TE Vwgh Erkenntnis 2020/7/31 Ro 2020/12/0006

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Veröffentlicht am 31.07.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
25/02 Strafvollzug
63/02 Gehaltsgesetz
63/05 Reisegebührenvorschrift

Norm

PauschV Aufwandsentschädigung an Justizanstalten 1973 §2 idF 2001/II/312
PauschV Aufwandsentschädigung Wachebeamte 2005 §2
RGV 1955 §1 idF 2003/I/130
RGV 1955 §13 idF 2010/I/111
RGV 1955 §17
RGV 1955 §20 Abs3 idF 2018/I/060
RGV 1955 §20 Abs4 idF 2018/I/060
RGV 1955 §4 idF 2010/I/111
RGV 1955 §47 Abs1 idF 1999/I/127
RGV 1955 §47 Abs2 idF 1999/I/127
RGV 1955 §47 Abs2 Z1 idF 1999/I/127
RGV 1955 §47 Abs2 Z2 idF 1999/I/127
StVG §71 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Feiel, Hofrätin MMag. Ginthör sowie Hofrat Mag. Cede als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision der Bundesministerin für Justiz, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. März 2020, Zl. W274 2227164-1/4E, betreffend Reisegebühren gemäß § 47 Abs. 2 RGV (mitbeteiligte Partei: R E in L, vertreten durch die Stögerer Preisinger Rechtsanwälte OG in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 76/2/23), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Der Mitbeteiligte steht als Justizwachebeamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und in der Justizanstalt L in Verwendung.

2        Mit Eingabe vom 19. Jänner 2018 beantragte er im Hinblick auf eine Dienstreise vom 12. Jänner 2018, 06:00 Uhr, bis 13. Jänner 2018, 08:15 Uhr, die zwecks Bewachung eines Strafgefangenen im Landeskrankenhaus Graz Süd-West in der Zeit von 12. Jänner 2018, 07:00 Uhr, bis 13. Jänner 2018, 07:00 Uhr, erfolgt sei, die Zuerkennung von Tagesgebühren nach Tarif I.

3        Am 7. Februar 2018 wurden dem Mitbeteiligten Reisegebühren in der Höhe von € 13,20 angewiesen.

4        Mit Schreiben vom 24. Oktober 2019 (eingelangt bei der Justizanstalt L am 29. Oktober 2019) begehrte der Mitbeteiligte hinsichtlich der in Rede stehenden Dienstreise die nachträgliche Abgeltung „der ausstehenden Reisekosten nach Tarif I zur Gänze“ sowie die bescheidmäßige Erledigung seines Ansuchens. Es habe sich um keine regelmäßige Dienstverrichtung gehandelt. Eine Dienstverrichtung in dem Landeskrankenhaus in Graz Süd-West komme für ihn nur selten bzw. „anlassbezogen“ vor. Durch die uneingeschränkte Bewachung des Inhaftierten während einer Dauer von 26 Stunden habe er die Kosten der Selbstversorgung (Frühstück, Mittag- und Abendessen inklusive Getränke) zur Gänze selber tragen müssen, um seine Dienstfähigkeit aufrechtzuerhalten. In der Justizanstalt L bestehe die Möglichkeit, sich bei 24-Stunden-Diensten um € 3,80 (Frühstück, Mittag- und Abendessen) verpflegen zu lassen. Es sei nicht möglich, eine Ganztagesverpflegung außerhalb der Anstalt um diesen Preis zu erhalten.

5        Mit Bescheid vom 6. Dezember 2019 wies der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz den Antrag des Mitbeteiligten vom „29. Oktober 2019“ auf Vergütung der ausstehenden Reisekosten in ungekürzter Höhe nach Tarif I gemäß § 47 Abs. 2 RGV ab.

6        Begründend verwies die Behörde darauf, dass gemäß § 47 Abs. 2 RGV die nach den §§ 13 und 17 leg. cit. ermittelte Tagesgebühr lediglich im halben Ausmaß gebühre. Die Justizanstalt L sei darauf eingerichtet, gemäß § 71 Abs. 2 Strafvollzugsgesetz zu handeln und die Unterbringung von erkrankten Gefangenen bzw. Untersuchungshäftlingen sowie die Bewachung in Krankenanstalten zu veranlassen. Dies stelle für die Justizanstalt L kein besonderes Ereignis dar. Fallbezogen habe es sich um eine regelmäßige Dienstverrichtung im Sinn von § 47 Abs. 2 RGV gehandelt.

7        Der Mitbeteiligte erhob Beschwerde.

8        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde statt und änderte den Bescheid vom 6. Dezember 2019 dahin ab, dass dem Mitbeteiligten antragsgemäß Reisekosten nach Tarif I für die vom 12. Jänner 2018, 06:00 Uhr, bis 13. Jänner 2018, 08:00 Uhr, durchgeführte Bewachung eines Gefangenen in dem in Rede stehenden Landeskrankenhaus in Graz zu gewähren seien. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig.

9        Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass die Justizanstalt L über eine eigene Krankenabteilung verfüge. Darüber hinaus würden erkrankte Insassen im Bedarfsfall in der Inquisitenabteilung im Landeskrankenhaus L bzw. in zwei weiteren, näher genannten Krankenhäusern in Graz behandelt werden. Sowohl die Bewachung in dem Landeskrankenhaus L als auch in den Krankenhäusern in Graz erfolge in der Regel durch einen Justizwachebeamten im 24-Stunden-Dienst. Die Anreise erfolge mittels eines diensteigenen PKW. Für die Rückfahrt sei die Bereitstellung eines Fahrers vorgesehen. Sowohl in dem Landeskrankenhaus L als auch in den Krankenhäusern in Graz befänden sich kleine Inquisitenabteilungen, in denen der Justizwachebeamte den Postendienst in der Regel in einem neben dem Krankenraum eingerichteten Bewachungsraum versehe. Diesen Raum dürfe er, abgesehen von dienstlichen Notwendigkeiten, während des gesamten Postendienstes nicht verlassen. Für die Einnahme von Speisen und Getränken bei Postendiensten in den Inquisitenabteilungen sei seitens der Justizanstalt L keine Vorsorge getroffen worden. Innerhalb eines Jahres komme es in der Justizanstalt L zu ca. zehn in Krankenhäusern in Graz durchzuführenden „Bewachungsfällen“, wobei ein „Bewachungsfall“ von zwei Tagen bis zu einem Monat dauere. Bei längeren „Bewachungsfällen“ wechselten die Beamten einander in einem vierundzwanzigstündigen Rhythmus ab.

10       Der Mitbeteiligte werde ca. ein- bis zweimal pro Jahr in einer Justizanstalt (gemeint: in einer Krankenanstalt) außerhalb der Justizanstalt L zu einem Bewachungsdienst eingeteilt. Während eines solchen Dienstes bestelle er in der Regel „etwas Warmes“ über ein Lieferservice und bringe darüber hinaus selbst Speisen und Getränke mit. In der Justizanstalt L bestehe für Justizwachebeamte die Möglichkeit, an der Insassenverpflegung teilzunehmen. Die Einnahme eines Mittag- und Abendessens samt Getränken koste bei Inanspruchnahme der Insassenverpflegung in etwa fünf Euro. Es handle sich dabei um die notwendigen Aufwendungen für die Verpflegung während eines vierundzwanzigstündigen Dienstes. Anlässlich der vorliegenden Dienstreise sei die Hin- und Rückreise zur bzw. von der Krankenanstalt in Graz mit einem Dienstkraftwagen erfolgt.

11       Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung nahm das Bundesverwaltungsgericht auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 1977, 1231/77, und vom 30. Jänner 2002, 98/12/0493, sowie auf den hg. Beschluss vom 21. November 2017, Ra 2017/12/0122, Bezug und folgerte aus den zuletzt genannten Entscheidungen des Gerichtshofes, dass es für die Beurteilung der Regelmäßigkeit der Dienstverrichtungen nach § 47 Abs. 1 und Abs. 2 RGV nicht in erster Linie auf die Häufigkeit der Dienstverrichtungen, sondern auf die Frage ankomme, ob die konkrete Organisation der Justizanstalt auf die regelmäßige Unterbringung von Insassen in einer Krankenanstalt außerhalb ihrer Ortsgemeinde in der Weise eingerichtet sei, dass einem Justizwachebeamten die Dienstverrichtung in der Krankenanstalt ohne den für eine Dienstreise typischen Aufwand ermöglicht werde, etwa durch dienstgeberseitig bereitgestellte Beförderungsmittel.

12       Es folge zudem schon aus § 4 RGV, dass die für eine Dienstreise typischen Aufwendungen Reisekosten, die Abdeckung eines Mehraufwandes für Verpflegung und Unterkunft sowie sonstige nachgewiesene Aufwendungen seien.

13       Dem Mitbeteiligten sei ein Dienstkraftfahrzeug bereitgestellt worden, sodass diesem aus dem Titel der Reisekostenvergütung kein Aufwand erwachsen sei.

14       Sehr wohl sei dem Mitbeteiligten hingegen ein Mehraufwand für seine Verpflegung entstanden, weil seitens des Dienstgebers keine Vorkehrungen für die Verpflegung während des vierundzwanzigstündigen Dienstes in der Krankenanstalt in Graz getroffen worden seien. Angesichts des Umstandes, dass dem Mitbeteiligten im Rahmen eines Dienstes in der Justizanstalt L die Teilnahme an der Insassenverpflegung freistehe, die er um etwa € 5,-- für einen vierundzwanzigstündigen Dienst in Anspruch nehmen könne, eine solche Möglichkeit aber bei der hier in Rede stehenden Gefangenenbewachung in Graz nicht zur Verfügung gestanden sei, liege ein Mehraufwand für die Verpflegung auf der Hand.

15       Die RGV sehe eine Pauschalierung der Tagesgebühr nach dem Tarif I und Tarif II vor. Dem Mitbeteiligten obliege daher nicht der Nachweis, welche tatsächlichen Aufwendungen der Höhe nach für ihn im Rahmen des hier zu beurteilenden Dienstes angefallen seien. Es sei daher auch keine Differenzrechnung zwischen den bei einem Dienst in der Justizanstalt anfallenden Verpflegungskosten einerseits und dem konkreten Verpflegungsaufwand bei der Dienstreise andererseits anzustellen.

16       Auch wenn in § 47 Abs. 2 RGV eine nach den §§ 13 und 17 RGV zu bemessende Tagesgebühr im halben Ausmaß vorgesehen sein sollte, um einen allfälligen Mehraufwand im Zusammenhang mit der Verpflegung in nicht gewohnter Umgebung abdecken zu können, sei nach der dargestellten Rechtsprechung darauf abzustellen, ob konkret die Organisation der Justizanstalt auf die regelmäßige Unterbringung von Insassen in einer Krankenanstalt außerhalb des Dienstortes in der im hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2002, 98/12/0493, genannten Weise in Bezug auf die Verpflegung der bewachenden Justizwachebeamten ausgerichtet sei.

17       Dies sei hinsichtlich der Justizanstalt L, welche keine diesbezüglichen Vorkehrungen getroffen habe, zu verneinen. Folglich sei „insoferne“ nicht von einem regelmäßigen Dienstbetrieb bzw. von regelmäßigen Dienstverrichtungen im Sinne von § 47 Abs. 1 bzw. Abs. 2 RGV auszugehen. Dem Mitbeteiligten sei daher die Tagesgebühr im ungekürzten Ausmaß zu ersetzen, sodass der vor dem Verwaltungsgericht angefochtene Bescheid vom 6. Dezember 2019 in diesem Sinne abzuändern gewesen sei.

18       Die Zulassung der Revision begründete das Gericht mit dem Fehlen von Rechtsprechung zur Auslegung der Wortfolge „regelmäßige Dienstverrichtung“ im Verständnis des § 47 Abs. 2 RGV.

19       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit verbunden mit dem Antrag geltend gemacht wird, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis aus diesem Grund aufheben, hilfsweise in der Sache selbst entscheiden.

20       Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der beantragt wird, der Revision keine Folge zu geben.

21       Zur Begründung ihrer Zulässigkeit beruft sich die Amtsrevision im Wesentlichen auf die Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

22       Die Revision erweist sich im Hinblick auf das Fehlen von Rechtsprechung zu der Bestimmung des § 47 Abs. 2 RGV in der Fassung nach der Novelle BGBl. I Nr. 127/1999 als zulässig. Sie ist auch berechtigt.

23       Die maßgeblichen Bestimmungen der Reisegebührenvorschrift 1955 (RGV), BGBl. Nr. 133 (§ 1 in der Fassung BGBl. I Nr. 130/2003; §§ 4 und 13 in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010; §§ 17 und 47 in der Fassung BGBl. I Nr. 127/1999; § 20 in der Fassung BGBl. I Nr. 60/2018), lauten auszugsweise:

„I. HAUPTSTÜCK

Gemeinsame Bestimmungen

ABSCHNITT I

Allgemeine Bestimmungen

§ 1. (1) Die Bundesbeamten (§ 1 Abs. 1 des BDG) - im folgenden kurz Beamte genannt - haben nach Maßgabe dieser Verordnung Anspruch auf den Ersatz des Mehraufwandes, der ihnen

a)   durch eine Dienstreise,

b)   durch eine Dienstverrichtung im Dienstort,

c)   durch eine Dienstzuteilung,

d)   durch eine Versetzung erwächst.

...

ABSCHNITT II

Dienstreisen

§ 4. Bei Dienstreisen gebührt dem Beamten:

1.   die Reisekostenvergütung; sie umfaßt die Kosten der Beförderung der Person und des notwendigen Reise- und Dienstgepäcks mit einem Massenbeförderungsmittel für die Strecke zwischen der Dienststelle bzw. in den Fällen des § 5 Abs. 1 zweiter Satz der Wohnung und dem Ort der Dienstverrichtung, die Kosten der Benützung anderer Beförderungsmittel, sowie die Entschädigung für Wegstrecken (Kilometergeld);

2.   die Reisezulage; sie dient der Bestreitung des Mehraufwandes für Verpflegung und Unterkunft, sowie zur Deckung der Reiseauslagen, für die in den folgenden Bestimmungen keine besondere Vergütung festgesetzt ist, und umfaßt die Tagesgebühr und die Nächtigungsgebühr;

3.   nachgewiesene Aufwendungen für dienstlich notwendige Tätigkeiten; sie umfassen die zusätzlichen Kosten, die über die üblichen, mit der Durchführung einer Dienstreise verbundenen Aufwendungen hinaus entstehen, wie etwa Kosten für Ferngespräche oder für Telegramme oder für die Anfertigung von Kopien.

...

Reisezulage

§ 13. (1) Die Reisezulage umfasst

1.   die Tagesgebühr

a) nach Tarif I in der Höhe von 26,4 € oder

b) nach Tarif II in der Höhe von 19,8 € und

2.   die Nächtigungsgebühr in der Höhe von 15 €.

(2) Die Tagesgebühr wird nach Tarif I berechnet:

a)   für die Dauer der Reisebewegung (Hinreise, Weiterreise, Rückreise), ausgenommen die Reisebewegung gemäß Abs. 3 lit. a;

...

§ 17. (1) Der Beamte erhält für je 24 Stunden der Dienstreise die volle Tagesgebühr. Bruchteile bis zu fünf Stunden bleiben unberücksichtigt. Für Bruchteile in der Dauer von mehr als fünf Stunden gebührt ein Drittel, für mehr als acht Stunden zwei Drittel der Tagesgebühr. Bruchteile von mehr als zwölf Stunden werden als volle 24 Stunden gerechnet.

...

(3) Wird die Verpflegung des Beamten durch eine Gebietskörperschaft unentgeltlich beigestellt oder ist die Verpflegung im Fahrpreis oder in anderen vom Dienstgeber zu ersetzenden Aufwendungen bereits enthalten, ist die nach Abs. 1 gebührende Tagesgebühr

1.   für das Frühstück um 15%,

2.   für das Mittagessen um 40%,

3.   für das Abendessen um 40%

der vollen Tagesgebühr zu kürzen.

...

ABSCHNITT III

Dienstverrichtungen im Dienstort

§ 20. (1) Bei Dienstverrichtungen im Dienstort gebührt dem Beamten

1.   nach Maßgabe der Bestimmungen des Abschnittes II, Unterabschnitt A, der Ersatz der Kosten für die notwendige Benützung eines Massenbeförderungsmittels oder das Kilometergeld sowie der Ersatz der Kosten der Beförderung des erforderlichen Dienstgepäcks;

2.   die Tagesgebühr nach Tarif II, wenn der ununterbrochene Aufenthalt außerhalb der Dienststelle die Dauer von zwölf Stunden übersteigt; übersteigt die Dauer des ununterbrochenen Aufenthaltes acht Stunden, so gebühren zwei Drittel dieser Tagesgebühr, übersteigt die Dauer des ununterbrochenen Aufenthaltes fünf Stunden, so gebührt ein Drittel dieser Tagesgebühr.

(2) Die Teilnahme an Sitzungen und Beratungen begründet keinen Anspruch auf die Tagesgebühr.

(3) Für Dienstverrichtungen, die im Dienstort außerhalb der Dienststelle vorgenommen werden und als regelmäßige und in der Natur des Dienstes gelegene Dienstverrichtungen anzusehen sind, besteht kein Anspruch auf eine Vergütung nach Abs. 1.

(4) Beamten, auf die Abs. 3 anzuwenden ist, kann im Einvernehmen mit der Bundesministerin oder dem Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport eine besondere Vergütung zuerkannt werden.

...

II. HAUPTSTÜCK

Sonderbestimmungen

...

Strafvollzugsbedienstete an Justizanstalten

§ 47. (1) Für die mit dem regelmäßigen Dienstbetrieb der Justizanstalt, und zwar sowohl bei der Gefangenenaufsicht als auch im Wirtschafts- und Arbeitsbetrieb verbundenen Gänge und auswärtigen Dienstverrichtungen besteht in der Regel kein Anspruch auf Gebühren nach § 4.

(2) Strafvollzugsbediensteten, die zu regelmäßigen Dienstverrichtungen in außerhalb ihres Dienstortes liegenden Außenstellen von Justizanstalten oder solchen Krankenanstalten herangezogen werden, gebühren

1.   unter Ausschluß einer Nächtigungsgebühr die nach den §§ 13 und 17 ermittelte Tagesgebühr im halben Ausmaß und

2.   eine Reisekostenvergütung in der Höhe der Kosten der Beförderung der Person und des notwendigen Reise- und Dienstgepäcks mit einem Massenbeförderungsmittel von der Dienststelle zur Außenstelle oder zur Krankenanstalt.

(3) Wenn in anderen Fällen ausnahmsweise die Benützung eines Massenbeförderungsmittels bewilligt und dieses auch tatsächlich benützt wird, gebührt die Reisekostenvergütung nach der niedrigsten Klasse des Massenbeförderungsmittels. Auf die §§ 7 und 8 ist dabei Bedacht zu nehmen.“

24       In den Materialien zu BGBl. I Nr. 127/1999 wird betreffend die mit dieser Novelle erfolgte Neufassung des § 47 Abs. 2 RGV Folgendes ausgeführt (ErläutRV 1764 BlgNR 20. GP, 110 f):

„Gemäß § 47 Abs. 1 in der geltenden Fassung besteht für die mit dem regelmäßigen Dienstbetrieb der Justizanstalt verbundenen auswärtigen Dienstverrichtungen in der Regel kein Anspruch auf Reisegebühren. § 47 Abs. 2 in der geltenden Fassung sieht vor, daß die für diese Dienste allenfalls anfallenden Gebühren in besonderen Vorschriften geregelt werden können. Der letzte Erlaß, der unter Inanspruchnahme dieser Ermächtigung ergangen ist, stammt jedoch aus dem Jahr 1961 und ist mittlerweile schon aus Gründen der Geldentwertung bedeutungslos.

Die Neufassung des § 47 zielt darauf ab, für Justizwachebeamte einen Anspruch auf Ersatz allfälliger unvermeidbarer Mehraufwendungen im Zusammenhang mit Bewachungsdiensten in Außenstellen von Justizanstalten sowie in Krankenanstalten vorzusehen, wenn der Ort der Dienstverrichtung außerhalb des Dienstortes liegt. Da es sich dabei um eine Verpflichtung zu regulären Dienstleistungen handelt und ein Mehraufwand für Unterkunft nicht entstehen kann, ist kein Anspruch auf Nächtigungsgebühr vorgesehen. Um einen allfälligen Mehraufwand im Zusammenhang mit der Verpflegung in nicht gewohnter Umgebung abdecken zu können, ist eine nach den §§ 13 und 17 zu bemessende Tagesgebühr im halben Ausmaß vorgesehen. Die Kosten der Reisebewegung von der Dienststelle zur Außenstelle bzw. zur Krankenanstalt werden durch eine Reisekostenvergütung gemäß § 4 Z 1 abgedeckt, wobei jedoch ausschließlich die Kosten eines Massenbeförderungsmittels ersetzt werden. Von der Voraussetzung der tatsächlichen und nachgewiesenen Benützung eines Massenbeförderungsmittels wurde abgesehen, sodaß es den Bediensteten frei steht, auch mit dem eigenen Kraftfahrzeug zum Ort der Dienstverrichtung zu gelangen.

Finanzielle Auswirkungen:

Die Neuregelung wird nach Berechnungen des BMJ voraussichtlich einen Jahresmehraufwand von 306 000 S verursachen, der im Budget des BMJ bedeckbar ist.“

25       In der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 127/1999 hatte § 47 Abs. 2 RGV folgenden Wortlaut:

„Die für diese Dienste allenfalls anfallenden Gebühren sind in besonderen Vorschriften geregelt.“

26       § 71 Abs. 2 erster Satz Strafvollzugsgesetz, dieser Satz bereits in der Stammfassung BGBl. Nr. 144/1969, lautet:

„Kann der Strafgefangene auch in einer anderen Anstalt nicht sachgemäß behandelt werden oder wäre sein Leben durch die Überstellung dorthin gefährdet, so ist er in eine geeignete öffentliche Krankenanstalt zu bringen und dort erforderlichenfalls auch bewachen zu lassen.“

27       § 2 der Verordnung des Bundesministers Justiz vom 4. Mai 1973 über die Festsetzung von pauschalierten Aufwandsentschädigungen für Beamte im Gefangenenaufsichtsdienst an Justizanstalten, BGBl. Nr. 277/1973 in der Fassung BGBl. II Nr. 312/2001, lautet:

„§ 2. (1) Die monatliche Aufwandsentschädigung beträgt

1.   für Beamte des Dienstzweiges ‚Höherer Dienst in Justizanstalten‘ und Beamte der Verwendungsgruppe W 1 18,9 Euro

2.   für Beamte der Verwendungsgruppe W 2 und W 3, soweit sie nicht unter Z 3 fallen, 21,1 Euro

3.   für in theoretischer Ausbildung stehende provisorische Beamte der Verwendungsgruppe W 3 8,8 Euro“

28       Im Revisionsfall ist die Höhe der nach der RGV zu bemessenden Tagesgebühr strittig, welche der Mitbeteiligte im Hinblick auf eine Dienstreise begehrte, die zwecks Bewachung eines Gefangenen in einer außerhalb seines Dienstortes gelegenen Krankenanstalt erfolgt war. Diesbezüglich vertrat das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst die Ansicht, es gelange mangels Vorliegen einer „regelmäßigen Dienstverrichtung“ § 47 Abs. 2 RGV nicht zur Anwendung und es sei, da es sich fallbezogen auch nicht um eine mit dem regelmäßigen Dienstbetrieb der Justizanstalt L verbundene auswärtige Dienstverrichtung im Sinn von § 47 Abs. 1 RGV handle, die Tagesgebühr gemäß §§ 13 und 17 RGV in ungekürzter Höhe festzusetzen. Dieser Rechtsauffassung tritt die Amtsrevision aus folgenden Gründen zu Recht entgegen:

29       Das Bundesverwaltungsgericht stützte sich bei der Beurteilung der Frage, ob fallbezogen regelmäßige Dienstverrichtungen im Sinn von § 47 Abs. 2 RGV vorlägen und ob daher die vom Mitbeteiligten begehrte Tagesgebühr nach der zuletzt genannten Bestimmung im Vergleich zu der nach §§ 13 und 17 RGV zu bemessenden Tagesgebühr nur im halben Ausmaß zuzusprechen sei, im Wesentlichen auf das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2002, 98/12/0493. Daraus zog es den Schluss, dass im Hinblick auf die Bestimmungen des § 47 Abs. 2 RGV in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 127/1999 entscheidend sei, ob dem Mitbeteiligten im Zusammenhang mit der in Rede stehenden Dienstreise Mehraufwendungen für seine Verpflegung erwachsen seien und ob die Justizanstalt L diesbezüglich Vorkehrungen getroffen habe.

30       Dieser Betrachtungsweise ist zunächst entgegenzuhalten, dass die in dem hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2002, 98/12/0493, getroffenen Aussagen vor dem Hintergrund Platz griffen, dass in dem dort zu beurteilenden Beschwerdefall § 47 Abs. 2 RGV in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 127/1999 anzuwenden war und demnach zu den Diensten, die nach § 47 Abs. 1 RGV von einem Gebührenanspruch nach § 4 RGV „in der Regel“ ausgeschlossen sind, gemäß § 47 Abs. 2 RGV in der damals maßgeblichen Fassung lediglich bestimmt war, dass für diese Dienste Gebühren in besonderen Bestimmungen geregelt waren (vgl. dazu auch die oben zitierten Gesetzesmaterialien, wonach zuletzt im Jahr 1961 Bestimmungen nach § 47 Abs. 2 RGV in der Fassung vor BGBl. I Nr. 127/1999 erlassen worden seien und diese Regelungen schon aus Gründen der Geldentwertung bedeutungslos geworden seien).

31       So führte der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 13. September 2001, 98/12/0092, Folgendes aus (vgl. dazu auch das in dem hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2002, 98/12/0493, zitierte Erkenntnis vom 19. Dezember 2001, 2000/12/0095, sowie die diesbezüglichen Ausführungen in VwGH 30.1.2002, 98/12/0493):

„Reisegebühren haben nach § 1 Abs. 1 RGV den Zweck den Mehraufwand zu ersetzen, der dem Beamten aus einem der in den lit. a bis d umschriebenen Anlässe (hier: aus einer Dienstreise nach § 2 Abs. 1 RGV) erwachsen ist, wobei der Ersatz in der Regel in pauschalierter Form vorgenommen wird.

Daran hält im Übrigen auch die für Justizwachebeamte geltende Sonderbestimmung des § 47 Abs. 1 RGV im Prinzip fest, schließt sie doch einen Gebührenanspruch nach § 4 leg. cit. für die von ihr erfassten Dienstverrichtungen nur ‚in der Regel‘ aus. § 47 Abs. 1 RGV geht dabei - wie sich aus dem Zusammenhang mit Abs. 2 dieser Bestimmung ergibt - offenkundig davon aus, dass bei den von ihr angesprochenen Dienstleistungen dem Beamten kein Mehraufwand erwächst. Die im Abs. 2 genannten besonderen Bestimmungen, auf die verwiesen wird, sollen offenbar jene Fälle regeln, in denen (typischerweise) Mehraufwendungen entstehen.“

32       Der Verwaltungsgerichtshof hielt ferner in seiner Entscheidung vom 30. Jänner 2002, 98/12/0493, fest, dass der Ausschlusstatbestand des § 47 Abs. 1 RGV dann nicht anzuwenden sei, wenn die Dienstverrichtung den Kreis des regelmäßigen Dienstbetriebes einer Justizanstalt überschreite oder wenn dem Justizwachebeamten durch eine auswärtige Dienstverrichtung, die zwar zum regelmäßigen Dienstbetrieb der Justizanstalt zählt, typologisch betrachtet Mehraufwendungen im Sinn des § 1 RGV entstehen. Demnach wurden für die Frage der Nichtanwendbarkeit der Ausschlussbestimmung des § 47 Abs. 1 RGV zwei (gegebenenfalls auch nur alternativ vorliegende) Kriterien (einerseits die Frage, ob die Dienstverrichtung dem regelmäßigen Dienstbetrieb der Justizanstalt zuzurechnen war, und andererseits die Berücksichtigung typischerweise anfallender Mehraufwendungen) als ausschlaggebend erachtet.

33       § 47 Abs. 2 RGV in der hier maßgeblichen Fassung regelt nunmehr die Abgeltung von Mehraufwendungen, die Strafvollzugsbediensteten typischerweise bei regelmäßigen Dienstverrichtungen in außerhalb des Dienstortes liegenden Krankenanstalten entstehen, dergestalt, dass dem Beamten zufolge der Z 1 der zuletzt genannten Bestimmung die nach den §§ 13 und 17 RGV ermittelte Tagesgebühr im halben Ausmaß gebührt. Somit lässt sich die in dem hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2002, 98/12/0493, erzielte Auslegung des § 47 Abs. 1 RGV schon aus diesem Grund nicht unverändert auf die mit BGBl. I Nr. 127/1999 novellierte Fassung des § 47 Abs. 2 RGV übertragen.

34       Vorliegend handelte es sich unstrittig um Dienstverrichtungen eines Strafvollzugsbediensteten in einer außerhalb des Dienstortes gelegenen Krankenanstalt. Somit ist vor einer allfälligen weiteren Prüfung des Vorliegens der in § 47 Abs. 1 RGV normierten Voraussetzungen in einem ersten Schritt zu klären, ob die auf Dienstverrichtungen in außerhalb des Dienstortes gelegenen Krankenanstalten Bezug nehmenden „speziellen“ Regelungen des § 47 Abs. 2 RGV im Fall des Mitbeteiligten Anwendung finden. Dies setzt gemäß § 47 Abs. 2 RGV insbesondere die Regelmäßigkeit der in Rede stehenden Dienstverrichtungen voraus.

35       Die Frage der Regelmäßigkeit der Dienstverrichtungen sowie die Frage nach den einem Strafvollzugsbediensteten typischerweise aus Anlass der Bewachung eines Gefangenen entstehenden Mehraufwendungen, die vom Anwendungsbereich des § 47 Abs. 2 Z 1 bzw. Z 2 RGV als umfasst anzusehen sind, sind nicht als deckungsgleich zu behandeln. So führt beispielsweise das Entstehen von typischerweise nicht durch § 47 Abs. 2 Z 1 RGV erfassten Mehraufwendungen für die Verpflegung des Strafvollzugsbediensteten nicht notwendigerweise dazu, dass die Regelmäßigkeit der Dienstverrichtungen im Sinn des (sowohl für § 47 Abs. 2 Z 1, als auch für § 47 Abs. 2 Z 2 RGV maßgeblichen) Einleitungssatzes des § 47 Abs. 2 RGV zu verneinen wäre.

36       Es erschließt sich im Übrigen aus dem Inhalt der mit § 47 Abs. 2 RGV in der Fassung nach BGBl. I Nr. 127/1999 eingeführten Regelungen und den dort vorgesehenen Vergütungssätzen, dass Voraussetzung für die Bejahung des regelmäßigen Charakters der in Betracht kommenden Dienstverrichtungen im Sinn von § 47 Abs. 2 RGV nicht der Umstand sein kann, dass der Dienstgeber die durch die Reisegebühren abzugeltenden (Mehr-)Aufwendungen ohnedies bereits getragen hat oder diese Aufwendungen bei typisierender Betrachtungsweise regelmäßig trägt. Diesfalls hätte der Gesetzgeber nämlich (beispielsweise betreffend Tagesgebühren) nicht den Ersatz von Mehraufwendungen in der in § 47 Abs. 2 Z 1 RGV genannten Höhe festgelegt (siehe auch VwGH 18.11.1991, 90/12/0328, wonach die RGV - wie sich insbesondere aus ihrem § 1 ergibt - vom Grundsatz bestimmt ist, dass der durch eine „auswärtige“ Dienstverrichtung tatsächlich entstandene Mehraufwand dem Beamten zu ersetzen ist, woraus beispielsweise auch folgt, dass ein solcher Mehraufwand nicht mehrfach zu ersetzen ist).

37       Die Regelung des § 47 Abs. 2 Z 1 RGV basiert vielmehr auf der Annahme, dass in den dieser Bestimmung unterliegenden Fällen dem Strafvollzugsbediensteten bei einer Durchschnittsbetrachtung für seine Verpflegung Mehraufwendungen in halber Höhe der nach §§ 13 und 17 RGV bemessenen Tagesgebühr tatsächlich erwachsen. Mehraufwendungen, die bei typisierender Betrachtungsweise aus Anlass von Dienstreisen der in § 47 Abs. 2 RGV genannten Art anfallen und von den in § 47 Abs. 2 RGV bestimmten Vergütungssätzen als erfasst zu betrachten sind, sind demnach (unabhängig von den dem Beamten im konkreten Fall entstandenen Mehraufwendungen) nach der zuletzt genannten Bestimmung abzugelten(vgl. die oben wiedergegebenen Materialien zu § 47 Abs. 2 RGV, die explizit einen Mehraufwand im Zusammenhang mit der Verpflegung in nicht gewohnter Umgebung ins Treffen führen; siehe auch VwGH 18.3.1994, 93/12/0275, wonach sich aus den einzelnen Tatbeständen der RGV ergibt, dass der Ersatz des Mehraufwandes - von Ausnahmen abgesehen - nach dem Grundsatz einer typisierenden und pauschalierenden Methode geregelt worden ist; VwGH 18.9.1992, 91/12/0216, wonach das Gesetz erkennen lässt, dass nur ein Mehraufwand ersetzt werden soll, der typischerweise mit einer Dienstreise anfällt).

38       Bei der Beurteilung der Regelmäßigkeit von Dienstverrichtungen im Sinn von § 47 Abs. 2 RGV ist das Augenmerk auf die dem Arbeitsplatz des Strafvollzugsbediensteten zugewiesenen Aufgaben und seine organisatorische Eingliederung in die Abläufe der Dienststelle zu richten (siehe auch dazu die oben angeführten Gesetzesmaterialien zu § 47 Abs. 2 RGV, die auf eine Verpflichtung zu „regulären“ Dienstleistungen abstellen; im Zusammenhang mit § 20 Abs. 3 RGV und ebenfalls unter Hinweis auf die Angaben des Beamten zu seinen dienstlichen Obliegenheiten VwGH 18.6.1976, 1288/74, VwSlg. 9088 A/1976; vgl. ferner VwGH 12.7.2011, 2008/09/0184; 13.9.2001, 2000/12/0162; 28.6.2000, 95/12/0233).

39       Nach der zu § 20 Abs. 3 RGV ergangenen und im Lichte des § 47 Abs. 1 RGV entwickelten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zählt die Beaufsichtigung kranker Gefangener in den hiefür vorgesehenen Abteilungen der Krankenanstalten zu den regelmäßigen und in der Natur des Dienstes gelegenen Dienstverrichtungen eines Justizwachebeamten (vgl. VwGH 21.11.2017, Ra 2017/12/0122; VwGH 9.9.1977, 1231/77, VwSlg. 9381 A/1977).

40       Vorliegend handelt es sich nicht um eine im Dienstort erbrachte Dienstverrichtung, sondern um eine Dienstreise. Allerdings orientieren sich die in § 47 Abs. 2 RGV in der Fassung nach BGBl. I Nr. 127/1999 gewählten Formulierungen, die im Gleichlaut mit § 20 Abs. 3 RGV „regelmäßige Dienstverrichtungen“ als Tatbestandsvoraussetzung normieren, erkennbar am Wortlaut des § 20 Abs. 3 RGV.

41       Auch die Systematik der in Rede stehenden Bestimmungen folgt einem ähnlichen und insofern vergleichbaren Schema. So werden eingangs in § 47 Abs. 1 RGV bzw. in § 20 Abs. 3 RGV Reisegebührenansprüche nach den allgemeinen Regelungen bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen ausgeschlossen und es wird sodann im darauffolgenden Absatz (d.h. in § 47 Abs. 2 RGV bzw. in § 20 Abs. 4 RGV) unter näher genannten Bedingungen eine von den allgemeinen Bestimmungen abweichende Festsetzung der Reisegebühren ermöglicht bzw. direkt im Gesetz geregelt.

42       Somit deuten sowohl der Wortlaut der genannten Vorschriften, als auch die Regelungsabfolge des § 20 Abs. 3 und 4 RGV sowie des § 47 Abs. 1 und 2 RGV darauf hin, dass nach der Intention des Gesetzgebers die in § 47 Abs. 2 RGV als Voraussetzung für die Festlegung der Tagesgebühr im halben Ausmaß normierte Regelmäßigkeit von Dienstverrichtungen in ihrem Bedeutungsgehalt den diesbezüglich in § 20 Abs. 3 und Abs. 4 RGV zugrunde gelegten (in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend Justizwachebeamte anhand von § 47 Abs. 1 RGV erläuterten) Begrifflichkeiten im Wesentlichen entspricht.

43       Ausgehend davon ist, soweit es um die Auslegung des in § 47 Abs. 2 RGV verwendeten Begriffs der „regelmäßigen Dienstverrichtungen“ geht, auf die zu § 20 Abs. 3 und 4 RGV ergangene Rechtsprechung zurückzugreifen; dies jedoch mit der Einschränkung, dass gegebenenfalls in der jeweiligen, konkret zu beurteilenden Konstellation infolge des Umstandes, dass die Dienstverrichtungen des Strafvollzugsbediensteten nicht im, sondern außerhalb des Dienstortes erbracht werden, die in der Judikatur betreffend § 20 Abs. 3 RGV erzielte Auslegung für die Interpretation des § 47 Abs. 2 RGV nicht ohne Weiteres in derselben Allgemeinheit herangezogen werden kann.

44       Es kann daher für den Fall, dass die jeweiligen konkreten dienstlichen Obliegenheiten des Bediensteten oder die Ausgestaltung der Organisation seiner Dienststelle in Anbetracht der mit der RGV verfolgten Zielsetzung keine abweichende Beurteilung der außerhalb des Dienstortes erfolgten Dienstverrichtungen erfordern (vgl. Rn 39), auch im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 47 Abs. 2 RGV die Beaufsichtigung kranker Gefangener in den hiefür vorgesehenen Abteilungen von - nicht im Dienstort gelegenen - Krankenanstalten, zu den regelmäßigen Dienstverrichtungen eines Justizwachebeamten gezählt werden (siehe dazu § 71 Abs. 2 Strafvollzugsgesetz, der - so bereits VwGH 17.10.1974, 116/74, VwSlg. 8677 A/1974 - schlüssig zeigt, dass die Gefangenenaufsicht in Krankenhäusern zu den Dienstpflichten des Justizwachebeamten zu rechnen ist, die im Justizwachedienst nach der für ihn charakteristischen Tätigkeit - der Gefangenenaufsicht - zu erfüllen sind).

45       Dass die am Arbeitsplatz des Mitbeteiligten konkret zugewiesenen Aufgaben oder die konkrete Organisationsstruktur seiner Dienststelle im hier vorliegenden Fall zu einem von der soeben dargestellten Betrachtung abweichenden Ergebnis führen müssten, ist unter Zugrundelegung der Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht ersichtlich.

46       Der Umstand, dass der Mitbeteiligte ein bis zweimal pro Jahr zur Gefangenenbewachung in Krankenanstalten außerhalb der Justizanstalt L herangezogen wird, spricht nicht gegen, sondern für den periodenhaft wiederkehrenden Rhythmus der betreffenden Dienstverrichtungen und insofern für deren Regelmäßigkeit (zur Regelmäßigkeit einer einmal jährlich zu einem nicht im Vorhinein bestimmten Zeitpunkt vorzunehmenden Gebarungs- und Verrechnungsprüfung VwGH 27.6.1988, 87/12/0129-0133; siehe diesbezüglich auch VwGH 17.10.1974, 116/74, VwSlg. 8677 A/1974). Auch betreffend die Organisationsstruktur, in welche der Arbeitsplatz des Mitbeteiligten eingegliedert ist, ist im Hinblick darauf, dass die An- und Abreise des Mitbeteiligten durch einen diensteigenen PKW erfolgte, nicht zu erkennen, dass seine Dienststelle nicht grundsätzlich auf Dienstreisen dieser Art ausgerichtet wäre.

47       Was nun den vom Bundesverwaltungsgericht ins Treffen geführten Aspekt der dem Mitbeteiligten infolge der gegenständlichen Dienstreise erwachsenen Mehraufwendungen anbelangt, werfen die Mehraufwendungen, die typischerweise bei Dienstverrichtungen der im angefochtenen Erkenntnis festgestellten Art (Gefangenenbewachung in der Inquisitenabteilung in einer außerhalb des Dienstortes gelegenen Krankenanstalt) anfallen, hinsichtlich der Anwendbarkeit der Regelungen des § 47 Abs. 2 RGV, die eine Tagesgebühr im halben Ausmaß vorsehen, nicht zwingend Bedenken auf.

48       Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass bei der Gefangenenbewachung in einer außerhalb des Dienstortes gelegenen Krankenanstalt in Ansehung der dort vorherrschenden Rahmenbedingungen Aufwendungen, die durch die Versorgung in ungewohnter Umgebung verursacht werden (nämlich üblicherweise z.B. durch die Verpflegung in einem Beherbergungsbetrieb oder in einer Gaststätte außerhalb des Dienstortes oder durch den auf andere Weise vor Ort zu bewerkstelligenden Erwerb von Lebensmitteln in fremder Umgebung), im Allgemeinen nicht in derselben Weise wie bei sonstigen nach § 4 in Verbindung mit §§ 13 und 17 RGV zu vergütenden Dienstreisen zum Tragen kommen. Dies bestätigen auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts insoferne, als der Mitbeteiligte während des ununterbrochenen „Postendienstes“, bei dem die Inquisitenabteilung außer bei dienstlichen Notwendigkeiten ohnedies nicht verlassen werden durfte, seine Verpflegung im Wesentlichen durch mitgebrachte Speisen und Getränke und teilweise durch die Bestellung einer warmen Mahlzeit bei einem Lieferservice bestritt. Es kann folglich nicht gesagt werden, dass nach dem Gesetz Mehraufwendungen, die aus Anlass der in Rede stehenden Dienstverrichtungen bei typisierender Betrachtungsweise für die Verpflegung des Strafvollzugsbediensteten erwachsen, nicht von den Vergütungssätzen des § 47 Abs. 2 Z 1 RGV als umfasst zu sehen wären.

49       Darüber hinaus sind in diesem Zusammenhang die dem Strafvollzugsbediensteten aufgrund anderer Bestimmungen zustehenden Aufwandsentschädigungen nicht außer Betracht zu lassen.

50       Betreffend die Verordnung des Bundesministers für Inneres vom 17. April 1973 über die Festsetzung einer pauschalierten Aufwandsentschädigung für die Wachebeamten, BGBl. Nr. 210/1973, führte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18. November 1991, 90/12/0328, aus, dass nach der zuletzt genannten Verordnung den Wachebeamten des Gendarmeriedienstes eine pauschalierte monatliche Aufwandsentschädigung in einem nach § 2 dieser Verordnung abgestuften Ausmaß, das sich nach der Verwendungsgruppe des Beamten und der Art seines Dienstes richtete, gebührte und insbesondere nach deren § 2 Z 2 die pauschalierte Aufwandsentschädigung für Beamte des Gendarmeriedienstes danach abgestuft war, ob sie die Exekutivdiensttauglichkeit besaßen und überwiegend im Außendienst oder Nachtdienst standen. In Anbetracht der dargestellten Regelungen kam der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die Patrouillengänge eines Wachebeamten im Dienstort durch die pauschalierte Aufwandsentschädigung solcher Beamter zur Gänze abgegolten wurden (und daher hinsichtlich solcher Dienstverrichtungen kein Anspruch auf eine besondere Vergütung nach § 20 Abs. 4 RGV bestand).

51       Hinsichtlich der beinahe zeitgleich erlassenen Verordnung des Bundesministers für Justiz vom 4. Mai 1973 über die Festsetzung von pauschalierten Aufwandsentschädigungen für Beamte im Gefangenenaufsichtsdienst an Justizanstalten, BGBl. Nr. 227/1973, fällt in den Blick, dass die dort festgelegten Aufwandsentschädigungen der Höhe nach exakt jenen Sätzen entsprachen, die für exekutivdiensttaugliche Wachebeamte und für überwiegend im Außendienst oder Nachdienst stehende Sicherheitswachebeamte der Verwendungsgruppe W 2 und W 3 in der soeben genannten Verordnung des Bundesministers für Inneres vom 17. April 1973 bestimmt waren.

52       Somit ist davon auszugehen, dass die in § 2 der Verordnung des Bundesministers für Justiz über die Festsetzung von pauschalierten Aufwandsentschädigungen für Beamte im Gefangenenaufsichtsdienst an Justizanstalten festgelegten monatlichen pauschalierten Aufwandsentschädigungen auch in gewissem Umfang einen Ersatz für im Zuge von Außen- und Nachtdiensten aufgetretenen Aufwendungen der Justizwachebeamten beinhalten (vgl. die aktuell in § 2 der Verordnung BGBl. Nr. 227/1973 in der Fassung BGBl. II Nr. 312/2001, vorgesehenen Aufwandsvergütungen sowie die der Höhe nach korrespondierenden, nunmehr in der Verordnung der Bundesministerin für Inneres über die Festsetzung einer pauschalierten Aufwandsentschädigung für die Wachebeamten, BGBl. II Nr. 200/2005, nach wie vor in § 2, teils unter Bedachtnahme auf die Exekutivdiensttauglichkeit festgelegten Aufwandsentschädigungen).

53       Aus den genannten Gründen ist bezogen auf die vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen nicht nachvollziehbar, dass bei den Dienstverrichtungen der vorliegend zu beurteilenden Art Mehraufwendungen entstünden, die bei typisierender Betrachtung weder durch die in § 47 Abs. 2 RGV geregelten Tagesgebühren noch durch andere Entschädigungen (siehe § 2 der Verordnung des Bundesministers für Justiz vom 4. Mai 1973 über die Festsetzung von pauschalierten Aufwandsentschädigungen für Beamte im Gefangenenaufsichtsdienst an Justizanstalten, BGBl. Nr. 227/1973) gedeckt wären, sodass aus diesem Grund die Anwendbarkeit des § 47 Abs. 2 RGV im Revisionsfall in Frage zu stellen wäre.

Da das Bundesverwaltungsgericht somit fallbezogen die Anwendbarkeit des § 47 Abs. 2 RGV zu Unrecht verneinte und die vom Mitbeteiligten beanspruchten Reisegebühren nicht in dem nach § 47 Abs. 2 RGV bestimmten Ausmaß festlegte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieses war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 31. Juli 2020

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020120006.J00

Im RIS seit

29.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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