TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/4 W183 2213226-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.02.2020
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Entscheidungsdatum

04.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs1 Z4
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W183 2213226-1/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. PIELER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.09.2019 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste zusammen mit seinem Vater im Jahr 1998 nach Österreich ein und stellte wiederholt Asylanträge, über welche abweisend entschieden wurde. Am 21.10.2004 brachte der Beschwerdeführer einen neuerlichen Asylantrag ein, über welchen nach Erhebung einer Beschwerde der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 04.01.2011 entschied und dem Beschwerdeführer Asyl gewährte. Begründend wurde ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer während seines mehr als zehnjährigen Aufenthalts in Österreich mit dem christlichen Glauben beschäftige. Er sei vor vielen Jahren vom Islam abgefallen und bereite sich auf die Taufe vor. Der Glaubenswechsel sei ernst und von innerer Überzeugung getragen.

2. Der Beschwerdeführer wurde seit seiner Einreise nach Österreich und nach Gewährung des Asylstatus mehrfach strafgerichtlich verurteilt. Die nunmehr belangte Behörde, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), leitete folglich ein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus ein und führte am 14.11.2018 eine niederschriftliche Einvernahme durch. Bei der Einvernahme hielt das BFA dem Beschwerdeführer dessen insgesamt 17 strafgerichtliche Verurteilungen vor und befragte den Beschwerdeführer zu seinem Leben und seinen Zukunftsvorstellungen in Österreich sowie zu seinem christlichen Glauben.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid (zugestellt am 30.12.2018) wurde der mit Erkenntnis vom 04.01.2011 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde nicht zuerkannt. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, sondern gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Iran zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass die Gründe für die Zuerkennung des Asylstatus nicht mehr vorliegen. Es sei nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer zum christlichen Glauben konvertiert ist und es stehe fest, dass er sich zu keiner Zeit dem Christentum zugewandt habe. Er sei nie vom Islam abgefallen. Weiters verweist der Bescheid auf die Straffälligkeit des Beschwerdeführers und hält fest, dass der Beschwerdeführer als gefährlicher Täter anzusehen sei. Länderfeststellungen zur Situation in Iran sind im Bescheid wiedergegeben und ergibt sich aus diesen unter anderem, dass Konversion, je nach Intensität der Aktivitäten, auch zur Todesstrafe führen kann.

Das BFA stellte dem Beschwerdeführer amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.

4. Mit Schriftsatz vom 15.01.2019 erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang. Darin wurde ausgeführt, dass sich der Bescheid nicht hinreichend und fallbezogen mit den Länderberichten auseinandergesetzt habe. Auch seien die Verurteilungen bereits zum Teil getilgt. Auf welchen Ausschlussgrund konkret sich die Behörde beziehe, sei nicht erkennbar.

5. Mit Schriftsatz vom 15.01.2019 (eingelangt am 18.01.2019) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 28.03.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (eingelangt am 15.05.2019).

6. Mit Schreiben vom 20.08.2019 wurden der Beschwerdeführer sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 27.09.2019 geladen und wurde in den Ladungen darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran, Gesamtaktualisierung am 14. Juni 2019" sowie dem "Länderreport 10 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Iran - Situation der Christen, Stand 3/2019" als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Iran heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben. Das BFA entschuldigte sich für die Nichtteilnahme an der Verhandlung.

7. Mit Schriftsatz vom 20.09.2019 brachte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eine schriftliche Stellungnahme ein, in der unter anderem auf die auch asylrelevante Drogenerkrankung des Beschwerdeführers verwiesen wurde. Überdies sei der Beschwerdeführer homosexuell und bekenne sich weiterhin zu seinem christlichen Glauben.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 27.09.2019 unter Beiziehung eines Dolmetschs für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer sowie dessen Rechtsvertretung teilnahmen. Da sich der Beschwerdeführer in Haft befand, wurde die Verhandlung gem. § 25 Abs. 6b VwGVG unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung durchgeführt. Der Beschwerdeführer wurde ausführlich zu seiner Person, seinen Asylgründen sowie religiösen Aktivitäten in Österreich befragt. Es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe umfassend darzulegen, zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen und seine Situation in Österreich darzustellen. Ergänzend brachte das Bundesverwaltungsgericht Berichte zu Drogenersatztherapien in Iran zum Parteiengehör. Dem BFA wurde das Protokoll der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht.

9. Seitens des Beschwerdeführers wurde dem Bundesverwaltungsgericht ein Schreiben übermittelt, in welchem er darum bittet, in Österreich bleiben zu können. Seitens des Rechtsvertreters wurde eine mit 18.10.2019 datierte Stellungnahme übermittelt, worin auf die Drogenerkrankung des Beschwerdeführers verwiesen wurde und auf den Umstand, dass es in Iran nur eingeschränkte Ersatztherapien gebe. Es wäre daher zumindest subsidiärer Schutz zu gewähren.

10. Das Bundesverwaltungsgericht führte zuletzt am 29.01.2020 eine Strafregisterabfrage durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Erkenntniskopf genannten Namen und ist am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich insgesamt 17 Mal strafgerichtlich verurteilt. Seit Asylgewährung mit Erkenntnis vom 04.01.2011 wurde er fünf Mal strafgerichtlich verurteilt, wovon es sich in einem Fall um die Verurteilung wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 1. Fall StGB und des Verbrechens der versuchten Erpressung gem. §§ 15, 144 Abs. 1 StGB, jeweils in der damals geltenden Fassung, handelt. In den übrigen vier Fällen beging der Beschwerdeführer Vergehen. Wegen der beiden Verbrechen sowie dreier weiterer Vergehen wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 11.02.2011 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Der Berufung dagegen wurde mit Urteil des OLG Wien vom 09.06.2011 keine Folge gegeben. Den Verbrechen liegt der Sachverhalt zugrunde, dass der Beschwerdeführer einer näher genannten Dame in einem Lokal die Handtasche mit zwei Mobiltelefonen, Bargeld in der Höhe von 30 Euro, Kosmetikartikeln, zwei Schlüsselbunden und einer Lederbrieftasche in Bereicherungsabsicht wegnahm (gewerbsmäßiger Diebstahl). Indem er dem Opfer zu verstehen gab, dass es seine Tasche nicht zurückerhalten werde, wenn es ihm nicht 100 Euro übergebe, drohte er dem Opfer einen Vermögensschaden an. Er wollte das Opfer am Vermögen schädigen und sich selbst bereichern (versuchte Erpressung).

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers sowie dem gegenständlichen Asylaberkennungsverfahren

1.2.1. Dem Beschwerdeführer wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 04.01.2011, Zl. XXXX , Asyl gewährt. Diese Entscheidung ist rechtskräftig.

Dieser Entscheidung liegen betreffend den Beschwerdeführer und sein Fluchtvorbringen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer vom Islam abgefallen ist, sich dem christlichen Glauben zugewandte, sich auf die Taufe vorbereitet und der Glaubenswechsel ernst und von innerer Überzeugung getragen ist. Der Beschwerdeführer besuchte eine näher genannte Pfarre und nahm am Taufunterricht teil. Zur Lage im Herkunftsstaat wurde festgestellt, dass Apostasie einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem darstellt, der mit der Todesstrafe bedroht ist. Männliche Apostate werden hingerichtet, Frauen verbüßen eine lebenslängliche Freiheitsstrafe. Wird die Konversion öffentlich, zieht dies Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich. Private Konversion wird mitunter geduldet.

1.2.2. Im gegenständlichen Verfahren betreffend die Aberkennung des Asylstatus wurde von der belangten Behörde eine Einvernahme durchgeführt, es wurde jedoch nicht auf die Situation im Herkunftsstaat eingegangen, sondern der Beschwerdeführer zu seinem Leben in Österreich und seinem Bezug zum Christentum befragt. Es wurden keine aktuellen Länderberichte zum Parteiengehör gebracht.

Der angefochtene Bescheid stützt sich in seinem Spruchpunkt I. auf § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005. In der Begründung (rechtliche Beurteilung) wird auf § 7 Abs. 1 AsylG 2005 verwiesen und ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zu keiner Zeit vom Islam angefallen sei und sich nie innerlich dem Christentum zugewandt hätte. Weiters wurden die "einschlägige Straffälligkeit" und "mehrere rechtskräftige Verurteilungen" angeführt. Betreffend die Situation im Herkunftsstaat wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Iran vom 03.07.2018 herangezogen und im angefochtenen Bescheid auszugsweise wiedergegeben. Aus diesem geht hervor, dass Apostasie in Iran verboten ist und mit langen Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe bedroht ist. Missionstätigkeit kann als Sanktion die Todesstrafe nach sich ziehen. Ein anonymes Leben als Christ führt nicht zu einer Verhaftung.

Auch aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran, Gesamtaktualisierung am 14. Juni 2019, welches vom Bundesverwaltungsgericht herangezogen wurde, ergibt sich, dass Apostasie in Iran verboten ist und mit langen Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe bedroht ist. Missionstätigkeit kann als Sanktion die Todesstrafe nach sich ziehen. Ein anonymes Leben als Christ führt nicht zu einer Verhaftung.

Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung an, sich zum christlichen Glauben zu bekennen, zu beten und getauft werden zu wollen. Er nannte einige christliche Feiertage und Symbole und erklärte die Bedeutung der Taufe.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind das Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 04.01.2011, Zl. XXXX , die Niederschrift der Einvernahme durch das BFA vom 14.11.2018 und der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 27.09.2019, der angefochtene Bescheid, das Strafurteil vom 11.02.2011, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Iran, Gesamtaktualisierung am 14. Juni 2019 und die Strafregisterabfrage vom 29.01.2020.

Im gegenständlichen Fall sind die genannten Beweismittel unstrittig. Was die Identität des Beschwerdeführers anbelangt, so ist von einer Verfahrensidentität auszugehen, da seitens des Beschwerdeführers keine unstrittigen Personaldokumente vorgelegt wurden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid unter anderem dann abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt (Z 1) oder einer der in Art. 1 Abschnitt C der GFK angeführten Endigungsgründe eingetreten ist (Z 2).

Das Bundesverwaltungsgericht hält in einem ersten Schritt fest, dass Angelegenheit des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens die Aberkennung des Status des Asylberechtigten ist und vom BFA ein ebensolches Verfahren geführt wurde. Zwar stützt sich das BFA im Spruch des angefochtenen Bescheides auf § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, die Kognitionsbefugnis des BVwG ist jedoch nicht auf diese Ziffer begrenzt, sondern umfasst auch die Z 2 des § 7 Abs. 1 AsylG 2005 (vgl. VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005 zur Aberkennung des Status des subsidiärer Schutzberechtigten), worauf sich das BFA in der Begründung des angefochtenen Bescheides auch ausdrücklich bezogen hat.

Im gegenständlichen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht somit zu prüfen, ob der Tatbestand der Z 1 oder der Z 2 des § 7 Abs. 1 AsylG 2005 erfüllt sind. Eine Verlegung des Lebensmittelpunktes in einen anderen Staat ist im Verfahren nicht hervorgekommen und war somit nicht prüfungsrelevant.

3.1.1. Zum Vorliegen eines Asylausschlussgrundes

Vor dem Hintergrund des festgestellten Sachverhalts, aus dem sich strafgerichtliche Verurteilungen wegen Verbrechen ergeben, ist gegenständlich der Asylausschlussgrund des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 zu prüfen. Demnach ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass für das Erfüllen dieses Tatbestandes kumulativ vier Voraussetzungen vorliegen müssen: So muss der Asylberechtigte erstens ein schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein. Schlussendlich müssen noch die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen (vgl. VwGH 26.02.2019, Zl. Ra 2018/18/0493). Zu der ersten Voraussetzung (besonders schweres Verbrechen) ist festzuhalten, dass es sich dabei jedenfalls um ein Verbrechen iSd § 17 StGB handeln muss und dieses zusätzlich besonders schwer sein muss. Unter den Begriff des "besonders schweren Verbrechens" im Sinn von § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 fallen nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen. Das Delikt des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls (§ 130 dritter und vierter Fall StGB) ist nicht grundsätzlich vom Begriff des "besonders schweren Verbrechens" ausgeschlossen (VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522). Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, wobei unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH 18.11.2019, Ra 2019/18/0418). Grundsätzlich sind die Ausschlussklauseln restriktiv auszulegen (VwGH 11.12.2008, 2006/19/0352).

Im gegenständlichen Fall wurde der Beschwerdeführer zwar wegen des Begehens zweier Verbrechen iSd § 17 StGB rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt. Es handelt sich dabei jedoch um Schäden bzw. Schädigungsabsicht in Bezug auf Vermögen. Der gewerbsmäßige Diebstahl war auch nicht ein schwerer oder durch Einbruch begangen. Auch wurde der Strafrahmen (bis zu fünf Jahre in den Fällen des gewerbsmäßigen Diebstahls und der Erpressung) nicht annähernd ausgeschöpft, sondern der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Als erschwerend wurde gewertet, dass der Angeklagte schon einschlägige Vorstrafen aufweise und auch rasch rückfällig geworden sei sowie mehrere strafbare Handlungen zusammengefallen seien. Als mildernd wurde wiederum gewertet, dass es teilweise beim Versuch geblieben sei. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich aus dem eingeholten Strafregister zwar, dass es sich beim Beschwerdeführer um eine Person handelt, welche gehäuft strafgerichtlich verurteilt wurde, aus dem Strafurteil vom 11.02.2011 ist aber nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer besonders brutal oder gegen die körperliche Integrität des Opfers vorgegangen wäre. Vor dem Hintergrund der Judikatur, welche als besonders schwere Verbrechen Delikte wie Tötung oder Missbrauch anführt, ist im gegenständlichen Fall aber nicht von einem besonders schweren Verbrechen auszugehen. Mangels Vorliegens eines besonders schweren Verbrechens ist auf die weiteren Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 nicht näher einzugehen und ist in einem ersten Schritt festzuhalten, dass eine Aberkennung aufgrund der Straffälligkeit des Beschwerdeführers ausscheidet.

3.1.2. Zum Vorliegen eines Endigungsgrundes

Als Endigungsgrund gegenständlich relevant ist vor dem Hintergrund des Verfahrenssachverhalts lediglich die Ziffer 5 des Art. 1 Abschnitt C GFK. Diese lautet: "Eine Person, auf die die Bestimmungen des Absatzes A zutrifft, fällt nicht mehr unter dieses Abkommen, [...] 5. wenn sie nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt."

Grundsätzlich ist zu den Endigungsklauseln festzuhalten, dass diese restriktiv auszulegen sind und keine anderen Gründe analog zur Rechtfertigung der Zurücknahme des Flüchtlingsstatus herangezogen werden dürfen (vgl. das Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, UNHCR 2011, Rz 116). Das Handbuch führt in Rz 117 weiters aus, dass Artikel 1 C nicht den Widerruf der Rechtsstellung als Flüchtling behandle. Auch können Fakten bekannt werden, denen zufolge eine Person nie hätte als Flüchtling anerkannt werden dürfen; z.B. könne erst später bekannt werden, dass der Flüchtlingsstatus nur durch die falsche Darstellung wesentlicher Fakten erlangt wurde, oder dass die betreffende Person eine andere Staatsangehörigkeit besitzt, oder dass eine der Ausschlussklauseln zum Tragen gekommen wäre, wenn alle relevanten Fakten bekannt gewesen wären. In solchen Fällen werde normalerweise die Entscheidung, der zufolge eine Person als Flüchtling gilt, aufgehoben.

Aus Rz 6 der Richtlinie zum Internationalen Schutz Nr. 3 ergibt sich, dass der Flüchtlingsschutz umfassende und dauerhafte Lösungen zum Ziel hat. Es gelte daher der Grundsatz, dass sich die Verhältnisse im Herkunftsland grundlegend und dauerhaft geändert haben müssen, bevor die Beendigungsklausel angewandt werden kann.

Zu der Frage, ob es sich bei der Änderung der Umstände nur um solche im Herkunftsstaat oder auch um Umstände in der Person des Betroffenen handeln kann, ist zu bemerken, dass zwar die oben bereits erwähnten Auslegungshilfen wie das Handbuch oder die Richtlinie Nr. 3, aber auch das Exekutivkomitee von UNHCR in der Regel auf den Herkunftsstaat abstellen. In Rz 18 der Richtlinie Nr. 3 wird aber auch eine individuelle Beendigung nicht ausgeschlossen und wie folgt ausgeführt: "Eine wörtliche Auslegung von Art. 1 C (5) und (6) würde eine einzelfallbezogene Anwendung zulassen. [...] Dennoch hat man sich selten bei der Entscheidung von Einzelfällen auf Art. 1 C (5) und (6) berufen. Staaten haben im Allgemeinen keine regelmäßigen Überprüfungen von Einzelfällen im Hinblick auf grundlegende Änderungen in deren Herkunftsländern durchgeführt. Diese Praxis bestätigt, dass Flüchtlingen ein größtmögliches Maß an Stabilität gewährt werden sollte. Sie entspricht auch Artikel 34 der Genfer Flüchtlingskonvention, der den Staaten nahe legt "soweit wie möglich die Eingliederung und Einbürgerung der Flüchtlinge [zu] erleichtern". Die Anwendung der Beendigungsklauseln auf Einzelfälle darf jedenfalls nicht zum Zweck einer erneuten Anhörung erfolgen."

In gleicher Weise vertreten Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 AsylG, K9, die Ansicht, dass sich die wesentliche Änderung der Situation einerseits auf das Herkunftsland beziehen kann und andererseits auch auf in der Person des Flüchtlings gelegene Umstände, etwa wenn eine wegen der Mitgliedschaft zu einer bestimmten Religion verfolgte Person nun doch zu der den staatlichen Stellen genehmen Religion übertritt und damit eine gefahrlose Heimkehr möglich ist.

Aus einer jüngst vom Verwaltungsgerichtshof getroffenen Entscheidung folgt, dass der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, sich durchaus auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegebenen Situation, darstellen kann (VwGH 09.01.2020, Ra 2019/19/0496).

Was das Ausmaß der Veränderung anbelangt, wird ein durchaus hoher Maßstab angelegt. So müssen die Änderungen grundlegend sowie nicht nur vorübergehend sein (vgl. VwGH 31.01.2019 Ra 2018/14/0121). Dieser Maßstab ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts sowohl bei Veränderungen im Herkunftsstaat wie auch Änderungen in der Person des Beschwerdeführers anzuwenden.

Für den vorliegenden Fall folgt daraus, dass einerseits die Situation von zum Christentum konvertierten Personen in Iran wie auch die Glaubenseinstellung des Beschwerdeführers einem Vergleich zu unterziehen sind. Zu erster Fragestellung ist festzuhalten, dass aus einem Vergleich der im Erkenntnis vom 04.01.2011, mit dem dem Beschwerdeführer Asyl zuerkannt wurde, festgestellten Situation in Iran mit den aktuellen Länderberichten zu Apostasie, Konversion und Christen keine wesentliche Änderung ersichtlich ist, weil damals wie heute Konvertiten grundsätzlich einem Verfolgungsrisiko, welches bis hin zur Tötung reichen kann, unterliegen.

Betreffend eine allfällige Veränderung in der Person des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass ein Vergleich der Einvernahmen im Asylzuerkennungsverfahren mit denen im Asylaberkennungsverfahren ebenfalls zu keinen wesentlichen Unterschieden führte. Damals wie heute ist der Beschwerdeführer nicht getauft, bekennt sich aber weiterhin zum christlichen Glauben. Damals wie heute verfügt er über ein überschaubares Wissen und ein mäßiges Ausüben seines Glaubens. Tatsächliche und objektive Ereignisse, wie etwa ein dokumentierter Übertritt zum muslimischen Glauben oder ein Bekenntnis dazu bzw. ein nachweisliches Ausüben des muslimischen Glaubens sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Es ist somit nicht davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer in seiner Person und seinem Glauben im Vergleich zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Asylstatus derart geändert hätte, dass von einer Änderung der Umstände iSd GFK auszugehen wäre.

Wenn die Behörde vermeint, dass es sich beim Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt um einen Christen gehandelt habe, so ist dazu festzuhalten, dass ein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus nicht die geeignete Verfahrensart ist. Auch ist daran zu erinnern, dass - wie die oben genannte Richtlinie Nr. 3 festhält - Ziel der GFK eine dauerhafte Lösung für den Flüchtling ist und erneute Anhörungen nicht erfolgen sollen. Insbesondere kann nicht eine neuerliche Beweiswürdigung zu einer Aberkennung führen und steht dem das Rechtsinstitut der Rechtskraft entgegen. Lediglich unter bestimmten Voraussetzungen ist eine Durchbrechung der Rechtskraft möglich (zB im Falle eines Wiederaufnahmeverfahrens). Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aberkennung des Asylstatus nach § 7 AsylG 2005 liegen aber im gegenständlichen Fall insgesamt nicht vor und war daher der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

Dem Beschwerdeführer kommt auf Grund der Behebung des Bescheides weiterhin der Status des Asylberechtigten zu.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die unter Punkt 3. angeführte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen und waren Fragen der Beweiswürdigung entscheidend.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aberkennung des Status des Asylberechtigten Asylaberkennung Asylausschließungsgrund Behebung der Entscheidung Diebstahl ersatzlose Behebung Konversion Religion Rückkehrentscheidung behoben strafrechtliche Verurteilung Verbrechen wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W183.2213226.1.00

Im RIS seit

07.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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