TE OGH 2020/7/21 5Ob121/20k

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Veröffentlicht am 21.07.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Reif & Partner Rechtsanwälte OG in Villach, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Dr. Michael Ruhdorfer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Unterlassung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 24. April 2020, GZ 2 R 19/20m (20/20h)-52, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Eigentümer einer Liegenschaft mit Grundstücken, zu deren Gunsten die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen aller Art über einen drei Meter breiten Servitutsweg auf zwei im Eigentum des Beklagten stehenden Grundstücken besteht. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob der Beklagte durch die Haltung von Jungkälbern auf seinen Grundstücken dem Kläger die Ausübung der Dienstbarkeit ernstlich erschwert oder gefährdet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1.1 Aus § 484 ABGB folgt, dass sich der Dienstbarkeitsberechtigte jene Einschränkungen des Belasteten gefallen lassen muss, die die Ausübung der Dienstbarkeit nicht ernstlich erschweren oder gefährden. Eigenmächtige Maßnahmen, die die Ausübung der Dienstbarkeit ernstlich erschweren, muss der Berechtigte nicht auf sich nehmen (RIS-Justiz RS0011740). Bei der Beurteilung, ob dem Dienstbarkeitsberechtigten Erschwernisse zuzumuten sind, sind Natur und Zweck der Dienstbarkeit zu berücksichtigen (vgl RS0106411). Die gemäß § 484 ABGB vorzunehmende Interessensabwägung ist grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängig und wirft daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf (5 Ob 23/08f; 10 Ob 83/16b).

1.2 Gegenstand der Rechtsprechung sind zwar meist Absperrungen von Servitutswegen durch Schranken (1 Ob 150/14m) oder Ketten (10 Ob 83/16b); allgemein hat der Oberste Gerichtshof anhand dieser Fälle aber den Grundsatz entwickelt, dass der Widerstreit der Interessen des Servitutsberechtigten und -verpflichteten in ein billiges Verhältnis zu setzen ist (RS0011740 [T1]), der auf jegliche Beschränkung der Rechtsausübung durch den Belasteten anzuwenden ist (vgl RS0011740 [T5] zum Betreten der servitutsbelasteten Liegenschaft durch den Eigentümer oder RS0011740 [T11] zur Beeinträchtigung der Servitutsausübung durch Naturereignisse wie herabfallende Äste bzw umstürzende Bäume). Dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem exakt vergleichbaren Fall (Haltung von Kälbern auf einem unter anderem zum Führen von Pferden dienenden Servitutsweg) nicht vorliegt, wirft für sich allein noch keine erhebliche Rechtsfrage auf – schließt doch die Besonderheit der Fallgestaltung eine richtungsweisende Entscheidung eher aus (RS0102181). Die in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Grundsätze für die Interessensabwägung haben die Vorinstanzen hier beachtet. Eine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt nicht vor.

2. Maßgeblich für die Entscheidung des Berufungsgerichts war, dass der Pächter des Beklagten den Servitutsweg nur 8–14 Tage jährlich im Herbst von maximal 18 Monate alten enthornten Kalbinnen beweiden lässt. Festgestellt wurde weiters, dass diese Weidetiere an Pferde gewöhnt sind und von ihnen keine Gefahr für Menschen oder Pferde ausgeht. Selbst wenn sich die Kalbinnen bei Betreten des Servitutswegs gerade auf diesem befinden, können sie ohne wesentlichen Aufwand vom Weg weggetrieben werden und auch in alle Richtungen ausweichen, ohne dass Gefahr für die von einer Person an der Hand geführten Pferde bestünde. Selbst wenn man im Sinn der in der Revision neuerlich monierten sekundären Feststellungsmängel mit dem Kläger davon ausgeht, dass der Servitutsweg erst seit 2015 beweidet wird (und er zuvor zum übrigen Weidebereich durch einen Elektrozaun abgetrennt war), wäre nach der jedenfalls keine grobe Fehlbeurteilung bildenden Auffassung des Berufungsgerichts angesichts der zeitlich äußerst eingeschränkten Beweidung durch völlig ungefährliche Jungtiere nicht von einer erheblichen oder unzumutbaren Erschwerung der Rechtsausübung durch den Kläger auszugehen. Den Umstand, dass man bei Ausübung eines Geh- oder Fahrtrechts mit landwirtschaftlichen Maschinen über eine landwirtschaftliche Fläche, die als Weide dient, Rindern begegnet oder allenfalls auch ausweichen muss, als die Ausübung dieses Rechts nicht ernstlich erschwerend oder gefährdend anzusehen, bedarf keiner Korrektur im Einzelfall.

3. Damit kommt es auf die in der Revision neuerlich geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel – die das Berufungsgericht im Übrigen teils auch wegen Verstoßes gegen das Neuerungsverbot zutreffend als nicht gegeben ansah – in rechtlicher Hinsicht tatsächlich nicht an.

4. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E129032

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00121.20K.0721.000

Im RIS seit

10.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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