TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/14 W283 2224565-9

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.08.2020
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Entscheidungsdatum

14.08.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch

W283 2224565-9/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Stefanie OMENITSCH als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1122049000 – 190934565 zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 11.07.2016 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Mit Bescheid vom 09.06.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab und erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Es wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde, die mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.04.2020 abgewiesen wurde.

3. Der Beschwerdeführer wurde straffällig und rechtskräftig verurteilt.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 01.10.2019 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. Unter einem wurde ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach der Entlassung des Beschwerdeführers aus der (Straf-)Haft eintreten.

Nach Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft wurde der Schubhaftbescheid am 16.10.2019 in Vollzug gesetzt.

5. Am 08.11.2019 stellte der Beschwerdeführer – im Stande der Schubhaft und während des anhängigen Verfahrens über seine Beschwerde gegen die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz vom 11.07.2016 – neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Schubhaft wurde unter Ausfertigung eines Aktenvermerkes nach § 76 Abs. 6 FPG aufrechterhalten.

6. Am 04.05.2020 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf internationalen Schutz während der Anhaltung in Schubhaft, um seine Abschiebung zu verhindern. Dem Beschwerdeführer wurde am 04.05.2020 ein Aktenvermerkt gemäß § 76 Abs. 6 FPG zugestellt.

Der für den 15.05.2020 anberaumte Vorführtermin bei der afghanischen Botschaft zur Erlangung eines Heimreisezertifikats für den Beschwerdeführer musste wegen des von ihm am 04.05.2020 gestellten Folgeantrages auf internationalen Schutz verschoben werden.

7. Mit Bescheid vom 05.06.2020 wurde der Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status eines Asylberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, es wurde keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz erteilt, gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Abschiebung nach Afghanistan für zulässig erklärt und keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.07.2020 als unbegründet abgewiesen.

8. Am 19.06.2020 wurde der Beschwerdeführer der afghanischen Vertretungsbehörde vorgeführt und Staatsangehöriger Afghanistans identifiziert. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats wurde zugesichert.

9. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.02.2020, 10.03.2020, 02.04.2020, 29.04.2020, 27.05.2020, 23.06.2020 und vom 21.07.2020 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

10. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 11.08.2020 die Akten gemäß §22a BFA-VG zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit 16.10.2019, somit seit mehr als sechs Monaten in Schubhaft. Es ist zu prüfen, ob unter der Voraussetzung des § 80 Abs. 4 FPG zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und, dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 11.07.2016 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.2. Mit Bescheid vom 09.06.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab und erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Er wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.

1.3. Der Beschwerdeführer wurde straffällig und rechtskräftig verurteilt.

1.4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 27.05.2019 wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren hat.

1.5. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 01.10.2019 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. Unter einem wurde ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen dieses Bescheides nach der Entlassung des Beschwerdeführers aus der (Straf-)Haft eintreten.

Nach Entlassung aus der Strafhaft wurde der Beschwerdeführer am 16.10.2019 in Schubhaft genommen.

1.6. Am 08.11.2019 stellte der Beschwerdeführer – im Stande der Schubhaft und während des anhängigen Verfahrens über seine Beschwerde gegen die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz vom 11.07.2016 – neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Schubhaft wurde unter Ausfertigung eines Aktenvermerkes nach § 76 Abs. 6 FPG aufrechterhalten.

1.7. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.02.2020, 10.03.2020, 02.04.2020, 29.04.2020, 27.05.2020, 23.06.2020 und vom 21.07.2020 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

1.8. Die gegen den Bescheid vom 09.06.2017 erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.04.2020 abgewiesen.

1.9. Am 04.05.2020 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf internationalen Schutz während der Anhaltung in Schubhaft, um seine Abschiebung zu verhindern. Dem Beschwerdeführer wurde am 04.05.2020 ein Aktenvermerkt gemäß § 76 Abs. 6 FPG zugestellt.

1.10. Der für den 15.05.2020 anberaumte Vorführtermin bei der afghanischen Botschaft zur Erlangung eines Heimreisezertifikats für den Beschwerdeführer musste wegen des von ihm am 04.05.2020 gestellten Folgeantrages auf internationalen Schutz verschoben werden.

1.11. Mit Bescheid vom 05.06.2020 wurde der Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, es wurde keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz erteilt, gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Abschiebung nach Afghanistan für zulässig erklärt und keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.07.2020 als unbegründet abgewiesen (W140 2162884-2/4E).

1.12. Am 19.06.2020 fand eine Vorführung des Beschwerdeführers vor bei der afghanischen Botschaft statt. Der Beschwerdeführer wurde als Angehöriger Afghanistans identifiziert und von der Botschaft die Ausstellung eines Heimreisezertifikats zugesichert.

Derzeit kommt es aufgrund der COVID-19-Pandemie zu Einschränkungen im Flugverkehr. Für Herbst 2020 sind erneut Charterflüge nach Afghanistan in Aussicht gestellt. Es treten jedoch vermehrt Lockerungen der COVID-19-Beschränkungen auf, sodass die Grenzen zu anderen EU-Staaten wieder geöffnet wurden und der Flugverkehr auch wiederaufgenommen wurde.

2. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Der Beschwerdeführer besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft nicht, er besitzt auch keine Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates, er ist afghanischer Staatsangehöriger. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

2.3. Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

2.4. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 16.10.2019 in Schubhaft.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende strafgerichtlichen Verurteilungen auf:

3.1.1. Mit (rechtskräftigem) Urteil eines Landesgerichtes vom 24.09.2018 wurde der Beschwerdeführer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach den §§ 27 Abs. 2a zweiter Fall und Abs. 3 SMG, 15 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer hat vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut, beinhaltend die Wirkstoffe Delta-9-THC und THCA in Straßenqualität, an einem allgemein zugänglichen Ort öffentlich, wobei die Tat von zumindest zehn Personen hätte wahrgenommen werden können, nämlich in der Umgebung einer näher genannten U-Bahnstation, anderen gewerbsmäßig gegen Entgelt überlassen, und zwar zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vor dem 03.09.2018 zumindest zwei namentlich unbekannten Abnehmern 2,4 Gramm Cannabiskraut um EUR 40,-- sowie am 03.09.2018 an eine namentlich genannte Person 1,2 Gramm loses Marihuana um EUR 20,-- und weitere 7 Gramm Cannabiskraut zu überlassen versucht, indem er es zum unmittelbaren Verkauf bereithielt. Mildernd gewertet wurden das überschießende Geständnis, der bisher ordentliche Lebenswandel, die Sicherstellung des Suchtgiftes sowie der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, erschwerend wurde gewertet, dass es sich um mehrfache Angriffe gehandelt habe.

3.1.2. Mit (rechtskräftigem) Urteil eines Landesgerichtes vom 05.08.2019 wurde der Beschwerdeführer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon sechs Monate bedingt, verurteilt. Der Beschwerdeführer hat am 22.07.2019 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut, beinhaltend die Wirkstoffe Delta-9-THC und THCA in Straßenqualität, auf einer öffentlichen Verkehrsfläche, wobei die Tat von zumindest dreißig Personen hätte wahrgenommen werden können, sohin öffentlich, durch gewinnbringenden Verkauf überlassen und zwar ein Baggy an eine namentlich genannte Person um EUR 10,-- sowie ein Baggy an eine weitere namentlich genannte Person um EUR 10,--. Mildernd wurde das Geständnis, erschwerend die Tatwiederholung sowie die einschlägige Vorstrafe gewertet.

3.2. Der Beschwerdeführer stellte während der Anhaltung in Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz um seine Abschiebung zu verhindern.

3.3. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Er war im Bundesgebiet zwar fast durchgehend gemeldet, bei den Meldeadressen handelt es sich jedoch auch um Therapieanstalten, Polizeianhaltezentren und Justizanstalten.

3.4. Der Beschwerdeführer hat in Österreich weder Verwandte noch enge soziale Anknüpfungspunkte. Er ist beruflich in Österreich nicht verankert. Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine eigenen finanziellen Mittel zur Existenzsicherung. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig.

3.5. Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Auch eine strafgerichtliche Verurteilung konnte den Beschwerdeführer nicht zu rechtskonformem Verhalten bewegen. Der Beschwerdeführer ist nicht bereit freiwillig nach Afghanistan zurückzukehren, er hat seinen Antrag auf freiwillige unterstütze Rückkehr zurückgezogen. Er versucht seine Abschiebung durch das Stellen von Folgeanträgen zu verzögern und zu verhindern. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten um sich einer Abschiebung zu entziehen.

3.6. Der Beschwerdeführer konnte am 19.06.2020 als Angehöriger von Afghanistan identifiziert werden. Es wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikats zugesagt. Derzeit kommt es aufgrund der COVID-19-Pandemie zu Einschränkungen im Flugverkehr. Für Herbst 2020 sind erneut Charterflüge nach Afghanistan in Aussicht genommen. Es treten auch vermehrt Lockerungen der COVID-19-Beschränkungen auf, sodass auch der Flugverkehr wiederaufgenommen wurde.

3.7. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit der letzten gerichtlichen Überprüfung vom 21.07.2020 hat sich im Verfahren nicht ergeben. Der zwischenzeitige Abschluss des Beschwerdeverfahrens unter der GZ W140 2162884-2/4E wird dieser Entscheidung zugrunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend (W186 2224565-1, W279 2224565-2, W154 2224565-3, W275 2224565-4, W275 2224565-5, W171 2224565-6, W251 2224565-7, W250 2224565-8) in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes die Asylverfahren des Beschwerdeführers betreffend (insbesondere W140 2162884-2/4E), in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang:

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, den Akten des Bundesverwaltungsgerichts, aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister sowie aus dem Auszug aus dem Fremdenregister und aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

2. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers.

2.2. Die Feststellungen zu der erlassenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme gründen auf den Eintragungen im Zentralen Fremdenregister sowie auf den vorgelegten Bescheiden und dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.04.2020.

2.3. Es haben sich weder aus dem Verwaltungsakt noch aus der Anhaltedatei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass beim BF eine gesundheitliche Beeinträchtigung oder gar Haftunfähigkeit vorliegen würde, weshalb die diesbezügliche Feststellung zu treffen war. Dass er Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

2.4. Dass der Beschwerdeführer seit 16.10.2019 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Aus der Einsichtnahme in das Strafregister sowie aus den in den Gerichts- und Verwaltungsakten einliegenden Urteilen ergeben sich die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers.

3.2. Die Feststellung zum zweiten Asylantrag während der Anhaltung in Schubhaft, um eine Abschiebung zu verhindern, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus dem Folgeantrag und dem Aktenvermerkt des Bundesamtes.

3.3. Die Feststellung zum fehlenden gesicherten Wohnsitz ergibt sich aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

3.4. Die Feststellungen zur mangelnden Integration in Österreich und zu fehlenden sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten in Österreich, ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus der Einvernahme des Beschwerdeführers vom 20.05.2020. Diesen sind keine gefestigten sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich zu entnehmen.

3.5. Dass der Beschwerdeführer nicht gewillt ist, mit den Behörden zu kooperieren und sich an die Rechtsordnung in Österreich zu halten, ergibt sich aus dem festgestellten bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers. Er hat auch während der Anhaltung in Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt, um seine Abschiebung zu verhindern.

Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten werde. Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer sein bisher jahrelang gezeigtes Verhalten ändern werde.

3.6. Die Feststellungen zum Heimreisezertifikatsverfahren ergeben sich aus dem Verfahrensakt und aus den vom Bundesamt vorgelegten Unterlagen. Der Beschwerdeführer wurde als afghanischer Staatsangehöriger identifiziert. Die afghanische Botschaft hat der Ausstellung eines Heimreisezertifikats zugestimmt. Dass die Abschiebung des Beschwerdeführer mit dem nächsten Charterflug erfolgen wird, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt sowie der Stellungnahme des Bundesamtes vom 11.08.2020.

3.7. Eine Änderung der Umstände seit der Feststellung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.07.2020, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft weiterhin vorliegen, ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Es sind keine Hinweise hervorgekommen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers innerhalb der höchstzulässigen Schubhafthaftdauer nicht möglich ist.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen, insbesondere konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf das Einvernahmeprotokoll vom 20.05.2020 stützen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist.

3.1.4. Im vorliegenden Fall liegt bereits durch den Bescheid vom 09.06.2017 eine aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.04.2020 als unbegründet abgewiesen. Zudem wurde auch der Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 04.05.2020 mit Bescheid vom 02.06.2020 gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Rechtssache zurückgewiesen. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.07.2020 als unbegründet abgewiesen.

3.1.5. Es wurde bereits ein Heimreisezertifikatsverfahren eingeleitet. Der Beschwerdeführer wurde am 19.06.2020 einer Delegation der afghanischen Botschaft vorgeführt. Er wurde als afghanischer Staatsangehöriger identifiziert und der Ausstellung eines Heimreisezertifikats zugestimmt.

3.1.6. Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht, er ist nicht kooperativ. Der Beschwerdeführer hält die Meldevorschriften nicht ein, er ist in Österreich weder sozial noch beruflich verankert, er verfügt über keinen gesicherten Wohnsitz und über kein gesichertes Einkommen. Der Beschwerdeführer hat während seiner Anhaltung in Schubhaft, obwohl bereits eine rechtskräftige und aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag, am 04.05.2020 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt, um seine Abschiebung zu verhindern.

Sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose haben bei dem Beschwerdeführer ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie einen Sicherungsbedarf ergeben. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.7. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich weder sozial noch familiär verankert. Er hat keine Verwandten oder sonstigen engen Nahebeziehungen in Österreich. Er ist beruflich nicht verwurzelt und hat auch keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Es besteht beim Beschwerdeführer eine hohe Fluchtgefahr, er achtet die österreichische Rechtsordnung nicht und hat während der Anhaltung in Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt um seine Abschiebung zu verhindern.

Es wurde bereits ein Heimreisezertifikatsverfahren eingeleitet, der Beschwerdeführer wurde als afghanischer Staatsangehöriger identifiziert und der Ausstellung eines Heimreisezertifikats zugestimmt. Aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie kommt es zwar auch weiterhin zu Verzögerungen im internationalen Flugverkehr, der Beschwerdeführer wird jedoch beim nächsten Charterflug nach Afghanistan abgeschoben. Ein Charterflug nach Afghanistan ist in Aussicht gestellt. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht somit aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand – kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt – mit wenigen Monaten einzustufen. Eine Abschiebung im Herbst 2020 ist aus derzeitiger Sicht jedenfalls realistisch. Es steht überdies fest, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit Covid-19 zumindest weitgehend gelockert und Abschiebungen durchführbar sein werden. Eine Verzögerung der Abschiebung unmittelbar aufgrund dieser Umstände ist zum Entscheidungszeitpunkt (zumindest noch) nicht ersichtlich.

Entsprechend der Judikatur des VwGH ist es trotz der Einschränkungen im Flugverkehr fallbezogen noch vertretbar eine Schubhaft in Erwartung einer Lockerung der Reisebeschränkungen vorerst aufrecht zu erhalten (VwGH vom 12.05.2020, Ra 2020/21/0094).

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Der Beschwerdeführer weist Vorstrafen nach dem Suchtmittelgesetz auf. Bemerkenswert ist hier vor allem, dass der Beschwerdeführer nicht einmal durch eine rechtskräftige Verurteilung von der Begehung weiterer einschlägiger strafbarer Handlungen abgehalten werden konnte und er anderen Suchtmittel überlassen hat, um sich eine Einnahmequelle zu verschaffen. Allein aus diesen Erwägungen besteht ein besonders hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des Beschwerdeführers. Da der Beschwerdeführer nicht einmal durch rechtskräftige Bestrafungen von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten werden konnte, ist davon auszugehen, dass er auch künftig Straftaten nach dem Suchtmittelgesetz begehen werde. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährdet daher die öffentliche Ordnung und Sicherheit, weshalb ein besonders hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des Beschwerdeführers besteht.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung – zumal der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er die österreichische Rechtsordnung missachtet und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft ändert.

3.1.8. Die Abschiebung des Beschwerdeführers im Herbst 2020 scheint derzeit wahrscheinlich. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ist zudem jedenfalls gewährleistet, dass eine allfällige weitere wesentliche Verlängerung der Schubhaft einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen sein wird. Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 Z. 4 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten scheint die Aufrechterhaltung der seit 16.10.2019 bestehenden Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft verhältnismäßig.

3.1.9. Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft seit der letzten gerichtlichen Überprüfung vom 21.07.2020 auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

3.1.10. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung sowie die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des Beschwerdeführers besteht.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.11. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des Beschwerdeführers zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.12. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Haftfähigkeit Heimreisezertifikat Kooperation Meldeverstoß öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Suchtmitteldelikt Ultima Ratio Verhältnismäßigkeit Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W283.2224565.9.00

Im RIS seit

22.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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