TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/29 W180 2228228-6

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.07.2020
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Entscheidungsdatum

29.07.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch

W180 2228228-6/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Georg PECH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA Algerien, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 15.07.2015 unter Verwendung von Aliasidentitäten einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Nachdem sich der Beschwerdeführer durch Untertauchen dem Verfahren entzog, wurde das Asylverfahren am 22.09.2015 gemäß § 24 Abs. 1 AsylG eingestellt

2. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich straffällig und rechtskräftig verurteilt.

Mit Bescheid vom 16.01.2020 wurde dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung nach Algerien für zulässig erklärt. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Der gegen diesen Beschied erhobenen Beschwerde wurde statt gegeben und der angefochtene Beschied behoben.

Am 17.01.2020 wurde der Beschwerdeführer aus der Strafhaft entlassen und dieser in Schubhaft genommen.

Am 18.01.2020 stellte der Beschwerdeführer während Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag zur Gänze ab. Dieser Bescheid ist mittlerweile rechtskräftig.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.02.2020 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz angeordnet.

3. Der Beschwerdeführer wird seit 07.02.2020 in Schubhaft angehalten.

4. Der Beschwerdeführer erhob am 23.03.2020 gegen den Bescheid vom 07.02.2020 Beschwerde. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.03.2020, W140 2228228-2, wurde die Beschwerde abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

5. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.06.2020, W251 2228228-4, und vom 01.07.2020, W140 2228228-5, wurde in der Folge jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

6. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht am 22.07.2020 die Akten gemäß § 22a BFA-VG zur neuerlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 15.07.2015 unter Verwendung von Aliasidentitäten einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Er gab an noch minderjährig zu sein.

1.2. Am 25.07.2015 wurde der Beschwerdeführer wegen eines Diebstahls aufgegriffen und festgenommen. Nach der Verurteilung wurde der Beschwerdeführer enthaftet.

1.3. Nachdem sich der Beschwerdeführer durch Untertauchen dem Verfahren entzog, wurde das Asylverfahren am 22.09.2015 gemäß § 24 Abs. 1 AsylG eingestellt.

1.4. Am 26.11.2015 versuchte der Beschwerdeführer mit einem gefälschten italienischen Personalausweis nach Madrid auszureisen. Es wurden keine fremdenpolizeilichen Maßnahmen gesetzt.

1.5. Am 17.10.2019 wurde der Beschwerdeführer festgenommen und in eine Justizanstalt eingeliefert, da er Straftaten beging. Der Beschwerdeführer wurde in Untersuchungshaft angehalten und am 13.01.2020 von einem Landesgericht verurteilt.

1.6. Mit Bescheid vom 16.01.2020 wurde dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung nach Algerien für zulässig erklärt. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.02.2020 wurde der Beschwerde stattgegeben und der Bescheid vom 16.01.2020 behoben.

1.7. Am 17.01.2020 wurde der Beschwerdeführer aus der Strafhaft entlassen und dieser in Schubhaft genommen.

1.8. Am 18.01.2020 stellte der Beschwerdeführer während Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich um seine Abschiebung zu verhindern. Mit Bescheid vom 28.01.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen und kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien zulässig ist, keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt, einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt und ein auf die Dauer von 4 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

1.9. Am 05.02.2020 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen und über ihn ein gelinderes Mittel verhängt. Dem Beschwerdeführer wurde aufgetragen sich ab dem 05.02.2020 jeden Tag zwischen 18.00 und 22.00 bei einer Polizeiinspektion zu melden.

1.10. Am 06.02.2020 wurde der Beschwerdeführer in einem Zug auf dem Weg nach Italien aufgegriffen und wieder in ein Polizeianhaltezentrum eingeliefert.

1.11. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.02.2020 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz angeordnet.

1.12. Der Beschwerdeführer wird seit 07.02.2020 in Schubhaft angehalten.

1.13. Der Beschwerdeführer erhob am 23.03.2020 gegen den Bescheid vom 07.02.2020 Beschwerde. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.03.2020, W140 2228228-2, wurde die Beschwerde abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft gemäß § 22a Abs 2 BFA-VG iVm § 76 Abs 2 Z 2 FPG vorliegen.

1.14. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.06.2020, W251 2228228-4, und vom 01.07.2020, W140 2228228-5, wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

1.15. Am 15.01.2020 wurde ein Heimreisezertifikatsverfahren gestartet. Am 23.01.2020 beantragte das Bundesamt die Ausstellung eines Heimreisezertifikats bei der algerischen Botschaft. Das Bundesamt urgierte am 18.03.2020, am 30.04.2020, am 13.05.2020, am 26.05.2020 und am 05.06.2020 die Ausstellung eines Heimreisezertifikats.

2. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der Beschwerdeführer besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft nicht, er besitzt auch keine Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

2.3. Der Beschwerdeführer ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende strafgerichtlichen Verurteilungen auf:

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 12.08.2015 wurde der Beschwerdeführer unter dem Namen XXXX gemäß § 229 (1) StGB § 15 StGB, §§ 127, 130 1. Fall StGB § 15 StGB, § 241e Abs. 3 StGB § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten, wobei die Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 13.01.2020 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls, des Vergehens der Urkundenunterdrückung, dem Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel und dem Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden (§§ 223 Abs 2, 224 StGB; § 229 Abs 1 StGB; § 241e Abs 3 StGB; §§ 127, 128 Abs 1 1 Z 5, 130 Abs 1, erster Fall StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von 9 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der Beschwerdeführer hat mit einem Mittäter am 17.10.2019 anderen Personen fremde bewegliche Sachen gewerbsmäßig und mit dem Vorsatz sich daran zu bereichern weggenommen, und zwar in einem Hotel eine schwarze Ledertasche samt diverser elektronischer Geräte im Gesamtwert von EUR 500 sowie in einem anderen Hotel eine Geldbörse samt Bargeld im Gesamtwert von EUR 400. Der Beschwerdeführer hat mit seinem Mittäter an diesem Tag in einem weiteren Hotel einer Person zwei Taschen mit I-Phones, einem MacBook und einem I-Pad im Gesamtwert von EUR 5.100 weggenommen. Dabei haben Sie auch diverse Kundenkarten, einen Führerschein, eine E-Card, eine Geburtsurkunde und eine Jahreskarte der Wienerlinien unterdrück und eine Bankomatkarte entfremdet. Der Beschwerdeführer hat sich am 26.11.2015 mit einem total gefälschten italienischen Personalausweis ausgewiesen. Bei der Strafbemessung wertete das Gericht die einschlägige Vorstrafe und das Zusammentreffen von vier Vergehen als erschwerend, die teilweise Schadensgutmachung und das umfassende Geständnis als mildernd.

3.2. Der Beschwerdeführer hat in den Asylverfahren unterschiedliche Angaben zu seinem Namen und zu seinem Geburtsdatum gemacht. Der Beschwerdeführer versucht seine Identität zu verschleiern um einer Abschiebung zu entgehen. Bei seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz behauptete der Beschwerdeführer wahrheitswidrig, er sei noch minderjährig.

3.3. Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich dem Asylverfahren durch Untertauchen entzogen. Der Beschwerdeführer hat die Auflage einer täglichen Meldeverpflichtung nicht eingehalten und versucht mit einem Zug nach Italien zu gelangen um einer Abschiebung zu entgehen.

3.4. Der Beschwerdeführer hält die Meldevorschriften in Österreich nicht ein. Er versucht sich vor den Behörden verborgen zu halten.

3.5. Der Beschwerdeführer stellte während der Anhaltung in Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz um seine Abschiebung zu verhindern.

3.6. Der Beschwerdeführer begab sich vom 09.02.2020 bis 15.02.2020 sowie vom 13.04.2020 bis 14.04.2020 während der Anhaltung in Schubhaft in Hungerstreik um seine Freilassung zu erpressen.

3.7. Der Beschwerdeführer hat weder Verwandte noch enge soziale Anknüpfungspunkte in Österreich. Er ist beruflich in Österreich nicht verankert. Er verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

3.8. Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Es konnten auch eine Inhaftierung und Verurteilung den Beschwerdeführer nicht zu rechtskonformen Verhalten bewegen. Der Beschwerdeführer ist nicht bereit freiwillig nach Algerien zurückzukehren und er wird sich einer Abschiebung widersetzen. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten um sich einer Abschiebung zu entziehen.

3.9. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer ist möglich. Durch Mitwirkung bei den algerischen Behörden kann der Beschwerdeführer zu einer raschen Identitätsfeststellung und Ausstellung eines Heimreisezertifikats beitragen.

Nach Ausstellung eines Heimreisezertifikats erfolgt eine zeitnahe Abschiebung des Beschwerdeführers.

3.10. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht vom 01.07.2020 hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Akten des Bundesamtes und in die Akten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Zahlen W140 2228228-1, W140 2228228-2, W140 2228228-3, W251 2228228-4 und W140 2228228-5 durch Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister sowie aus dem Auszug aus dem Fremdenregister und aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.2. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers.

1.3. Die Feststellungen zu der erlassenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme gründen auf den Eintragungen im Zentralen Fremdenregister sowie aus dem vorgelegten Bescheid.

Die Feststellungen zur Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 07.02.2020, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.4. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegen würde. Dass der Beschwerdeführer Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

2. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

2.1. Aus der Einsichtnahme in das Strafregister sowie aus den im Akt einliegenden Urteilen ergeben sich die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers.

2.2. Die Feststellung über die unrichtigen Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Identität ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Der Beschwerdeführer hat in seinem Asylantrag andere Angaben zu seiner Identität gemacht. In der Einvernahme vom 27.01.2020 räumte der Beschwerdeführer auch ein, dass er zunächst unrichtige Angaben zu seiner Identität gemacht hat um seine tatsächliche Identität und Staatsangehörigkeit zu verschleiern. Zudem ergibt sich aus den Strafregisterauszügen sowie aus einem internationalen daktyloskopischen Personenabgleich, dass der Beschwerdeführer mehrfach unterschiedliche Identitäten angegeben hat.

2.3. Die Feststellung zum Untertauchen des Beschwerdeführers und, dass er sich bereits dem Asylverfahren entzogen hat, ergibt sich aus dem Akteninhalt.

2.4. Die Feststellung zu den fehlenden behördlichen Wohnsitzmeldungen ergibt sich aus dem Auszug aus dem ZMR.

2.5. Die Feststellung zum zweiten Asylantrag während der Anhaltung in Schubhaft, um eine Abschiebung zu verhindern, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus dem Folgeantrag und dem Aktenvermerkt des Bundesamtes.

2.6. Die Feststellungen zum Hungerstreik und zum Verhalten während der Anhaltung ergeben sich aus dem Verwaltungsakt sowie aus der Anhalte und Vollzugsdatei.

2.7. Die Feststellungen zur Inhaftierung des Beschwerdeführers in Schubhaft sowie in Strafhaft, ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

2.8. Die Feststellungen zur mangelnden Integration in Österreich und zu fehlenden sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten in Österreich, ergeben sich aus dem Verwaltungsakt sowie aus den Einvernahmeprotokollen vom 07.02.2020 und vom 27.01.2020. Diesen sind keine gefestigten sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich zu entnehmen.

2.9. Dass der Beschwerdeführer nicht gewillt ist, mit den Behörden zu kooperieren und sich an die Rechtsordnung in Österreich zu halten, ergibt sich aus dem festgestellten bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers, aus den unrichtigen Angaben zu seiner Identität, seinen strafrechtlichen Verurteilungen, seinem Fluchtversuch nach Italien während der Auflage einer Meldeverpflichtung sowie auch seinem Verhalten während der Anhaltung in Schubhaft und aus dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer bereits dem Asylverfahren entzogen hat. Er hat auch während der Anhaltung in Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt, um seine Abschiebung zu verhindern. Der Beschwerdeführer gab in seiner Einvernahme selber an, dass er nicht freiwillig in sein Herkunftsland zurückkehren werde und, dass er sich einer Abschiebung widersetzen werde.

Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten werde. Es haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer sein bisher jahrelang gezeigtes Verhalten ändern werde.

2.10. Die Feststellungen zum Heimreisezertifikatsverfahren ergeben sich aus dem Verfahrensakt und aus den vom Bundesamt vorgelegten Unterlagen. Sobald ein Heimreisezertifikat vorliegt, erfolgt eine zeitnahe Abschiebung des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer kann durch Mitwirkung bei den algerischen Behörden die Erlangung eines Heimreisezertifikats beschleunigen und somit die Anhaltung in Schubhaft selber möglichst kurzhalten. Es liegen keine Hinweise vor, wonach die Erlangung eines Heimreisezertifikats innerhalb der höchstmöglichen Schubhaftdauer nicht möglich wäre.

2.11. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.07.2020 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

2.12. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich auf die Einvernahmeprotokolle vom 27.01.2020 und vom 07.02.2020 stützen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das Bundesamt eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt – ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG – einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

3.1.3. Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist.

3.1.4. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.1.5. Es wurde bereits ein Heimreisezertifikatsverfahren eingeleitet. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats wurde vom Bundesamt bereits mehrfach urgiert. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats innerhalb der höchstmöglichen Schubhaftdauer ist derzeit wahrscheinlich. Der Beschwerdeführer kann durch Mitwirkung bei den algerischen Behörden selber auf eine kurze Schubhaftdauer hinwirken.

3.1.6. Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus.

Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht, er ist nicht kooperativ. Der Beschwerdeführer hat unterschiedliche Identitäten angegeben, um eine Abschiebung zu verhindern. Der Beschwerdeführer hat sich bereits in Österreich einem Asylverfahren durch Untertauchen entzogen. Der Beschwerdeführer ist bereits mehrfach untergetaucht, er hält die Meldevorschriften nicht ein. Der Beschwerdeführer hat während Anhaltung in Schubhaft, obwohl bereits eine rechtskräftige und aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag, einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt, um seine Abschiebung zu verhindern. Der Beschwerdeführer ist der Verpflichtung aus einem gelinderen Mittel nicht nachgekommen, sondern wollte sich in einem Zug nach Italien absetzen. Der Beschwerdeführer verhält sich auch während seiner Anhaltung in Schubhaft nicht kooperativ. Er ist bereits in Hungerstreik getreten, um seine Entlassung aus der Schubhaft zu erwirken.

Sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose haben bei dem Beschwerdeführer ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie einen Sicherungsbedarf ergeben. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist.

Es liegt daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 5, 7 und 9 FPG vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.7. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich weder sozial noch familiär verankert. Er hat keine Verwandten oder sonstigen engen Nahebeziehungen in Österreich. Er ist beruflich nicht verwurzelt und hat auch keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

Das Bundesamt hat die Ausstellung eines Heimreisezertifikats bereits mehrfach urgiert. Das Bundesamt hat daher auf eine kurze Anhaltung in Schubhaft hingewirkt.

Die Dauer der Schubhaft ist durch das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer bedingt. Es obliegt dem Beschwerdeführer durch eine Kooperation mit den Behörden und Mitwirkung bei seiner Identitätsfeststellung die Dauer der Schubhaft möglichst kurz zu halten.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen. Der Beschwerdeführer wurde bereits zweimal Mal strafrechtlich verurteilt; er hat wiederholt Straftaten insbesondere gegen fremdes Vermögen begangen. Zuletzt wurde er wegen der Vergehen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls, der Urkundenunterdrückung, der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel und der Fälschung besonders geschützter Urkunden zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten, davon 3 Monate unbedingt, verurteilt. Insbesondere in Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer die Diebstähle gewerbsmäßig begangen hat und ihn die Erstverurteilung nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten konnte, liegt im vorliegenden Fall ein erhöhtes öffentliches Interesse an einer baldigen Außerlandesbringung des Beschwerdeführers vor.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen – insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung – zumal der Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er die österreichische Rechtsordnung missachtet und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft ändert.

3.1.8. Die Ausstellung des Heimweisezertifikats scheint derzeit wahrscheinlich. Nach Ausstellung eines Heimreisezertifikats ist eine zügige Außerlandesbringung des Beschwerdeführers als wahrscheinlich anzusehen. In Zusammenhang mit der gegenwärtigen Covid-19-Pandemie ist zwar anzumerken, dass es weiterhin zu Einschränkungen im internationalen Flugverkehr kommt. Die realistische Möglichkeit der Überstellung des Beschwerdeführers nach Algerien innerhalb der gesetzlichen Höchstdauer der Schubhaft, die im Falles des Beschwerdeführers gemäß § 80 Abs. 4 Z 4 FPG 18 Monate beträgt, besteht jedoch aus aktueller Sicht. Die schrittweise Rücknahme der Covid-19-Restriktionen ist bereits angelaufen. Auch ist festzuhalten, dass eine Abschiebung nicht die Wiederaufnahme des Linienflugverkehrs voraussetzt. Das Gericht geht in einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung davon aus, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach heutigem Wissensstand innerhalb der gesetzlichen Höchstdauer der Schubhaft möglich ist.

Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ist zudem jedenfalls gewährleistet, dass eine allfällige weitere wesentliche Verlängerung der Schubhaft einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen sein wird. Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 Z. 4 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten scheint die Aufrechterhaltung der seit 07.02.2020 bestehenden Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft verhältnismäßig. Dabei ist, wie bereits erwähnt, auch das erhöhte öffentliche Interesse an einer Außerlandeslandesbringung des Beschwerdeführers wegen dessen Delinquenz mit zu berücksichtigen. Wegen des erhöhten öffentlichen Interesses an seiner Abschiebung ist es dem Beschwerdeführer nach Ansicht des Gerichts auch aus Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit zumutbar, in Haft zu bleiben.

3.1.9. Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

3.1.10. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung sowie die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des Beschwerdeführers besteht. Der Beschwerdeführer ist der Verpflichtung aus einem gelinderen Mittel, nämlich einer täglichen Meldeverpflichtung bereits einmal nicht nachgekommen, sondern er hat versucht in einem Zug nach Italien zu flüchten.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.11. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des Beschwerdeführers zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.12. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist der Fall wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Haftfähigkeit Identität Kooperation Meldeverpflichtung öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W180.2228228.6.00

Im RIS seit

12.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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