TE OGH 2020/7/8 3Ob91/20h

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Veröffentlicht am 08.07.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Priv.-Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Mag. Korn, Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder 1. B*****, geboren am ***** 2007, 2. M*****, geboren am ***** 2008, wohnhaft im Haushalt ihrer Mutter und Vertreterin I*****, diese vertreten durch Dr. Josef Wolfgang Deitzer, Rechtsanwalt in Schwechat, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Vaters G*****, vertreten durch Putz-Haas & Riehs-Hilbert Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. März 2020, GZ 44 R 25/20g-51, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 15. November 2019, GZ 96 Pu 176/14v-45, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Vorinstanzen verpflichteten den als Versicherungsmakler und Vermögensberater selbständig tätigen Vater der beiden minderjährigen Kinder zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 442 EUR für B***** und 372 EUR für M***** jeweils ab 1. Dezember 2014. Aufgrund mangelnder Mitwirkung des Vaters an der Ermittlung seines Einkommens wurde für die Unterhaltsbemessungsgrundlage der tatsächliche Lebensaufwand („Lebenszuschnitt“) des Vaters herangezogen.

Das Rekursgericht hob hervor, dass der Vater hinsichtlich dreier Bankkonten und Privatkredite ungeachtet der gerichtlichen Aufforderung die von der Sachverständigen benötigten Urkunden nicht vorgelegt habe. Der anwaltlich vertretene Vater habe die Provenienz und die Höhe der ihm zugeflossenen freiwilligen Zuwendungen Dritter zur Bestreitung seines Lebensaufwands nicht nachgewiesen.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde vom Rekursgericht deshalb zugelassen, weil zur Frage, welcher Grad der unterlassenen Mitwirkung an der Feststellung der Bemessungsgrundlage die Zugrundelegung des Lebenszuschnitts rechtfertige, keine gesicherte Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage geltend gemacht wird:

1. Hat das Gericht zweiter Instanz den ordentlichen Revisionsrekurs zugelassen, macht das Rechtsmittel aber nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, so ist das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof trotz Zulässigerklärung durch das Gericht zweiter Instanz zurückzuweisen (6 Ob 36/13g; RIS-Justiz RS0102059). Der Revisionsrekurswerber muss zumindest eine erhebliche Rechtsfrage für eine sachliche Erledigung seines Rechtsmittels aufwerfen (RS0080388; RS0048272). Die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).

1.1 Auf die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage kommt der Rechtsmittelwerber nicht zurück. Der Vater vertritt zur Problematik, welcher Grad der unterlassenen Mitwirkung es rechtfertigt, dass der „Lebenszuschnitt“ der Entscheidung zugrunde gelegt werden kann, keinen Standpunkt. Vielmehr sei es im Anlassfall (wegen freiwilliger Zuwendungen von dritter Seite, siehe Punkt 2) „unerheblich, ob der hier unterhaltspflichtige Kindesvater Unterlagen zur Beurteilung seiner privaten Ausgaben beigebracht hat“.

1.2 Dem ihm von den Vorinstanzen angelasteten Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht im Verfahren hält der Vater knapp entgegen, dass im Kindesunterhaltsverfahren der Grundsatz der Amtswegigkeit herrsche, weshalb es in erster Linie dem Gericht und nicht den Parteien obliege, die geeigneten Informationen für die Feststellungen beizuschaffen. Abgesehen davon, dass hier das Erstgericht dem Gebot der amtswegigen Beweisaufnahme durch die Einholung eines Gutachtens durchaus entsprochen hat, kann die Argumentation des Vaters die Zulässigkeit des Rechtsmittels schon deshalb nicht stützen, weil sie sich in Widerspruch mit der gesicherten (von § 16 Abs 2 AußStrG gedeckten) Rechtsprechung setzt. Demnach trifft den Unterhaltsschuldner bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage eine Mitwirkungspflicht (RS0047430; vgl etwa 1 Ob 140/18x uva), die gerade dann schlagend wird, wenn der amtswegigen Ermittlung des Gerichts – wie hier – Grenzen gesetzt sind (vgl RS0006330 [T3]). Wirkt der Unterhaltsschuldner nicht im Sinne des § 16 Abs 2 AußStrG bei der Feststellung seiner Einkommensverhältnisse mit, kann sein Einkommen nach freier Würdigung geschätzt werden (RS0047432; 3 Ob 47/14d; 3 Ob 46/18p uva).

1.3 Ob der Unterhaltsschuldner der Mitwirkungsverpflichtung nachgekommen ist oder nicht, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RS0047430 [T3]). Auch hier hält das Rechtsmittel dem Standpunkt der Vorinstanzen nichts entgegen und macht insbesondere keine grobe Fehlbeurteilung bei der Lösung dieser Frage geltend.

1.4 Das Rekursgericht hat sich auf die Judikatur des Obersten Gerichtshofs bezogen, wonach bei mangelnder Mitwirkung des Unterhaltspflichtigen die Bestimmung der Unterhaltsbemessungsgrundlage nach dem Lebensaufwand möglich ist (2 Ob 224/08t = RS0117850 [T4]). Auch dazu fehlt im Rechtsmittel jegliche inhaltliche Auseinandersetzung.

1.5 Damit begründen Fragen zur (verletzten) Mitwirkung im Anlassfall keine erhebliche Rechtsfrage.

2. Den Kern der Rechtsmittelausführungen bildet das Argument, dass der Vater seine Lebenshaltungskosten teilweise durch freiwillige finanzielle Zuwendungen von dritter Seite, insbesondere von seinen Eltern, finanziert habe. Diese Zuwendungen dürften aber nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einfließen.

2.1 Im erstinstanzlichen Verfahren führte der anwaltlich vertretene Vater zu seinen (nach seinem Erachten anzurechnenden) Ausgaben für die Kinder teilweise akribisch und detailliert aus. Zu seinen im Revisionsrekurs hervorgehobenen Einnahmen von dritter Seite findet sich in erster Instanz allerdings nur folgendes Vorbringen: „Hinsichtlich meiner finanziellen Gebarung halte ich fest, dass ich fast immer auf Hilfe von dritter Seite angewiesen bin“. Weiters ist im Gutachten der Sachverständigen als Beilage eine E-Mail des Vaters dokumentiert, in dem der Vater gegenüber der Sachverständigen erklärt, dass er finanziell von seinen Eltern unterstützt werde. Ein substantielles Vorbringen zur Unterstützung Dritter und vor allem zu Grund, Höhe und Zweck der Zuwendungen ist daraus nicht abzuleiten. Die Vorinstanzen sahen sich zu Recht nicht zu weiteren Beweisaufnahmen und Feststellungen veranlasst.

2.2 Der Vater wirft dem Rekursgericht vor, es entferne sich von der Judikatur, wonach freiwillig geleistete, jederzeit widerrufliche Zuwendungen von Familienangehörigen nicht Teil der Bemessungsgrundlage seien. Dabei blendet er allerdings aus, dass schon mangels substantiierter Behauptungen zu den Zuwendungen keine konkreten Feststellungen getroffen werden konnten. Vom Erstgericht wurde in seiner Beweiswürdigung lediglich seine Behauptung (gegenüber der Sachverständigen) referiert, dass er finanziell von seinen Eltern unterstützt werde. Das Rekursgericht verwies den Vater hier auf die ihn treffende Behauptungs- und Beweislast und sah die Herkunft und Höhe der dem Vater zugeflossenen Zuwendungen als nicht erwiesen an. Die vom Rekursgericht vorgenommene Verteilung der Behauptungs- und Beweislast zu Ungunsten des Vaters wird von diesem nicht weiter hinterfragt.

2.3 Insoweit der Vater bezüglich der Zuwendungen Dritter Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens rügt, übersieht er, dass solche Mängel auch im Außerstreitverfahren nicht erfolgreich im Revisionsrekurs geltend gemacht werden können (RS0030748). Entsprechendes gilt für die von ihm geltend gemachte unrichtige Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung (RS0006379 [T4]).

2.4 Damit werfen auch die Ausführungen zu den nicht ausreichend behaupteten und bewiesenen Zuwendungen Dritter ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG auf.

Textnummer

E129007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00091.20H.0708.000

Im RIS seit

07.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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