TE Bvwg Beschluss 2020/8/6 W212 2189021-1

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Veröffentlicht am 06.08.2020
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Entscheidungsdatum

06.08.2020

Norm

AsylG 2005 §35 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W212 2189021-1/3E

W212 2189022-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz, gegen den Bescheid der österreichischen Botschaft Abuja vom 25.09.2017, GZ: Abuja- ÖB/KONS/4992/2017, beschlossen:

A)

Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheiten zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I.       Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Nigerias, stellte am 26.07.2016 bei der Österreichischen Botschaft Abuja (im Folgenden „ÖB Abuja“) unter Anschluss diverser Unterlagen den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Begründend wurde ausgeführt, dass der Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin, XXXX , geb. XXXX , ebenfalls StA. Nigerias, mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 12.01.2011, ZI 10.08.332-BAS, rechtskräftig seit 28.01.2011, der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und mit Bescheid vom 17.01.2014 verlängert wurde.

Zuvor wurde bereits am 10.07.2015 ein von der Bezugsperson der Beschwerdeführerin ausgefülltes Befragungsformular an das BFA übermittelt, weshalb es zunächst zu einer Verwechslung betreffend die Beschwerdeführerin kam und diese den gegenständlichen Antrag erneut einbringen musste.

2. Am 25.04.2017 erfolgte die zeugenschaftliche Einvernahme der Bezugsperson vor dem BFA.

2. In seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG 2005 vom 13.06.2017 führte das BFA aus, dass betreffend die Beschwerdeführerin die Gewährung des Status der Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da sich gravierende Zweifel am tatsächlichen Bestehen der behaupteten und relevanten Familienverhältnisse ergeben hätten; die Angaben der Antragstellerin zur Angehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG 2005 würden in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen.

Aus der beiliegenden Stellungnahme des BFA wurde hiezu näher ausgeführt, dass eine Gegenüberstellung der Angaben (Antrag, Zeugeneinvernahme, Angaben im Bezugsakt der Bezugsperson, etc.) Widersprüche hinsichtlich des Familienstandes der Bezugsperson sowie des Namens und des Geburtsdatums der Beschwerdeführerin ergeben hätte und zudem kein Nachweis dafür erbracht worden sei, dass der Vater der Beschwerdeführerin tatsächlich verstorben sei; eine Sterbeurkunde sei trotz Aufforderung nicht vorgelegt worden. Auch sei es verwunderlich, dass die vermeintliche Tochter erst am 23.06.2015 einen Einreiseantrag gestellt habe, obwohl die Bezugsperson schon seit 12.01.2011 den Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt bekommen habe. Wenn tatsächlich ein Familienleben vorhanden gewesen wäre, wäre anzunehmen, dass die Tochter unmittelbar nach Rechtskraft des Bescheides der Bezugsperson einen Einreiseantrag gestellt hätte.

3. Mit Schreiben vom 15.06.2017, zugestellt am 19.06.2017, wurde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) eingeräumt. Ihr wurde gleichzeitig mitgeteilt, dass das BFA nach Prüfung ihres Antrages beziehungsweise des Sachverhaltes mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status der Asylberechtigten oder der subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Es werde hiermit Gelegenheit gegeben, innerhalb der Frist von einer Woche ab Zustellung die in der beiliegenden Mitteilung und der Stellungnahme des BFA angeführten Ablehnungsgründe durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.

4. In einer am 05.07.2017 – nach gewährter Fristverlängerung – eingebrachten Stellungnahme, wurde vorgebracht, dass es – trotz nachweislicher Bemühungen - bis dato nicht möglich gewesen sei, Einsicht in die Protokolle der Einvernahmen der Bezugsperson während ihres Asylverfahrens zu nehmen, weshalb es nicht möglich sei, zu den vom BFA angeführten widersprüchlichen Angaben der Bezugsperson Stellung zu nehmen. Unabhängig davon sei darauf hinzuweisen, dass das Bundesamt dazu gehalten gewesen wäre, die Betroffenen über die Möglichkeit einer DNA-Analyse im Sinne des § 13 Abs. 4 BFA-VG zu belehren.

5. Nach Übermittlung dieser Stellungnahme an das BFA teilte dieses in einer Rückmeldung vom 18.07.2017 mit, dass die negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrecht bleibe, wobei auf die bereits getätigten detaillierten Ausführungen in der Stellungnahme vom 13.06.2017 verwiesen werde. Für das BFA sei auch keine DNA-Analyse notwendig, der Beschwerdeführerin stehe es aber frei, eine solche zu beantragen. Sollte dies der Fall sein, so habe die Bezugsperson die Möglichkeit sich mit dem BFA in Verbindung zu setzen und werde der Sachverhalt anschließend neu beurteilt.

Dieses Schreiben wurde der rechtsfreundlichen Vertretung der Beschwerdeführerin am 19.07.2017 weitergeleitet.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 25.09.2017, verweigerte die ÖB Abuja die Erteilung des Einreisetitels gemäß § 26 FPG idgF iVm § 35 AsylG 2005 mit der Begründung, dass die Angaben der Antragstellerin zur Angehörigeneigenschaft gemäß §35 AsylG 2005 in mehrerer Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen würden. Durch das Vorbringen der Beschwerdeführerin habe nicht unter Beweis gestellt werden können, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich sei.

7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die am 19.10.2017 fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Darin wurde vorgebracht, dass, sofern das BFA bei einer Gegenüberstellung der Angaben der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson gravierende Widersprüche erkenne, diese nur darauf zurückzuführen seien, dass die jeweiligen Einvernahmen der Bezugsperson während ihres Asylverfahrens nicht in ihrer Muttersprache, sondern in Englisch geführt worden seien. Bezüglich der Angaben betreffend das Geburtsdatum der Beschwerdeführerin würde überdies gar kein Widerspruch vorliegen, zumal die Bezugsperson am 27.08.2017 (gemeint: 2007) und am 07.10.2008 gleichlautend angegeben habe, dass ihre Tochter am XXXX geboren sei. Zwar habe sie laut Protokoll vom 25.04.2017 sodann den XXXX als Geburtsdatum ihrer Tochter angeführt, während der selben Einvernahme habe die Bezugsperson jedoch auch erklärt, dass ihr Ehemann im Jahr 2007 verstorben sei und ihre Tochter zu dieser Zeit drei Jahre alt gewesen sei, was wieder auf das Jahr 2004 als Geburtsjahr der Beschwerdeführerin schließen ließe. Betreffend den Vater der Beschwerdeführerin wurde stets angeführt, dass dieser bereits verstorben sei und könne es den Betroffenen nicht zum Nachteil ausgelegt werden, über keine Sterbeurkunde zu verfügen. Die Zweifel der Behörde hätten ferner durch eine DNA-Analyse zerstreut werden können und wäre die Beschwerdeführerin hinsichtlich dieser Möglichkeit zu belehren gewesen. Auch könne die späte Einbringung eines Einreisetitels nach Statuszuerkennung der Bezugsperson nicht als ausreichende Begründung dafür herangezogen werden, dass kein Familienleben zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson vorliegen würde und sei letztlich anzumerken, dass es die Behörde auch unterlassen habe, die vorgelegten Unterlagen in ihre Entscheidungsfindung miteinzubeziehen.

8. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 02.03.2018, eingelangt am 13.03.2018, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Verwaltungsakt übermittelt.

9. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.01.2020 wurde die Rechtssache der erkennenden Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Stattgebung der Beschwerden und Zurückverweisung:

Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

§ 34 AsylG 2005:

"§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

§ 35 AsylG 2005:

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

"§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."

§ 11, § 11a und § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG)

Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

"§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte."

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.

(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.

(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.

(9) Für Entscheidungen über die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§ 2 Abs. 4 Z 13) oder Praktikanten (§ 2 Abs. 4 Z 13a) ist Art. 23 Abs. 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26 FPG lautet:

"§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."

§ 13 Abs. 4 BFA-VG lautet:

"Gelingt es einem Fremden nicht, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis, auf das er sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht oder in einem Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005 beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, so hat ihm das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht auf sein Verlangen und auf seine Kosten die Vornahme einer DNA-Analyse zu ermöglichen. Der Fremde ist über diese Möglichkeit zu belehren. Das mangelnde Verlangen des Fremden auf Vornahme einer DNA-Analyse ist keine Weigerung des Fremden, an der Klärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Im weiteren Verfahren darf nur die Information über das Verwandtschaftsverhältnis verarbeitet werden; allenfalls darüber hinaus gehende Daten sind zu löschen. Das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht hat dem Fremden die Kosten der DNA-Analyse auf Antrag zu erstatten, wenn das behauptete Verwandtschaftsverhältnis durch das auf der DNA-Analyse beruhende Gutachten festgestellt wurde und sich der Fremde im Bundesgebiet aufhält."

§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

Mit Erkenntnis vom 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, hat der VwGH festgestellt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen werde daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

Im Erkenntnis vom 01.03.2016, Ro 2015/18/20002 bis 0007, hält der VwGH zunächst fest, dass der in § 35 Abs. 4 AsylG 2005 angeordnete Beweismaßstab, nach dem das Bundesamt zu beurteilen hat, ob es eine positive oder negative Mitteilung abgibt, für sich betrachtet rechtsstaatlich nicht bedenklich erscheint. Da das Gesetz vorsieht, dass eine positive Mitteilung des Bundesamtes schon dann zu ergehen hat, wenn die Gewährung von internationalem Schutz bloß wahrscheinlich ist, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass eine negative Prognose nur dann erfolgen darf, wenn die Gewährung dieses Schutzes in einem nach Einreise in Österreich zu führenden Asylverfahren nicht einmal wahrscheinlich ist; Gewissheit darüber, dass dem Antragsteller internationaler Schutz in Österreich gewährt werden wird, erfordert die Erteilung einer Einreiseerlaubnis hingegen nicht.

Um somit die Einreiseerlaubnis nach Österreich zu erhalten, muss der Antragsteller lediglich die niedrigere Beweisschwelle der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Gewährung internationalen Schutzes überspringen. Schon dann steht ihm die Möglichkeit offen, in das Bundesgebiet einzureisen und dort ein Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 - mit allen Verfahrensgarantien - zu absolvieren. Dass § 35 Abs. 4 AsylG 2005 die Vergabe eines Visums an die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes im künftigen Asylverfahren bindet, erscheint unter diesem Blickwinkel mit dem rechtsstaatlichen Prinzip somit nicht im Widerspruch zu stehen.

Der Verfassungsgerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, sofern in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 mwN sowie VfSlg. 14.421/1996 und 15.743/2000).

Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH vom 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel: "Verwaltungsverfahren Band I2", E 84 zu § 39 AVG).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).

Ungeachtet dieser für die Vertretungsbehörden bestehenden Bindungswirkung an die Prognoseentscheidung des Bundesamtes steht es dem Bundesverwaltungsgericht allerdings nunmehr - innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems - offen, auch die Einschätzung des Bundesamtes über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002). Auch wenn es sich bei der Mitteilung des Bundesamtes um keinen Bescheid handelt, der vom Antragsteller (selbständig) angefochten werden kann (VwGH 06. 10.2010, 2008/19/0527), setzt die Möglichkeit einer Überprüfung der Richtigkeit dieser Prognose durch das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls voraus, dass dieser Mitteilung des Bundesamtes in nachvollziehbarer Weise zu entnehmen ist, aus welchen Gründen das Bundesamt die Zuerkennung des beantragten Schutzstatus für nicht wahrscheinlich hält.

Im gegenständlichen Fall liegt eine Mangelhaftigkeit im Sinne des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vor beziehungsweise wurde auch Verfahrensvorschriften nicht ausreichend Rechnung getragen:

Die Behörde lehnte den Einreiseantrag der Beschwerdeführerin gegenständlich im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die Angaben der Beschwerdeführerin in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren (bzw. den während ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme) gemachten widersprechen würden und sich sohin gravierende Zweifel am tatsächlichen Bestehen des behaupteten und relevanten Familienverhältnisses ergeben hätten.

Zunächst ist der Behörde beizupflichten, dass von der Bezugsperson durchaus unterschiedliche Angaben hinsichtlich ihres Familienstandes und bezüglich des Namens sowie des Geburtsdatums ihrer Tochter, der Beschwerdeführerin, gemacht wurden. So gab die Bezugsperson etwa am 27.08.2007 und am 07.10.2008 betreffend ihren Familienstand an, verwitwet zu sein und ist demgegenüber aus dem Protokoll vom 09.09.2010 zu entnehmen, dass sie ledig ist, was sich wiederum mit ihrer Aussage vom 25.04.2017 deckt, in der sie erklärte, gar nie verheiratet gewesen zu sein. Betreffend das Geburtsjahr der Beschwerdeführerin, gab die Bezugsperson zunächst stets das Jahr 2004 an, während ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme wurde sodann aber – übereinstimmend mit den Daten des vorgelegten Reisepasses der Beschwerdeführerin und den in den Antragsformularen hiezu gemachten Angaben - erklärt, ihre Tochter sei bereits im Jahr 2002 geboren. Am 07.10.2008 erklärte die Bezugsperson, eine Tochter namens XXXX zu haben, am 15.09.2010 gab die Bezugsperson an, ihre Tochter würde XXXX heißen, in dem von der Bezugsperson zunächst an das BFA übermittelten Antragsformular wurde ihre Tochter XXXX genannt und schließlich wurde am 25.04.2017 – wiederum übereinstimmend mit den Daten des vorgelegten Reisepasses – erklärt, dass diese XXXX heißen würde.

Aufgrund dieser Unstimmigkeiten konnte der Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie anfängliche Zweifel an der Familienangehörigeneigenschaft der Beschwerdeführerin hegte und geht auch das Vorbringen, wonach der Beschwerdeführerin – wegen verspäteter Akteneinsicht – keine Möglichkeit gegeben wurde, hiezu hinreichend Stellung zu nehmen, ins Leere, zumal das BFA in seiner Stellungnahme vom 13.06.2017 der Beschwerdeführerin die von ihr erkanntnen Widersprüche auch ausreichend detailliert zur Kenntnis brachte.

Im gegenständlichen Fall wurde jedoch den Verfahrensvorschriften insofern nicht ausreichend entsprochen, als die Beschwerdeführerin – wie zutreffend vorgebracht - von der Behörde nicht entsprechend § 13 Abs. 4 BFA-VG über die Möglichkeit der Vornahme einer DNA-Analyse belehrt wurde.

Vor Abweisung eines Antrags gemäß § 35 AsylG aufgrund von Zweifeln an einem Verwandtschaftsverhältnis hat jedenfalls gemäß § 13 Abs 4 BFA-VG eine organisatorische Hilfestellung zur Beibringung eines DNA-Nachweises und die entsprechende Belehrung zu erfolgen (arg: "hat ihm ... zu ermöglichen"; "ist zu belehren"; vgl VwGH 22.2.2018, Ra 2017/18/0131). Eine korrekte Anwendung des § 13 Abs. 4 BFA-VG erfordert eine Belehrung der Fremden über die Möglichkeit der Vornahme einer DNA-Analyse. Der Beschwerdeführerin ist auf ihr Verlangen und auf ihre Kosten eine solche zu ermöglichen (vgl etwa BVwG W175 2142004-1f vom 17.05.2017; W205 21009987-1f vom 16.06.2016; W192 2009649-1f vom 24.03.2016 und W165 2012710-1 vom 07.01.2019).

Die Behörde hatte, wie bereits ausgeführt, berechtigte Zweifel am behaupteten Verwandtschaftsverhältnis der Beschwerdeführerin, zumal von der Bezugsperson mehrere unstimmige Angaben gemacht wurden. Nach den obigen Ausführungen, wäre die Behörde aber jedenfalls dazu verpflichtet gewesen, vor Abweisung des Antrages, die Beschwerdeführerin über ihre Möglichkeit zur Vornahme einer DNA-Analyse zu belehren und ihr eine solche auf ihr Verlangen hin zu ermöglichen. Dass das Vorbringen, wonach es sich bei der Beschwerdeführerin um die Tochter der in Österreich subsidiär schutzberechtigten Bezugsperson handle, nicht völlig haltlos war, ergibt sich bereits aus der diesbezüglich übereinstimmenden Erklärung der Betroffenen und den als Beleg hiefür in Vorlage gebrachten Unterlagen (Kopie der Geburtsurkunde).

Die vom BFA abgegebene Rückmeldung, dass es der Antragstellerin frei stehe, eine DNA-Analyse zu beantragen und sich diesbezüglich mit dem BFA in Verbindung zu setzen, kann jedenfalls nicht als Belehrung im Sinne des § 13 Abs. 4 BFA-VG angesehen werden und ist weiters darauf hinzuweisen, dass bereits die explizit erklärte Bereitschaft, sich zum Nachweis der Familienangehörigeneigenschaft einer DNA-Analyse zu unterziehen - was mit dem Antrag, die Beschwerdeführerin möge über die Möglichkeit einer DNA-Analyse belehrt werden, wohl unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wurde - nur so verstanden werden kann, dass die Beschwerdeführerin damit um die gebotene behördliche organisatorische Hilfestellung im oben wiedergegebenen Sinn, somit auch eine Anleitung betreffend die Modalitäten der Durchführung einer DNA-Analyse (u.a. Ort, Zeit und Kosten) ersucht hat (vgl auch VwGH 22.2.2018, Ra 2017/18/0131). Gerade diese organisatorische Hilfestellung ist jedoch unterblieben.

In diesem Zusammenhang ist auch noch Folgendes festzuhalten: Eine allfällige Kenntnis eines Fremden von der Bestimmung des § 13 Abs 4 BFA-VG entbindet die Behörde nicht von ihrer Verpflichtung, den Fremden über die Möglichkeit der Durchführung einer DNA-Analyse zu belehren. Für eine hievon abweichende Auslegung bietet der klare Wortlaut der Bestimmung keine Anhaltspunkte (arg.: "Der Fremde ist über diese Möglichkeit zu belehren"...). Die Behörde hat es sohin jedenfalls verabsäumt, die Beschwerdeführerin entsprechend zu belehren, obgleich die Beschwerdeführerin selbst auf diese die Behörde treffende Verpflichtung hinwies.

Hinzuweisen ist auch noch auf die ständige Rechtsprechung des EGMR, wonach ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt entsteht (vgl. EGMR 21.6.1988, Fall Berrehab, Appl. 10730/84 [Z 21]; 26.5.1994, Fall Keegan, Appl. 16969/90 [Z 44]). Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (EGMR 19.2.1996, Fall Gül, Appl. 23218/94 [Z 32]).

Sollte sich nach Durchführung einer DNA-Analyse herausstellen, dass es sich bei der Beschwerdeführerin tatsächlich um die Tochter der Bezugsperson handelt, so wird schließlich auch die Argumentation der Behörde, wonach von keinem Familienleben ausgegangen werden könne, zumal sich die Bezugsperson und die Beschwerdeführerin ansonsten bereits eher um eine Familienzusammenführung bemüht hätten, jedenfalls nicht ausreichen, um das behauptete Familienleben in Abrede zu stellen; unabhängig davon, dass es zahlreiche Gründe für die verspätete Antragstellung geben kann.

Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass es im Konkreten auch unerheblich ist, dass mangels vorgelegter Sterbeurkunde des Vaters der Beschwerdeführerin gar nicht feststeht, dass dieser tatsächlich verstorben ist. So wurde vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. September 2019, Zl. E1478/2019-11, erst jüngst ausgesprochen, dass eine Zustimmung der im Herkunftsland verbleibenden obsorgeberechtigten Person bzw. der Nachweis über deren Ableben (in casu die vorgelegte Sterbeurkunde des Vaters der Beschwerdeführerin) als materielle Erteilungsvoraussetzung für einen Einreisetitel gemäß § 35 AsylG nicht gesetzlich vorgesehen ist.

Das Bundesverwaltungsgericht weist noch auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) der gegenständlichen Beschwerdeverfahren hin, weshalb die Durchführung der notwendigen Ermittlungen zur Familienangehörigeneigenschaft der Beschwerdeführerin nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden können.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Einreisetitel Ermittlungspflicht Familienangehöriger individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W212.2189021.1.00

Im RIS seit

18.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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