TE OGH 2020/7/23 11Os60/20p

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Veröffentlicht am 23.07.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Juli 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in der Strafsache gegen Arif A***** wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 17. Februar 2020, GZ 58 Hv 87/19p-26, sowie über eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

         Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last. 

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Arif A***** des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er im September 2017 in D***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Mitarbeiter der S***** GmbH durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die wahrheitswidrige Vorgabe, ein zahlungswilliger und -fähiger Leasingnehmer zu sein, zu einer Handlung, nämlich zum Abschluss eines Leasingvertrags betreffend einen Pkw im Wert von 55.800 Euro und zu dessen Überlassung an ihn verleitet, welche die Leasinggeberin M***** GmbH in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die – unausgeführt gebliebene – Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und die aus den Gründen des § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Die Anklagebehörde hat gegen das Urteil rechtzeitig Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung und Beschwerde angemeldet (ON 27), aber lediglich das Rechtsmittel der Berufung ausgeführt. Da auch bei der Anmeldung Nichtigkeitsgründe nicht einzeln und bestimmt bezeichnet wurden, war die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

Als undeutlich (Z 5 erster Fall) kritisiert die Mängelrüge unter Bezugnahme auf die Feststellungen zu vom Angeklagten im Zeitraum vom 1. Februar bis 18. April 2018 geleisteten Zahlungen (in Gesamthöhe von 4.281,45 Euro – US 4), seinem Wissen um den Anschaffungswert des geleasten Fahrzeugs von netto 44.173,23 Euro (ohne Umsatzsteuer und Normverbrauchsabgabe) und den ihn im Falle eines Zahlungsverzugs treffenden Zahlungspflichten (US 5) die (von seinem Vorsatz umfasste) Annahme eines 5.000 Euro übersteigenden Vermögensschadens.

Sie unterlässt die gebotene Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0117995 [T1]), wonach der Angeklagte seinem Tatplan gemäß den herausgelockten Pkw für sich verwenden wollte, ohne seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen (US 2), und er nach dessen Übergabe (zunächst) keinerlei Zahlungen leistete (US 4), im Zusammenhang mit der Auflistung der einzelnen Positionen des der Leasinggeberin aufgrund mangelhafter Vertragserfüllung im zivilgerichtlichen Verfahren zugesprochenen Betrags von 48.137,91 Euro (US 4; vgl zur Berechnung des Betrugsschadens RIS-Justiz RS0094131 [T1 und T2]).

Die vom Rechtsmittelwerber eigenständig angestellte Schadensberechnung (Z 10, nominell auch Z 5) basiert weder auf dem Urteilssachverhalt (RIS-Justiz RS0099810; etwa zum Beobachtungszeitraum bis April 2018 trotz festgestellter Herausgabe des Pkw erst nach polizeilicher Intervention am 19. November 2018 [US 5]) noch wird die Rechtsrichtigkeit der eigenen Berechnungsmethode prozessordnungskonform aus dem Gesetz abgeleitet (RIS-Justiz RS0116565). Zudem übersieht die Rüge, dass der beim Betrug bewirkte Schaden kein dauernder sein muss (RIS-Justiz RS0094383) und ein (hier nicht festgestellter) Eigentumsvorbehalt eine Vermögensschädigung nicht von vornherein ausschließt; ein solcher kann bei der Schadensberechnung nur dann kompensierend berücksichtigt werden, wenn er realisierbar ist (vgl Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 146 Rz 46; jüngst 14 Os 25/20p; 12 Os 120/19t; RIS-Justiz RS0094151; RS0094388 [T2]).

         Im Übrigen wird nicht dargelegt, weshalb die Höhe des tatsächlich eingetretenen Vermögensschadens angesichts rechtlicher Gleichwertigkeit der Versuchsstrafbarkeit trotz Feststellung des Vorsatzes auf einen 5.000 Euro übersteigenden Vermögensschaden (US 5) für die Subsumtionsfrage von Bedeutung sein sollte (RIS-Justiz RS0122138).

Der Behauptung von Unvollständigkeit zuwider (Z 5 zweiter Fall) wurden die in der Beschwerde wiedergegebenen Aussagen des Angeklagten in Bezug auf seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit berücksichtigt (US 8 f). Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Bewertung seiner Angaben als unglaubhaft wendet, verkennt er, dass die Annahme des Schöffengerichts von der (Un-)Glaubwürdigkeit einer Person als (bloß) beweiswürdigende Erwägung keinen zulässigen Bezugspunkt der Mängelrüge darstellt (RIS-Justiz RS0106588).

Die – nach Art einer Aufklärungsrüge (der Sache nach Z 5a) – erhobene Kritik an der unterbliebenen amtswegigen Vernehmung des Zeugen Timo S***** unterlässt die gebotene Darlegung, wodurch der Beschwerdeführer an einer darauf abzielenden Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen sei (RIS-Justiz RS0115823).

Der Einwand eines inneren Widerspruchs (Z 5 dritter Fall), weil „auf der einen Seite dem Angeklagten“ vorgeworfen werde, „jederzeit den Vorsatz gehabt zu haben, die Leasinggeberin zu täuschen und sie zur Herausgabe des Fahrzeugs zu verleiten, andererseits jedoch den Willen zur Begleichung der Verbindlichkeiten zuzubilligen“, scheitert schon am Fehlen der entsprechenden Konstatierung, der Angeklagte habe im Frühjahr 2018 „beinahe sämtliche Ausstände“ (gemeint Außenstände) beglichen (RIS-Justiz RS0128974).

Insgesamt bekämpft die Mängelrüge bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.

Die Feststellungen zum Täuschungs- und Schädigungsvorsatz vermissende Rechtsrüge (Z 9 lit a) übergeht prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0099810) die gerade dazu getroffenen Konstatierungen (US 5).

Die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten (dessen Antragstellung in Richtung § 288a StPO unbegründet und nach dem Verfahrensverlauf unverständlich bleibt) und der Staatsanwaltschaft waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über deren Berufungen und die – unausgeführt gebliebene – „Beschwerde“ der Staatsanwaltschaft, deren Anfechtungsgegenstand aus den Akten nicht ersichtlich ist, folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E128909

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0110OS00060.20P.0723.000

Im RIS seit

26.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.08.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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