TE Lvwg Erkenntnis 2020/8/5 VGW-031/062/8119/2020

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Veröffentlicht am 05.08.2020
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Entscheidungsdatum

05.08.2020

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960 §2 Abs1 Z10
StVO 1960 §8 Abs4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seine Richterin Mag. Holl, LL.M. über die Beschwerde der Frau A. B., vertreten durch RA, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 18.6.2020, Zl. …, betreffend eine Übertretung der Straßenverkehrsordnung (StVO),

zu Recht:

I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von 68,- Euro auf 50,- Euro und die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe von 16 Stunden auf 12 Stunden herabgesetzt wird. Im Übrigen wird das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Gemäß § 38 VwGVG iVm § 64 Abs. 1 und 2 VStG hat die Beschwerdeführerin einen Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens iHv 10,- Euro (das ist der gesetzliche Mindestkostenbeitrag) zu leisten.

III. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

IV. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist eine ordentliche Revision – sofern diese nicht bereits nach § 25a Abs. 4 VwGG ausgeschlossen ist – an den Verwaltungsgerichthof nach Art 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 18.6.2020, zur GZ: …, zugestellt am 22.6.2020, wurde der Beschwerdeführerin Folgendes zur Last gelegt:

„1.

Datum/Zeit:                  19.12.2019, 10:37 Uhr

Ort:             Wien, C.-gasse 4

Betroffenes Fahrzeug:   Kennzeichen: W-1 (A)

Funktion:   Lenker/in

Sie haben das Fahrzeug mit zwei Rädern auf dem Gehsteig, welcher hierdurch vorschriftswidrig benützt wurde, abgestellt, obwohl die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art verboten ist und die Ausnahmebestimmungen nach § 8 abs. 4 Ziffer 1 bis 3 StVO 1960 nicht vorlagen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1. § 8 Abs. 4 StVO

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von      falls diese uneinbringlich ist,  Freiheitsstrafe von    Gemäß Ersatzfreiheitsstrafe von

1. € 68,00   16 Stunden       § 99 Abs. 3 lit.a StVO

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 78,00

Begründend führte die belangte Behörde dazu aus, die Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot des Befahrens von Gehsteigen beziehe sich ausschließlich auf das Überqueren von Gehsteigen zum Zu- bzw. Abfahren von benachrangten Verkehrsflächen iSd § 19 Abs. 6 StVO an den hierfür vorgesehenen Stellen. Eine Unterbrechung des Zu- bzw. Abfahrens auf unbestimmte Zeit zur Erledigung zweckdienlicher Angelegenheiten sei hingegen nach dieser Ausnahme nicht erlaubt. Diesbezüglich sei irrelevant, wie lange das Fahrzeug auf dem Gehsteig abgestellt worden sei und wie groß der Gehsteigbereich gewesen sei, den das Fahrzeug eingenommen habe. Die Beschwerdeführerin sei daher nicht berechtigt gewesen, den Gehsteig in der von ihr vorgebrachten Art und Weise zu benutzen. Bei der Strafbemessung ging die belangte Behörde mangels Angaben der Beschwerdeführerin von durchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen aus und wertete die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin als mildernd.

In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde vom 6.7.2020 führt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, es bestehe eine behördliche Bewilligung der zuständigen Magistratsabteilung 28 zum Be- und Überfahren des Gehsteiges vor dem Haus mit der Adresse Wien, C.-gasse 4 (damals im Alleineigentum der Beschwerdeführerin) zwecks Benützung der dort befindlichen PKW-Garage. Das Abstellen des Fahrzeuges sei gemäß § 8 Abs. 4 Z 1 StVO gerechtfertigt gewesen, zumal dies gerade an einer Stelle erfolgt sei, die für das Überqueren des Gehsteiges vorgesehen sei. Die bescheidmäßige Erlaubnis bzgl. des Befahrens des Gehsteiges beinhalte das Befahren des Gehsteiges mit Fahrzeugen aller Art und das Anhalten dieser Fahrzeuge, um dem Fahrer zu ermöglichen das an dieser Stelle befindliche Garagentor zu öffnen oder zu schließen. Es gebe in diesem Zusammenhang keine Vorschrift, die ein Anhalten oder Abstellen des Fahrzeuges auf dem Gehsteig verbiete oder der Beschwerdeführerin vorschreibe, den Schlüssel zum Garagentor stets bei sich zu führen. Die Zeit in der die Beschwerdeführerin ihr Fahrzeug in jenem Gehsteigbereich abgestellt habe, um den Garagenschlüssel aus dem Hauseingangsbereich abzuholen, sei daher von der behördlichen Überfahrgenehmigung gedeckt, weshalb im gegenständlichen Fall kein rechtswidriges Verhalten der Beschwerdeführerin vorliege.

Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte dem Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde sowie den Verfahrensakt vor (ha. eingelangt am 7.7.2020). Sie verzichtete auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und für den Fall der Durchführung auf die Teilnahme an dieser.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien wurde die Magistratsabteilung 28 des Magistrates der Stadt Wien per E-Mail vom 28.7.2020 um Übermittlung der Unterlagen zur Gehsteigauf- und -überfahrt an der Adresse Wien, C.-gasse 4 ersucht. Diesbezüglich bestätigte die Magistratsabteilung 28 mit Schreiben vom 30.7.2020, dass mit Bescheid der Magistratsabteilung 28 vom 12.12.2002 zur GZ: … in diesem Bereich eine Gehsteigauf- und –überfahrt bewilligt wurde.

II. Sachverhalt

Für das Verwaltungsgericht Wien steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:

Die Beschwerdeführerin stellte am 19.12.2019 um 10:37 Uhr als Lenkerin des Fahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen W-1 (A) dieses mit den zwei Vorderrädern auf dem Gehsteig vor der Garageneinfahrt in Wien, C.-gasse 4 ab. Die beiden Hinterräder des Fahrzeuges befanden sich in dieser Abstellposition auf einer teils begrünten und teils gepflasterten Fläche zwischen Fahrbahn und Gehsteig.

Die Beschwerdeführerin stellte ihr Fahrzeug in dieser Position ab, um die Fernbedienung zur Öffnung des Garagentores, welche sie vergessen hatte, aus dem Haus an der Adresse Wien, C.-gasse 4 zu holen. Als die Beschwerdeführerin zum Fahrzeug zurückkehrte, fand sie am Fahrzeug ein von einem Kontrollorgan der belangten Behörde ausgestelltes Organmandat vor.

Zum Tatzeitpunkt war die Beschwerdeführerin Alleineigentümerin der Liegenschaft Wien, C.-gasse 4. Im Bereich der Adresse Wien, C.-gasse 4 ist eine Gehsteigauf- und –überfahrt bewilligt.

Die Beschwerdeführerin ist verwaltungsstrafrecht unbescholten.

III. Beweiswürdigung

Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde, durch Würdigung des Beschwerdevorbringens, durch Einholung einer Auskunft der Magistratsabteilung 28 sowie durch Einholung eines Grundbuchauszuges.

Im gegenständlichen Fall wurde die Abstellposition des Fahrzeuges – welche überdies durch ein aktenkundiges Lichtbild des Meldungslegers dokumentiert wurde – nicht bestritten (siehe auch Lenkerauskunft vom 27.2.2020). Die diesbezüglichen Feststellungen der belangten Behörde waren daher vollinhaltlich zu bestätigen. Der Umstand, dass für den Gehsteigbereich, in dem der vordere Bereich des Fahrzeuges abgestellt war, eine Gehsteigauf- und –überfahrt bewilligt ist, ergibt sich aus der Auskunft der Magistratsabteilung 28 vom 30.7.2020. Von der weiteren beantragten Einholung des Bauaktes für Wien, C.-gasse 4 konnte daher abgesehen werden (vgl. VwGH 13.9.2002, 99/12/0139, VwGH 9.7.2020, Ra 2020/09/0019, Rz 16).

Weiters erwiesen sich die Angaben der Beschwerdeführerin, wonach sie ihr Fahrzeug in dieser Position abgestellt habe, um die Fernbedienung zur Öffnung des Garagentores aus dem Haus zu holen, als schlüssig und nachvollziehbar. Dies wurde auch bereits von der belangten Behörde im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren nicht angezweifelt. Daher war den dahingehenden Ausführungen der Beschwerdeführerin zu folgen.

Das Alleineigentum der Beschwerdeführerin der hg. Liegenschaft in Wien, C.-gasse 4 zum Tatzeitpunkt ergibt sich aus dem eingeholten Grundbuchsauszug.

Die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich ferner aus der Gesamtheit des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafaktes.

IV. Rechtsgrundlagen

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 37/2019, lauten auszugsweise:

„§ 2. Begriffsbestimmungen.

(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als

        (…)

10. Gehsteig: ein für den Fußgängerverkehr bestimmter, von der Fahrbahn durch Randsteine, Bodenmarkierungen oder dgl. abgegrenzter Teil der Straße; (…)

27. Halten: eine nicht durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungene Fahrtunterbrechung bis zu zehn Minuten oder für die Dauer der Durchführung einer Ladetätigkeit (§ 62); (…)“

StVO BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 18/2019:

„§ 8. Fahrordnung auf Straßen mit besonderen Anlagen.

(…)

(4) Die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art und die Benützung von Radfahranlagen mit Fahrzeugen, die keine Fahrräder sind, insbesondere mit Motorfahrrädern, ist verboten. Dieses Verbot gilt nicht

      1. für das Überqueren von Gehsteigen, Gehwegen und Radfahranlagen mit Fahrzeugen auf den hiefür vorgesehenen Stellen, (…)“

StVO BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 39/2013:

„§ 99. Strafbestimmungen.

(…)

(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

      a) wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist (…)“

V. Rechtliche Beurteilung

Gemäß der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Z 10 StVO ist unter Gehsteig ein für den Fußgängerverkehr bestimmter, von der Fahrbahn durch Randsteine, Bodenmarkierungen oder dergleichen abgegrenzter Teil der Straße zu verstehen. Die Bestimmung eines Teiles der Straße für den Fußgängerverkehr richtet sich ausschließlich nach den äußeren Merkmalen, die für jedermann deutlich erkennbar sind (vgl. VwGH 15.5.1990, 89/02/0108). Einer behördlichen Widmung als Gehsteig bedarf es nicht. Es kommt auch nicht darauf an, ob bzw. in welchem Ausmaß die Verkehrsfläche von Fußgängern benötigt wird (vgl. VwGH 14.2.1985, 84/02/0245).

Es handelt sich um eine Landfläche, die vorwiegend dem Fußgängerverkehr dient, somit um eine Straße im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 1 StVO. Dass dazu als Nebenzweck allenfalls ein Erholungszweck in einer Grünanlage tritt, ändert daran nichts. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 3.10.1985, 85/02/0078, ausgesprochen hat, nimmt der Umstand, dass im Bereich eines (dort: vor einem Haus befindlichen) Gehsteiges Bäume gepflanzt und Bänke aufgestellt wurden, weshalb von einer "Parkanlage" gesprochen worden sei, dieser Verkehrsfläche nicht die Qualifikation eines Gehsteiges im Sinne der StVO (vgl. VwGH 19.12.2003, 2003/02/0090).

Die Tatsache der Abschrägung einer Randsteinkante vermag der durch diese Kante begrenzten Fläche nicht die Eigenschaft eines Gehsteiges zu nehmen (VwGH 22.3.1989, 88/18/0378).

Dass es sich bei dem hg. Ort, an dem sich das Fahrzeug der Beschwerdeführerin zum Tatzeitpunkt befand, um einen Gehsteig handelt, ergibt sich eindeutig aus den äußeren Merkmalen, die dem aktenkundigen Lichtbild zu entnehmen sind, und der Auskunft der Magistratsabteilung 28. Dieser Umstand wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.

Nach § 8 Abs. 4 StVO ist die Benützung von Gehsteigen mit Fahrzeugen aller Art verboten. Gegen diese Anordnung verstößt etwa jemand, der sein Fahrzeug am Gehsteig parkt (vgl. VwGH 8.11.1995, 95/03/0149), hält (vgl. VwGH 25.9.1991, 91/02/0051), es dort abstellt (vgl. VwGH 10.4.1991, 90/03/0162) oder ihn befährt (vgl. VwGH 18.1.1989, 88/03/0209; VwGH 24.7.2019, Ra 2018/02/0163).

Der Tatbestand des § 8 Abs. 4 StVO ist auch dann gegeben, wenn nur mit einem Rad eines Fahrzeuges der Gehsteig benützt wird (VwGH 14.12.1978, 39/78).

Eine tatsächliche Hinderung der Benützung des Gehsteiges gehört nicht zum Tatbild des § 8 Abs. 4 StVO (VwGH 19.12.2006, 2006/02/0234). Auch die Gefährdung anderer Straßenbenützer, insb. von Fußgängern, stellt kein Tatbestandsmerkmal der Verwaltungsübertretung nach § 8 Abs. 4 StVO dar (VwGH 22.2.1985, 85/18/0016).

Ausgenommen vom Verbot des § 8 Abs. 4 Z 1 StVO ist unter anderem das Überqueren von Gehsteigen, Gehwegen und Radfahranlagen mit Fahrzeugen auf den hierfür vorgesehenen Stellen. Die Tatsache, dass die Überquerung des für das Abstellen eines Fahrzeuges verwendeten Straßenteiles nach der Bestimmung des § 8 Abs. 4 StVO zulässig ist, vermag allerdings nichts an dessen Eigenschaft als Gehsteig zu ändern (VwGH 20.12.1984, 84/02B/0137). Die Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot des Befahrens von Gehsteigen iSd § 8 Abs. 4 StVO ist auf das Überqueren von Gehsteigen zum Zufahren auf iSd § 19 Abs. 6 StVO benachrangte Verkehrsflächen bzw. zum Abfahren von solchen Verkehrsflächen an den hiefür vorgesehenen Stellen schlechthin zu beziehen (OGH 19.6.1985, 8 Ob 42/85). Das Befahren dieser Stellen ist somit lediglich zum Zweck der Überquerung des Gehsteiges erlaubt. Folglich ist gemäß § 8 Abs. 4 StVO auch an den Stellen, die zur erlaubten Überquerung von Gehsteigen dienen, das Parken, Halten und Abstellen von Fahrzeugen verboten.

Dazu ist anzumerken, dass der Begriff "abgestellt" einen die Begriffe "Halten" und "Parken" umfassenden Oberbegriff darstellt (VwGH 25.3.1994, 93/02/0308, VwGH 28.9.1984, 82/02/0162). Nach § 2 Abs. 1 Z 27 StVO ist unter „Halten“ eine nicht durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungene Fahrtunterbrechung von bis zu zehn Minuten oder für die Dauer der Durchführung einer Ladetätigkeit zu verstehen. Ein über diese Zeitdauer hinausgehendes Stehenlassen eines Fahrzeuges ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 28 StVO als „Parken“ zu qualifizieren.

Das Gegenstück zu diesen beiden Formen des „Abstellens“ bildet das „Anhalten“ nach § 2 Abs. 1 Z 26 StVO. Dieses liegt vor, wenn das Zum-Stillstandbringen des Kfz durch wichtige Umstände erzwungen worden war, die das Kfz oder dessen Lenker im Verkehr unmittelbar betrafen, z.B. plötzlich auftretende Schmerzen, drohende Ohnmacht des Fahrers oder plötzlich auftretende oder unmittelbar drohende Fahrzeugdefekte (vgl. VwGH 16.12.1976, 1893/73, VwGH 2.5.1980, 0234/80). Auch das Zum-Stillstand-Bringen eines Fahrzeuges im Zuge des Schaltmanövers vom Vorwärtsgang über den Leerlauf in den Rückwärtsgang ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als ein aus technischen Gründen erfolgendes Anhalten einzuordnen (vgl. VwGH 14.12.1984, 84/02B/0055).

Ein erzwungener wichtiger Umstand liegt aber nicht vor, wenn nicht alles zur Vermeidung einer durchaus vorhersehbaren Zwangslage vorgekehrt wurde. Ein Sorgfaltsmangel liegt schon dann vor, wenn sich der Täter auf die Handlung trotz seiner ungenügenden körperlichen oder geistigen Voraussetzungen einlässt (VwGH 6.3.1981, 0235/80).

Im gegenständlichen brachte die Beschwerdeführerin ihr Fahrzeug nicht aufgrund von äußeren Umständen, sondern bewusst, um die von ihr vergessene Fernbedienung für das Garagentor zu holen, zum Stillstand. Es liegt daher jedenfalls kein Anhalten, sondern - wie von der belangten Behörde korrekterweise angenommen - ein Abstellen (zumindest ein Halten) des Fahrzeuges auf dem Gehsteig vor. Damit wurde der Vorgang des „Überquerens“, der laut DUDEN als bewegender Vorgang („sich in Querrichtung über etwas, eine Fläche hinwegbewegen“) zu verstehen ist, unterbrochen, zumal die Öffnung bzw. der Vorgang des Aufsperrens der Garage normalerweise durch die Funkfernsteuerung bzw. einen sonstigen griffbereiten Schlüssel gewährleistet ist.

Insgesamt ist daher der objektive Tatbestand des § 8 Abs. 4 StVO als erfüllt anzusehen.

Verschulden

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine verwaltungsstrafrechtliche Vorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.

Im Fall, dass die Tat nicht mit einer Geldstrafe von über EUR 50.000,– bedroht ist und das tatbildmäßige Verhalten festgestellt wurde, gilt bei Ungehorsamsdelikten gemäß § 5 Abs. 1 und 1a VStG die gesetzliche Vermutung einer fahrlässigen Tatbegehung. Es obliegt insofern dem Beschuldigten, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Bei einer Übertretung nach § 8 Abs. 4 StVO handelt es sich um ein so genanntes Ungehorsamsdelikt (VwGH 13.12.1989, 89/02/0124). Es obliegt insofern der Beschwerdeführerin glaubhaft zu machen, dass ihr an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (vgl. VwGH 15.5.1990, 89/02/0108).

Die Beschwerdeführerin vermochte es im gegenständlichen Fall nicht schlüssig darzulegen, weshalb sie ihr Fahrzeug gerade an jener Stelle abstellen musste, um die Fernbedienung für das Garagentor aus dem Haus zu holen. Dass die Funkfernsteuerung oder ein sonstiger Schlüssel nicht sofort zur Verfügung stand, ist als Sorgfaltsmangel zu werten, der bei gehöriger Aufmerksamkeit im Voraus hätte vermieden werden können.

Es konnte daher nicht glaubhaft gemacht werden, dass ihr die Einhaltung der übertretenen Rechtsvorschrift ohne ihr Verschulden nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre. Denn als Teilnehmer am Kraftfahrzeugverkehr mussten der Beschwerdeführerin die einschlägigen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung bekannt sein. Kannte sie diese Bestimmungen nicht, so hat sie sich diesbezüglich fahrlässig verhalten (vgl. Wessely in Raschauer/Wessely, VStG2 § 5, Rz 24 mwN).

Im Übrigen kann eine Unkenntnis oder eine irrige Auslegung von Bestimmungen der StVO bei Kraftfahrzeuglenkern nicht als unverschuldet angesehen werden (vgl. VwGH 24.9.1997, 95/03/0157).

Daher hat die Beschwerdeführerin den Tatbestand auch in subjektiver Hinsicht erfüllt.

Strafbemessung

Gemäß § 10 VStG richten sich die Strafart und der Strafsatz nach den Verwaltungsvorschriften, soweit im Verwaltungsstrafgesetz nichts anderes bestimmt ist.

Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist.

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG bilden die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat die Grundlage für die Bemessung der Strafe. Im ordentlichen Verfahren sind gemäß § 19 Abs. 2 VStG überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Gemäß § 16 Abs. 1 und 2 VStG ist zugleich mit der Geldstrafe für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen, welche (ohne Bedachtnahme auf § 12 VStG) nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen ist und das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe bzw., wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist, zwei Wochen nicht übersteigen darf. Eine Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als sechs Wochen ist nicht zulässig.

Bei der Bemessung der Strafe dürfen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Überlegungen der Spezialprävention und Generalprävention einbezogen werden (vgl. VwGH 15.5.1990, 89/02/0093, VwGH 22.4.1997, 96/04/0253, VwGH 29.1.1991, 89/04/0061).

Durch das Abstellen des Fahrzeuges auf dem Gehsteig, wurde der für Fußgänger nutzbare Bereich an der Tatörtlichkeit stark verkleinert und dadurch das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit von Fußgängern erheblich beeinträchtigt. Der objektive Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretung kann sohin - selbst bei Fehlen allfälliger nachteiliger Folgen - nicht als geringfügig erachtet werden (zum Unrechtsgehalt des Abstellens von Fahrzeugen auf Gehsteigen siehe etwa VwGH 16.11.1988, 88/02/0144 und VwGH 21.2.1990, 89/02/0188).

Die Beschwerdeführerin hat hier zumindest fahrlässig gehandelt, wobei sie sich als Lenkerin und damit Teilnehmerin am Kraftfahrzeugverkehr mit den einschlägigen Bestimmungen vertraut hätte machen müssen (zum Verschulden im Detail siehe oben), sodass nicht von einem geringen Verschulden ausgegangen werden kann, zumal der Gehsteig als solcher eindeutig erkennbar war.

Die in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Umstände - geringe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, geringe Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die Tat sowie geringes Verschulden - müssen kumulativ vorliegen (vgl. VwGH 20.11.2015, Ra 2015/02/0167). Anhaltpunkte, die ein Vorgehen nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG rechtfertigen würden, sind keine hervorgekommen, zumal hier das tatbildmäßige Verhalten des Täters gerade nicht hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurückbleibt (vgl. VwGH 27.2.2019, Ra 2018/04/0134, Pkt. 5.2, VwGH 9.9.2016, Ra 2016/02/0118).

Dass kein Schaden entstanden ist, kommt bei einem Ungehorsamdelikten - wie dem hier vorliegenden – ebenfalls nicht als Milderungsgrund in Betracht (vgl. VwGH 31.3.2000, 99/02/0352).

Die Beschwerdeführerin war zum Tatzeitpunkt verwaltungsstrafrechtlich unbescholten. Die belangte Behörde führte im angefochten Straferkenntnis zwar aus, dass dieser Umstand als Milderungsgrund berücksichtigt wurde, setzte die in der vorangegangen Strafverfügung vom 27.2.2020 verhängte Geldstrafe jedoch nicht herab. § 19 Abs. 1 VStG enthält jene objektiven Kriterien, die Grundlage für die Strafbemessung sind, egal ob diese mittels Organmandat, Strafverfügung oder im ordentlichen Verfahren erfolgt. Darüber hinaus normiert § 19 Abs. 2 VStG für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer zu berücksichtigender subjektiver Umstände, darunter insbesondere die Erschwerungs- und Milderungsgründe (siehe VwGH 12.12.1995, 94/09/0197). Dieser Systematik zufolge sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe erst im ordentlichen Verfahren – also fallbezogen erst nach einem zulässigen Einspruch gegen die Strafverfügung (vgl. § 49 Abs. 2 VStG) - zu berücksichtigen (vgl. Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 19, Rz 6). Im gegenständlichen Verfahren wurde die verhängte Geldstrafe trotz Hervortretens der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit im ordentlichen Verfahren daher nicht (ausreichend) berücksichtigt, sodass eine Strafherabsetzung möglich war.

Ansonsten ergaben sich im gegenständlichen Fall keine weiteren Milderungs- oder Erschwerungsgründe.

Da die Beschwerdeführerin weder im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde noch im gegenständlichen Beschwerdeverfahren Angaben zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen bzw. zu etwaigen Sorgepflichten machte, wurden durchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerin angenommen (vgl. Wessely in Raschauer/Wessely VStG2 § 19, Rz 23).

Unter angemessener Berücksichtigung der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin und in Ermangelung von Erschwerungsgründen, war die verhängte Strafe spruchgemäß herabzusetzen und erweist sich in Anbetracht des bis zu 726,- Euro reichenden gesetzlichen Strafrahmens nun als tat- und schuldangemessen (liegt im untersten Bereich - ca. 6,9 % des Strafrahmens wurde ausgeschöpft). Eine weitere Herabsetzung der Strafe kam jedoch unter Berücksichtigung des objektiven Unrechtsgehaltes der Tat, des Verschuldens der Beschwerdeführerin sowie aus general- und spezialpräventiven Gründen nicht in Betracht.

Aufgrund der Herabsetzung der Geldstrafe konnte auch die Ersatzfreiheitsstrafe demensprechend verringert werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle.

Da die verhängte Geldstrafe im angefochtenen Straferkenntnis den Betrag von 500,- Euro nicht übersteigt bzw. auch nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung der belangten Behörde gerügt wurde und keine Verfahrenspartei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte, konnte von der Durchführung einer solchen gemäß § 44 Abs. 3 Z 1 und Z 3 VwGVG abgesehen werden (hier erfolgte eine Belehrung über die Möglichkeit der Antragstellung in der Rechtsmittelbelehrung des Straferkenntnisses; zudem ist die Beschwerdeführerin rechtskundig vertreten – VwGH 31.7.2014, Ra 2014/02/0011, VwGH 11.9.2013, 2011/02/0072, VwGH 26.2.2016, Ra 2015/12/0042; VfGH 28.2.1997, B 1382/96 u.a.).

Eine Revision der Beschwerdeführerin wegen Verletzung in Rechten gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist im vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG nicht zulässig, weil es sich um eine Verwaltungsübertretung handelt, für die eine Geldstrafe von weniger als 750,– Euro verhängt werden durfte und lediglich eine Geldstrafe von 50,- Euro verhängt wurde (vgl. VwGH 29.10.2014, Ra 2014/01/0113).

Im Übrigen ist die ordentliche Revision unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Gehsteig; Benützung von Gehsteigen; Fahrzeug; Abstellen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.062.8119.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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