TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/9 W161 2166542-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.03.2020
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Entscheidungsdatum

09.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a

Spruch

W161 2166542-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.01.2020, Zl. 1093078704-191291269, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat am 02.11.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 03.11.2015 gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an, dass in Afghanistan Krieg und Terror herrsche und er aus Angst um sein Leben geflohen sei.

Aus dem Gutachten zur Altersfeststellung des Beschwerdeführers vom 05.02.2016 ergibt sich als spätestmögliches Geburtsdatum des Beschwerdeführers der XXXX .

Der Beschwerdeführer wurde am 16.05.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er in der Provinz Kunduz, Distrikt XXXX , Dorf XXXX , geboren sei und stets dort gelebt habe. Er habe dort fünf Jahre lang die Schule besucht und seinem Vater in der Landwirtschaft geholfen. Die Eltern sowie die Geschwister des Beschwerdeführers würden nach wie vor im Heimatdorf leben. Ein Onkel lebe in der Provinz Baghlan. Zu seinem Fluchtgrund befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er Afghanistan wegen des Krieges und der Unsicherheit verlassen habe. Er habe dort kein ruhiges Leben gehabt. Die Taliban seien mächtig und hätten im Heimatdistrikt des Beschwerdeführers junge Leute rekrutieren wollen.

Mit Bescheid vom 12.07.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs.1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seinem Fluchtgrund, zur Situation im Falle seiner Rückkehr und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Es habe keine glaubhafte Gefährdungslage festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung glaubhaft machen können. Dem Beschwerdeführer könne eine Rückkehr nach Afghanistan zugemutet werden.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.10.2019, GZ W228 2166542-1/11E wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Diese Entscheidung wuchs mit 07.10.2019 in Rechtskraft.

Der nunmehrige Beschwerdeführer verließ zu einem unbekannten Zeitpunkt Österreich und war unbekannten Aufenthalts.

Am 09.07.2019 langte ein Aufnahmegesuch der deutschen Dublin-Behörde in Österreich ein, aus welchem hervorgeht, dass der Beschwerdeführer in Deutschland am 06.07.2019 wegen illegalen Aufenthalts angehalten wurde.

Am 09.07.2019 stimmte Österreich dem Ansuchen der deutschen Dublin-Behörde zu und wurde der nunmehrige Beschwerdeführer am 14.08.2019 von Deutschland nach Österreich rücküberstellt.

Der Beschwerdeführer verließ Österreich erneut zu einem unbekannten Zeitpunkt.

Am 15.10.2019 langte ein weiteres Aufnahmegesuch der deutschen Dublin-Behörde in Österreich ein, aus dem hervorgeht, dass der Beschwerdeführer in Deutschland am 06.07.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Der Beschwerdeführer wurde in Deutschland wegen Körperverletzung erkennungsdienstlich behandelt.

Am 15.10.2019 stimmte Österreich dem Ansuchen der deutschen Dublin-Behörde erneut zu und wurde der Beschwerdeführer am 17.12.2019 neuerlich von Deutschland nach Österreich rücküberstellt.

5. Noch am selben Tag, dem 17.12.2019 brachte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

6. Im Rahmen der Erstbefragung am selben Tag gab der Beschwerdeführer zu den Gründen für die erneute Asylantragstellung an, es habe sich seit seinem ersten Asylantrag nichts an seinen Gründen geändert. In Afghanistan sei noch immer Bürgerkrieg und würden Menschen getötet. Er könne nicht zurück nach Afghanistan, weil er aus Kunduz komme. Dort würden die Taliban junge Männer wie ihn hohlen und sie zwingen, für die Taliban in den Krieg zu ziehen. Darum sei er schon 2015 aus Afghanistan geflohen. Bei einer Rückkehr in die Heimat, wisse er nicht, was mit ihm in Afghanistan passieren werde. Er habe Angst, dass er dort in den Krieg ziehen müsse und sterben werde.

7. Am 03.01.2020 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) statt.

Der Beschwerdeführer gab an, er fühle sich psychisch und physisch in der Lage, die an ihn gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Sein Name sei XXXX er sei am XXXX in der Provinz Kunduz, im Dorf XXXX , im Distrikt XXXX geboren, afghanischer Staatsangehöriger, Hazara und Moslem (Schiite). Er sei ledig und habe keine Kinder. Er sei nicht sehr gläubig und bete nicht. Seit rechtskräftigem Abschluss seines Erstasylverfahrens vom 07.10.2019 sei keine Änderung in seinem Familienleben eingetreten. Er sei keine bekannte Persönlichkeit in Afghanistan gewesen. Er sei gesund und benötige auch keine Medikamente. Er habe bei der Erstbefragung am 17.12.2019 die Wahrheit gesagt.

Er wisse nicht, ob er einen neuen Asylgrund habe. Es gehe um die kritische Sicherheitslage in Afghanistan. Es gehe um religiöse Probleme. Nachgefragt meine er den Krieg zwischen den Sunniten und Schiiten. Das habe es damals gegeben und sei es immer noch so. die Taliban seien alle Sunniten und würden die Schiiten umbringen. Er habe inzwischen die Bibel gelesen. Dort sei nur die Rede von Frieden und Liebe. Das habe ihm sehr gefallen. Er habe die Bibel in XXXX gelesen, dort habe er einen iranischen Freund gehabt, der regelmäßig zur Kirche gegangen sei. Dieser habe ihn missioniert und einige Male in die Kirche mitgenommen. Das sei vor ungefähr fünf bis sechs Monaten gewesen. Er sei zwei Mal in der Kirche gewesen und habe dann die Bibel bekommen. Er habe darin gelesen und auch Filme geschaut. Jesus habe verstorbene Menschen wieder lebendig gemacht und eine Ehebrecherin sollte gesteinigt werden. Jesus habe gesagt, dass derjenige ohne Sünde den ersten Stein werfen solle. Die beiden Geschichten haben ihm sehr gut gefallen. Er habe auch mit einem Pfarrer gesprochen, er wollte mehr Informationen über das Christentum. Er interessiere sich für die Konversion der Protestanten. Nachgefragt gebe er an, dies sei deswegen, weil er in XXXX nur mit Protestanten in Kontakt gewesen wäre. Sie seien nett gewesen. Das habe ihm sehr gut gefallen. Über die Bibel könne er nicht sehr viel sagen. Er habe es nur durchgeblättert. Befragt, ob andere Menschen insbesondere Moslems von seinem Interesse für das Christentum wissen, gab der Beschwerdeführer an, es gäbe im Lager drei bis vier andere Flüchtlinge, die ebenfalls Interesse hätten, diese wüssten bescheid. Andere moslemische Flüchtlinge würden es nicht wissen, mit denen habe er aber nicht gesprochen. Es sei nicht zur Sprache gekommen. Sie hätten nicht gefragt und er habe nichts gesagt. Über Befragen, warum er das bei der Erstbefragung nicht erwähnt habe, gab der Beschwerdeführer an, weil er noch nicht getauft sei. Es gäbe keinen Termin für die Taufe. Die Taufe sei wichtig. Man müsse sauber sein, dann könne man ein Christ sein. Mit sauber meine er, man wolle von einer Religion zu einer anderen Religion wechseln. Zuerst müsse man die Sünden wegbekommen, dann sei man ein Christ. Über Befragung, ob er jemals persönlich vom Krieg der Taliban gegen die Schiiten betroffen gewesen wäre, gab der Beschwerdeführer an, dies sei nicht der Fall, wenn die ihn erwischt hätten, wäre er schon tot. Befragt, woher er sein Wissen über die Sicherheitslage in Afghanistan habe, gab der Beschwerdeführer an, die Lage sei schlimm, man höre es in den Nachrichten. In Afghanistan würden sich noch seine Eltern und seine Geschwister befinden. Diese würden in Mazar-e Sharif leben, weil die meisten Schiiten Kunduz verlassen hätten. Seinen Verwandten ginge es gut, sie seien auch in Sicherheit. Er habe Kontakt und würden sie alle drei bis vier Wochen miteinander sprechen. Befragt, ob es noch andere Gründe zur Stellung dieses Asylantrages gegeben habe, gab der Beschwerdeführer an, die Gründe des ersten Verfahrens seien alle aufrecht, inzwischen sei er aber auch ein Christ. Er sei seit seiner ersten Antragstellung in Österreich in Deutschland gewesen und rücküberstellt worden. Er sei auch in Italien und Frankreich gewesen, dort sei er aber nur durchgereist. Er habe in Europa keine Verwandten oder sonstigen Personen, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung bestehen würde. Er habe in Oberösterreich einen Halbbruder, mit diesem habe er aber nur alle zwei bis drei Wochen telefonisch Kontakt. Sie würden sie gegenseitig frage, wie es ihnen gehe. Der Halbbruder lebe seit 2015 in Österreich, sie seien gemeinsam eingereist. Er habe kein Asyl. Die Adresse kenne er nicht. Sie seien gemeinsam nach Deutschland gereist, seit der Beschwerdeführer hier sei, habe er den Halbbruder nicht mehr gesehen. Dieser sei auch rücküberstellt worden, er wisse aber nicht, wo der Halbbruder gerade sei. Er sei arbeitsfähig, er könnte in Österreich als Abwäscher arbeiten oder in einem Hotel, eigentlich könnte er jede Arbeit ausführen. Er befinde sich in Österreich in der Grundversorgung und werde von Staat versorgt. Er verfüge über keine finanzielle Mittel, um selbstständig für seinen Unterhalt hier sorgen zu können. Er habe alles gesagt. Es sei alles richtig und vollständig protokolliert und rückübersetzt worden.

8. Am 20.01.2020 wurde der Beschwerdeführer neuerlich vor dem BFA einvernommen und gab an, sein Gesundheitszustand habe sich seit der letzten Einvernahme nicht geändert. Seine Angaben bei der letzten Niederschrift seien alle richtig. Er halte seine Angaben aufrecht. Er wolle nur gerne einen Punkt über das Christentum sagen. Er habe letztes Mal nicht alle Fragen richtig beantworten können, weil er nicht genug konzentriert gewesen wäre. Ein Punkt in seiner Einvernahme sei falsch gewesen. Er habe gesagt, dass er in XXXX getauft worden wäre, aber er sei noch gar nicht getauft. In der Folge korrigierte der Beschwerdeführer seine Aussage dahingehend, dass er angab:

"Sie haben mich gefragt, ob ich getauft wurde. Ich wurde in Deutschland getauft und das habe ich nicht angegeben. In XXXX bin ich nicht getauft."

Befragt, wann diese Taufe gewesen wäre gab der Beschwerdeführer an, er sei in XXXX nicht getauft worden, weil er in Deutschland gewesen wäre.

Befragt ob er noch etwas erwähnen möchte, das nicht zur Sprache gekommen sein, gab er an, er habe alles gesagt. Zu den Länderfeststellungen zu Afghanistan gab er an, er habe es nur flüchtig gelesen. Er wolle dazu sagen, dass die Lage überall im Land unsicher sei. Er glaube nicht, dass es im Land irgendeine sichere Provinz gebe. Sein Schlusswort sei, dass er auf gar keinen Fall nach Afghanistan zurückkönne, weil er in Österreich sehr oft in der Kirche gewesen wäre. Seine Familie wisse darüber Bescheid. Sie seinen religiös und würde nicht wollen, dass er hier in der Kirche sei. Deswegen werden sie hart reagieren, wenn er wieder dort sei. Er wolle weiterhin in Österreich bleiben und das Land nicht verlassen. Sonst werde alles für ihn sehr problematisch. Seine Einvernahme sei richtig und vollständig protokolliert worden.

9. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 30.01.2020 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 17.12.2019 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

In diesem Bescheid wird festgestellt, die Identität des Beschwerdeführers könne mangels entsprechender glaubwürdiger Personaldokumente nicht festgestellt werden. Er sei afghanischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Hazara und dem moslemisch/schiitischen Glauben an. Es könne nicht festgestellt werden, dass sich der Beschwerdeführer vom Islam abgewendet habe. Seine Muttersprache sei Dari. Er nehme innerhalb der afghanischen Gesellschaft keine herausragende Stellung ein. Er verfüge über Schulbildung und Berufserfahrung in der Landwirtschaft, sei ledig und kinderlos. Seine Familie stamme aus der Provinz Kunduz, seine Angehörigen würden in Mazar-e Sharif leben. Er habe Kontakt zu seinen Verwandten in Afghanistan. Der Beschwerdeführer sei jung und arbeitsfähig und leide an keiner ernsten oder lebensbedrohlichen Erkrankung, die seiner Rückkehr im Wege stehen würde. Er sei strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer habe im gegenständlichen Asylverfahren keine glaubhaften, asylrelevanten Gründe vorgebracht. Auch aus den sonstigen Umständen habe eine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen einer politischen Überzeugung nicht festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer befinde sich seit 17.12.2019 erneut in Österreich. Sein Aufenthalt in Österreich sei niemals als sicher anzusehen gewesen. Sein Halbbruder lebe in Österreich, es bestehe jedoch kein schützenswertes Familienleben. Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine weiteren Angehörige oder Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Bindung bestehe. Er habe sich in Österreich in Grundversorgung befunden und ausschließlich von Geldern aus öffentlicher Hand gelebt. Es bestünden keine besonderen sozialen Kontakte zu Österreich. Hinweise auf außergewöhnliche Integrationsbestrebungen hätten nicht ermittelt werden können.

Der Beschwerdeführer habe bei seinem Vorverfahren angegeben, dem moslemisch/schiitischem Glauben anzugehören. Im gegenständlichen Verfahren habe er vorgebracht, dass er jetzt zum Christentum konvertiert wäre. Er sei ihm nicht gelungen, diese vorgebrachte Konversion glaubhaft und in sich schlüssig darzulegen. So habe er bei der Erstbefragung am 17.12.2019 zur Frage der Religionszugehörigkeit den Islam und Schiit angegeben. Bei der Einvernahme am 03.01.2019 sei er konkret gefragt worden, ob er sehr gläubig wäre, dies wäre vom Beschwerdeführer verneint worden. Bei der Frage zuvor habe dieser jedoch noch angegeben, er sei ein schiitischer Moslem. Wäre seine Konversion ernsthaften Ursprungs, hätte er anders geantwortet. Erst bei Befragen nach dem Grund der gegenständlichen Antragstellung habe der Beschwerdeführer diese angebliche Konversion erstmals angegeben. Es sei wenig glaubhaft, dass ein Asylwerber ein derartiges Vorbringen ohne Begründung zurückhalte. Jeder Mensch würde die Möglichkeit zur Verhinderung einer Abschiebung sofort nutzen.

Der Beschwerdeführer habe auch über seine Taufe widersprüchliche Angaben getätigt. Diese widersprüchlichen Angaben würden nur den Schluss zulassen, dass es sich hier um einen missglückten Versuch eines während der Einvernahme konstruierten Vorbringens handle. Aus den Angaben des Beschwerdeführers könne nicht davon ausgegangen werden, dass dieser einen erfolgten Glaubenswandel im Sinne einer tiefgreifenden, ernsthaften, innerlich identitätsprägenden Abkehr vom islamischen Glauben verbunden mit einer scharfen Abgrenzung und emotionaler Abwehrhaltung gegenüber den damit verbundenen Glaubensinhalten und religiösen Bräuchen und Sitten und eine gleichzeitige Zuwendung zum Christentum aus einem tatsächlichen inneren Bedürfnis bzw. aus einer tatsächlichen inneren Überzeugung herausvollzogen hätte. Es sei vielmehr als maßgeblich wahrscheinlich anzusehen, dass es sich bei dieser vorgebrachten Konversion um eine asyltaktische Maßnahme handle, um in Österreich bleiben zu können. Unabhängig von der Glaubhaftigkeit des Vorbringens sei dem Beschwerdeführer dieser Sachverhalt vor dem rechtskräftigen Abschluss seines Vorverfahrens bekannt gewesen und stelle dieser keinen neuen Sachverhalt dar.

Im Verfahren wurden auch ausführliche Feststellungen zur Lage in Afghanistan (Stand 13.11.2019) getroffen, welche auch im Entscheidungszeitpunkt des BVwG noch aktuell sind.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Moslem reiste im Herbst 2015 illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte hier am 12.07.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.07.2017 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG rechtskräftig abgewiesen wurde. Auch der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan wurde gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt und gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei und wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 02.10.2019 als unbegründet abgewiesen und erwuchs mit 07.10.2019 in Rechtskraft.

In der Folge begab sich der Beschwerdeführer zwei Mal nach Deutschland und wurde am 14.08.2019 sowie am 17.12.2019 jeweils von Deutschland nach Österreich rücküberstellt.

Am 17.12.2019 brachte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Folgeantrag ein.

Das Ermittlungsverfahren aufgrund des Folgeantrags ergab, dass keine neuen Fluchtgründe vorgebracht wurden bzw. kommt dem Vorbringen des Beschwerdeführers bezüglich der behaupteten Konversion zum Christentum kein glaubwürdiger Kern zu.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der christliche Glauben wesentlicher Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers geworden ist und dass er seinem derzeitigen Interesse für den christlichen Glauben im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan weiter nachkommen würde.

In der Beschwerde wurde kein neuer Sachverhalt vorgetragen.

Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und nimmt keine Medikamente ein.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Die allgemeine Situation in Afghanistan hat sich hinsichtlich des im ersten Verfahrensgang herangezogenen Länderberichtsmaterials nicht wesentlich geändert. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan Drohungen oder Gewalthandlungen von staatlicher oder privater Seite zu erwarten hätte. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine seine Existenz bedrohende Notlage geriete.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte und festgestellte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und der Gerichtsakten zu den Verfahren auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers vom 02.11.2015 und des Folgeantrages vom 17.12.2019.

Die Feststellung über den rechtkräftigen Abschluss des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers ergibt sich aus den Verwaltungs- und Gerichtsakten.

Die Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus ihren gleichbleibenden Angaben im Verfahren und wurden bereits vom BFA festgestellt.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen Angaben im Verfahren vor dem BFA.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das aktuelle Strafregister.

Wie das Bundesamt im bekämpfen Bescheid aufgezeigt hat, konnte der Beschwerdeführer keinen neuen entscheidungsrelevanten Sachverhalt vorbringen. Eine Konversion zum Christentum konnte er nicht glaubhaft machen.

So stellte der Beschwerdeführer nach seiner zweiten Überstellung von Deutschland nach Österreich noch am selben Tag einen neuen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Bei der Erstbefragung gab er noch an, seit seinem ersten Asylantrag habe sich nichts an seinen Gründen geändert und verwies auf den in Afghanistan herrschenden Bürgerkrieg, die Taliban und die Tatsache, dass er aus Kunduz komme. In seiner ersten niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 03.01.2020 gab er an, er sei Hazara, Moslem und Schiite. Er sei nicht sehr gläubig. Er bete nicht. Er wisse nicht, ob er einen neuen Asylgrund habe, es gehe um die kritische Sicherheitslage in Afghanistan, es gehe um religiöse Probleme, damit meine er einen derartigen Krieg zwischen den Sunniten und Schiiten. Er habe inzwischen die Bibel gelesen, dort sei nur die Rede von Friede und Liebe, das habe ihm sehr gefallen. Er sei zwei Mal in der Kirche gewesen und hätten ihm zwei Geschichten in der Bibel sehr gut gefallen. Der Beschwerdeführer gab, wie oben dargestellt, weiters an, er interessiere sich für die Konfession der Protestanten, weil er nur mit Protestanten in Kontakt gewesen wäre, diese wären nett gewesen, das habe ihm sehr gut gefallen. Über die Bibel konnte er keine weiteren Angaben machen und gab an, er habe diese nur durchgeblättert. Er habe das bei der Erstbefragung nicht erwähnt, weil er noch nicht getauft sei. Es habe keinen Termin für die Taufe gegeben. Aus diesen zur Erstbefragung gesteigerten Angaben des Beschwerdeführers kann eine tatsächliche Hinwendung zum christlichen Glauben und eine völlige Abkehr vom Islam nicht herausgelesen werden. Die Tatsache, dass man Christen nett findet, zwei Mal eine Kirche besucht und die Bibel durchblättert, ist kein ausreichender Beweis für einen tatsächlichen Glaubenswechsel.

Die nächste Einvernahme des Beschwerdeführers fand bereits 17 Tage später, nämlich am 20.01.2020 statt. Er gab an, ein Punkt bei seiner letzten Aussage sei falsch gewesen, er habe angegeben, dass er in XXXX getauft worden sei, er sei aber noch gar nicht getauft worden. Daraufhin korrigierte sich der Beschwerdeführer und gab an: "Sie haben mich gefragt, ob ich getauft wurde. Ich wurde in Deutschland getauft und das habe ich nicht angegeben. In XXXX bin ich nicht getauft. Ich wurde in XXXX nicht getauft, weil ich in Deutschland war."

In der niederschriftlichen Einvernahme vom 03.01.2020 findet sich jedoch keine Aussage, wonach der Beschwerdeführer angegeben hätte, er sei in XXXX getauft worden.

Er tätigte auch keine weiteren Angaben zu seiner angeblichen Taufe in Deutschland und legte auch bis dato keinen Taufschein vor. Dieses noch weiter gesteigerte Vorbringen zu seiner angeblichen Konversion dient ganz offensichtlich nur dazu, den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich zu verlängern, ohne dass dafür tatsächliche Gründe vorliegen würden.

Ein gesteigertes Vorbringen ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH als unglaubwürdig einzustufen (VwGH vom 08.04.1987, Zl. 85/01/0299, VwGH vom 02.02.1994, Zl. 93/01/1035), weil grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden muss (VwGH vom 05.10.1988, Zl. 88/01/0155, VwGH vom 11.11.1998, Zl. 98/01/261 u.v.a.m.).

Es konnte somit nicht festgestellt werden, dass der christliche Glauben wesentlicher Bestandteil der Identität des Beschwerdeführers geworden ist und, dass er seinem derzeitigen Interesse für den christlichen Glauben im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan weiter nachkommen würde. Die Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme vor dem BFA in diesem Verfahrensgang zeigen auf, dass der christliche Glauben nicht bereits tief im Beschwerdeführer verwurzelt und wesentlicher Bestandteil seiner Identität geworden ist, was gegen eine aus innerer Überzeugung erfolgte Konversion spricht.

Das Verhalten des Beschwerdeführers zeigt vielmehr auf, dass dieser nicht bereit ist, die Gesetze zu respektieren und behördliche bzw. gerichtliche Entscheidungen zu akzeptieren. So verließ er wiederrechtlich Österreich noch vor Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über seine Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid betreffend seinen ersten Asylantrag und begab sich nach Deutschland, wo er einen weiteren Asylantrag stellte. Auch die daraufhin erfolgte Rückstellung von Deutschland nach Österreich hielt den Beschwerdeführer nicht davon ab, neuerlich illegal in Deutschland einzureisen. Wie dargestellt, stellte er am Tag seiner Rücküberstellung offenbar aus Furcht vor einer Abschiebung nach Afghanistan einen weiteren Asylantrag in Österreich.

Das Bundesamt ist im Ergebnis somit zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer keine neuen, entscheidungsrelevanten Fluchtgründe vorgebracht hat bzw. das Vorbringen hinsichtlich der Konversion zum Christentum keinen glaubwürdigen Kern aufweist.

Die Feststellung, dass sich an der allgemeinen Situation in Afghanistan hinsichtlich des bereits im ersten Verfahrensgang herangezogenen Länderberichtsmaterials nichts wesentlich geändert hat, beruht auf den im nunmehr angefochtenen Bescheid enthaltenen ausgewogenen und aktuellen Länderberichten zur maßgeblichen Situation in Afghanistan; dem Beschwerdeführer wurden in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch die Länderberichte zur Kenntnis gebracht.

Auch dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Länderberichtsmaterial vor, das im Wesentlichen ein anderes Bild der Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zeichnen würde. Eine Feststellung, wonach der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der dortigen allgemeinen Situation in eine seine Existenz bedrohende Notlage geriete, konnte sohin nicht getroffen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A):

Zur Abweisung der - zulässigen - Beschwerde betreffend die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache (Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).

Infolge des in § 17 VwGVG normierten Ausschlusses der Anwendbarkeit des 4. Hauptstücks des AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welcher auch die in § 68 Abs. 1 AVG normierte Zurückweisung wegen entschiedener Sache umfasst, kommt eine unmittelbare Zurückweisung einer Angelegenheit aufgrund der genannten Bestimmung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Davon unberührt bleibt, dass das Verwaltungsgericht im Verfahren über Bescheidbeschwerden zur Überprüfung der rechtmäßigen Anwendung von § 68 AVG in Bescheiden durch die Verwaltungsbehörde berufen ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K10.; vgl. auch VfSlg. 19.882/2014).

In Beschwerdeverfahren über zurückweisende Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG ist "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags auf internationalen Schutz durch die erstinstanzliche Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgt ist, ob die Behörde also auf Grundlage des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist.

Gelangt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Behörde nicht von entschiedener Sache hätte ausgehen dürfen, sondern aufgrund des Vorliegens neuer Sachverhaltselemente eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz hätte durchführen müssen, hat es den zurückweisenden Bescheid auf Grundlage des für zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren anzuwendenden § 21 Abs. 3 BFA-VG zu beheben, wodurch das Verfahren vor der Behörde zugelassen ist und eine neuerliche Zurückweisung des Antrages gemäß § 68 AVG unzulässig wird. Hingegen ist dem Bundesverwaltungsgericht ein inhaltlicher Abspruch über den zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz in einem Beschwerdeverfahren über einen zurückweisenden Bescheid nach § 68 AVG verwehrt, weil diesfalls die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten würde (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K11., K17.).

Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich bleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhalts nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können im Rechtsmittelverfahren nicht neu geltend gemacht werden (s. zB VwSlg. 5642A; VwGH 23.05.1995, 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des VwGH Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, 92/12/0127; 23.11.1993, 91/04/0205; 26.04.1994, 93/08/0212; 30.01.1995, 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, 83/07/0274; 21.02.1991, 90/09/0162; 10.06.1991, 89/10/0078; 04.08.1992, 88/12/0169; 18.03.1994, 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, 1202/58; 03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung hat zumindest einen "glaubhaften Kern" aufzuweisen, dem Asylrelevanz zukommt (VwGH 21.3.2006, 2006/01/0028, sowie VwGH 18.6.2014, Ra 2014/01/0029, mwN). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH vom 24.6.2014, Ra 2014/19/0018, mwN).

Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf mehrere Folgeanträge VwGH 26.07.2005, 2005/20/0226, mwN). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.11.2004 mwN). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen. (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; vgl. auch VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; 19.02.2009, 2008/01/0344).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit nur die Frage, ob das BFA zu Recht den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

Der Beschwerdeführer begründete seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz vom 02.11.2015 im Wesentlichen damit, dass er Afghanistan wegen des Krieges und der Unsicherheit verlassen habe. Er habe dort kein ruhiges Leben gehabt. Die Taliban seien mächtig und hätten im Heimatdistrikt des Beschwerdeführers junge Leute rekrutieren wollen. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2017 im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Beschwerdeführer keine Verfolgung habe glaubhaft machen können und ihm eine Rückkehr nach Afghanistan zugemutet werden könne. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit Erkenntnis vom 02.10.2019 als unbegründet ab, dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

Zur Begründung seines - nunmehr zu beurteilenden - zweiten Antrages auf internationalen Schutz vom 17.12.2019 gab der Beschwerdeführer zunächst an, dass seine im ersten Verfahrensgang dargelegten Ausreisegründe aus Afghanistan nach wie vor bestünden und aufrecht seien. Seit seinem ersten Asylantrag habe sich an seinen Gründen nichts geändert.

Im weiteren Verfahren gab er zunächst an, er habe zwei Mal eine Kirche besucht, in der Bibel geblättert und interessiere sich für die protestantische Konfession des Christentums. In einer weiteren Einvernahme gab er dann an, er sei in Österreich sehr oft in der Kirche gewesen, seine Familie wisse darüber Bescheid. Er gab zunächst an, er sei noch nicht getauft worden, korrigierte sich dann dahingehend, er sei in Deutschland getauft worden und habe das nicht angegeben. Einen entsprechenden Nachweis für eine Taufe legte er im Verfahren jedoch nicht vor.

Mit dem Verweis auf seine nach wie vor in Afghanistan vorliegenden Gründen für seine Ausreise führte der Beschwerdeführer keinen neuen Sachverhalt gemäß der oben dargelegten Judikatur ins Treffen, sondern machte lediglich denselben Fluchtgrund abermals geltend. Er behauptete somit bloß das "Fortbestehen und Weiterwirken" (vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480) jenes Fluchtgrundes, den er bereits im Zuge seines Antrages auf internationalen Schutz vom 02.11.2015 vorbrachte.

Der vom Beschwerdeführer in diesem Verfahrensgang erstmals behaupteten Konversion zum Christentum käme zwar grundsätzlich Asylrelevanz zu, jedoch wohnt diesem Vorbringen kein "glaubhafter Kern" iSd o.a. Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes inne, weil nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes, wie in der Beweiswürdigung oben dargestellt, nicht von einer aus innerer Überzeugung erfolgten Hinwendung des Beschwerdeführers zum christlichen Glauben auszugehen ist.

Soweit der neuerliche Antrag des Beschwerdeführers unter dem Blickwinkel des subsidiären Schutzes (§ 8 AsylG 2005) zu betrachten ist, ist auf die obigen Aussagen zu verweisen, wonach eine neuerliche Sachentscheidung nur bei einer solchen Änderung des Sachverhaltes geboten ist, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann.

Es sind keine Anhaltspunkte erkennbar, wonach die Rückführung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zu einer Situation führen würde, die eine Verletzung der Rechte des Beschwerdeführers nach Art. 2 oder 3 EMRK iSd subsidiären Schutzes mit sich brächte. So ergeben sich aus den Länderfeststellungen zu Afghanistan keine Gründe für die Annahme, dass jeder zurückkehrende Staatsbürger der realen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 leg.cit. ausgesetzt wäre, sodass nicht von einem Rückführungshindernis nach Art. 2 und 3 leg.cit. auszugehen ist. Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist aufgrund der herangezogenen Länderberichte darin beizupflichten, dass sich die Lage im Herkunftsstaat seit der Entscheidung im vorangegangenen Asylverfahren nicht wesentlich geändert - und vor allem nicht wesentlich verschlechtert - hat.

Da somit weder in der maßgeblichen Sachlage - und zwar im Hinblick sowohl auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist, als auch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist - noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen scheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch zu entscheiden ist. Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache erfolgte durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl daher zu Recht.

Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Beschwerdeführer befindet sich mit 2 Unterbrechungen durch seinen illegalen Aufenthalt in Deutschland seit November 2015 im Bundesgebiet, und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger, und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 leg.cit. von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die dort genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Was einen allfälligen Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers betrifft, ist Folgendes festzuhalten:

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Der Beschwerdeführer hat in Österreich einen Halbbruder, mit welchem er lediglich telefonisch Kontakt hat und dessen Adresse er nicht kennt. Dieser Bruder ist ebenfalls volljährig. Dessen Verfahren wurde in 1. Instanz negativ entschieden und in der Folge wegen unbekannten Aufenthalts eingestellt. Der Beschwerdeführer lebt auch nicht in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, sodass eine Rückkehrentscheidung schon von vornherein keinen Eingriff in sein Recht auf Achtung des Familienlebens darstellen kann.

Die aufenthaltsbeendenden Maßnahmen könnten daher allenfalls lediglich in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EuGRZ 2006, 554, Sisojeva ua. gegen Lettland). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, weil - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 ua. mwH).

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner langjährigen Rechtsprechung zu Ausweisungen Fremder wiederholt ausgesprochen, dass die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land garantiert und die Konventionsstaaten im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. Dennoch kann in einem Fall, der sowohl die Achtung des Familienlebens, als auch Fragen der Einwanderung betrifft, der Umfang der staatlichen Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat ansässigen Personen Aufenthalt zu gewähren, - je nach der Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse - variieren (vgl. z.B. EGMR 05.09.2000, Solomon v. Niederlande, Appl. 44328/98; EGMR 09.10.2003, Slivenko v. Lettland, Appl. 48321/99; EGMR 22.04.2004, Radovanovic v. Österreich, Appl. 42703/98; EGMR 31.01.2006, da Silva und Hoogkamer v. Niederlande, Appl. 50435/99; EGMR 31.07.2008, Darren Omoregie ua v. Norwegen, Appl. 265/07).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen ist im gegenständlichen Fall Folgendes auszuführen:

Der Beschwerdeführer hält sich seit November 2015 im Bundesgebiet auf und stellte nach seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, der sich mit dem - rechtskräftigen - Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2.10.2019, GZ W228 2166542-1/11E, als unberechtigt erwiesen hat. Danach stellte der Beschwerdeführer am 17.12.2019 den hier maßgeblichen Folgeantrag. Er verfügte nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren.

Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen in Österreich, zu denen ein i.S. des Art. 8 EMRK zu beachtendes Familienleben besteht.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stellen folgende Umstände - zumeist in Verbindung mit anderen Aspekten - Anhaltspunkte dafür dar, dass der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit zumindest in gewissem Ausmaß genützt hat, um sich zu integrieren: Erwerbstätigkeit des Fremden (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2014/22/0025; E 18. Oktober 2012, 2010/22/0136; E 20. Jänner 2011, 2010/22/0158), das Vorhandensein einer Beschäftigungsbewilligung (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), eine Einstellungszusage (vgl. E 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0165; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082), das Vorhandensein ausreichender Deutschkenntnisse (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 14. April 2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032), familiäre Bindungen zu in Österreich lebenden, aufenthaltsberechtigten Familienangehörigen (vgl. E 23. Mai 2012, 2010/22/0128; (betreffend nicht zur Kernfamilie zählende Angehörige) E 9. September 2014, 2013/22/0247), ein Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich bzw. die Vorlage von Empfehlungsschreiben (vgl. E 18. März 2014, 2013/22/0129; E 31. Jänner 2013, 2011/23/0365), eine aktive Teilnahme an einem Vereinsleben (vgl. E 10. Dezember 2013, 2012/22/0151), freiwillige Hilfstätigkeiten (vgl. E 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253), ein Schulabschluss (vgl. E 16. Oktober 2012, 2012/18/0062) bzw. eine gute schulische Integration in Österreich (vgl. E, 4. August 2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082) oder der Erwerb des Führerscheins (vgl. E 31. Jänner 2013, 2011/23/0365) (VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005).

All dies wurde vom Beschwerdeführer im Verfahren nicht nachgewiesen und nicht einmal behauptet.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst die - hier bei weitem nicht vorhandenen - Umstände, dass ein Fremder perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale darstellen und diesen Umständen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (vgl. VwGH 06.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

Der Beschwerdeführer lebt seit November 2015 - mit 2 Unterbrechungen - in Österreich. Er geht in Österreich keiner legalen Arbeit nach, sondern lebt von der Grundversorgung und verfügt über keine Beschäftigungsbewilligung, sodass es ihm nicht möglich ist, sich in Österreich selbst zu erhalten, zumal er nicht über eigene, für seinen Lebensunterhalt ausreichende Mittel verfügt.

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer in Öste

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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