TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/23 W241 2231203-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.06.2020
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Entscheidungsdatum

23.06.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs3 Z1

Spruch

W241 2231203-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. Volksrepublik China, vertreten durch RA Dr. Wolfgang WEBER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.04.2020, Zl. 800968200/190160948, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 52 Abs. 4, Abs. 9, 46 und 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG mit der Maßgabe abgewiesen, dass Spruchpunkt II. zu lauten hat: „Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Volksrepublik China zulässig ist.“

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF), eine Staatsangehörige der Volksrepublik China, stellte (unter Angabe einer falschen Identität) am 15.10.2010 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid vom 01.08.2011 rechtskräftig abgewiesen wurde.

2. Sie verblieb in Österreich und schloss im Jahr 2011 die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger. Die Ehe wurde im Jahr 2016 geschieden.

3. Der BF wurde am 24.04.2012 erstmals ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ erteilt, der mehrmals, zuletzt bis zum 23.04.2018, verlängert wurde. Ab 25.04.2018 verfügte sie über eine „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“, gültig bis 25.04.2021.

4. Von 30.01.2017 bis 05.02.2018 war die BF nicht im Bundesgebiet gemeldet.

5. Am 23.07.2019 wurde die BF wegen Menschenhandels (§ 104a StGB), versuchter Bestimmung zur falschen Beweisaussage (§§ 15 Abs. 1, 12 2. Fall, 288 Abs. 1 und 4 StGB), Bestimmung der unmittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung (§§ 12 2. Fall, 288 Abs. 1 StGB) und Betrugs (§ 146 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten bedingt verurteilt.

6. In einer Einvernahme vor dem BFA am 10.01.2020 gab die BF an, dass sie sich seit dem Jahr 2000 in Österreich aufhalte. Im Jahr 2016 sei sie nach China zurückgekehrt und im Jänner 2018 wieder nach Österreich eingereist. Sie sei geschieden und habe keine Kinder, zu ihrem Exmann habe sie keinen Kontakt. Sie sei die Chefin in einem Bordell und arbeite auch dort, sie könne damit ihren Lebensunterhalt bestreiten. Sie habe einen Deutschkurs A2 absolviert und gehe regelmäßig in einen buddhistischen Tempel. In China lebten ihre Eltern und zwei Schwestern.

7. Am 25.02.2019 wurde die BF vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und ihr Gelegenheit gegeben, zu den aktuellen Länderberichten zu Volksrepublik China sowie zu ihrer persönlichen Situation Stellung zu nehmen.

Die BF gab keine Stellungnahme ab.

8. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 15.04.2020 wurde gemäß § 52 Abs. 3 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gegen die BF erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen sie ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde der BF eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.).

Eine Rückkehrentscheidung aufgrund des § 52 Abs. 4 Z 4 FPG sei zu erlassen, weil die BF rechtskräftig wegen §§ 146, 15, 288 104a, 228 StGB verurteilt worden sei Sie gefährde mit ihrem Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit und sei offensichtlich nicht gewillt, sich an die Rechtsvorschriften zu halten. Die BF halte sich erst seit 27.01.2018 erneut im österreichischen Bundesgebiet auf, weshalb ein Eingriff (durch die Rückkehrentscheidung) in ihr Privatleben als äußerst gering betrachtet werden könne. Ein schützenswertes Privat-oder Familienleben in Österreich bestehe nicht. Die BF habe den Großteil ihres Lebens nicht in Österreich verbracht. Die öffentlichen Interessen an der öffentlichen Ordnung und Sicherheit würden das persönliche Interesse der BF an einem Verbleib in Österreich überwiegen. Aus den Feststellungen zur Volksrepublik China ergebe sich keine Gefährdung ihrer Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK. Zum Einreiseverbot wurde aufgeführt, dass die Verurteilung aktuell sei und es sich bei der Tat um ein massives Verbrechen handle.

9. Gegen diesen Bescheid erhob die BF fristgerecht Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt, dass die der Verurteilung zugrundeliegenden Tathandlungen bereits fünf Jahre zurückliegen würden und die BF darüber hinaus keine weiteren Probleme mit österreichischen Behörde oder Gerichten gehabt habe. Sie lebe seit Jahren in Österreich, spreche Deutsch, erziele ein entsprechendes Einkommen und sei hier integriert.

10. Am 18.06.2020 wurden ein Einkommenssteuerbescheid der BF und ein Deutschzertifikat A2 nachgereicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF ist Staatsangehörige der Volksrepublik China.

Sie stellte unter Angabe einer falschen Identität am 15.10.2010 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid vom 01.08.2011 rechtskräftig abgewiesen wurde.

Der BF wurde am 24.04.2012 erstmals ein Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ erteilt, der mehrmals, zuletzt bis zum 23.04.2018, verlängert wurde. Ab 25.04.2018 verfügte sie über eine „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“, gültig bis 25.04.2021.

Die BF ist ab dem 04.07.2011 im Bundesgebiet gemeldet. Von 30.01.2017 bis 05.02.2018 war die BF nicht im Bundesgebiet gemeldet. Laut eigenen Angaben verließ sie Österreich im Jahr 2016. Aus einem Einreisestempel in ihren Reisepass geht hervor, dass sie am 27.01.2018 wieder in das Bundesgebiet einreiste.

Am 23.07.2019 wurde die BF wegen Menschenhandels (§ 104a StGB), versuchter Bestimmung zur falschen Beweisaussage (§§ 15 Abs. 1, 12 2. Fall, 288 Abs. 1 und 4 StGB), Bestimmung der unmittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung (§§ 12 2. Fall, 288 Abs. 1 StGB) und Betrugs (§ 146 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten bedingt verurteilt.

Die BF hat in China zwölf Jahre die Schule besucht und als Verkäuferin gearbeitet. Dort leben ihre Eltern und zwei Schwestern.

Die BF hat in Österreich keine Familienangehörigen. Zu ihrem geschiedenen Mann besteht kein Kontakt. Sie betreibt ein Bordell, in dem sie auch selbst als Prostituierte arbeitet, und ist durch diese Einkünfte selbsterhaltungsfähig. Sie verfügt über keine näheren sozialen Kontakte in Österreich, sie ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation und geht keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Sie verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 und besucht regelmäßig einen buddhistischen Tempel in Wien.

1.2. Zur Situation in der Volksrepublik China:

GRUNDVERSORGUNG UND WIRTSCHAFT

Die chinesische Gesellschaft hat durch die soziale Dynamik, die durch die wirtschaftlichen Reformen ausgelöst wurde, in den letzten vier Jahrzehnten insgesamt an Offenheit gewonnen. Die Lebensbedingungen haben sich für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung deutlich verbessert und erlauben im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich ein höheres Maß an persönlicher Freiheit (AA. 3.2019a). In den Jahren von 2000 bis 2010 erreichte China ein Wirtschaftswachstum zwischen 8 und 14 Prozent und stieg zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt auf (GIZ 12.2019b). Mit dem Aufschwung geht auch eine wachsende ökonomische Macht einher (LVAk 9.2019). An der Kaufkraft bemessen ist China seit 2014 die weltweit größte Volkswirtschaft. Das nominale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf stieg im Jahr 2018 weiter auf prognostizierte 10.088 USD (2017 8.643 USD). Gegenüber 2008 hat sich das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in China somit mehr als verdoppelt. China hält die weltweit höchsten Devisenreserven. Chinas Bedeutung für die weltweite Konjunktur hat weiter zugenommen. Seit 2007 verlangsamt sich das Wachstum der chinesischen Volkswirtschaft. 2017 erreichte das Wachstum noch 6,9 Prozent. Innerhalb des Landes gibt es enorme regionale und soziale Unterschiede (AA 3.2019b). Der Wohlstand innerhalb der chinesischen Gesellschaft ist ausgesprochen ungleich verteilt (AA. 3.2019a).

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist seit einigen Jahren gewährleistet (AA 22.12.2019), doch kam es in den letzten Jahren zu einem rasanten Anstieg der Nahrungsmittelpreise (ÖB 11.2019). Trotz beispielloser Erfolge bei der Armutsbekämpfung geht die Food and Agriculture Organization (FAO) davon aus, dass derzeit noch über 124,5 Millionen Personen unterernährt sind. Die ländliche Bevölkerung ist bezüglich der Nahrungsmittelsicherheit, vor allem in den unterentwickelten Westgebieten, strukturell benachteiligt (GIZ 12.2019b). Der Lebensstandard der Bevölkerung steigt kontinuierlich an, der Abstand zwischen Stadt- und Landbevölkerung, deren Einkommen im Vergleich zur Stadt lediglich etwa ein Drittel beträgt, ist seit den 90er-Jahren kontinuierlich gewachsen (AA 22.12.2019). Neben Armutsproblemen hat China vor allem mit einer immer stärkeren Einkommensungleichheit zu kämpfen. Die Volksrepublik hat einen Gini-Koeffizienten von 0,46 (GIZ 12.2019b). Damit liegt China nach wie vor über der Grenze, die nach der Definition der Vereinten Nationen eine extreme Ungleichheit anzeigt (0,4). Noch leben mehr als 565 Millionen Chinesen auf dem Land (statista 27.6.2019), Das aktuelle Pro-Kopf-Einkommen lag 2018 bei 39.251 Yuan, wohingegen auf dem Land nur 14.617 Yuan verdient wurden (AA 12.2019b).

Trotz des laufenden Ausbaus des Sozialsystems bleibt angesichts des niedrigen Niveaus der Sozialleistungen die familiäre Solidarität in Notfällen ein entscheidender Faktor. Die meisten sozialen Leistungen sind zudem an die Wohnrechtsregistrierung („Hukou-System“) gekoppelt, befindet sich diese auf dem Land, ist mit einem noch niedrigeren Niveau an staatlicher Hilfeleistung zu rechnen. Eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt in den ländlichen Regionen ist oft sehr schwierig (ÖB 11.2019).

Seit 2012 geht die chinesische Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter kontinuierlich zurück. Um die Finanzierbarkeit der Pensionen zu gewährleisten, plant China eine Senkung der mit 10 Prozent sehr hohen jährlichen Anpassung der Rentenhöhe und die Erhöhung des Pensionsantrittsalters (derzeit generell Männer mit 60 Jahren, Frauen mit 55 Jahren, tatsächliches durchschnittliches Renteneintrittsalter 53 Jahre) (ÖB 11.2019). Provinzen, die nicht über genügend eigene Mittel verfügen, erhalten Subventionen von der Zentralregierung (AA 3.2019b).

Die stetig zunehmende Überalterung der Bevölkerung wird immer mehr als Problem für das Sozialsystem wahrgenommen, die Zahl der Menschen über 60 Jahren stieg 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 3 Prozent auf 16,15 Prozent an. Seit 2012 geht die chinesische Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter kontinuierlich zurück und betrug 2014 mit 915,83 Millionen Menschen um 3,71 Millionen Menschen weniger als im Vorjahr. Die Lockerung der Ein-Kind-Politik auf eine generelle Zwei-Kind-Politik war im Hinblick auf die angestrebte Erhöhung der Geburtenquote bisher ein Fehlschlag. Laut offiziellen Daten ist bereits eine/r von sechs unter den 270 Millionen Wanderarbeiter im Pensionsalter, hat jedoch kein Anrecht auf Pension und muss daher unter schwierigen Bedingungen weiterarbeiten (ÖB 11.2019).

China verkündete Ende 2014, die Abdeckung von 95 Prozent der Bevölkerung mit grundlegender Krankenversicherung (basic health insurance) erreicht zu haben. In der Praxis bestehen jedoch große Unterschiede in Qualität und Umfang der Absicherung. Ärztliche Behandlungskosten müssen von Patient im Voraus bezahlt werden. Die meisten Versicherten erhalten eine Kostenerstattung bei jährlichen Kosten bis 1.300 RMB (179 EUR), darüber hinausgehende Kosten müssen selbst getragen werden. Allerdings erhalten Bedienstete von Staatsbetrieben nahezu kompletten Kostenersatz. Obwohl die chinesische Regierung kontinuierlich immer mehr Geld in das Gesundheitswesen investiert (2014 plus 11 Prozent gegenüber 2013 und damit 5,7 Prozent des BIP) ist die Abdeckung für untere Einkommensschichten oder bei chronischen Krankheiten ungenügend. Besonders auf dem Land investieren häufig arme Familien ihre gesamten Ersparnisse in die Behandlung kranker Familienmitglieder und ist Krankheit somit ein häufiger Armutsfaktor. Die Zahl der chronisch und schwerkranken Menschen steigt darüber hinaus angesichts der wachsenden Krebsrate (Umweltprobleme) und der Änderung der Lebensgewohnheiten durch Zivilisationskrankheiten. Selbst staatliche Krankenhäuser müssen sich weitgehend selbstständig finanzieren, und tun dies vor allem durch extensives Verschreiben überteuerter Medikamente. Der Arztberuf genießt in China relativ geringes Ansehen, Ärzte können von ihrem Grundgehalt kaum leben und es herrscht akuter Mangel an qualifiziertem Personal. Die große Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Gesundheitssystem äußert sich regelmäßig in gewalttätigen Übergriffen gegen medizinisches Personal (ÖB 11.2019).

Das chinesische Sozialsystem deckt folgende Gruppen ab:

•        Senioren: Personen über 60Jahre, arbeitsunfähig, ohne Einkommen, ohne Unterhaltszahlungen und Beihilfe oder deren Angehörige sie nicht unterstützen können.

•        Waisen ohne Verwandtschaft.

•        Ausgesetzte Babys und Kinder, deren biologischen Eltern nicht auffindbar sind (IOM 2019).

Das seit 2014 bestehende Programm zur Sicherung des Existenzminimums („di bao“) ähnelt der Sozialhilfe. Derzeit ist eine lokale Wohnmeldung („Hukou-System“) vorausgesetzt, weshalb die Millionen Wanderarbeiter in Städten in der Regel keinen Anspruch haben. Ein nationales Gesetz ist seit Jahren in Planung, bisher jedoch nicht verabschiedet, da unklar ist wie eine überregionale Bedarfsprüfung angesichts der Mobilität der Bevölkerung und der Größe des Landes bewerkstelligt werden kann. Die Höhe des „di bao“ wird regional festgelegt und beträgt in Städten durchschnittlich 373 RMB (ca. 52 EUR) und auf dem Land 203 RMB (28 EUR). Ende 2014 gab es in den Städten lediglich 18,8 Millionen und in ländlichen Gebieten nur 52,1 Millionen Bezugsberechtigte (ÖB 11.2019).

Laut einem Beschluss des Staatsrats vom 11. Oktober 2016 sollen bis 2020 allerdings 100 Millionen Chinesen, die ohne städtischen „Hukou“ (Meldeberechtigung) bereits „ständig“ in Städten leben, Zugang zu sozialen Leistungen wie medizinischer Versorgung und Bildung erhalten. Bisher verfügten nur 39,9 Prozent der Stadtbewohner über einen städtischen Hukou mit Zugang zu sozialen Leistungen, dieser Prozentsatz solle in den kommenden 5 Jahren auf 45 Prozent steigen. Entsprechende Durchführungsverordnungen wurden bisher nicht erlassen. Die Maßnahmen betreffen jedoch nicht einmal die Hälfte der derzeit geschätzten 277 Millionen Wanderarbeiter (ÖB 11.2019).

Die Regierung will bis 2020 mit Hilfe eines entwicklungsorientierten Programms zur Armutsreduzierung in ländlichen Regionen gezielt in die soziale Infrastruktur von besonders zurückgebliebenen Schlüsselregionen investieren. Erklärtes Ziel der Regierung ist die Verdoppelung der Einkommen bis 2020. (AA 14.12.2018).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt (22.12.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

•        AA - Auswärtiges Amt (3.2019a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html, Zugriff 28.8.2017

•        AA - Auswärtiges Amt (3.2019b): China - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/china-node/-/200468, Zugriff 10.10.2017

•        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019b): China – Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/china/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 24.1.2020

•        IOM - International Organisation for Migration (2019): Länderinformationsblatt China 2019, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_China_DE.pdf, Zugriff 28.11.2019

•        ÖB Peking (11.2019): Asylländerbericht Volksrepublik China

•        LVAk – Landesverteidigungsakademie (9.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.):Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 1.2019, S.191

MEDIZINISCHE VERSORGUNG

Die finanzielle Absicherung im Krankheitsfall ist nach wie vor ungenügend. Obwohl 95 Prozent der Bevölkerung über Krankenversicherungsprogramme abgesichert sind, stellen Krankheiten, die intensive ärztliche und/oder therapeutische Behandlungen erfordern, für Bezieher durchschnittlicher und niedriger Einkommen nach wie vor enorme, häufig existenzbedrohende finanzielle Belastungen dar. Wie auch in anderen Politikfeldern herrscht im Gesundheitswesen ein gravierendes Stadt-Land-Gefälle vor. Elementare medizinische Dienstleistungen sind in abgelegenen ländlichen Gebieten kaum vorhanden, eine zeitnahe ärztliche Versorgung kaum möglich, und die vorhandenen Krankenhäuser sind schlecht ausgestattet. Auch wer in einer städtischen Krankenversicherung versichert ist, muss einen großen Teil der Behandlungskosten selbst tragen, da die Erstattungsbeträge aus der Krankenversicherung in der Regel nicht mehr als 60 Prozent betragen (IOM 2019; vgl. AA 22.12.2019).

Die meisten Versicherten erhalten eine Kostenerstattung bei jährlichen Kosten bis 1.300 RMB (179 EUR), darüber hinausgehende Kosten müssen selbst getragen werden. Allerdings erhalten Bedienstete von Staatsbetriebe nahezu kompletten Kostenersatz. Obwohl die chinesische Regierung kontinuierlich immer mehr Geld in das Gesundheitswesen investiert (2014 plus 11 Prozent gegenüber 2013 und damit 5,7 Prozent des BIP) ist die Abdeckung für untere Einkommensschichten oder bei chronischen Krankheiten ungenügend. Besonders auf dem Land investieren häufig arme Familien ihre gesamten Ersparnisse in die Behandlung kranker Familienmitglieder und ist Krankheit somit ein häufiger Armutsfaktor. Die Zahl der chronisch- und schwerkranken Menschen steigt darüber hinaus angesichts der wachsenden Krebsrate (Umweltprobleme) und der Änderung der Lebensgewohnheiten durch Zivilisationskrankheiten (ÖB 11.2019).

In China gibt es keine niedergelassenen, sondern nur in den Kliniken angestellte Ärzte (coliquio 10.8.2018). Krankenhäuser sind sowohl in großen, als auch in kleinen Städten zu finden (IOM 2019). Der Arztberuf genießt in China relativ geringes Ansehen, Ärzte können von ihrem Grundgehalt kaum leben und es herrscht akuter Mangel an qualifiziertem Personal. Die große Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Gesundheitssystem äußert sich regelmäßig in gewalttätigen Übergriffen gegen medizinisches Personal. Staatliche Krankenhäuser müssen sich weitgehend selbstständig finanzieren, und tun dies vor allem durch extensives Verschreiben überteuerter Medikamente (ÖB 11.2019).

Der Markt für Medikamente in China ist relativ gut entwickelt. Grundsätzlich sind Medikamente im ganzen Land erhältlich. Während die Kosten für lokal hergestellte Medikamente gering sind, ist importierte Medizin mit besonderen Wirkstoffen sehr teuer (IOM 2019).

Seit März 2016 wurde eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, darunter eine Anhebung der Kostenerstattung für Patient, die Anhebung der Zahl der Ärzte auf 70.000, die zentralisierte Beschaffung von Medikamenten für Spitäler, die Verbesserung des Remunerationssystems in Gemeindespitälern auf Leistungsbasis, und der Aufbau eines nationalen Netzwerks für die Kostenerstattung in der Krankenversicherung, sodass Kosten landesweit erstattet werden können (ÖB 11.2019).

Die Hygiene mag nicht europäischen Vorstellungen entsprechen. In den großen Städten finden sich sehr große Klinikzentren mit modernster Ausstattung, wohingegen auf dem Land die Versorgung noch sehr einfach sein kann (AA 22.1.2020).

Obwohl die chinesische Regierung kontinuierlich immer mehr Geld in das Gesundheitswesen investiert, ist die Abdeckung für untere Einkommensschichten oder bei chronischen Krankheiten ungenügend (ÖB 11.2019).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt (22.12.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

•        AA - Auswärtiges Amt (22.1.2020): China: Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/ChinaSicherheit_node.html, Zugriff 23.1.2020

•        coliquio (10.8.2018): Als Arzt in China: Keine Halbgötter in Weiß, https://www.als-arzt-ins-ausland.de/china, Zugriff 10.10.2019

•        IOM - International Organisation for Migration (2019): Länderinformationsblatt China 2019, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_China_DE.pdf, Zugriff 28.11.2019

•        ÖB Peking (11.2019): Asylländerbericht Volksrepublik China

RÜCKKEHR

Grundsätzlich erfolgen lückenlose, automatisierte Kontrollen an den Grenzkontrollstellen (ÖB 12.2018). Ein Asylantrag allein ist nach chinesischem Recht kein Straftatbestand. Personen, die China illegal, etwa unter Verletzung der Grenzübertritts-Bestimmungen verlassen haben, können bestraft werden (AA 22.12.2019). Einige Gruppen (v.a. Angehörige der Minderheiten der Uighuren und Tibeter) sowie als politische- bzw. Menschenrechtsaktivisten eingestufte oder im „Shuanggui“ System [ein nicht gesetzlich geregeltes Verfahren, welches eine zeitlich nicht näher begrenzte Arrestierung erlaubt]“ verfolgte Personen riskieren nach ihrer Rückkehr nach China regelmäßig unfaire Verfahren (ÖB 11.2019).

Besondere Aufmerksamkeit widmet die chinesische Führung führenden Mitgliedern der Studentenbewegung von 1989, soweit sie noch im Ausland aktiv sind. Dies gilt auch für bekannte Persönlichkeiten, die eine ernstzunehmende Medienresonanz im westlichen Ausland hervorrufen. Eine Überwachung oder sogar Gerichtsverfahren gegen diese Personen sind bei Rückkehr in die VR China nicht auszuschließen (AA 22.12.2019).

Oppositionelle Betätigung im Ausland kann zu Problemen führen, wenn die Behörden der Ansicht sind, dass „Verbrechen gegen die nationale Sicherheit“ (etwa Verrat von Staatsgeheimnissen, Separatismus, Terrorismus) begangen wurden (ÖB 11.2019).

Peking fordert andere Regierungen auf, Uiguren, die aus China geflohen sind, in ihre Heimat rückzuführen (NYP 22.9.2019). In den letzten Jahren kam es, vermutlich auf chinesischen Druck, immer wieder zur Abschiebung von uigurischen Asylwerbern aus Nachbarländern, zumeist aus Kambodscha, Thailand, Pakistan und Malaysia (ÖB 11.2019). Mitunter werden auch uigurische Studenten auf Ansuchen Pekings rückgeführt. Solchen Ersuchen kommen beispielsweise Staaten wie Ägypten oder Pakistan nach, indem sie ausliefern (SZ 12.4.2019).

Die Rückkehrsituation für mittellose, kinderreiche Personen ohne Aussicht auf einen Arbeitsplatz und ohne familiäre Anbindung in China, insbesondere auf dem Land, ist als schwierig zu beurteilen (ÖB 12.2018).

Quellen:

•        AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

•        NYP – New York Post (22.9.2019): Pompeo blasts China’s treatment of minority Uighurs, https://nypost.com/2019/09/22/pompeo-blasts-chinas-treatment-of-minority-uighurs/, Zugriff 23.1.2020

•        ÖB Peking (11.2019): Asylländerbericht Volksrepublik China

•        SZ – Süddeutsche Zeitung (12.4.2019): Wo die Moscheen verschwinden, https://www.sueddeutsche.de/politik/china-und-die-uiguren-wo-die-moscheen-verschwinden-1.4407686, Zugriff 26.11.2019

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakten und wurden von der BF nicht bestritten.

Aus dem Akt ergeben sich keine Hinweise, dass sich die BF vor ihrer Asylantragstellung am 15.10.2010 im Bundesgebiet aufgehalten hätte. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass es sich bei der Aussage der BF in ihrer Einvernahme vor dem BFA am 10.01.2020, wonach sie seit 2000 in Österreich lebe, um einen Schreibfehler handelt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zu Spruchpunkten I., II. und IV. des angefochtenen Bescheids:

Die BF, eine chinesische Staatsangehörige – somit eine Drittstaatsangehörige – verfügt über einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“, gültig bis 25.04.2021, und ist daher rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Gemäß § 52 Abs. 4 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, zu erlassen, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht.

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet.

Gemäß § 11 Abs. 4 Z 1 NAG widerstreitet der Aufenthalt eines Fremden dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Gemäß § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 2Z 1 bis 7 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

?        die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war

?        das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

?        die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

?        der Grad der Integration,

?        die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

?        die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

?        Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

?        die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

?        die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Art. 8 Abs. 2 EMRK erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinne wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung sind insbesondere die Dauer des Aufenthaltes, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung maßgeblich. Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (Vgl. VfGH vom 29.09.2007, B 1150/07-9).

Der Verfassungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass bereits die Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung), nicht erst deren Vollzug einen Eingriff in das durch Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt (vgl. die bei Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, Seite 344 zitierte Judikatur des VfGH).

Entsprechend der Rechtsprechung des EGMR als auch jener des Verfassungsgerichtshofes muss der Eingriff hinsichtlich des verfolgten legitimen Zieles verhältnismäßig sein.

Die Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu.

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen neben den zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienleben bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.6.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 7.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 5.7.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Als Kriterien hiefür kommen in einer Gesamtbetrachtung etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Intensität und die Dauer des Zusammenlebens bzw. die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Sich bei der Prüfung allein auf das Kriterium der Abhängigkeit zu beschränken, greift jedenfalls zu kurz (vgl. VwGH vom 26.1.2006, Zl. 2002/20/0423).

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Es ist daher vom Bundesverwaltungsgericht eine Interessenabwägung nach § 9 Abs. 2 BFA-VG, § 11 Abs. 3 NAG und Art. 8 Abs. 2 EMRK vorzunehmen.

Die BF hielt sich ab Oktober 2010 bis zum Jahr 2016, zunächst als Asylwerberin, dann auf Basis eines Aufenthaltstitels, in Österreich auf. Laut eigenen Angaben kehrte sie im Jahr 2016 nach China zurück, wo sie sich mindestens ein Jahr aufhielt, um dann im Jänner 2018 wieder nach Österreich zurückzukehren. Die BF war damit zwar mehrere Jahre rechtmäßig in Österreich aufhältig, dieser Aufenthalt wird jedoch durch relativiert, dass sie sich von 2016 bis 2018 in China aufhielt. Sie ist erst seit Jänner 2018, also etwa zweieinhalb Jahre, wieder durchgehend in Österreich aufhältig.

Die BF führt keine Lebensgemeinschaft in Österreich und es leben keine ihrer Familienangehörigen hier.

Sie hat Deutschkenntnisse auf Niveau A2 nachgewiesen. Soziale Kontakte wurde im Verfahren nicht vorgebracht. Die BF betreibt selbstständig ein Bordell, in dem sie auch selbst tätig ist.

Hingegen leben ihre Eltern und zwei Schwestern in China. Sie hat den Großteil ihres Lebens in China verbracht. Dass die BF noch eng mit ihrem Herkunftsland verbunden ist, zeigt sich auch dadurch, dass sie im Jahr 2016 dorthin zurückkehrte, um sich einem chirurgischen Eingriff (Brustvergrößerung) zu unterziehen, anstatt diesen in Österreich durchführen zu lassen.

Auf Grundlage des Vorbringens der BF im Verfahren kann kein schützenswertes Privatleben in Österreich erkannt werden, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung unverhältnismäßig erscheinen lasse.

Die BF ist während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet wegen Menschenhandels, versuchter Bestimmung zur falschen Beweisaussage, Bestimmung der unmittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung und Betrugs verurteilt. Sie hatte im Zeitraum von Oktober 2015 bis Mai 2016 insgesamt 17 chinesische Staatsangehörige unter Ausnützung einer Zwangslage zu sexuellen Ausbeutung durch Prostitutionsausübung vermittelt. Weiters hatte sie fünf dieser Frauen dazu angehalten, im Ermittlungsverfahren wahrheitswidrige Angaben zu machen. Eine der Frauen wurde von ihr auch dazu aufgefordert, bei ihrer Asylantragstellung einen falschen Namen anzugeben. Schließlich hatte sie eine der Frauen durch die Behauptung, 1 000,- € für die Bezahlung eines Rechtsanwaltes für ihr Asylverfahren zu benötigen, am Vermögen geschädigt sowie eine Hotelrechnung und ein ihr gewährtes Darlehen nicht beglichen. Die genannten Straftaten stellen nicht nur einen erheblichen Eingriff in die körperliche Integrität und sexuelle Selbstbestimmung der Opfer dar, sondern erschwerte die BF durch ihr Verhalten auch die strafrechtlichen Ermittlungen und schädigte mehrere Personen am Vermögen. Ihr Aufenthalt stellte daher eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung du Sicherheit dar.

Bei der Prognose ihres weiteren Verhaltens ist zu berücksichtigen, dass diese Handlungen weder auf jugendlichem Leichtsinn noch einer Notlage beruhten. Vielmehr beging die BF diese Straftaten über mehrere Monate in Zusammenarbeit mit einer kriminellen Vereinigung, die junge chinesische Frauen aus China unter falschen Versprechungen nach Österreich lockte, um sie hier unter Zwang der Prostitution zuzuführen. Dies deutet auf ihren mangelnden Respekt nicht nur vor der österreichischen Rechtsordnung, sondern auch vor der körperlichen Integrität und dem Vermögen anderer Personen hin. Ihr zum Entscheidungszeitpunkt knapp einjähriges Wohlverhalten (seit der Verurteilung) ist angesichts des gravierenden strafbaren Verhaltens noch nicht ausreichend, um zu einer positiven Prognose ihres Verhaltens gelangen zu können. Das Bundesverwaltungsgericht geht vor diesem Hintergrund im Entscheidungszeitpunkt davon aus, dass der weitere Aufenthalt der BF im Bundesgebiet der öffentlichen Ordnung und dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Straftaten entgegensteht.

Diesem öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Straftaten hat die BF in erheblichem Ausmaß durch eine Vielzahl an Strafhandlungen zuwider gehandelt. Daher überwiegt das Interesse an der öffentlichen Ordnung und an der Verhinderung von Straftaten ihr privates Interesse am Weiterverbleib in Österreich.

Eine Rückkehrentscheidung gegen die BF gemäß § 52 Abs. 4 Z 4 FPG erweist sich somit als zulässig.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Eine Verfolgung im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG hat die BF nicht vorgebracht. Auch eine Gefahr der Verletzung ihrer durch Art 2 und 3 EMRK geschützten Rechte ist nicht zu erkennen. Die BF hat in China die Schule besucht und gearbeitet. Sie konnte schon vor ihrer Ausreise nach Österreich eigenständig in China leben und hat nie vorgebracht, sich in China in einer existentiellen Notlage befunden zu haben. Weiters verfügt sie in China über familiäre Anknüpfungspunkte. Als Zivilperson wäre sie in China keiner Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt.

Auch wenn es momentan zu einzelnen Einschränkungen im Sozial- als auch Wirtschaftsleben aufgrund des Coronavirus, insbesondere in einzelnen Provinzen Chinas kommt bzw. gekommen ist, so kann alleine deshalb noch nicht von einer derart gravierenden Lageänderung im gesamten Staatsgebiet von China gesprochen werden, sodass es diesbezüglich zu einer verfahrensrelevant wesentlich veränderten Situation in Herkunftsstaat der BF, China, gekommen wäre bzw. die BF nunmehr alleine deshalb bei einer Rückkehr einer verfahrensrelevanten Gefährdung im Sinne insbesondere des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Vielmehr ist auch auf die Corona-Pandemie in China bezogen festzuhalten, dass aufgrund der aktuellen Länderfeststellungen eine grundsätzliche, auch medizinische, Versorgung in China vorhanden und ein Zugang der BF zu dieser für die BF als chinesische Staatsbürgerin bei einer Rückkehr auch möglich ist.

Konkret auf das Coronavirus in China bezogen ist auszuführen, dass es in China aktuell zu einem erheblichen Rückgang der Neuinfektionen auf nur mehr wenige neue Fälle im gesamten Staatsgebiet von China gekommen ist. Die gegenwärtige Lage hat sich in China insbesondere bezogen auf die Corona-Pandemie gegenwärtig derart entspannt, sodass die mit Ende Jänner 2020 verhängten Ausgangsbeschränkungen mittlerweile weitgehend aufgehoben worden konnten bzw. es wieder zu einer Aufnahme des gesellschaftlichen Lebens, der Reisefreiheit, bzw. auch der Produktion, dies selbst in den am meisten betroffenen Provinzen Chinas wie Hubei und der Stadt Wuhan, gekommen ist. Auch ist festzuhalten, dass die BF als eine gesunde Frau von 42 Jahren nicht einer der bezogen auf das Coronavirus besonders vulnerablen Gruppe, wie etwa alte oder kranke Personen, angehört. Dass die BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aufgrund der gegenwärtigen weltweiten Corona-Pandemie einer relevanten Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK im gesamten Staatsgebiet von China mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre, kann aufgrund sämtlicher vorliegenden Informationen betreffend die Lage in China nicht angenommen werden bzw. wurde ein solches Vorbringen auch in der Beschwerdeschrift nicht vorgebracht.

Eine Abschiebung der BF erweist sich somit gemäß § 50 FPG als zulässig.

In Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids über die Zulässigkeit der Abschiebung fehlt der Herkunftsstaat der BF. Aus dem Inhalt des Bescheides geht jedoch eindeutig hervor, dass eine Abschiebung der BF, die chinesische Staatsangehörige ist, nur nach China in Frage kommt. Spruchpunkt II. war daher entsprechend zu korrigieren.

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung, sofern nicht besondere Umstände die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, überwiegen. Da solche Umstände vom der BF nicht vorgebracht wurden und auch sonst im Verfahren nicht hervorgekommen sind, war die Frist zu Recht mit 14 Tagen festzulegen.

3.2. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids:

Der mit "Einreiseverbot" betitelte § 53 FPG lautet wie folgt:

„§ 53 (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(1a) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1.         wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
2.         wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3.         wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
4.         wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
5.         wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6.         den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7.         bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
8.         eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder
9.         an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
1.         ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
2.         ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;
3.         ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
4.         ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;
5.          ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
6.         auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);
7.         auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
8.         ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.“

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 15.12.2011, Zahl 2011/21/0237 zur Rechtslage vor dem FPG idgF (in Kraft seit 01.01.2014) erwogen, dass bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes nach dem FrÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (vgl ErläutRV, 1078 BlgNR 24. GP 29 ff und Art 11 Abs 2 Rückführungs-RL) sei. Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 anzunehmen. In den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 8 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert, was dann die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von bis zu zehn Jahren und, liegt eine bestimmte Tatsache im Sinn der Z 5 bis 8 vor, von unbefristeter Dauer ermöglicht. Zudem ist festzuhalten, dass - wie schon nach bisheriger Rechtslage (vgl. VwGH 20.11.2008, 2008/21/0603) - in Bezug auf strafgerichtliche Verurteilungen nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern immer auf das zugrundeliegende Verhalten (arg.: Einzelfallprüfung) abzustellen ist. Maßgeblich sind Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild; darauf kommt es bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots an.

§ 53 Abs. 3 FPG idgF hat im Vergleich zur Rechtslage vor dem 01.01.2014 keine inhaltliche Änderung erfahren. Daraus ist zu schließen, dass auch in Bezug auf die vom VwGH statuierten (obgenannten) Kriterien, die bei der Verhängung des Einreiseverbots und seiner Dauer zur Anwendung gelangen sollen, kein Wandel stattgefunden hat. Aus diesem Grund erachtet das Bundesverwaltungsgericht diese auch nach wie vor als anwendbar.

Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose – gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot – ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.02.2013, Zl. 2012/18/0230).

Bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes ist nach dem FrÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (vgl ErläutRV, 1078 BlgNR 24. GP 29 ff und Art 11 Abs 2 Rückführungs-RL). Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittst

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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