TE OGH 2020/7/22 1Ob120/20h

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Veröffentlicht am 22.07.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Mag. Florian Plöckinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. P*****, und 2. Dr. A*****, beide vertreten durch Mag. Ronald Geppl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15. April 2020, GZ 38 R 310/19y-30, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 25. September 2019, GZ 9 C 62/19a-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines gesetzlichen Vertreters in Vermögensangelegenheiten bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Genehmigung des Gerichts, wenn die Vermögensangelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb des Pflegebefohlenen gehört (vgl RIS-Justiz RS0048207). Maßgebende Kriterien für die Beurteilung der Frage, ob ein Geschäft zum ordentlichen oder außerordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört, sind nach der Rechtsprechung die – nach den Vermögensverhältnissen des Pflegebefohlenen zu beurteilende (4 Ob 51/00d; vgl auch 4 Ob 188/06k; aus 3 Ob 81/18k ergibt sich nichts Abweichendes) – Üblichkeit des Geschäfts (RS0048207 [T17, T18]), das damit verbundene wirtschaftliche Risiko und seine vermögensrechtlichen Auswirkungen (4 Ob 51/00d) sowie dessen Dauer. Die Beurteilung, ob ein Geschäft zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0048151 [T6, T9]), sodass sich dazu in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO stellt.

3. Dass das Berufungsgericht die dargestellten Kriterien falsch angewandt und den ihm bei der Qualifikation des zwischen der – wie allseits unterstellt wird – durch einen Sachwalter (gerichtlichen Erwachsenenvertreter) vertretenen Rechtsvorgängerin des Klägers als Vermieterin und den Beklagten als Mietern abgeschlossenen Mietvertrags als Angelegenheit des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs der Vermieterin zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten hätte, zeigt die Revision nicht auf. Das Berufungsgericht begründete ausführlich, warum die Vermietung einer Genehmigung durch das Pflegschaftsgericht bedurft hätte. Nach dessen Beurteilung ergab sich die Unüblichkeit des Mietvertrags und damit das Erfordernis einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung primär daraus, dass die – von der Vermieterin zuvor noch hinsichtlich der Elektroinstallationen sanierte – (76 m² große) Wohnung unbefristet zu einem monatlichen Hauptmietzins von 68,40 EUR („Kategorie D unbrauchbar“) vermietet und den Mietern zudem eine Benutzung als Ordination gestattet (bzw zumindest eine Kündigung wegen einer solchen Nutzung ausgeschlossen) wurde.

4. Darin kann insgesamt keine im Einzelfall vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung erkannt werden. Bereits daraus, dass der Mietvertrag zu einem – gerade im Hinblick auf die zuvor erfolgte Erneuerung der Elektroinstallationen – kaum gewinnbringenden Mietzins abgeschlossen wurde, ergaben sich besondere Auswirkungen auf die Einkommenssituation der pflegebefohlenen Vermieterin. Da der auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Vertrag nur aus bestimmten Gründen gekündigt werden kann, schloss dieser andere (allenfalls wirtschaftlich vorteilhaftere) Verwertungsmöglichkeiten der Wohnung aus. Hinzu kommt, dass – wie die Beklagten in erster Instanz selbst behaupteten – bereits bei Vertragsabschluss eine künftige Nutzung des Mietobjekts als Ordination (sohin als Geschäftsraum: RS0068895 [T3]) angedacht war, was im Mietvertrag insoweit seinen Niederschlag fand, als dort vereinbart wurde, dass die Nutzung der Wohnung zu einem solchen Zweck keinen Kündigungsgrund darstellt. Wenngleich sich im Vertrag keine ausdrückliche Vereinbarung einer zulässigen Nutzung des Mietobjekts als Geschäftsraum findet, ergibt sich schon daraus, dass die Parteien diese zumindest „ins Auge fassten“, die Unüblichkeit der Vereinbarung eines nur auf Wohnungen anwendbaren (§ 16 Abs 5 MRG) Mietzinses der „Kategorie D unbrauchbar“.

5. Der Kritik, das Berufungsgericht habe die finanzielle Situation der Vermieterin unberücksichtigt gelassen und es seien dazu keine Feststellungen getroffen worden, ist zu entgegnen, dass gerade die von den Beklagten behaupteten „bescheidenen“ Einkommensverhältnisse der Vermieterin dafür sprechen, dem zu einem kaum gewinnbringenden Mietzins unbefristet abgeschlossenen Mietvertrag eine besondere wirtschaftliche Bedeutung für ihre Einkommenssituation beizumessen. Ob die Vermietung für die pflegebefohlene Vermieterin letztlich (insbesondere im Vergleich zu einem sonst möglichen Leerstand) zu ihrem Vorteil war und daher ihrem Wohl entsprach, wäre – worauf schon das Berufungsgericht hinwies – im Verfahren zur Erteilung oder Versagung der pflegschaftgerichtlichen Genehmigung zu beurteilen gewesen. Für die hier zu prüfende Frage, ob ein solches Verfahren überhaupt einzuleiten gewesen wäre, spielt dies hingegen keine Rolle.

Textnummer

E129041

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00120.20H.0722.000

Im RIS seit

10.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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