757,27 zu entrichten.

Gegen diesen Bescheid erhob die damalige Rechtsvertretung des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 15.03.2019 fristgerecht Beschwerde. Darin wurde ausgeführt, dass die ÖGK völlig zu Unrecht vom Vorliegen echter statt freier Dienstverhältnisse ausgehe. Bereits im Jahr 2007 habe eine GPLA stattgefunden, bei welcher exakt dieselbe Art von Beschäftigungsverhältnissen derselben Beschäftigten beurteilt worden sei und habe der damalige Prüfer in Bezug auf die Qualifikation der Beschäftigten als freie Dienstnehmer nicht die geringsten Bedenken gehabt. Hätte die erste Prüfung ergeben, dass vom Vorliegen echter Dienstverhältnisse ausgegangen werden müsse, wäre der Geschäftsbetrieb nicht einen Tag lang weiter aufrechterhalten worden, zumal der Beschwerdeführer nämlich schon bei Beschäftigung freier Dienstnehmer keinen bzw. kaum Gewinn gemacht habe. Der Beschwerdeführer habe auf das Ergebnis der Prüfung des Jahres 2007 vertraut. Abgesehen davon sei nicht ersichtlich, worauf die Auffassung, es handle sich um echte Dienstverhältnisse, nunmehr gestützt werde. XXXX sei Kläger in einem gegen den Beschwerdeführer anhängig gemachten Gerichtsverfahrens gewesen, in welchem ersterer aus finanziellen Gründen an der Feststellung des Vorliegens eines echten Dienstverhältnisses sehr interessiert gewesen sei. Falsche Angaben des Herrn XXXX hätten mangels Vereidigung seiner Person nicht sanktioniert werden können. Aus den Beweisergebnissen dieses Verfahrens Schlussfolgerungen zur Begründung einer Beitragsnachverrechnung zu ziehen, erscheine unzulässig, ebenso wie von Herrn XXXX auf die anderen freien Dienstnehmer zu schließen, in Bezug auf welche offenbar überhaupt keine Erhebungen geführt worden seien.

Die Beschwerdesache wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 22.03.2019 zur Entscheidung vorgelegt.

Am 30.03.2020 langte eine Bekanntgabe der Vollmachtsauflösung beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Im Betrieb des Beschwerdeführers wurde für den Beitragszeitraum 01.01.2009 bis 31.12.2013 eine GPLA durchgeführt, im Zuge derer die Versicherungspflicht der vom Beschwerdeführer als freie Dienstnehmer gemeldeten Botenfahrer überprüft wurde.

Der Beschwerdeführer beschäftigte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum die in der Anlage des angefochtenen Bescheides angeführten Botenfahrer in den in der Anlage des Bescheides angeführten Zeiträumen.

Grundlage für die Tätigkeit der Botenfahrer waren als "freie Dienstverträge" bezeichnete schriftliche Vereinbarungen. Laut diesen Verträgen waren die Botenfahrer als Zusteller von Zustellstücken wie Pakten, Briefen, etc., an die auf den Zustellstücken angegebenen Adressen tätig.

Den Botenfahrern wurde am Vorabend oder am Morgen von Seiten des Beschwerdeführers telefonisch mitgeteilt, welche erste Tour sie am jeweiligen Tag zu fahren haben. Die Botenfahrer hatten die Anweisung, sich nach Ende der ersten Tour telefonisch beim Beschwerdeführer bzw. dessen Mitarbeiterin XXXX zu melden. Im Zuge dieses Telefongesprächs wurden den Botenfahrern dann weitere Anweisungen erteilt, welche weitere Touren sie zu fahren haben. Wenn es gerade keinen neuen Auftrag gab, hatten sich die Botenfahrer arbeitsbereit zu halten, bis sie den nächsten Auftrag bekamen.

XXXX disponierte die Fahrten der Botenfahrer. Sie wusste über sämtliche Touren Bescheid und wusste auch stets, welcher Fahrer sich gerade wo befindet.

Die Botenfahrten wurden innerhalb eines vom Beschwerdeführer vorgegebenen Zeitfensters durchgeführt.

Den Botenfahrern wurden die Routen, die sie zu fahren hatten, konkret vorgegeben; sie hatten diesbezüglich keine Entscheidungsfreiheit.

Den Botenfahrern wurde vom Beschwerdeführer für die Botenfahrten ein Kraftfahrzeug zur Verfügung gestellt.

Die Botenfahrer erledigten ihre Arbeit persönlich und durften sich nicht durch Dritte vertreten lassen.

Es gab regelmäßige Besprechungen der Botenfahrer mit dem Beschwerdeführer. Die Teilnahme an diesen Besprechungen war verpflichtend.

Mit rechtskräftigem Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien zu
21 CGA 68/12s vom 17.04.2013 wurde festgestellt, dass zwischen dem Botenfahrer XXXX und dem Beschwerdeführer ein echter Arbeitsvertrag vorlag.

Am 20.08.2013 wurde mit dem Botenfahrer XXXX eine Niederschrift vor der ÖGK aufgenommen.

Am 29.11.2013 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers bei der ÖGK statt.

2. Beweiswürdigung:

Die Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere dem dort angeschlossenen Urteil des Arbeits-und Sozialgerichts Wien zu
21 CGA 68/12s vom 17.04.2013, dem Urteil des Oberlandesgerichts Wien zu 7 Ra 66/13x vom 24.09.2013 sowie dem Beschluss des Obersten Gerichtshofes zu 9 ObA 152/13p vom 26.02.2014.

Das Bundesverwaltungsgericht legt im Wesentlichen den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt zugrunde, welcher sich im Wesentlichen mit dem festgestellten Sachverhalt im rechtskräftigen Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien zu 21 CGA 68/12s vom 17.04.2013 deckt. Mit diesem Urteil wurde festgestellt, dass zwischen dem Botenfahrer XXXX und dem Beschwerdeführer ein echter Arbeitsvertrag vorlag.

Der Berufung gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 17.04.2013 wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 24.09.2013 keine Folge gegeben. Die außerordentliche Revision des Beschwerdeführers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 24.09.2013 wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 26.02.2014 zurückgewiesen.

Wie sich aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 24.09.2013 ergibt, hat sich das Arbeits- und Sozialgericht Wien mit den Beweisergebnissen eingehend auseinandergesetzt und hat nachvollziehbar begründet, wie es zu den getroffenen Feststellungen gelangt ist. Aus den Feststellungen des Urteils des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 17.04.2013 ergibt sich, dass die Botenfahrer der Weisungs- und Kontrollunterworfenheit des Beschwerdeführers unterlegen sind.

Es ist festzuhalten, dass mit dem Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 17.04.2013 zwar lediglich betreffend den Botenfahrer XXXX festgestellt wurde, dass zwischen ihm und dem Beschwerdeführer ein Arbeitsvertrag vorlag; es ist allerdings auszuführen, dass in diesem Urteil Feststellungen getroffen wurden, die sich nicht nur auf Herrn XXXX , sondern auf sämtliche Botenfahrer beziehen. Im Zuge der vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien durchgeführten Einvernahmen äußerten sich der Beschwerdeführer sowie XXXX über den allgemeinen Ablauf der Botenfahrten, welcher alle Botenfahrer in gleicher Weise betraf. Es sind keine Anhaltspunkte für die Annahme hervorgekommen, dass sich die Tätigkeit der Botenfahrer in verfahrensrelevanter Weise voneinander unterschieden hat und kann daher davon ausgegangen werde, dass alle Botenfahrer unter denselben, oben festgestellten, Bedingungen tätig geworden sind.

Festzuhalten ist im Zusammenhang mit den als "freien Dienstverträgen" bezeichneten Verträgen, dass - wie in der rechtlichen Beurteilung noch näher ausgeführt wird - für die Beurteilung von Sachverhalten in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werkvertrag, Dienstvertrag) maßgebend ist. Im gegenständlichen Fall wurde beispielsweise in den „freien Dienstverträgen“ festgehalten, dass die Botenfahrer berechtigt sind, die Leistung durch Dritte durchführen zu lassen. Dies wurde allerdings in der Realität nicht so gelebt, zumal der Beschwerdeführer selbst in seiner Einvernahme vor der ÖGK angegeben hat, dass eine Vertretung nicht möglich gewesen sei, da es verboten sei, dass Fremde mit seinen Kraftfahrzeugen fahren.

Dem Beschwerdevorbringen, wonach bereits im Jahr 2007 eine GPLA stattgefunden hat, bei welcher exakt dieselbe Art von Beschäftigungsverhältnissen derselben Beschäftigten beurteilt worden sei und der damalige Prüfer in Bezug auf die Qualifikation der Beschäftigten als freie Dienstnehmer nicht die geringsten Bedenken gehabt habe, ist entgegenzuhalten, dass eine Bindung an Ergebnisse einer früheren GPLA dem Gesetz nicht entnommen werden kann. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen geht daher ins Leere.

Dem weiteren Beschwerdevorbringen, wonach der Geschäftsbetrieb nicht einen Tag lang weiter aufrechterhalten worden wäre, wenn die erste Prüfung ergeben hätte, dass vom Vorliegen echter Dienstverhältnisse ausgegangen werden müsse, zumal der Beschwerdeführer nämlich schon bei Beschäftigung freier Dienstnehmer keinen bzw. kaum Gewinn gemacht habe, ist entgegenzuhalten, dass die mangelnde Kostendeckung/Wirtschaftlichkeit der Form eines Vertragsverhältnisses keinen relevanten Grund für dessen rechtliche Einordnung darstellt.

Weiters wird in der Beschwerde vorgebracht, dass Herr XXXX im Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien nicht vereidigt gewesen sei und falsche Angaben seinerseits daher nicht sanktioniert werden konnten. Diese Bedenken wurden bereits im Verfahren vor dem Oberlandesgericht Wien vorgebracht und führte das Oberlandesgericht Wien in seinem Urteil vom 24.09.2013 dazu aus, dass das Unterbleiben der Vereidigung keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens darstelle und an der Zuverlässigkeit der Darstellung des Herrn XXXX keine Zweifel bestanden hätten und daher mit einer unbeeideten Parteienvernehmung das Auslangen zu finden gewesen sei.

Zum weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers, dass keine Erhebungen seitens der belangten Behörde vorgenommen worden seien, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese Behauptung lediglich in den Raum gestellt wurde, ohne die fehlenden Ermittlungen substantiiert darzulegen. Abgesehen davon wurde seitens der ÖGK – wie festgestellt – sowohl XXXX als auch der Beschwerdeführer niederschriftlich einvernommen. Zudem wurden im Zuge des Gerichtsverfahrens vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien weitere Botenfahrer sowie abermals der Beschwerdeführer und XXXX einvernommen.


3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG und nur auf Antrag einer Partei durch einen Senat. In der vorliegenden Angelegenheit wurde kein derartiger Antrag gestellt. Somit obliegt die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Nach § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Dienstverhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Festzuhalten ist, dass es bei der Beurteilung des Sachverhalts vielmehr um die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit als um die vertragliche Vereinbarung geht. Der Umstand allein, dass ein als "freier Dienstvertrag" bezeichneter Vertrag abgeschlossen wurde, schließt das Vorliegen eines Dienstverhältnisses gemäß § 4 Abs. 2 ASVG nicht aus, zumal es gemäß § 539a ASVG für die Beurteilung von Sachverhalten in wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts ankommt.

Die Beantwortung der Frage, ob bei Erfüllung einer übernommenen Arbeitspflicht (also der Beschäftigung) die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Empfänger der Arbeit gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG überwiegen, hängt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen einer Beschäftigung (z.B. aufgrund eines Werkvertrages oder eines freien Dienstvertrages) - nur beschränkt ist.

Für das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit sind - im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem arbeitsrechtlichen Verständnis dieses Begriffes - als Ausdruck der weitgehenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch seine Beschäftigung nur seine Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht unterscheidungskräftige Kriterien zur Abgrenzung von anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie z. B. einer längeren Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder eines das Arbeitsverfahren betreffenden Weisungsrechtes des Empfängers der Arbeitsleistung) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt. Erlaubt allerdings im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung auch diese an sich nicht unterscheidungskräftigen Kriterien von maßgeblicher Bedeutung sein. (vgl. unter vielen das Erkenntnis vom 27. April 2011, Zl. 2009/08/0123).

Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG und damit eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ist stets die persönliche Arbeitspflicht. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht vor. Persönliche Arbeitspflicht ist (unter anderem) dann nicht gegeben, wenn demjenigen, dessen Leistungserbringung zu beurteilen ist, eine generelle Vertretungsbefugnis bei Erbringung dieser Leistung eingeräumt ist oder wenn ein Beschäftigter die Leistung bereits übernommener Dienste jederzeit nach Gutdünken ganz oder teilweise sanktionslos ablehnen kann (vgl. etwa VwGH vom 12.10.2016, Zl. Ra 2016/08/0095 und vom 01.10.2015, Zl. Ro 2015/08/0020).

Von einer die persönliche Arbeitspflicht ausschließenden generellen Vertretungsbefugnis kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann gesprochen werden, wenn der Erwerbstätige berechtigt ist, jederzeit und nach Gutdünken irgendeinen geeigneten Vertreter zur Erfüllung der von ihm übernommenen Arbeitspflicht heranzuziehen bzw. ohne weitere Verständigung des Vertragspartners eine Hilfskraft beizuziehen. Keine generelle Vertretungsberechtigung stellt die bloße Befugnis eines Erwerbstätigen dar, sich im Fall der Verhinderung in bestimmten Einzelfällen, z.B. im Fall einer Krankheit oder eines Urlaubs oder bei bestimmten Arbeiten innerhalb der umfassenderen Arbeitspflicht vertreten zu lassen; ebenso wenig die bloß wechselseitige Vertretungsmöglichkeit mehrerer vom selben Vertragspartner beschäftigter Personen (vgl. etwa zuletzt VwGH vom 12.10.2016, Ra 2016/08/0095).

Den oben getroffenen Feststellungen folgend hatten die Botenfahrer ihre Leistung persönlich zu erbringen. Eine Möglichkeit, sich durch Dritte vertreten zu lassen, bestand nicht.

Weiters ist zu prüfen, ob die Botenfahrer örtlich und zeitlich und hinsichtlich des arbeitsbezogenen Verhaltens weisungsgebunden, kontrollunterworfen und in die Arbeitsorganisation des Beschwerdeführers eingebunden waren.

Für die Botenfahrer bestand keine freie Dispositionsmöglichkeit über ihre Arbeitszeit. Wie festgestellt, waren die Botenfahrten in einem vom Beschwerdeführer vorgegebenen Zeitrahmen durchzuführen. Den Botenfahrern wurden die Routen, die sie zu fahren hatten, genau vorgegeben. Es bestand sohin auch keine freie Dispositionsmöglichkeit über den Arbeitsort.

Für die Prüfung der persönlichen Abhängigkeit ist nicht die Weisungsgebundenheit betreffend das Arbeitsverfahren und die Arbeitsergebnisse maßgebend, sondern nur jene betreffend das arbeitsbezogene Verhalten. Weisungen betreffend das arbeitsbezogene Verhalten lagen im gegenständlichen Fall sehr wohl vor. Die Botenfahrer waren in der Arbeitsorganisation und den Arbeitsabläufen nicht frei. Die Arbeitseinteilung, Kontrolle sowie die Erteilung von Arbeitsanweisungen erfolgte durch den Beschwerdeführer bzw. durch dessen Mitarbeiterin XXXX . Die Tätigkeit der Botenfahrer war somit nicht frei ausgestaltbar, sondern ergab sich aus Zielvorgaben des Beschwerdeführers.

Was die Betriebsmittel anbelangt, verwendeten die Botenfahrer für die Botenfahrten die vom Beschwerdeführer zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeuge.

Die Bereitstellung der unternehmensspezifischen wesentlichen Betriebsmittel, wie oben ausgeführt die Bindung der Arbeitszeit und des Arbeitsortes sowie die Kontrolle durch den Beschwerdeführer sprechen für das Bestehen einer organisatorischen Eingliederung der Botenfahrer in die betriebliche Struktur des Beschwerdeführers und sohin für das Vorliegen einer persönlichen Anhängigkeit der Botenfahrer vom Beschwerdeführer.

Aufgrund all dieser Erwägungen ist festzuhalten, dass die Botenfahrer in mehrfacher Hinsicht in den betrieblichen Ablauf/ die betriebliche Struktur des Beschwerdeführers eingebunden, an die Ordnungsvorschriften und Abläufe des Beschwerdeführers gebunden, dem Beschwerdeführer weisungs- und kontrollunterworfen und persönlich arbeitspflichtig waren. Aus Sicht des erkennenden Gerichtes lag dadurch ein Ausdruck der Einschränkung der persönlichen Bestimmungsfreiheit der Botenfahrer vor. In einer Gesamtschau sind somit die Merkmale einer Beschäftigung in persönlicher Abhängigkeit als überwiegend zu beurteilen.

Nach ständiger Rechtsprechung hat die persönliche Abhängigkeit die wirtschaftliche Abhängigkeit zwangsläufig zur Folge und muss daher nicht gesondert geprüft werden (ua. VwGH vom 22.12.2009, 2006/08/0317; VwGH vom 25.04.2007, 2005/08/0137; VwGH vom 20.12.2006, 2004/08/0221).

Abschließend ist auf das rechtskräftige Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien zu
21 CGA 68/12s vom 17.04.2013 zu verweisen, mit dem festgestellt wurde, dass zwischen dem Botenfahrer XXXX und dem Beschwerdeführer ein echter Arbeitsvertrag vorlag.

Es wird bemerkt, dass Dienstnehmer gemäß ASVG, seit dem ASRÄG 1997 (BGBl.I 1997/139), jedenfalls auch Arbeitnehmer im Sinne des Lohnsteuerrechts (und umgekehrt) sind, diese Begriffe somit in den beiden Materiengesetzen identen Inhalt haben.

Darüber hinaus bestehen nach der aktuellen Rechtsprechung zwischen § 4 Abs. 2 ASVG und §§ 1151, 1153 ABGB (Definition des Dienstvertrages/Arbeitsvertrages bzw. des Dienstnehmers) kaum Unterschiede. Verwiesen wird im gegenständlichen Zusammenhang auf Mosler in Mosler/Müller/Pfeil (HrsG), der SV-Kommentar § 4 ASVG, RZ 66 und 75ff.

Weiters wird auf § 49 Abs. 6 ASVG verwiesen, wonach die Versicherungsträger und die Verwaltungsbehörden an rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte, in denen Entgeltansprüche des Dienstnehmers festgestellt werden, gebunden.

Wenngleich § 49 Abs. 6 ASVG die Bindung der Verwaltungsgerichte nicht erwähnt, gegenständlich somit keine unmittelbare Bindungswirkung des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß § 46 Abs. 6 ASVG besteht, so ist doch von einer gewissen „Indizwirkung“ – wie oben dargestellt - auch für gegenständliches Verfahren auszugehen und sind insbesondere auch die Aussagen der Parteien im Zivilverfahren, aufgrund der Unbeschränktheit der Beweismittel im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, auch im gegenständlichen Verfahren als Beweismittel verwertbar.

Die belangte Behörde hat daher zu Recht eine Umqualifizierung der gemeldeten freien Dienstverhältnisse in echte Dienstverhältnisse vorgenommen und dementsprechend in der Folge Beiträge in Höhe von € 5.757,27 nachverrechnet.

Der Beschwerdeführer ist der Vorschreibung der Beiträge lediglich dem Grunde nach, nicht jedoch der Höhe nach entgegengetreten.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum ASVG. Die gegenständliche Entscheidung weicht daher weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch mangelt es an einer derartigen Rechtsprechung; sie ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Beitragsnachverrechnung Dienstnehmereigenschaft Dienstvertrag GPLA persönliche Abhängigkeit wirtschaftliche Abhängigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W228.2216395.1.00

Im RIS seit

26.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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