TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/27 L509 1215617-3

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Veröffentlicht am 27.08.2019
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Entscheidungsdatum

27.08.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §7 Abs4

Spruch

L509 1215617-2/5E

L509 1215617-3/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ewald HUBER-HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, vertreten durch XXXX RAe OG, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl

I. vom 09.06.2017, Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A)

A.1. Die Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes I. des Bescheides vom 09.06.2017 mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

Ihr Antrag vom 21.12.2016 auf neuerliche Zustellung des Bescheides vom 19.04.2004, Zahl 04 06.040-BAT, wird gemäß § 21 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. 51/1991 idgF, iVm § 6 Zustellgesetz (ZustellG), BGBl. 1982/200 idgF, abgewiesen.

A.2. Die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides vom 09.06.2017 wird abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 3 B-VG nicht zulässig.

II. vom 16.03.2016, Zl. XXXX beschlossen:

A) Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 3 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Dem Beschwerdeführer (BF) wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.08.2009, GZ E3 215.617-0/2008-40E, Asyl gewährt und festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt (AS 437ff).

2. Am 27.03.2013 wurde anlässlich einer Grenzkontrolle festgestellt, dass der BF zunächst mit dem österreichischen Konventionspass Nr. XXXX , in die Türkei reisen wollte. Bei dieser Grenzkontrolle legte der BF dann auch einen türkischen Reisepass vor, der ihm am 22.08.2011 in XXXX ausgestellt wurde. Der BF hat offensichtlich auch schon vor der beabsichtigten Ausreise in die Türkei am 27.03.2013 - aufgrund vorhandener Grenzkontrollstempel im Reisepass - mehrmals sein Herkunftsland besucht (AS 531).

3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) leitete mit Ladungsbescheid vom 30.04.2013 ein Ermittlungsverfahren zur Aberkennung des internationalen Schutzes gegen den BF ein und versuchte mehrmals durch Zustellung eines Ladungsbescheides an der gemeldeten Wohnadresse des BF diesen zur Einvernahme zu laden. Über das Stadtpolizeikommando XXXX veranlasste Hauserhebungen ergaben lt. Kurzbrief der Polizeiinspektion XXXX vom 06.12.2013, dass der BF an seiner Wohnadresse schon seit ca. 1 Monat nicht mehr gesehen wurde (AS 573).

4. Laut Meldung der Grenzpolizei XXXX vom 17.01.2015 stellte sich der BF am 17.01.2015 erneut der Ausreisekontrolle, wobei er einen gültigen türkischen Reisepass und wiederum einen österreichischen Konventionsreisepass vorlegte. Der BF gab gegenüber den Grenzkontrollorganen an, nach Aserbeidschan reisen zu wollen, was nur über die Türkei möglich sei. Ein Flugticket für die Weitereise nach Aserbeidschan habe der BF nicht vorlegen können (AS 583).

5. Der BF war seit 02.09.2014 nicht mehr in Österreich polizeilich gemeldet (AS 599). Das BFA beantragte mit 25.08.2015 beim Bezirksgericht XXXX die Bestellung eines Abwesenheitskurators gemäß § 11 AVG mit der Begründung, dass der Aufenthalt des BF seit 03.09.2014 unbekannt ist. Das Bezirksgericht XXXX bestellte mit Beschluss vom 07.09.2015, GZ 40P 45/15 i - 4, die Rechtsanwältin XXXX gemäß § 270 ABGB als Abwesenheitskuratorin (AS 607 ff).

6. Mit Mitteilung des BFA vom 30.12.2015 wurde die o. g. Abwesenheitskuratorin davon in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt sei, dem BF den Status eines Asylberechtigten abzuerkennen und keinen Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren. Der Abwesenheitskuratorin wurde eine Frist von 3 Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt. Eine Stellungnahme wurde von der Abwesenheitskuratorin nicht eingebracht (AS 621).

7. Mit Bescheid des BFA vom 16.03.2016, Zl. XXXX , wurde dem BF der Status eines Asylberechtigten aberkannt (Spruchpunkt I.), der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt III.) (AS 635ff). Der Bescheid wurde der Abwesenheitskuratorin am 21.03.2016 zu eigenen Handen zugestellt.

8. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 21.12.2016 durch den ausgewiesenen Vertreter des BF der Antrag auf Zustellung des Bescheides, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und - gleichzeitig - das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht (AS 677ff). Im Schriftsatz ist ausgeführt, dass sich die Zustellung an die Abwesenheitskuratorin als rechtswidrig und nicht rechtswirksam erweise. Der BF sei zu seiner Frau nach Aserbeidschan gereist, die er am 10.01.2011 in Baku geheiratet hätte. Im Zeitraum vom 17.01.2015 bis 07.12.2016 habe er sich in Aserbeidschan aufgehalten. Die Bestellung einer Abwesenheitskuratorin sei nicht gerechtfertigt gewesen. Bis 02.04.2014 sei der BF in XXXX mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen. Zur Zeit der Zustellung des Bescheides hätte er sich jedoch in Aserbeidschan aufgehalten. Die Behörde hätte alle zumutbaren Ermittlungsschritte zur Ausforschung des Aufenthaltes des BF setzen müssen. Verfahren, die mit einem zu Unrecht bestellten Kurator abgewickelt wurden, seien nach ständiger Rechtsprechung des OGH ab dem Zeitpunkt der Bestellung des Kurators nichtig. Im konkreten Fall würden namentlich genannte Cousins und Cousinen aufenthaltsberechtigt in Österreich leben. Über diese Angehörigen hätte die belangte Behörde den Aufenthalt des BF in zumutbarer Weise herausfinden können. Für den Fall, dass der Bescheid des BFA im Wege der Abwesenheitskuratorin wirksam zugestellt worden ist, werde aus "advokatorischer Vorsicht" der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und darauf verwiesen, dass die Abwesenheitskuratorin die Interessen des BF nicht gewahrt hätte und den BF daran kein Verschulden treffe. Der BF habe nicht mit einem derartigen Aberkennungsverfahren rechnen müssen.

9. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 17.11.2016, GZ 40 P 45/15 i - 7, wurde die Abwesenheitskuratorin gemäß § 278 Abs. 2 ABGB ihres Amtes enthoben, da keine Vertretungshandlungen mehr zu setzen waren (AS 671f).

10. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des BFA vom 09.06.2017, Zl. XXXX , zugestellt am 13.06.2017 an den ausgewiesenen Vertreter des BF, wurde der Antrag auf neuerliche Zustellung des Bescheides vom 19.04.2004, Zl 04 06.040-BAT, gemäß § 21 AVG zurückgewiesen und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 21.12.2016 gemäß § 33 VwGVG abgewiesen.

11. Gegen diese Entscheidung wurde mit Schriftsatz vom 11.07.2017, eingelangt bei der belangten Behörde am 12.07.2017, rechtzeitig Beschwerde erhoben. In der Beschwerde ist ausgeführt, dass die Bestellung einer Abwesenheitskuratorin nicht rechtmäßig sei. Der BF hätte sich in Aserbeidschan bei seiner Ehefrau aufgehalten. Dies hätte die belangte Behörde über Befragung von nahen Angehörigen ( XXXX , XXXX , XXXX und XXXX ) als Auskunftspersonen oder den letzten Arbeitgeber des BF in Erfahrung bringen können.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Dem Bundesverwaltungsgericht liegt der dem Antrag zugrundeliegende Verfahrensakt betreffend das Asyl-Aberkennungsverfahren samt den Vorakten betreffend das Asylverfahren vor.

1. Feststellungen:

1.1. Der BF trägt den im Spruch angeführten Namen und ist türkischer Staatsangehöriger. Auf seinen Antrag auf internationalen Schutz (Asylantrag) vom 04.03.1999 wurde ihm mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.08.2009, GZ E3 215.617-0/2008-40E, rechtskräftig Asyl gewährt und die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Er reiste am 27.03.2013 mit dem österreichischen Konventionspass Nr. XXXX , in die Türkei aus. Der BF war bei dieser Ausreise auch im Besitze eines türkischen Reisepasses, der ihm am 22.08.2011 in XXXX ausgestellt wurde. Der BF war schon vor dieser Ausreise in die Türkei mehrmals in sein Herkunftsland gereist.

Am 17.01.2015 reiste der BF erneut in die Türkei aus, mit der angeblichen Absicht, von dort nach Aserbeidschan zu gelangen.

1.2. Der Wohnsitz des BF wurde am 02.09.2014 von der Adresse in XXXX abgemeldet und gelangte er erst am 12.12.2016 wieder in XXXX zur Anmeldung. Am 07.04.2017 wurde er von dort amtlich abgemeldet. Seither kam der BF in Österreich polizeilich nicht mehr zur Anmeldung.

1.3. Die belangte Behörde ließ im zugrundeliegenden Asylaberkennungsverfahren am 03.05.2013 erstmals einen Ladungsbescheid an den BF zu eigenen Handen an der im ZMR aufrecht gemeldeten Adresse XXXX zustellen. Der Ladungsbescheid wurde am 03.05.2013 hinterlegt und bis zum 22.05.2013 nicht behoben.

1.4. Am 25.10.2013 ließ die belangte Behörde erneut einen Ladungsbescheid zu eigenen Handen an der o. g. Adresse zustellen. Dieser wurde von der Post nach Hinterlegung ebenfalls als nicht behoben an die belangte Behörde am 13.11.2013 zurückgestellt. Daraufhin ließ die belangte Behörde den Ladungsbescheid über die zuständige Polizeiinspektion zustellen. Von dieser wurde mit 06.12.2013 berichtet, dass das Schriftstück hinterlegt und der BF von der Hinterlegung verständigt wurde. Der BF sei zu verschiedensten Zeiten aufgesucht, jedoch nie angetroffen worden. Die Hauserhebung habe ergeben, dass er schon seit ca. 1 Monat nicht mehr an der angegebenen Wohnadresse gesehen worden sei. Da der BF seit 02.09.2014 von der Wohnadresse XXXX abgemeldet war, wurde von der belangten Behörde am 25.08.2015 beim Bezirksgericht XXXX die Bestellung eines Abwesenheitskurators beantragt und in der Folge das Asylaberkennungsverfahren mit der vom Bezirksgericht XXXX mit Beschluss eingesetzten Abwesenheitskuratorin weitergeführt. Am 21.03.2016 erfolgte die Zustellung des Bescheides des BFA vom 16.03.2016. Mit diesem Bescheid wurde dem BF der Status eines Asylberechtigten aberkannt, der subsidiäre Schutz nicht zuerkannt, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen.

Aus dem Akt ergibt sich nicht, dass Verwandte oder sonstige Personen in Österreich leben würden, die über den Aufenthalt des BF Auskunft geben könnten.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich eindeutig aus den vorliegenden Verwaltungsakten. In Frage zu stellen ist lediglich, ob die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen durfte, dass der Aufenthalt des BF unbekannt und dieser auch sonst nicht feststellbar war. Gemäß den Ausführungen in der Beschwerde sei der BF aufgrund eines Aufenthaltes von 17.01.2015 bis 07.12.2016 (sohin nahezu 2 Jahre) bei seiner Ehegattin in Aserbeidschan ortsabwesend gewesen und hätte sein Aufenthalt nach Befragung von in Österreich aufhältigen Familienangehörigen des BF leicht festgestellt werden können. Die Familienangehörigen würden sich aus den Akten betreffend das vorhergehende Asylverfahren ergeben und hätte die belangte Behörde Einsicht nehmen müssen, um den Aufenthalt des BF in Folge durch Befragung der Angehörigen zu ermitteln.

Aus den Akten ergeben sich keine Hinweise auf in Österreich aufhältige Familienangehörige des BF, folglich war es der belangten Behörde nicht möglich, solche nach dem Aufenthalt des BF zu befragen. Aus den Akten ergibt sich vielmehr, dass die belangte Behörde mehrmals versuchte, dem BF Ladungsbescheide an die zuletzt angegebene Adresse zu eigenen Handen zuzustellen und diese jeweils mit dem Vermerk des Zustellers "nicht behoben" zurückgemittelt wurden. Die belangte Behörde ließ sogar Aufenthaltsermittlungen über Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchführen. Auch diese ergaben keine Hinweise auf den Aufenthalt des BF. Vielmehr berichteten die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, dass der BF an der angegebenen Adresse schon ca. 1 Monat lang nicht mehr gesehen wurde.

Die behördlichen An- und Abmeldedaten ergeben sich zweifelsfrei aus dem ZMR.

Das Bundesverwaltungsgericht sieht es daher als erwiesen an, dass der Aufenthalt des BF in der fraglichen Zeit unbekannt und es der belangten Behörde nicht möglich war, den Aufenthalt des BF auf andere Weise festzustellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Das AVG bestimmt hinsichtlich die Zustellung von behördlichen Schriftstücken:

4. Abschnitt: Zustellungen

§ 21. Zustellungen sind nach dem Zustellgesetz vorzunehmen.

§ 22. Wenn wichtige Gründe hiefür vorliegen, ist eine schriftliche Ausfertigung mit Zustellnachweis zuzustellen. Bei Vorliegen besonders wichtiger Gründe oder wenn es gesetzlich vorgesehen ist, ist die Zustellung zu eigenen Handen des Empfängers zu bewirken.

Zur mehrmaligen Zustellung ist im Zustellgesetz festgelegt:

§ 6. Ist ein Dokument zugestellt, so löst die neuerliche Zustellung des gleichen Dokuments keine Rechtswirkungen aus.

Betreffend Zustellung und die amtswegige Vornahme von Amtshandlungen gegen schutzberechtigte Beteiligte oder gegen Personen, deren Aufenthalt unbekannt ist, bestimmt das AVG:

§ 11. Soll von Amts wegen oder auf Antrag gegen einen schutzberechtigten Beteiligten, der eines gesetzlichen Vertreters entbehrt, oder gegen eine Person, deren Aufenthalt unbekannt ist, eine Amtshandlung vorgenommen werden, so kann die Behörde, wenn die Wichtigkeit der Sache es erfordert, die Betrauung einer Person mit der Obsorge oder die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters oder Kurators beim zuständigen Gericht (§ 109 JN) veranlassen.

In § 109 Jurisdiktionsnorm ist festgehalten:

Obsorge, Erwachsenenvertretung und Kuratel

§ 109. (1) Zur Besorgung der Geschäfte, die nach den Bestimmungen über die Rechte zwischen Eltern und minderjährigen Kindern, die Obsorge einer anderen Person, die Erwachsenenvertretung sowie die Vorsorgevollmacht und die Kuratel dem Gericht (Pflegschaftsgericht) obliegen, ist das Gericht zuständig, in dessen Sprengel der Minderjährige seinen oder die sonstige schutzberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt, mangels eines solchen im Inland den Aufenthalt hat; handelt es sich um eine juristische Person oder ein sonstiges parteifähiges Gebilde, so ist der Sitz maßgebend.

(2) Fehlt ein Aufenthalt im Inland, so ist das Gericht zuständig, in dessen Sprengel der gesetzliche Vertreter seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; mangels eines solchen im Inland, sofern es sich um einen Minderjährigen handelt, das Gericht, in dessen Sprengel ein Elternteil den gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern es sich um eine sonstige schutzberechtigte Person handelt, das Gericht ihres letzten gewöhnlichen Aufenthalts im Inland; sonst das Bezirksgericht Innere Stadt Wien.

Das VwGVG bestimmt zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) [............]

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. [.....]

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(4a) [.....]

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.

Für den gegenständlichen Fall bedeutet das im Hinblick auf Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Der BF wurde erstmals mit Ladungsbescheid vom 30.04.2013 (AS 543) davon in Kenntnis gesetzt, dass ein Verfahren zur Aberkennung des Status eines Asylberechtigten eingeleitet wurde. Dieser Ladungsbescheid war an die sich aus dem ZMR ergebende, zu diesem Zeitpunkt aufrecht gemeldete Adresse des BF in XXXX zu eigenen Handen adressiert und wurde nach einem Zustellversuch am 03.05.2013 noch am gleichen Tag beim Postamt XXXX hinterlegt (AS 545). Am 26.05.2013 wurde die zuständige Polizeiinspektion vom BFA ersucht festzustellen, ob der BF noch an der im Melderegister aufscheinenden Adresse wohnhaft ist. Laut Aktenvermerk (AS 551) war der BF an der genannten Adresse wohnhaft.

Mit Ladungsbescheid vom 22.10.2013 wurde vom BFA erneut versucht, den BF zur Einvernahme im Asylaberkennungsverfahren zu laden (AS 553). Dieser Ladungsbescheid sollte erneut an die o. a. Adresse zugestellt werden. Nach einem Zustellversuch am 23.10.2013 wurde der Ladungsbescheid ab 26.10.2013 beim Zustellpostamt zur Abholung bereitgehalten. Da das Schriftstück wiederum nicht behoben wurde, wurde am 14.11.2013 ein weiterer Ladungsbescheid - diesmal über die zuständige Polizeiinspektion - an den BF abgefertigt. Laut Zustellbericht der Polizeiinspektion vom 06.12.2013 konnte keine Zustellung vorgenommen werden, da der BF zu verschiedenen Zeiten nicht an der Abgabestelle angetroffen und erhoben wurde, dass er an dieser Wohnadresse schon seit ca. 1 Monat nicht mehr gesehen wurde.

Am 17.01.2015 reiste der BF XXXX nach Istanbul aus.

Die belangte Behörde stellte fest, dass der BF seit 02.09.2014 nicht mehr in Österreich gemeldet war. Bei der Durchführung des Verfahrens zur Aberkennung einer Asylberechtigung handelt es sich um eine Amtshandlung, die von Amts wegen vorzunehmen war, zumal der BF laut einem Grenzkontrollbericht vom 28.03.2013 (AS 531) als Asylberechtigter in das Herkunftsland gereist war und Anhaltspunkte dafür geboten hat, dass er sich in den Schutz des Staates begeben hat, von dem er ursprünglich behauptete, verfolgt zu werden. Da der BF zu keiner Zeit einen Ladungsbescheid behoben hatte, ist davon auszugehen, dass er keine Kenntnis von der Einleitung des Verfahrens hatte.

Ein Asylaberkennungsverfahren bringt für den Betroffenen erhebliche Nachteile mit sich und die Wichtigkeit der Sache erfordert es, den Betroffenen einzuvernehmen und eine allfällige Entscheidung ordnungsgemäß zuzustellen. Da der Aufenthalt des BF jedoch unbekannt war und sie auch keine Möglichkeit hatte, diesen festzustellen (lt. letztem Polizeibericht [s.o.] wurde der BF schon seit längerer Zeit nicht mehr an seiner Wohnadresse gesehen], hat die belangte Behörde zu Recht gemäß § 11 AVG iVm § 109 JN einen Abwesenheitskurator bestellt und die vom Bezirksgericht XXXX mit Beschluss bestellte Abwesenheitskuratorin zu einer Stellungnahme für den BF aufgefordert sowie dieser schließlich die Entscheidung rechtmäßig zugestellt. Eine neuerliche Zustellung an den BF bzw. dessen bevollmächtigten Vertreter kommt daher nicht in Betracht bzw. würde eine solche keine Rechtswirkungen auslösen.

Da die belangte Behörde den Antrag auf neuerliche Zustellung jedoch inhaltlich zu prüfen hatte, hätte sie den Antrag abzuweisen und nicht zurückzuweisen gehabt. Insofern war der Spruch des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der Antrag auf neuerliche Zustellung abgewiesen wird.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Der BF hat - aus "advokatorischer Vorsicht, für den Fall, dass von einer wirksamen Zustellung des Aberkennungsbescheides an die Abwesenheitskuratorin" ausgegangen wird - einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingebracht.

Wie bereits oben festgestellt, ist von einer wirksamen Zustellung an die Abwesenheitskuratorin, einer vom Gericht bestellten Rechtsanwältin, auszugehen. Der Aberkennungsbescheid wurde mangels Einbringung eines Rechtsmittels rechtskräftig. Die Bestellung einer Abwesenheitskuratorin ist - wie ausgeführt - zu Recht erfolgt.

Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. VwGH 23.3.2017, Ra 2017/06/0027).

Aus der ständigen Judikatur des VwGH ergibt sich, dass ein Verschulden des Vertreters einem Verschulden des Vertretenen gleichzusetzen ist (vgl. die hg. Judikatur, referiert etwa bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 72 zu § 71 AVG). So auch VwGH 06.09.2016, Ra 2015/20/0283: Ein Verschulden des Parteienvertreters ist einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Dies gilt auch für den bestellten Verfahrenshelfer.

Im gegenständlichen Fall wurde der Abwesenheitskuratorin sowohl die Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme als auch der Bescheid zur Aberkennung des internationalen Schutzes ordnungsgemäß zugestellt. Sie hat weder einer Stellungnahme abgegeben noch ein Rechtsmittel gegen den Bescheid eingebracht.

Dass die Abwesenheitskuratorin nur ein minderer Grad des Versehens (leichte Fahrlässigkeit) gehindert hätte, für den BF eine Stellungnahme abzugeben oder nach Zustellung des Bescheides ein Rechtsmittel einzubringen, wurde weder vorgebracht noch ergibt sich solches aus der Aktenlage.

Der Begriff des minderen Grads des Versehens wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als leichte Fahrlässigkeit verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw der Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (vgl etwa VwGH vom 26. Mai 1999, 99/03/0029, mwN, und vom 23. November 2009, 2009/03/0089).

Anhaltspunkte für die Annahme von Gründen, die für einen minderen Grad des Versehens bei der Abwesenheitskuratorin sprechen würden, kamen nicht hervor und wurden auch in der Stellungnahme des BF im gegenständlichen Beschwerdeverfahren nicht geltend gemacht. Sohin ist von einem Verschulden der Abwesenheitskuratorin auszugehen, die den minderen Grad des Versehens übersteigt und der BF muss sich deren Verschulden zurechnen lassen.

Darüber hinaus kann sich der BF nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe von der Einleitung des Aberkennungsverfahrens keine Kenntnis erlangt. Dem BF wurde ein Ladungsbescheid mit der Information "Prüfung der Aberkennung des internationalen Schutzes gemäß § 7 AsylG" am 03.05.2013 an seine Wohnadresse, wo der BF polizeilich gemeldet war, durch Hinterlegung zugestellt. Eine ordnungsgemäße Hinterlegung hat gemäß § 17 Abs. 3 ZustG die Wirkung der Zustellung. Es sind keine Umstände hervorgekommen oder geltend gemacht worden, dass der BF zu diesem Zeitpunkt ortsabwesend war. Somit muss unterstellt werden, dass der BF Kenntnis vom Zustellversuch des Ladungsbescheides und somit von der Einleitung des gegenständlichen Aberkennungsverfahrens hatte oder sich zumindest Kenntnis verschaffen hätte können/müssen. Der Einwand, dass sich der BF vom 17.01.2015 bis 07.12.2016 bei seiner Ehegattin in Aserbeidschan aufgehalten habe (der Aufenthalt des BF war zur gegebenen Zeit aus Sicht der belangten Behörde unbekannt), bezieht sich auf den Zeitpunkt der Zustellung des Aberkennungs-Bescheides nicht aber auf den Ladungsbescheid vom 30.04.2013. Wie bereits oben festgestellt, wurde die Abwesenheitskuratorin rechtmäßig bestellt und ihr der Aberkennungs-Bescheid zugestellt. Da sie kein Rechtsmittel für den BF eingebracht hat, wurde die Aberkennung des internationalen Schutzes rechtskräftig. Das Verschulden der Abwesenheitskuratorin hat sich der BF - wie bei bevollmächtigten Vertretung zurechnen zu lassen. Es kann nicht von einem minderen Grad des Versehens ausgegangen werden. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt daher nicht in Betracht und die belangte Behörde hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht abgewiesen.

Zu Spruchpunkt II.A.:

Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes in den Fällen des Abs. 2 und des § 7 Abs. 2 AsylG 2005, sofern der Status des Asylberechtigten aberkannt und die Aberkennung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden wurde, beträgt gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG abweichend von § 7 Abs. 4 erster Satz des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, zwei Wochen. Dies gilt nicht, wenn es sich bei dem Fremden im Zeitpunkt der Bescheiderlassung um einen unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17 NAG) handelt oder die aufenthaltsbeendende Maßnahme mit der Feststellung verbunden ist, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden unzulässig ist.

Die Frist beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG (= Parteibeschwerde) dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.

§ 32 AVG bestimmt:

"5. Abschnitt: Fristen

§ 32. (1) Bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.

(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats."

Der Bescheid vom 16.03.2016 wurde der damaligen Vertreterin des BF (Abwesenheitskuratorin) am 21.03.2016 rechtswirksam zugestellt (AS 669).

In der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides wurde auf die zweiwöchige Rechtsmittelfrist ab Zustellung verwiesen, welche mit 04.04.2016 endete.

Die Beschwerde samt Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurden am 22.12.2016 zur Post gegeben und langten am 23.12.2016 bei der belangten Behörde ein. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen diese Fristversäumnis wurde nicht gewährt, die dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen (vgl. oben). Die Beschwerde vom 21.12.2016 gegen den Bescheid vom 16.03.2016 erweist sich somit als verspätet und ist zurückzuweisen.

3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Der Sachverhalt ist aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen (entspricht der bisherigen Judikatur zum § 67d AVG, wobei darauf hinzuweisen ist, dass § 24 VwGVG dem aufgehobenen § 67d AVG entspricht). Es ergab sich sohin auch kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291).

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aberkennung des Status des Asylberechtigten Aberkennungsverfahren Rechtsmittelfrist verspätete Beschwerde Verspätung Zurückweisung Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L509.1215617.3.00

Im RIS seit

17.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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