TE Bvwg Beschluss 2020/6/5 I415 2222057-2

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Veröffentlicht am 05.06.2020
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Entscheidungsdatum

05.06.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I415 2222057-2/4E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge: BFA) vom 05.05.2020, XXXX, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, geb. XXXX, StA. SERBIEN, beschließt das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Am 28.06.2019 stellte der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz: BF) seinen ersten Asylantrag in Österreich. Bei der Erstbefragung brachte der BF im Wesentlichen vor, als Albaner in Serbien diskriminiert zu werden und keine Arbeit zu erhalten. Zudem erweise sich seine wirtschaftliche Lage in Serbien als angespannt; Insbesondere da er sechs arbeitslose Angehörige (Eltern und vier Geschwister) im Herkunftsstaat zu versorgen hätte.

Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA gab der BF vordergründig an, aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der Partei XXXX verdächtigt zu werden, gegen die serbische Regierung zu protestieren. Demzufolge seien Polizeibeamte bei ihm zu Hause gewesen um ihn zu verhaften. Dieser habe sich jedoch zu diesem Zeitpunkt im Kosovo aufgehalten, sodass er seiner Verhaftung entgangen sei. Über das Vorgehen der Polizei gegen ihn sei er von seiner Familie in Kenntnis gesetzt worden. Darüber hinaus würde er als Albaner in Serbien diskriminiert und habe er nur einen geringen monatlichen Verdienst in Höhe EUR 300,- erzielt.

Sein erster Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 05.07.2019 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen; gemäß § 8 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien abgewiesen, da weder eine asylrelevante noch refoulementrelevante Gefährdungslage für den BF festgestellt bzw. glaubhaft gemacht werden konnte. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46FPG nach Serbien zulässig ist und keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt. Die aufschiebende Wirkung wurde aberkannt, gegen den BF ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiserbot erlassen, sowie dem BF aufgetragen, ab 29.06.2019 in einem vorgegebenen Quartier Unterkunft zu nehmen. Die dagegen erhobene Beschwerde des BF wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.01.2020 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 11.03.2020 als unbegründet abgewiesen. Begründend führte das BVwG in seinem Erkenntnis vom 13.03.2020 aus, dass nicht festgestellt werden konnte, dass der BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Bedrohungsgefahr ausgesetzt ist oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden. Der BF hat demnach seinen Herkunftsstaat aus wirtschaftlichen Überlegungen sowie um einer Verhaftung bzw. einem Strafverfahren wegen des Verdachtes der Begehung einer Straftat iSd. § 133 serbisches Strafgesetzbuch (Freiheitsentziehung) zu entgehen verlassen. Beweiswürdigend führte das BVwG aus, dass das Vorbringen des BF viele Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten aufweist und der BF diese auch in der Verhandlung nicht zu erklären vermochte. Es widerspricht - so das BVwG - nämlich logischen Überlegungen im Rahmen einer Einvernahme im Zuge eines Asylantrages bloße Diskriminierungen zu behaupten, jedoch konkrete Verfolgungshandlungen nicht zu thematisieren bzw. diese erst später im Verfahren vorzubringen. Vielmehr wäre davon auszugehen, dass der BF zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens, zumindest zusammengefasst alle Fluchtgründe vorbringt diese nicht nach und nach ergänzt bzw. steigert. Im konkreten Fall hat der BF nicht nur sein Fluchtvorbringen vor der belangten Behörde gesteigert, sondern dies auch in weiterer Folge in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG fortgeführt. So hat der BF vor der belangten Behörde erstmals vorgebracht von serbischen Behörden wegen einer behaupteten Parteimitgliedschaft und des Protests gegen die serbische Regierung gesucht worden zu sein. Dem vorausgehende behördliche Maßnahmen gegen den BF brachte diese nicht vor. In der mündlichen Verhandlung wiederum behauptete der BF, dass es zu wiederholten Einvernahmen durch die Polizei gekommen sei und diese zudem alle seine Dokumente eingezogen hätte. Vor dem Hintergrund, dass der BF ein wiederholtes Vorgehen gegen sich weder in der Erstbefragung noch vor der belangten Behörde dargetan hat und zudem vor dem BFA behauptet hat, dass er seine Dokumente verloren habe, gelingt es dem BF keinesfalls sein letztlich wiederholt gesteigertes Vorbringen zu substantiieren. Ferner vermochte der BF durch die bloße Vorlage von Fotos, die den BF als Teil einer Gruppe unter anderem in Räumlichkeiten der Partei XXXX zeigen, seine Mitgliedschaft bei der besagten Partei nicht nachzuweisen. Die besagten Fotos lassen nicht erkennen, ob diese Parteiversammlungen von Mitgliedern, Mitglieder oder bloß Besucher der besagten Partei abbilden. Einen Nachweis über seine Mitgliedschaft brachte der BF nicht in Vorlage, sodass letztlich die bloße Behauptung Mitglied zu sein, als Beweis nicht genügt. Insofern der BF sein Vorbringen durch die Vorlage von Schriftstücken serbischer Behörden zu untermauern versuchte, vermochte der BF die aufgezeigten Widersprüche nicht aufzuklären. Vielmehr legen die besagten Dokumente nahe, dass der BF aufgrund eines gegen ihn geführten Strafverfahrens seitens des serbischen Staates wegen des Verdachtes der Verwirklichung des - ebenfalls in Österreich gemäß § 99 mit bis zu 3 bzw. 10 Jahre Freiheitsstrafe bedrohten - Straftatbestandes der Freiheitsentziehung gemäß § 133 des serbischen Strafgesetzbuches (Strafdrohung bis 1 Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe) aus seinem Herkunftsstaat ausgereist ist um damit einer Verhaftung und allfälligen Verurteilung zu entgehen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Verschwörung und eines willkürlichen Vorgehens des Staates Serbien gegen den BF vermochte der BF nicht substantiiert aufzuzeigen. Vielmehr erwiesen sich die diesbezüglichen Angaben des BF als widersprüchlich, in sich nicht konsistent und teils völlig konfus und zusammenhanglos, sodass diesem kein Glauben geschenkt werden konnte. Auch im Hinblick auf vom BF dargetane Diskriminierungen aufgrund seiner Ethnie, gelang es dem BF nicht solche glaubwürdig darzulegen. So behauptete der BF keine Arbeit in Serbien aufgrund seiner Ethnie zu erhalten. In weiterer Folge gab er jedoch an, sich als XXXX seinen Lebensunterhalt verdient zu haben. In der mündlichen Verhandlung brachte er zudem vor, auch Berufserfahrung als XXXX und XXXX gesammelt zu haben. All dies deutete für das BVwG darauf hin, dass der BF Zugang zum serbischen Arbeitsmarkt hat, und lässt sich vor dem Hintergrund, des durch Schulbesuchszeiten in Serbien belegten Zugang zu Bildung im Herkunftsstaat, keine maßgebliche Diskriminierung des BF feststellen.

Diese Entscheidung ist rechtskräftig.

Am 17.04.2020 beantragte der BF neuerlich internationalen Schutz. Bei der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung vor der Fremden- und grenzpolizeilichen Abteilung XXXX, gab der BF an, dass seine Fluchtgründe dieselben geblieben wären. Noch nicht niedergeschrieben worden wäre, dass der BF vom serbischen Staat erpresst und bedroht worden wäre. Auch seine Familie in Serbien sowie seine Lebensgefährtin im Kosovo seien bedroht worden. Er selbst sei vor einer Woche von einer unterdrückten Telefonnummer bedroht worden. Dabei sei ihm mitgeteilt worden, dass er nach Serbien zurückkehren solle, ansonsten würde man seine Familie, seine Lebensgefährtin und ihn selbst umbringen. Via SMS seien von ihm EUR 3.500,- verlangt worden. Ihm werde vom serbischen Staat Freiheitsberaubung vorgeworfen. Diesbezüglich habe es im Jahr 2019 auch eine Gerichtsverhandlung in Abwesenheit gegeben und sei das Urteil seiner Familie zugestellt worden und sollte die Polizei ihn in weiterer Folge festnehmen. Zum Glück habe er sich jedoch nicht zu Hause befunden. Das Urteil entspreche nämlich nicht der Wahrheit und habe der BF nichts gemacht. Der BF und seine Lebensgefährtin hätten beide studiert und gute Jobs, jedoch fehle es ihnen in Serbien an Sicherheit. Aufgrund des Gerichtsurteils würde er nach seiner Rückkehr nach Serbien sofort in Haft kommen und hätten die meisten albanischen Häftlinge in Serbien nicht einmal sechs Monate in Haft überlebt.

Nach der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdiensts am 17.04.2020 wurde dem BF mit Verfahrensanordnung vom 21.04.2020 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache iSd § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs 2 AsylG aufzuheben. Am 24.04.2020 wurde der BF vor dem BFA in Anwesenheit seiner Rechtsberatung Verein Menschenrechte Österreich zu seinem Folgeantrag und zur beabsichtigten Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vernommen. Am 05.05.2020 erfolgte eine weitere niederschriftliche Einvernahme des BF und wurde anschließend der faktische Abschiebeschutz mit dem oben angeführten, mündlich verkündeten und in der Niederschrift der Einvernahme beurkundeten Bescheid gemäß §§ 12a Abs 2, 22 Abs 10 AsylG aufgehoben.

Die vom BFA zur Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes übermittelten Verwaltungsakten langten physisch erst am 05.06.2020 und damit erfahrungsgemäß fast einen Monat später als üblich - dies vermutlich aufgrund der CoViD-19 bedingten großen Probleme im Postverteilerzentrum in Hagenbrunn - in der zuständigen Gerichtsabteilung des BVwG ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Republik Serbien. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Albaner, bekennt sich zum muslimischen Glauben und ist ledig sowie kinderlos. Die Muttersprache des BF ist albanisch, jedoch spricht der BF auch serbisch. Der BF reiste am 14.06.2019 aus Serbien aus, und nach einem 1 1/2-tägigen Aufenthalt in Ungarn in Österreich ein, wo er - 13 Tage nach seiner Einreise - am 28.06.2019 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz stellte. Der BF wurde in Serbien geboren und lag sein Lebensmittelpunkt bis zu seiner Ausreise im Juni 2019 ebendort. Der BF besuchte 8 Jahre lang die Grundschule, 4 Jahre die Mittelschule und 1 1/2 Jahre die Universität und erlernte den Beruf des XXXX. Der BF ist in Österreich unbescholten.

Das vom BF mit dem Antrag auf internationalen Schutz vom 28.06.2019 initiierte Asylverfahren wurde mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.03.2020, G306 2222057, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung rechtskräftig negativ abgeschlossen und gegen den BF ein Einreiseverbot in Höhe von einem Jahr erlassen. In diesem Verfahren brachte der BF im Zuge der Erstbefragung ausschließlich wirtschaftliche Gründe vor und dass Albaner in Serbien am Arbeitsmarkt diskriminiert würden und er nur einen geringen monatlichen Verdienst in Höhe von EUR 300,- erziele. Im Zuge der Einvernahme vor dem BFA behauptete er dann Mitglied einer Partei namens XXXX gewesen zu sein und dass ihm die Teilnahme an Protesten gegen die Regierung vorgeworfen werde. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG steigerte der BF sein Vorbringen zudem noch dahingehend, dass man ihn zudem beschuldigen würde ein ehemaliges Mitglied der XXXX zu sein und deshalb seine im Kosovo lebende Freundin und deren Familie bedroht worden wären. Weiters würde ihm in Serbien ein Strafverfahren drohen und legte der BF zwei amtliche Schriftstücke vor, die dies belegen sollten. Das BVwG führte in seinem Erkenntnis vom 11.03.2020 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.01.2020 aus, dass das Vorbringen des BF viele Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten aufweist und der BF dadurch als Person unglaubwürdig ist. Damit wurde kein asylrelevanter Sachverhalt vorgebracht und vermochte auch die bloße Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Albaner keine Asylrelevanz zu begründen. Das BVwG ging letztlich davon aus, dass der BF seinen Herkunftsstaat aus wirtschaftlichen Beweggründen verlassen hat, sowie um einer Verhaftung bzw. einem Strafverfahren wegen des Verdachts der Begehung einer Straftat (Freiheitsentziehung) zu entgehen.

In seinem nunmehr zweiten Antrag auf internationalen Schutz vom 17.04.2020 behauptet der BF keinen wesentlichen neuen Sachverhalt, sondern führte in der Erstbefragung aus, dass seine Fluchtgründe dieselben geblieben wären. Er "ergänzte" diese damit, dass auch seine Familie in Serbien sowie seine Lebensgefährtin im Kosovo bedroht worden wären. Zur Untermauerung seines Vorbringens legte der BF abermals zwei amtliche serbische Schriftstücke vor - wie bereits im Vorverfahren. Eine Person namens XXXX wäre zudem vom Staat Serbien geschickt worden und würde von ihm geborgtes Geld unter Drohung zurückfordern. Einen glaubhaften Zusammenhang zwischen dieser Privatperson XXXX und dem Staat Serbien konnte der BF nicht herstellen. Die von ihm im Zuge seiner Einvernahme am 24.04.2020 vorgezeigten "Droh-SMS" datieren vom Februar 2020 und sind diese damit von der Rechtskraft des Vorverfahrens umfasst und hätte diese der BF im Vorverfahren namhaft machen müssen. Er selbst sei vor einer Woche von einer unterdrückten Telefonnummer bedroht worden. Zudem führte er - wie auch schon im Vorverfahren - aus, dass er in Serbien der Freiheitsberaubung beschuldigt werde und sei dies mit einem Strafrahmen von ein bis fünf Jahren konfrontiert zu sein. Diesbezüglich habe es im Jahr 2019 auch eine Gerichtsverhandlung in Abwesenheit gegeben und sei das Urteil seiner Familie zugestellt worden und sollte die Polizei ihn in weiterer Folge festnehmen. Zum Glück habe er sich jedoch nicht zu Hause befunden. Das Urteil entspreche nämlich nicht der Wahrheit und habe der BF nichts gemacht. Der BF und seine Lebensgefährtin hätten beide studiert und gute Jobs, jedoch fehle es ihnen Serbien an Sicherheit. Aufgrund des Gerichtsurteils würde er nach seiner Rückkehr nach Serbien sofort in Haft kommen und hätten die meisten albanischen Häftlinge in Serbien nicht einmal sechs Monate in Haft überlebt.

Der BF bezieht sich damit im aktuellen Verfahren in wesentlichen Punkten weiterhin auf seine Fluchtgründe aus dem Vorverfahren, welche bereits mit Erkenntnis des BVwG vom 11.03.2020 rechtskräftig als nicht glaubhaft und in weiterer Folge als nicht asylrelevant beurteilt wurden. Damit ist für den BF nichts gewonnen, denn sein diesbezügliches Vorbringen bezieht sich auf sein - im Vorverfahren als nicht glaubhaft befundenes - Problem im Herkunftsstaat, welches seinen Ausführungen nach weiter fortwirkt.

Es kann in Bezug auf das Fluchtvorbringen des BF auch nicht festgestellt werden, dass dieser im gegenständlichen Verfahren einen nach rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens neu entstandenen und asylrelevanten Sachverhalt vorgebracht hat. Auch diesem "ergänzenden" Fluchtgrund fehlt es an Glaubwürdigkeit und wurde dem BF aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses seitens des BFA schriftlich mitgeteilt, dass es beabsichtigt sei, seinen gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

In Bezug auf den BF besteht kein schützenswertes Privat und/oder Familienleben im Bundesgebiet. Der BF ist gesund. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des BF nach Serbien eine Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Es liegen keine Umstände vor, welche einer Außerlandesbringung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.

Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation in Serbien ist nicht eingetreten.

Weder in Bezug auf das Privat- und Familienleben des BF noch in Bezug auf die Situation in seinem Herkunftsland Serbien hat sich die Situation seit dem Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens mit Erkenntnis vom 13.03.2020 - sohin vor gut zweieinhalb Monaten - entscheidungswesentlich geändert.

Serbien gilt als sicherer Herkunftsstaat.

Der Folgeantrag wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten des BFA und der Gerichtsakten des BVwG. Die Identität des BF steht aufgrund einer Zustimmung des serbischen Innenministeriums für eine Ausstellung eines Heimreisezertifikates fest.

Die Feststellungen zum Verlassen des Herkunftsstaates, zum Reiseweg, zur Einreise in Österreich sowie den beiden Asylanträgen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbestrittenen Akteninhalt. Zudem gab der BF an, am 14.06.2019 seinen Herkunftsstaat verlassen zu haben und nach einen 1 1/2-tägigen Aufenthalt in Ungarn nach Österreich weitergereist zu sein, jedoch erst 13 Tage nach seiner Einreise den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt zu haben.

Aus dem Erkenntnis des BVwG vom 11.03.2020, G306 2222057-1/10E, geht hervor, dass der BF damals gesund und arbeitsfähig war. Bei der Einvernahme am 24.04.2020 erklärte er, sich gut zu fühlen. In einer Gesamtbetrachtung ist daher davon auszugehen, dass er jedenfalls nicht an einer schwerwiegenden behandlungsbedürftigen Erkrankung leidet. Der in Serbien gelegene Lebensmittelpunkt erschließt sich aus der Geburt des BF in Serbien, dessen Schulbesuch und Erwerbstätigkeiten sowie dem vorgebrachten gemeinsamen Haushalt mit seiner Familie ebendort.

Die festgestellten Sprachkenntnisse des BF gehen aus seinen Angaben im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren und bei der Erstbefragung im gegenständlichen Verfahren hervor und sind diese angesichts seiner Herkunft und Volksgruppenzugehörigkeit plausibel. Bei den Einvernahmen am 24.04.2020 und am 05.05.2020, denen Dolmetscher für Albanisch beigezogen wurden, kam es zu keinen Verständigungsproblemen.

Die vom BF in den Asylverfahren jeweils angegebenen Fluchtgründe werden anhand seiner Angaben bei den Erstbefragungen und bei den Einvernahmen vor dem BFA sowie aufgrund der mündlichen Verhandlung am 21.01.2020 im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren festgestellt.

Seine strafgerichtliche Unbescholtenheit in Österreich geht aus dem Strafregister hervor.

Die Feststellung, dass sich die Situation in Bezug auf das Privat- und Familienleben der BF seit der Entscheidung im vorangegangenen Asylverfahren nicht entscheidungswesentlich geändert hat, beruht auf der sehr kurzen seither verstrichenen Zeit von lediglich etwa zweieinhalb Monaten sowie darauf, dass sich aus der Schilderung der BF keine entscheidungswesentlichen Änderungen ergeben.

Das BFA legt seiner Entscheidung Informationen über die allgemeine Situation in Serbien zugrunde, die von verschiedenen anerkannten Institutionen stammen und ein konsistentes Gesamtbild ergeben. Das BVwG hegt keine Zweifel an der Richtigkeit der in den zu überprüfenden Bescheid unter Angabe konkreter Quellen aufgenommenen Feststellungen zur Lage in Serbien und übernimmt diese. Entscheidungswesentliche Änderungen seit der Entscheidung des BVwG über die Beschwerde des BF im März 2020 liegen - insbesondere angesichts der vergleichsweise sehr kurzen seither vergangenen Zeit und der stabilen Situation dort - nicht vor. Es gibt unter Berücksichtigung der aktuellen Berichte zur Lage in Serbien keine Anhaltspunkte dafür, dass die damals getroffenen Feststellungen zur Situation dort unrichtig oder nicht mehr aktuell sein könnten oder dass in der Zwischenzeit eine entscheidungswesentliche Änderung eingetreten wäre, zumal die Feststellungen im Bescheid vom 05.05.2020 im Wesentlichen mit den im vorangegangenen Asylverfahren getroffenen übereinstimmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 22 Abs 10 AsylG ergehen Entscheidungen des BFA über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem BVwG unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das BVwG.

Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes entscheidet das BVwG im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG ohne mündliche Verhandlung mit Beschluss. Dabei wird einerseits geprüft, ob die materiellen Voraussetzungen des § 12a Abs 2 AsylG vorliegen und andererseits, ob das BFA bei der Durchführung des Verfahrens die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten hat. Beides ist hier der Fall.

Die vom Gesetzgeber in § 22 Abs 10 AsylG und § 22 BFA-VG angeordnete Rechtsschutzkonstruktion in Form einer fiktiven Parteibeschwerde in ausnahmslos jedem Fall einer Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist vor dem Hintergrund des engen inhaltlichen Zusammenhangs des Aufhebungsverfahrens mit dem Folgeantrag mit dem in Art 130 und 132 B-VG vorgesehenen System der Verwaltungsgerichtsbarkeit vereinbar und daher verfassungskonform (VfGH 10.10.2018, G 186/2018; vgl nunmehr auch Art 130 Abs 2 Z 4 B-BV idF BGBl I 14/2019).

§ 12a Abs 2 AsylG ermöglicht dem BFA die bescheidmäßige Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes bei Folgeanträgen, wenn kein Fall des § 12a Abs 1 AsylG (Folgeanträge nach einer Entscheidung gemäß § 4a AsylG [Schutz in einem anderen EWR-Staat oder in der Schweiz] oder § 5 AsylG [Zuständigkeit eines anderen Staats]) vorliegt. Voraussetzung ist, dass gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht (Z 1), der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist (Z 2), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z 3).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Ein Folgeantrag ist gemäß § 2 Abs 1 Z 23 AsylG jeder weitere Antrag auf internationalen Schutz, der einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag zeitlich nachfolgt. Da dem Antrag auf internationalen Schutz vom 17.04.2020 ein bereits rechtskräftig erledigter Antrag des BF voranging, handelt es sich um einen Folgeantrag. Es liegt kein Fall des § 12a Abs 1 AsylG vor. Gegen den BF besteht eine vor weniger als 18 Monaten erlassene aufrechte Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot.

Das BFA geht nach dem derzeitigen Verfahrensstand zu Recht davon aus, dass der Folgeantrag des BF voraussichtlich gemäß § 68 AVG zurückzuweisen sein wird, weil sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht geändert hat. Bei der dabei anzustellenden Prognoseentscheidung ist relevant, ob eine Sachverhaltsänderung behauptet wird, die zu einem anderen Ergebnis als im vorangegangenen Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Sache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783).

Aus dem Vorbringen der BF ergibt sich keine derartige wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände. Die Entscheidung über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wurde etwa zwei Monate nach der Beendigung des Vorverfahrens getroffen. Alle vom BF im Verfahren über den Folgeantrag als Fluchtgründe geltend gemachten Umstände wurden bereits im vorangegangenen Asylverfahren berücksichtigt, insbesondere auch die ihm in Serbien drohende Freiheitsstrafe. Dies lässt keine andere rechtliche Beurteilung als im Vorverfahren zu, zumal sich weder seine privaten und familiären Umstände noch die Situation in seinem Herkunftsstaat entscheidungswesentlich geändert haben. Im Ergebnis liegt daher keine relevante Sachverhaltsänderung vor.

Vor Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12 Abs 2 Z 3 AsylG eine Refoulement-Prüfung im weiteren Sinn und eine Interessenabwägung iSd Art 8 EMRK vorzunehmen. Das BFA ist hier zutreffend davon ausgegangen, dass die Abschiebung für den BF keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 (Recht auf Leben), Art 3 (Verbot der Folter) oder Art 8 (Recht auf Privat- und Familienleben) EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (Abschaffung der Todesstrafe) bedeutet und für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt. Weder im vorangegangenen Verfahren noch in diesem Verfahren sind konkrete Anhaltspunkte für die Annahme einer solchen Gefahr hervorgekommen. Aus dem Erkenntnis des BVwG vom 13.03.2020 ergibt sich vielmehr, dass eine Rückführung nach Serbien den BF nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur EMRK verletzt und auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit als Zivilpersonen infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen internationaler oder innerstaatlicher Konflikte mit sich bringen würde. Es liegen - insbesondere angesichts der stabilen Situation in Serbien und der seit der Vorentscheidung vergangenen Zeit - keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF abweichend von dieser Einschätzung nunmehr durch die Rückkehr in seine Heimat doch einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, zumal in Serbien die Todesstrafe abgeschafft ist und kein bewaffneter Konflikt herrscht.

Auch zur Interessenabwägung iSd Art 8 EMRK ist auf die Entscheidungen des BVwG vom 13.03.2020 und die damit verbundene mündliche Verhandlung am 21.01.2020 zu verweisen. Eine maßgebliche Änderung der für den Verbleib des BF in Österreich sprechenden Interessenlage, die zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen könnte, liegt nicht vor, sodass nach wie vor kein unverhältnismäßiger Eingriff in sein Privat- und Familienleben anzunehmen ist. Im Folgeverfahren haben sich schon aufgrund der wenigen Monate, die seit der Entscheidung über den ersten Antrag auf internationalen Schutz vergangen sind, keine Anhaltspunkte für eine maßgebliche weitere soziale Verfestigung oder Integration ergeben.

Das BFA hat die bei der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes einzuhaltenden Verfahrensschritte eingehalten und ist der ihm obliegenden Verpflichtung, ein Ermittlungsverfahren gemäß § 18 AsylG durchzuführen, ordnungsgemäß nachgekommen. Dem BF wurde Parteiengehör eingeräumt; es wurde ihm auch Gelegenheit zur Stellungnahme zu den wesentlichen Berichten zur allgemeinen Lage in Serbien gegeben. Im Ergebnis ist daher die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG durch den mündlich verkündeten Bescheid des BFA festzustellen.

Erhebliche Rechtsfragen von der über den Einzelfall hinausgehenden, grundsätzlichen Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG stellten sich nicht, weshalb die Revision an das Höchstgericht nicht zuzulassen ist.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag Identität der Sache Privat- und Familienleben real risk reale Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I415.2222057.2.00

Im RIS seit

10.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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