TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/21 L516 1219353-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.04.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

21.04.2020

Norm

AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs3a
AsylG 2005 §9 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

L516 1219353-2/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Iran, vertreten durch Dr Helmut BLUM, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.11.2016, Zahl IFA 87624906 / VerfZ 140110197, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 7 Abs 1 Z 1 iVm § 6 Abs 1 Z 4 AsylG ersatzlos behoben.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29.11.2016 wurde (I.) gemäß § 7 Abs 1 Z 1 AsylG der dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 25.07.1991 zuerkannte Status des Asylberechtigten aberkannt und gemäß § 7 Abs 4 AsylG festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetztes nicht mehr zukomme. Das BFA erkannte unter einem (II.) gemäß § 8 Abs 3a iVm § 9 Abs 2 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu, erklärte jedoch die Abschiebung in den Iran für unzulässig und erteilte (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG.

Gegen die Spruchpunkte I und III dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde.

1. Sachverhaltsfeststellungen:

[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: S=Seite; AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister]

1.1 Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Iran und führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen sowie das ebenso dort angeführten Geburtsdatum. (BFA Bescheid 29.11.2016, S 6, 67)

1.2 Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25.07.1991, Zl 4.287.820/5-II/13/91, wurde dem Beschwerdeführer rechtskräftig Asyl gewährt, dies aus folgendem Grund: XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX XXXX

1.3 Das BFA begründet die gegenständliche Aberkennung des Status des Asylberechtigten wie folgt (BFA Bescheid 29.11.2016, S 7 ff; zusätzlich [anonymisiert] durch Bundesverwaltungsgericht):

"Sie wurden am 03.12.2010 (rk 03.12.2010) vom Landesgericht [anonymisiert] unter der Aktenzahl [anonymisiert] wegen § 28a Abs 1 5. Fall SMG, § 15 StGB und den §§ 28a Abs 1 1., 2., 3. und 4. Fall, 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt.

Diesem Urteil liegt zu Grunde, dass Sie, [anonymisiert], [anonymisiert]. und [anonymisiert] in [anonymisiert], [anonymisiert], [anonymisiert] und an anderen Orten

B) vorschriftswidrig Suchtgift anderen überlassen bzw. zu überlassen versucht haben, und zwar

III) Sie und [anonymisiert] im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, indem Sie am 11.08.2010 497,8g Kokain mit einer Reinsubstanz von 138 +/- 12g Kokain.HCl an einen verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamtes zu verkaufen versuchten,

IV) Sie indem Sie am 09.08.2010 0,7g Kokain als Probe an einen verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamtes unentgeltlich überließen,

C) Sie und [anonymisiert] im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge einem anderen angeboten haben, indem Sie in der Zeit vom 04.08.2010 bis zuletzt am 10.08.2010 in wiederholten Angriffen weitere 500g Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 28% zum Grammpreis zwischen EUR 55,-- und EUR 60,-- einem verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamtes zum Kauf anboten,

D) Sie und [anonymisiert] im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 350g Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von 15,3% etwa Anfang August 2010 in [anonymisiert] mit dem Vorsatz erworben, von [anonymisiert] nach [anonymisiert] befördert und bis zum 11.08.2010 von der genannten Suchtgiftmenge 256,2g Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz von 39,1 +/-1 1,2g Delta-9-THC besessen haben, dass es in Verkehr gesetzt werde;

F) vorschriftswidrig Suchtgift in wiederholten Angriffen erworben und besessen haben, und zwar

1) Sie Cannabisharz und Kokain in der Zeit vom 20.07.2005 bis um den 11.08.2010.

Als mildernd wurden vom Gericht das teilweise Geständnis sowie der Umstand, dass die Tat teils beim Versuch geblieben ist, gewertet.

Erschwerend wurden jedoch drei Vorstrafen sowie das Zusammentreffen von Verbrechen mit Vergehen festgestellt.

Und am 22.01.2014 wurden Sie vom Landesgericht für Strafsachen [anonymisiert] unter der Aktenzahl [anonymisiert] wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 4. Fall, Abs 2 Z 1, Abs 3 SMG, der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 2. und 3. Fall, Abs 2 Z 1, Abs 3 SMG teilweise als Beteiligter nach § 12 2. Fall StGB und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 5. Fall, Abs 2 Z 1 und 3, Abs 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Jahren verurteilt. Einer Berufung der Staatsanwaltschaft wurde vom Oberlandesgericht [anonymisiert] jedoch Folge gegeben und Ihre Freiheitsstrafe wurde mit Beschluss vom 14.08.2014 [anonymisiert] auf 4 Jahre erhöht (rk 14.08.2014).

Diesem Urteil liegt zu Grunde, dass Sie und [anonymisiert] in [anonymisiert], [anonymisiert], [anonymisiert] und an anderen Orten im Bundesgebiet sowie in den Niederlanden gewerbsmäßig, wobei Sie mit Urteil des Landesgerichtes [anonymisiert] vom 03.12.2010, AZ [anonymisiert] schon einmal wegen § 28a Abs 1 SMG und [anonymisiert] mit Urteil des Landesgerichtes [anonymisiert] vom 29.07.2005, [anonymisiert] wegen § 28 Abs 2 und Abs 3 erster Fall SMG idF BGBl I Nr 134/2002, somit bereits einmal wegen einer Straftat, die § 28a Abs 1 SMG entspricht, verurteilt wurden,

A. anderen vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge angeboten haben und zwar Sie am 31.10.2011 einem verdeckten Ermittler 500 Gramm Heroin mit einem Reinheitsgehalt von 5,48% Heroin, 0,4% Acetylcodein und 0,5% Monoacetylmorphin zu einem Preis von insgesamt ? 25.000,--;

B. vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 20% Cocain, teils in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB; Punkt B.II. und B.III.) aus den Niederlanden aus- und über Deutschland nach Österreich eingeführt haben, indem Sie das Suchtgift in einem von [anonymisiert] gelenkten LKW transportierten, wobei Sie die jeweiligen Staatsgrenzen überschritten, nämlich

II. Sie und [anonymisiert] zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt zwischen Ende August 2012 und Anfang September 2012 100 Gramm;

III. Sie und [anonymisiert] am 27.10.2012 100 Gramm;

C. andere dazu bestimmt haben, vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 20% Cocain, aus den Niederlanden aus- und über Deutschland nach Österreich einzuführen, und zwar Sie und er im Verfahren [anonymisiert] der Staatsanwaltschaft [anonymisiert] abgesondert verfolgte [anonymisiert] Anfang August 2012 [anonymisiert] zur Aus- und Einfuhr von 180 Gramm Kokain (Punkt B.I.), indem Sie diesen anwiesen, das Suchtgift in seinem LKW aus den Niederlanden nach Österreich zu transportieren;

D. anderen vorschriftswidrig Suchtgift, Sie in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG), [anonymisiert] in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, überlassen haben und zwar Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 20% Cocain, Heroin mit einem Reinheitsgehalt von 5,48% Heroin, 0,4% Acetylcodein und 0,5% Monoacetylmorphin, Cannabiskraut und Cannabisharz mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 6,7% THCA, nämlich

I. Sie

1. im Zeitraum von November 2008 bis August 2010 unbekannt gebliebenen Abnehmern 60 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 25% Cocain, 1000 Gramm Cannabiskraut und 100 Gramm Cannabisharz;

2. am 27.10.2011 einem Verdeckten Ermittler 1,2 Gramm Heroin;

3. im Zeitraum von November 2011 bis Juli 2012 unbekannt gebliebenen Abnehmern 75 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 20% Cocain und 1700 Gramm Cannabiskraut;

4. [anonymisiert]

a) im Juni 2012 900 Gramm Cannabiskraut;

b) Anfang Juli 2012 1000 Gramm Cannabiskraut;

c) Anfang August 2012 im Anschluss an die unter Punkt B.I. angeführte Schmuggelfahrt 172 Gramm Kokain;

d) zwischen August 2012 und Oktober 2012 im Anschluss an die unter Punkt B.II. angeführte Schmuggelfahrt 80 Gramm Kokain;

5. [anonymisiert]

a) Anfang August 2012 die unter Punkt B.I. angeführte Suchtgiftmenge von 18 Gramm Kokain;

b) zwischen August 2012 und Oktober 2012 im Anschluss an die unter Punkt B.II. angeführte Schmuggelfahrt 10 Gramm Kokain;

c) am 27.10.2012 im Anschluss an die unter Punkt B.III. angeführte Schmuggelfahrt 10 Gramm Kokain;

6. [anonymisiert]

a) Anfang Oktober 2012 500 Gramm Cannabiskraut;

b) Ende Oktober 2012 im Anschluss an die unter Punkt B.III. angeführte Schmuggelfahrt 80 Gramm Kokain;

7. im Zeitraum von August 2012 bis September 2012 unbekannt gebliebenen Abnehmern 1400 Gramm Cannabiskraut;

8. Anfang Oktober 2012 unbekannt gebliebenen Abnehmern 500 Gramm Cannabiskraut;

9. am 20.02.2013 [anonymisiert] 900 Gramm Cannabiskraut mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 6,7% THCA;

wobei Sie und [anonymisiert] an Suchtgift, nämlich Kokain und Cannabiskraut, gewöhnt sind und die Taten vorwiegend deshalb begingen, um sich für den persönlichen Gebrauch Suchtmittel bzw. Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen.

Mildernd wurden vom Gericht Ihr umfassendes und überschießendes Geständnis sowie der Umstand, dass es im Fall des Punktes A. beim bloßen Anbot geblieben ist, gewertet.

Erschwerend wurden hingegen die einschlägigen Vorstrafen, die Tatbegehung während eines Strafvollzuges (Punkt A.) sowie der lange Tatzeitraum festgestellt.

Vom OLG [anonymisiert] wurden die Strafzumessungskriterien noch ergänzt. So war die Sicherstellung eines (bloß sehr geringen) Teils des tatverfangenen Suchtgifts noch mildernd im Sinne des § 34 Abs 1 Z 13 StGB zu werten, da diese jedoch ohne Ihr Zutun erfolgte, bleibt die Wirkung fallbezogen lediglich marginal, und auch, da Sie sich im Zuge Ihrer Vernehmung vor der Polizei geständig verantworteten und Lieferanten und Abnehmer preisgaben, beide Varianten des § 34 Abs 1 Z 17 StGB. Die Erschwerungsgründe wurden um die Erfüllung der formellen Voraussetzungen des § 39 StGB, die Begehung während offener Probezeit, das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen, das Vorliegen der zweifachen Qualifikation beim Faktum D.I. sowie die vielfache Wiederholung der deliktischen Angriffe ergänzt."

1.4 Der Beschwerdeführer wurde am XXXX aus der Strafhaft entlassen. Seit dieser Haftentlassung hat sich der Beschwerdeführer wohlverhalten und sich nichts mehr zu Schulden kommen lassen. Er lebt mit seiner Ehefrau in geordneten Wohnverhältnissen im gemeinsamen Haushalt. Gemeinsam haben sie zwei erwachsene Töchter sowie zwei Enkelkinder. Seine Ehefrau, seine Töchter sowie die Enkelkinder sind österreichische Staatsangehörige. Die ältere Tochter ist berufstätig, die jüngere Studentin und teilzeitbeschäftigt. Der Beschwerdeführer selbst ist seit 02.05.2018 - mit einer Unterbrechung vom 05.02.2019 bis 07.04.2019 - laufend beim selben Arbeitgeber unselbstständig Vollzeit erwerbstätig, aktuell bei einem Bruttolohn von EUR XXXX (OZ 6, 8, 9)

2. Beweiswürdigung:

Die Sachverhaltsfeststellungen stützen sich auf den Verwaltungsverfahrensakt des BFA, den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes und den vom Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren mit Schriftsätzen vom 17.12.2019, 19.03.2020 und 23.03.2020 gemachten Angaben und den damit in Einklang stehenden, gleichzeitig vorgelegten Dokumenten sowie den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Registerauskünften. Die konkreten Beweismittel sind bei den Sachverhaltsfeststellungen bzw in der Beweiswürdigung jeweils in Klammer angeführt.

2.1 Die Feststellungen zur Identität, zur Staatsangehörigkeit und zur Herkunft des Beschwerdeführers (oben 1.1.) wurden bereits vom BFA im angefochtenen Bescheid getroffen (BFA Bescheid 29.11.2016, S 6, 67) und vom Beschwerdeführers wurde dem nicht entgegengetreten. Sie decken sich auch mit dem Inhalt der vom BFA vorgelegten Verwaltungsakten zum Verfahren über die Asylanerkennung des Beschwerdeführers. Das Bundesverwaltungsgericht sieht sich somit nicht veranlasst, diese Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

2.2 Die Feststellung zu der erfolgten Asylgewährung (oben 1.2.) beruhen auf den dazu bereits vom Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) in seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 17.07.2007, Zahl 219.353/0/17E-VIII/22/00, getroffenen Sachverhaltsfeststellungen.

2.3 Die Feststellung zur Begründung der Aberkennung des Status des Asylberechtigten durch das BFA beruhen auf den diesbezüglichen Feststellungen des BFA im angefochtenen Bescheid (Bescheid, S 7 ff). Die dabei festgestellten Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Strafregister der Republik Österreich (OZ 3) sowie aus den diesbezüglichen Gerichtsurteilen, die sich im Verwaltungsakt des BFA befinden (AS 49 ff).

2.4 Die Feststellungen zu den aktuellen Wohn-, Einkommens- und Lebensverhältnissen sowie zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers beruhen auf den diesbezüglich mit Urkunden belegten Angaben des Beschwerdeführers vom 17.12.2019, 19.03.2020 und 23.03.2020. Der Beschwerdeführer hat dabei eine aktuelle Arbeitsbestätigung seines Arbeitgebers, einen Einkommenssteuerbescheid sowie eine Bestätigung der Meldung seines Wohnsitzes übermittelt (OZ 6, 8, 9), die im Einklang stehen mit den Eintragungen beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger sowie im Zentralen Melderegister (OZ 10, 11). Die Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer seit seiner Haftentlassung nichts mehr zu Schulden hat kommen lassen ergibt sich aus dem Strafregister der Republik Österreich.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides

3.1 Für die Anwendung des § 13 Abs 2 zweiter Fall AsylG 1997 (entspricht § 6 Abs 1 Z 4 AsylG 2005) müssen kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf: Er muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein, und schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen. Es genügt nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. In gravierenden Fällen schwerer Verbrechen ist bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose zulässig (VwGH 26.02.2019, Ra 2018/18/0493).

Zum gegenständlichen Verfahren

3.2 Das BFA begründete im angefochtenen Bescheid vom 29.11.2016 die gegenständlich erfolgte Aberkennung des Status des Asylberechtigten zusammengefasst mit den festgestellten Verurteilungen und einer negativen Zukunftsprognose.

Fallbezogen sind die vom Verwaltungsgerichtshof geforderten ersten beiden Kriterien für eine Aberkennung gegeben, nämlich die Verübung eines besonders schweren Verbrechens und die rechtskräftige Verurteilung, wobei sich die festgestellten Taten des Beschwerdeführers als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. Dem wurde auch in der Beschwerde beigetreten (Beschwerde, S 4 (AS 275).

Besteht für das zukünftige Verhalten des Täters jedoch eine günstige Prognose, darf § 13 Abs 2 AsylG 1997 (entspricht § 6 Abs 1 Z 4 AsylG 2005) im Sinne des Art 33 Abs 2 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht angewendet werden (VwGH 22.10.2003, 2001/20/0148).

Das Bundesverwaltungsgericht hat im Beschwerdeverfahren bei Erlassung seines Erkenntnisses von der im Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszugehen (VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076).

Nach den getroffenen Feststellungen kann zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt für das zukünftige Verhalten des Beschwerdeführers eine günstige Prognose getroffen werden. Der Beschwerdeführer wurde am XXXX aus der Strafhaft entlassen. Seit dieser Haftentlassung - somit seit knapp zweieinhalb Jahren - hat sich der Beschwerdeführer wohlverhalten und sich nichts mehr zu Schulden kommen lassen. Er lebt mit seiner Ehefrau in geordneten Wohnverhältnissen im gemeinsamen Haushalt. Gemeinsam haben sie zwei erwachsene Töchter sowie zwei Enkelkinder. Seine Ehefrau, seine Töchter sowie die Enkelkinder sind österreichische Staatsangehörige. Die ältere Tochter ist berufstätig, die jüngere Studentin und teilzeitbeschäftigt. Der Beschwerdeführer selbst ist seit 02.05.2018 - mit einer Unterbrechung vom 05.02.2019 bis 07.04.2019 - laufend beim selben Arbeitgeber unselbstständig Vollzeit erwerbstätig, aktuell zuletzt bei einem Bruttolohn von EUR XXXX -. Es muss daher von einer insgesamt positiven Entwicklung des Beschwerdeführers seit seiner Haftentlassung ausgegangen werden, sodass er auf Grund dieser günstigen Prognose nicht (mehr) als gemeingefährlicher Straftäter im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.10.1999, Zahl: 99/01/0288 zu bezeichnen ist.

Im Hinblick auf diese Beurteilung erübrigt sich die als vierte Voraussetzung vorgesehene Interessensabwägung der öffentlichen Interessen an der Rückschiebung zu den Interessen des Flüchtlings am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat.

3.3 Der Beschwerde wird daher stattgegeben und der angefochtene Bescheid des BFA wird spruchgemäß ersatzlos behoben.

Entfall der mündlichen Verhandlung

3.4 Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B)

Revision

3.5 Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.

3.6 Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aberkennung des Status des Asylberechtigten Aberkennungstatbestand Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 2 Aberkennungsverfahren Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Familienleben Geheimdienst gemeinsamer Haushalt nachrichtendienstliche Tätigkeit Selbsterhaltungsfähigkeit Spionage Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Suchtmitteldelikt Zukunftsprognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L516.1219353.2.00

Im RIS seit

01.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten