TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/13 W137 2230229-3

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Veröffentlicht am 13.08.2020
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Entscheidungsdatum

13.08.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch

W137 2230229-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter Hammer als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1111406209 - 190728162, über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, brachte nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 12.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.08.2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung in den Herkunftsstaat verbunden. Die Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes W270 2170876-1/25E vom 19.02.2019, schriftlich ausgefertigt am 15.04.2019, abgewiesen.

2. Mit Bescheid vom 18.10.2019 wurde gegen den Beschwerdeführer eine weitere Rückkehrentscheidung erlassen und mit einem auf zehn Jahre befristeten Einreiseverbot verbunden. Der Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde hinsichtlich des Einreiseverbotes nur insoweit stattgegeben als dieses von zehn auf sieben Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes W184 2170876-2/6E vom 20.01.2020 abgewiesen.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 12.03.2020 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG angeordnet. Unmittelbar nach der Entlassung aus der Strafhaft wurde der Beschwerdeführer am 16.03.2020 in Schubhaft genommen.

4. Mit Schreiben vom 07.04.2020 brachte der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter eine Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die laufende Anhaltung in Schubhaft ein. Mit Erkenntnis vom 10.04.2020, W279 2230229-1/18E, hat das Bundesverwaltungsgericht diese Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft für rechtmäßig erklärt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen weiterhin vorliegen.

Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen auf die fehlende Mitwirkung des Beschwerdeführers in den Verfahren betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und die geringe soziale Verankerung im Bundesgebiet gestützt. In Rahmen der Verhältnismäßigkeit wurde auch die Straffälligkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt.

5. Mit Schreiben vom 08.07.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt zur amtswegigen Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Anhaltung in Schubhaft über den vierten Monat hinaus vor. Hingewiesen wurde dabei auf die bisherigen asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren sowie die Straffälligkeit des Beschwerdeführers. Eine Abschiebung am 31.03.2020 sei lediglich an der pandemiebedingten Einstellung des Luftverkehrs gescheitert.

Seine Freundin sei ungarische Staatsangehörige und unterliege in Österreich derzeit einem rechtskräftigen Aufenthaltsverbot. Eine nachhaltige Bindung zum Bundesgebiet bestehe nicht. Überdies sei der Beschwerdeführer bereits zweimal in Hungerstreik getreten. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung innerhalb der zulässigen Anhaltedauer sei weiterhin gegeben.

6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.07.2020, W137 2230229-3, wurde gemäß § 22a Abs 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

7. Am 07.08.2020 langte der gegenständliche Verfahrensakt erneut zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einem beiliegenden Schreiben wies das Bundesamt im Wesentlichen auf die bisherigen asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren sowie die Straffälligkeit des Beschwerdeführers hin. Eine nachhaltige Bindung zum Bundesgebiet bestehe nicht. Überdies sei der Beschwerdeführer bereits zum dritten Mal in Hungerstreik getreten. Es sei bereits ein Laissez-Passer seitens der Islamischen Republik Afghanistan ausgestellt worden und habe ein geplanter Abschiebetermin aufgrund der CoVid-19 Situation kurzfristig abgesagt werden müssen. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung innerhalb der zulässigen Anhaltedauer sei weiterhin gegeben.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Er verfügt über keine Personal- oder Reisedokumente. Ein Laissez-Passer wurde bereits ausgestellt. Eine bereits für 31.03.2020 geplante Abschiebung scheiterte an der (weitgehenden) Einstellung des Luftverkehrs aufgrund der CoVid-19-Pandemie.

Der Beschwerdeführer ist nicht Asylwerber. Gegen ihn liegt eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat sowie ein rechtskräftiges Einreiseverbot für die Dauer von sieben Jahren vor.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich fünfmal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt, nämlich 1) am 16.03.2017 wegen § 15 StGB § 27 SMG (unerlaubter Umgang mit Suchtgiften) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten, 2) am 18.07.2017 wegen § 27 SMG, § 15 StGB (unerlaubter Umgang mit Suchtgiften) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten, 3) am 02.02.2018 wegen § 27 SMG (unerlaubter Umgang mit Suchtgiften) zu einer (vorerst bedingten) Freiheitsstrafe von einem Monat, 4) am 02.03.2018 wegen §§ 127, 129 StGB (Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen), § 125 StGB (Sachbeschädigung), §§ 15, 269 StGB (Widerstand gegen die Staatsgewalt) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von elf Monaten sowie 5) am 15.05.2019 wegen § 27 SMG, § 15 StGB (unerlaubter Umgang mit Suchtgiften) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten.

Der Beschwerdeführer ist seit 17.04.2019 durchgehend in Justizanstalten und Polizeianhaltezentren gemeldet. Er trat von 16.04.2020 bis 15.06.2020, von 18.06.2020 bis 20.06.2020 sowie von 18.07.2020 bis 07.08.2020 in den Hungerstreik, den er jeweils freiwillig beendete. Er ist insgesamt nicht vertrauenswürdig.

Das Zusammenleben mit seiner Freundin wurde bis Juli 2019 immer wieder durch längere Gefängnisaufenthalte des Beschwerdeführers unterbrochen. Eine gemeinsame Meldeadresse hat nie bestanden. Diese Freundin unterliegt aufgrund strafrechtlicher Verurteilungen zudem seit Juli 2019 einem rechtskräftigen befristeten Aufenthaltsverbot für Österreich. Der Beschwerdeführer besuchte mehrere Deutschkurse, verrichtete Hilfstätigkeiten in der Asylwerberunterkunft und arbeitete in der Justizanstalt in der Wäscherei. Der BF stand in Österreich noch nicht in einem Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und jedenfalls haftfähig. Es gibt keine Hinweise auf substanzielle gesundheitliche Probleme.

Es ist davon auszugehen, dass der zur Durchführung von Abschiebungen erforderliche Luftverkehr in den Herkunftsstaat zeitnah wiederaufgenommen wird. Der Beschwerdeführer wird seit fünf Monaten in Schubhaft angehalten. Eine Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist damit innerhalb des zulässigen gesetzlichen Anhaltezeitraumes realistisch.

Für eine erhöhte Gefährdung hinsichtlich einer Infektion mit Covid-19 während der laufenden Anhaltung im Polizeianhaltezentrum gibt es keinen Hinweis.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 1111406209 - 190728162 (Schubhaft) sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichts zu den Zahlen 2230229-1 (Schubhaftbeschwerde), 2230229-2 (amtswegige Schubhafprüfung), 2170876-1 (Asylverfahren) und 2170876-2 (Einreiseverbot). Einbezogen wurde auch das die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.07.2019, G313 2206542-1/12E (Aufenthaltsverbot der Freundin). Unstrittig sind die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sowie zu seinem Asylverfahren. Die Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats wurde vom Bundesamt ausdrücklich bekannt gegeben. Der geplante Abschiebetermin am 31.03.2020 und die Gründe für seine Stornierung ergeben sich ebenfalls aus der Aktenlage.

1.2 Die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers sind aus einem rezenten Auszug aus dem Strafregister ersichtlich und im Übrigen auch unstrittig. Die Feststellungen zu den amtlichen Meldungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einer rezenten Abfrage im Zentralen Melderegister (ZMR). Die Zeiten des Hungerstreiks sind der Anhaltedatei entnommen. Aus diesen Umständen ergibt sich wiederum die fehlende Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers.

1.3. Die Feststellungen betreffend das Privatleben des Beschwerdeführers und seine Freundin ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung betreffend das Aufenthaltsverbot. Die Feststellungen zu integrativen Schritten des Beschwerdeführers wurden schon der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung betreffend die Beschwerde (unter anderem) gegen den Schubhaftbescheid zugrunde gelegt.

1.4. Substanzielle gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich. Aus dem oben Dargestellten ergibt sich die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers, die überdies durch eine unmittelbar zuvor verbüßte (längere) Strafhaft zusätzlich belegt ist.

1.5. Die weitgehende Einstellung des internationalen Luftverkehrs (seit Mitte März) ist notorisch. Es gibt derzeit keinen Grund zur Annahme, dass dieser noch über Monate hinweg aufrecht bleiben würde. Vielmehr wurden erste Lockerungsschritte bereits gesetzt und kann davon ausgegangen werden, dass er in einem zur Durchführung von Überstellungen/Abschiebungen erforderlichen Umfang innerhalb weniger Wochen wiederaufgenommen wird.

Da Abschiebungen nach Afghanistan zumeist über Frontex-Charter erfolgen, ist die (volle) Wiederaufnahme des internationalen Reiseverkehrs für die Durchführung einer Abschiebung nicht erforderlich. Vor diesem Hintergrund ergeben sich die vorgenommenen Prognosen hinsichtlich des voraussichtlichen Abschiebezeitpunktes.

1.6. Es gibt keine Hinweise auf ein verstärktes Vorkommen von CoVid-19-Infektionen („Cluster“) in Justizanstalten und Polizeianhaltezentren.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 – FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

„§ 22a. (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

§22a Abs. 4 bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage, da der Beschwerdeführer seit 16.03.2020 in Schubhaft angehalten wird.

Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art 5 Abs. lit. f EMRK und des Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG sowie einfachgesetzlichen Normen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 – FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 lauten:

Art 5 Abs. 1 lit. F EMRK

(1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
f)         wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.

Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG

(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

§ 76 FPG (in der nunmehr gültigen Fassung)

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 2“ - immer noch - vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete (Ziffern 1, 3 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG), haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts (in besonderem Umfang) fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit – siehe dazu auch die Straffälligkeit zeitnah zur Asylantragstellung – kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.

Die bis zur Wiederaufnahme von Abschiebeflügen nach Afghanistan erforderliche Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist – unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 80 FPG - vor dem dargestellten Hintergrund zumutbar. Verzögerungen im Zusammenhang mit der Abschiebung, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen.

Die (zum Entscheidungszeitpunkt) voraussichtliche Dauer der Anhaltung ergibt sich aus den oben angeführten Umständen und liegt bei einigen Wochen. Dies ist unter Berücksichtigung des Vorverhaltens des Beschwerdeführers (Suchtmittelkriminalität) jedenfalls derzeit auch verhältnismäßig. Es kann gegenwärtig auch keine erhöhte Infektionsgefahr hinsichtlich CoVid-19 während der laufenden Anhaltung in Schubhaft festgestellt werden. Substanzielle gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers sind nicht aktenkundig.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Haftfähigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Suchtmitteldelikt Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2230229.3.00

Im RIS seit

20.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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