TE OGH 2020/9/23 1Ob146/20g

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Veröffentlicht am 23.09.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. A***** G*****, 2. Ing. K***** G*****, 3. Mag. K***** P*****, 4. A***** O*****, 5. M***** K*****, 6. Mag. U***** S*****, 7. W***** P*****, 8. Ing. A***** S*****, 9. E***** H*****, 10. Mag. I***** S*****, 11. R***** S*****, 12. Dr. E***** S*****, 13. Mag. M***** H*****, 14. DI H***** L*****, 15. Dr. M***** L*****, 16. D***** L*****, 17. Ing. H***** S*****, 18. Mag. H***** G*****, 19. A***** S*****, 20. D***** S*****, 21. Ing. J***** M*****, 22. M***** F*****, 23. A***** G*****, 24. Dr. P***** N*****, 25. Mag. V***** N*****, 26. Mag. M***** M*****, alle vertreten durch Mag. Viktoria Neuner, Rechtsanwältin in Linz, und 27. Mag. T***** S*****, vertreten durch Dr. Günter Schmid, Rechtsanwalt in Linz, und der Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Parteien O***** gemeinnützige GmbH, *****, vertreten durch die Dumfarth Klausberger Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Linz, gegen die beklagte Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch die Bruckmüller RechtsanwaltsgmbH, Linz, wegen (insgesamt) 105.731,96 EUR sA, über die außerordentliche Revision der Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. Mai 2020, GZ 14 R 196/19w-35, mit dem das Zwischenurteil des Bezirksgerichts Linz vom 11. Juni 2019, GZ 12 C 497/18h-27, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Die außerordentliche Revision der Nebenintervenientin wird zurückgewiesen.

2. Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die Beklagte errichtete als Bauträgerin und Wohnungseigentumsorganisatorin eine Wohnungseigentumsanlage. Sie ist nach wie vor Miteigentümerin dieser Liegenschaft. Die Kläger sind Wohnungseigentümer. Sie haben ihre Wohnungen entweder von der Beklagten gekauft oder sind Rechtsnachfolger von Käufern, die von der Beklagten gekauft hatten; sie sind – unstrittig – zur Geltendmachung der gegenständlichen Ansprüche aktivlegitimiert. Sie begehren von der Beklagten jeweils den auf sie entsprechend ihren Miteigentumsanteilen entfallenden Teil der Kosten zur Herstellung des mangelfreien Zustands des Daches bzw zur Beseitigung von Mangelschäden.

Die Nebenintervenientin auf Seite der Kläger war bis Ende Mai 2018 Hausverwalterin der Liegenschaft und gab die Dachsanierung in Auftrag.

Das Erstgericht gab mit Zwischenurteil dem auf Leistung des jeweils auf ihren Miteigentumsanteil entfallenden Teils des Deckungskapitals der einzelnen Kläger dem Grunde nach statt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies die Klagebegehren ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision hinsichtlich des 3.-Klägers, des 5.-Klägers, der 12.-Klägerin, des 14.-Klägers, des 15.-Klägers und der 16.-Klägerin (Eigentümerpartnerschaft), der 18.-Klägerin, des 24.-Klägers und der 25.-Klägerin (Eigentümerpartnerschaft) sowie der 27.-Klägerin nicht zulässig sei; hinsichtlich der übrigen Kläger sei die Revision jedenfalls unzulässig, weil deren Ansprüche (jeweils) 5.000 EUR nicht überstiegen.

Dagegen führten der 3.-Kläger, der 5.-Kläger, die 12.-Klägerin, der 24.-Kläger und die 25.-Klägerin sowie die 27.-Klägerin einen Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO verbunden mit einer ordentlichen Revision aus. „In eventu“ erhob (nur) die 27.-Klägerin eine außerordentliche Revision „nach § 505 Abs 4 ZPO“. Die Nebenintervenientin erhob eine außerordentliche Revision „hinsichtlich aller Kläger“ und führte hilfsweise einen Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO verbunden mit einer ordentlichen Revision aus.

Das Erstgericht legte die Akten zur Entscheidung über die (primär erhobene) außerordentliche Revision der Nebenintervenientin im Hinblick auf die behauptete Zusammenrechnung der Ansprüche der Kläger gemäß „§ 55 Abs 1 Z 1 JN“ dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Nebenintervenientin ist nicht zulässig.

1. Die Geltendmachung von Deckungskapital durch Wohnungseigentümer zur Beseitigung von Mängeln an allgemeinen Teilen der Liegenschaft ist nach nunmehr einhelliger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs keine Gesamthandforderung (5 Ob 119/11b mwN). Auch wenn es sich bei der erstmaligen Herstellung eines mängelfreien Zustands um eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung handelt, ist dieser auf Geldleistung gerichtete und damit teilbare Anspruch dahin zu verstehen, dass mehreren Wohnungseigentümern jeweils nur der auf ihren Anteil entfallende Teil des eingesetzten Deckungskapitals zusteht (RIS-Justiz RS0013213 [T12] = RS0013214 [T10] = RS0017118 [T6]).

2. Grundlage für die geltend gemachten Ansprüche sind nach dem Klagevorbringen die von den ursprünglichen Erwerbern mit der Beklagten abgeschlossenen Kaufverträge. Bei Geldforderungen, wie einem ganz allgemein auf Geld gerichteten Schadenersatzanspruch, einem Begehren auf Ersatz der Verbesserungskosten oder des Sanierungsaufwands oder einem Preisminderungsbegehren, steht dem einzelnen Wohnungseigentümer nur ein aliquoter, seinem Miteigentumsanteil entsprechender Anspruch bei Mängeln an allgemeinen Teilen des Hauses – wie hier dem Dach – zu (7 Ob 110/19f mwN).

3. Eine von der Nebenintervenientin angestrebte Zusammenrechnung nach § 55 Abs 1 Z 1 JN kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die in der Klage geltend gemachten Forderungen nicht von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhoben werden. Eine solche Zusammenrechnung hätte nach § 55 Abs 1 Z 2 JN nur zu erfolgen, wenn die (ursprünglich) Berechtigten eine materielle Streitgenossenschaft im Sinn von § 11 Z 1 ZPO gebildet hätten, wenn sie also – nach dem Klagevorbringen –in Rechtsgemeinschaft gestanden oder aus demselben tatsächlichen Grund oder solidarisch berechtigt gewesen wären.

Eine Rechtsgemeinschaft als materielle Streitgenossenschaft muss sich nach der Rechtsprechung auf den Streitgegenstand „im engeren Sinn“ beziehen. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass eine Rechtsgemeinschaft im bloßen Vorfragenbereich nicht genügt (RS0035355 [T3]). Eine Rechtsgemeinschaft in Ansehung des Streitgegenstands liegt bei den hier – begehrt wird der Ersatz des Sanierungsaufwands – auf Geld gerichteten Ansprüchen der einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer, die die Grundlage in den jeweiligen Kaufverträgen haben, nicht vor (5 Ob 119/11b; vgl 7 Ob 110/19f).

Dass sich die Ansprüche aus demselben tatsächlichen Grund ergeben, erfordert das Vorliegen eines einheitlichen rechtserzeugenden Sachverhalts (RS0035528 [T1]). Die Mit- und Wohnungseigentümer sind auch nicht aus demselben tatsächlichen Grund berechtigt, leiten sie ihre Forderungen zwar aus gleichartigen, aber doch jeweils getrennten Vertragsverhältnissen ab, sodass der den jeweiligen Klagebegehren jeweils zugrunde liegende rechtserzeugende Sachverhalt nicht derselbe ist (7 Ob 110/19f).

Anders verhält es sich nur hinsichtlich des gemeinsamen Wohnungseigentums von Eigentümerpartnern nach § 13 WEG 2002, deren Ansprüche im selben Kaufvertrag gründen (5 Ob 119/11b; 7 Ob 110/19f).

Die Kläger sind als Wohnungseigentümer wegen der Verfolgung ihrer entsprechend den jeweiligen Miteigentumsanteilen berechneten Ansprüche nur formelle Streitgenossen. Damit hat eine Zusammenrechnung – mit Ausnahme der Ansprüche der Eigentümerpartner – zu unterbleiben. Mit Ausnahme der Zahlungsbegehren des 3.-Klägers, des 5.-Klägers, der 12.-Klägerin, des 14.-Klägers, des 15.-Klägers und der 16.-Klägerin (Eigentümerpartnerschaft), des 18.-Klägers, des 24.-Klägers und der 25.-Klägerin (Eigentümerpartnerschaft) sowie der 27.-Klägerin übersteigt der jeweilige Wert des Entscheidungsgegenstands in zweiter Instanz hinsichtlich der Ansprüche der übrigen Kläger auch unter Berücksichtigung jener Fälle, in denen eine Eigentümerpartnerschaft besteht und damit eine Zusammenrechnung der jeweiligen Ansprüche naheliegt, nicht 5.000 EUR. Insoweit ist die Revision jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO).

4. Die Zulässigkeit der Revision richtet sich hinsichtlich der zuletzt ausdrücklich genannten Kläger nach § 502 Abs 3 ZPO, weil hinsichtlich ihrer Ansprüche der berufungsgerichtliche Entscheidungsgegenstand zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen ist ein außerordentliches Rechtsmittel nicht zulässig, weshalb die außerordentliche Revision zurückzuweisen ist.

Das Erstgericht wird das Rechtsmittel der Nebenintervenientin – ebenso wie die der weiteren Rechtsmittelwerber – dem Berufungsgericht zur Entscheidung über den hilfsweise erhobenen Antrag gemäß § 508 Abs 1 ZPO vorzulegen haben.

Textnummer

E129604

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00146.20G.0923.000

Im RIS seit

12.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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