TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/23 W226 2230147-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.04.2020
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Entscheidungsdatum

23.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs13
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
StGB §107 Abs1
StGB §125
StGB §127
StGB §83 Abs1
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W226 2230147-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK !

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.03.2020, Zl. 800854308-180233239, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der BF reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 29.08.2003 einen Ayslantrag.

Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes (im Folgenden: BAA) vom 23.04.2005 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und wurde gemäß § 8 AsylG 1997 seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Russland für zulässig erklärt.

Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27.04.2009 stattgegeben, der Bescheid wurde behoben und an das BAA zurückverwiesen.

Nach Durchführung einer Sprachanalyse sowie neuerlicher Einvernahmen des BF wurde der Asylantrag des BF mit Bescheid des BAA vom 06.05.2010 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und gemäß § 8 AsylG 1997 seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für zulässig erklärt. Gleichzeitig wurde gemäß § 10 AsylG 2005 festgestellt, dass er aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ausgewiesen werde.

Da dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 01.07.2010 gemäß § 63 AVG infolge nicht rechtswirksamer Zustellung des Bescheides als unzulässig zurückgewiesen.

Mit Bescheid des BAA vom 20.07.2010 wurde der Asylantrag des BF neuerlich gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997 abgewiesen und er gemäß § 10 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ausgewiesen.

Gegen diesen Bescheid brachte der BF eine Beschwerde ein, wobei die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides mit Schriftsatz vom 24.08.2010 zurückgezogen wurden und somit in Rechtskraft erwuchsen.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. wurde mit Erkenntnis des Asylgerichthofes vom 26.08.2010 stattgegeben und festgestellt, dass seine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 auf Dauer unzulässig sei.

Am 17.09.2012 wurde dem BF von der Bezirkshauptmannschaft erstmals eine Rot-Weiß-Rot-Plus Karte mit Gültigkeit bis 17.09.2013 ausgestellt. Einem Verlängerungsantrag wurde stattgegeben. Die letzte Erteilung erfolgte am 19.09.2014 (gültig bis 19.09.2017). Die rechtzeitige Einbringung eines Verlängerungsantrages wurde verabsäumt.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 11.12.2014 wurde für den BF ein Sachwalter bestellt.

1.2. Am 07.03.2018 stellte der BF den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG (Aufenthaltsberechtigung plus).

Auf dem Formblatt gab er an, bisher eine Rot-Weiß-Rot Karte plus gehabt zu haben, in Österreich verheiratet zu sein und einen Sohn zu haben. Er sei vom Landesgericht XXXX verurteilt worden, seit 29.08.2003 durchgehend in Österreich aufhältig und sei keiner Beschäftigung nachgegangen. Vor ca. vier Jahren sei er für drei Jahre als arbeitsunfähig erklärt worden, davor sei er beim AMS gemeldet gewesen. Er habe vier Semester lang Publizistik & Kommunikationswissenschaften studiert, das Studium dann aber wieder abgebrochen. Zu seinem Sohn habe er ca. einmal pro Woche Kontakt. Im Feld "sonstige Integrationsgründe" wurde "Leitung eines Kunstvereins - XXXX " angegeben.

Dem Antrag liegt eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus (gültig von 19.09.2014 bis 19.09.2017) bei.

Am 29.03.2018 langte beim BFA ein Sozialbericht des Vereines XXXX vom 28.03.2018 ein. Darin wurde ausgeführt, dass die Verlängerung des Aufenthaltstitels vom BF und seinem Sachwalter eingebracht worden sei, jedoch die Verlängerung ohne sein Verschulden verabsäumt worden sei. Der BF sei bis zu seiner Enthaftung im Februar 2018 im Glauben gewesen, immer noch die Rot-Weiß-Rot-Karte plus zu besitzen. Zur sozialen Integration des BF wurde angegeben, dass der BF in aufrechtem Kontakt zu seinem Sohn stehe. Der BF sei Journalist und sei diesbezüglich in Österreich immer wieder tätig gewesen. Er sei in Österreich hauptsächlich in der Kunstszene unterwegs und habe mit Unterstützung seines in Österreich gut etablierten sozialen Netzwerkes den russisch-österreichischen Kulturverein " XXXX " gegründet und geleitet. Er wolle auch in Zukunft in der literarischen Kunstszene in Österreich tätig werden sowie seine sozialen und familiären Bindungen vertiefen. Eine Bewilligung des humanitären Bleiberechts sei daher zu befürworten.

Mit Schreiben des BFA vom 03.05.2018 wurde der Sachwalter des BF darüber informiert, dass gegen den BF gemäß § 58 Abs. 11 AsylG die Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG und eines Einreiseverbotes gemäß § 53 FPG geprüft werde. Gleichzeitig wurde der BF in dem Schreiben aufgefordert, fehlende Unterlagen/Nachweise/Begründungen innerhalb einer Frist von drei Wochen vorzulegen.

Am 09.05.2018 wurde per E-Mail (vom vormaligen Sachwalter) bekanntgegeben, dass die Sachwalterschaft eingestellt worden sei. Es wurde ein Beschluss des zuständigen Pflegschaftsgerichtes vom 08.05.2017 über die Beendigung der Sachwalterschaft beigelegt.

Am 23.05.2019 wurde die belangte Behörde über eine strafrechtliche Verurteilung des BF vom 10.01.2019 informiert und auch eine Information bezüglich dem Strafantritt des BF vorgelegt.

Aus einem Aktenvermerkt des BFA vom 30.08.2019 geht hervor, dass der BF laut Auskunft der Justizanstalt XXXX keine Erwachsenenvertretung bzw. keinen Sachwalter hat.

Mit Schreiben des BFA vom 12.11.2019 wurde der BF darüber informiert, dass ein Verfahren zur Erlassung einer möglichen Aufenthaltsbeendigung eingeleitet worden sei und das BFA eine Abweisung seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG und eines Einreiseverbotes gemäß § 53 FPG prüfe. Gleichzeitig wurde dem BF das bisherige Ermittlungsergebnis zu Kenntnis gebracht und er aufgefordert, Fragen zu seiner Person, seinem Gesundheitszustand und seinem Aufenthalt im Bundesgebiet zu beantworten.

Am 21.11.2019 langte die diesbezügliche handschriftliche Stellungnahme des BF ein, wobei der BF darin zusammengefasst angab, zu seinem Sohn - auch nach Beendigung der Beziehung - immer Kontakt gehabt zu haben. Auch in Haft habe er zum Sohn Kontakt. Er sei nach muslimischem Recht verheiratet. Er könne - aufgrund der Lebensgefahr wegen politischer Überzeugung und Todesdrohungen, die er und seine Frau von ukrainischer Seite bzw. aus Diplomatenkreisen erhalten hätten - auf keinen Fall in die Ukraine zurück.

Am 16.12.2019 wurde durch das BFA bei der Justizanstalt XXXX nachgefragt, ob der BF aktuell in psychologischer/psychotherapeutischer Behandlung stehe und wurde um Übermittelung des aktuellsten Befundes gebeten. Es wurde mitgeteilt, dass sich der BF seit 23.01.2020 in der Justizanstalt XXXX befinde und wurde eine Stellungnahme des psychologischen Dienstes vom 28.01.2020 beigelegt. Daraus geht hervor, dass es beim BF während seines Aufenthaltes in der Justizanstalt XXXX 18 Betreuungskontakte gegeben habe und der BF von sich aus den Wunsch geäußert habe, an einem psychotherapeutischen Setting (Antigewaltgruppe oder Einzeltherapie) teilnehmen zu wollen und auf die Warteliste gesetzt worden sei. Weiters wurden eine Medikamentenliste der Justizanstalt XXXX vom 30.01.2020, eine Risikodokumentation (Untersuchung vom 11.07.2019) sowie eine Dokumentation mit den Diagnosen des BF (Stand 30.01.2020) vorgelegt.

1.2. Der BF wurde während seines Aufenthaltes in Österreich mehrmals straffällig und wie folgt rechtskräftig verurteilt:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 20.03.2006 wurde der BF wegen §§ 15 und 127 StGB (Vergehen des versuchten Diebstahls) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Wochen (als junger Erwachsener) verurteilt, wobei die Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der Verurteilung lag zu Grunde, dass der BF am 20.08.2005 in einem Geschäft versuchte zwei Packungen Batterien im Wert von EUR 14,40 sowie am 28.07.2005 in einem weiteren Geschäft versuchte eine Packung Batterien und eine Geldbörse im Gesamtwert von EUR 22,90 jeweils mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich oder einen Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er die Gegenstände in seine Hosentasche steckte und die Kassa passierte, ohne diese zu bezahlen.

Als erschwerend wurde kein Umstand gewertet, als mildernd das Geständnis und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 18.06.2008 wurde der BF wegen § 127 StGB (Vergehen des Diebstahls) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Wochen verurteilt, wobei die Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der Verurteilung lag zu Grunde, dass der BF am 31.08.2004 eine fremde bewegliche Sache (Kellnerbrieftasche mit ? 300 Bargeld) mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich unrechtmäßig zu bereichern.

Als erschwerend wurde kein Umstand, als mildernd der Beitrag zur Wahrheitsfindung und der bisherige ordentliche Lebenswandel gewertet.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 18.06.2009 wurde der BF wegen §§ 15, 127, 83 Abs. 1 und 125 StGB (Vergehen des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls, dem Vergehen der Körperverletzung und dem Vergehen der Sachbeschädigung) zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Der Verurteilung lag zu Grunde, dass der BF am 31.07.2008 und am 27.12.2008 fremde bewegliche Sachen (ua. Kleidung und Schuhe) mit dem Vorsatz sich unrechtmäßig zu bereichern, wegnahm bzw. am 25.10.2006 und am 24.09.2008 (diverse Lebensmittel) wegzunehmen versuchte und er am 28.12.2006 eine andere Person durch einen Biss in den linken Daumen vorsätzlich am Körper verletzte sowie am 18.11.2007 eine Autotür durch einen Fußtritt vorsätzlich beschädigte.

Als erschwerend wurden die zwei einschlägigen Vorstrafen, die Tatbegehung während anhängigem Verfahren und das Zusammentreffen mehrerer Vergehen, als mildernd das reumütige Geständnis und die Tatbegehung teilweise unter 21 Jahre gewertet.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 08.11.2011 wurde der BF wegen § 107 Abs. 1 StGB (Vergehen der gefährlichen Drohung) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Der Verurteilung lag zu Grunde, dass der BF andere Personen gefährlich bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, dies indem er am 14.05.2011 gegenüber einer Person die Aussage "Wenn mit der Tante was ist, bring ich dich um! Und ich überlege mir immer gut, was ich sage!" machte und er am 21.09.2011 zwei Personen durch Vorhalt und drohenden Bewegungen mit einem Springmesser bedrohte.

Als erschwerend wertete das Gericht die einschlägige Vorstrafe und die Tatwiederholung, als mildernd die Tatbegehung unter Einfluss der Persönlichkeitsstörung.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 20.09.2013 wurde der BF wegen § 83 Abs. 1 StGB (Vergehen der Körperverletzung) zu einer Geldstrafe von 100 Tagsätzen zu je 4,00 ? oder 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Der Verurteilung lag zu Grunde, dass der BF am 17.06.2012 eine andere Person am Körper verletzte, indem er ihr einen Schlag ins Gesicht versetzte, wodurch die Person eine Schwellung im Bereich des linken Jochbeins samt Rötung erlitten hat.

Als erschwerend wurden die zwei einschlägigen Vorstrafen und der rasche Rückfall, als mildernd kein Umstand gewertet.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 28.04.2015 wurde der BF XXXX zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt, wobei die Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der Verurteilung lag zu Grunde, dass der BF am 08.08.2014 eine andere Person vorsätzlich am Körper verletzte, indem er ihr mehrere Schläge ins Gesicht versetzte, wodurch das Opfer eine Rissquetschwunde oberhalb des rechten Auges, eine Schädelprellung und eine Rissquetschwunde an der rechten Unterlippe erlitt.

Als erschwerend wurden die drei einschlägigen Vorstrafen, als mildernd die gestände Verantwortung des BF gewertet.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 10.05.2016 wurde der BF wegen §§ 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 StGB (Vergehen der schweren Körperverletzung) zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Der Verurteilung lag zu Grunde, dass der BF am 27.12.2015 eine andere Person durch Versetzen eines Schlages ins Gesicht, am Körper misshandelte, wodurch die Person rückwärts zu Boden stürzte und dadurch fahrlässig eine an sich schwere Körperverletzung mit Gesundheitsschädigung von mehr als 24-tägiger Dauer erlitt (offener Bruch im Bereich der Schädelbasis mit Blutungsherd und ein minimales Hämatom im Hirnbereich sowie eine Prellung des Gehirns und einen Riss des Trommelfells).

Als erschwerende wertete das Gericht die vier einschlägigen Vorstrafen, die Begehung während offener Probezeit und das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 StGB, als mildernd das zumindest teilweise Geständnis.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 03.08.2016 wurde der BF wegen § 107 Abs. 1 StGB (Vergehen der gefährlichen Drohung) zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.

Der Verurteilung lag zu Grunde, dass der BF am 07.05.2016 gegenüber einer anderen Person äußerte, dass diese im Zuge der Verhandlung vor dem Landesgericht für Strafsachen XXXX ruhig gegen ihn aussagen könne, er würde dann die Strafe absitzen und ihn suchen, wenn er wieder entlassen wird und ihm das Leben zur Hölle machen und ihn umbringen. Zudem hat sich der BF in der Nacht vom 13. auf 14.05.2016 gegenüber einem einschreitenden Polizeibeamten wie folgt geäußert "Du verfickter Hurensohn, wenn ich dich wiedersehe, dann bringe ich dich um!".

Als erschwerend wurde die zweifache Tatbegehung, die einschlägige Vorstrafenbelastung und die Begehung binnen zweier offener Probezeiten gewertet; als mildernd wurde kein Umstand gewertet.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 10.01.2019 wurde der BF wegen § 84 Abs. 4 StGB (Verbrechen der schweren Körperverletzung) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und 6 Monaten verurteilt.

Der Verurteilung lag zu Grunde, dass der BF am 03.06.2018 eine andere Person durch das Versetzen mehrerer Faustschläge in das Gesicht, wodurch diese mit dem Kopf auf dem Boden aufschlug, am Körper verletzte und an der Gesundheit geschädigt wurde und, wenn auch nur fahrlässig, einen Nasenbeinbruch mit Verschiebung der Bruchenden, eine Gehirnerschütterung mit Gedächtnislücken und fraglicher Bewusstlosigkeit, eine Schädelprellung, eine Prellung des linken Augapfels mit Einblutung, eine Prellung der rechten Hand sowie mehrere Hautabschürfungen an beiden Knien, mithin eine schwere Körperverletzung mit einer mehr als 24-tägigen Gesundheitsschädigung, erlitten hat.

Als erschwerend wertete das Gericht das Vorliegen von fünf einschlägigen Vorstrafen und den schnellen Rückfall innerhalb offener Probezeit aus bedingter Entlassung, als mildernd wurde das wenigstens "Tatsachengeständnis" zur Herbeiführung der Verletzungen des Opfers (bei gleichzeitigem Abstreiten der subjektiven Tatseite und Verschiebung der Verantwortung auf das Opfer) sowie die geringgradige Einschränkung der Dispositionsfähigkeit durch Alkoholkonsum im Zusammenhang mit der vorbestehenden Persönlichkeitsstörung gewertet.

1.3. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des BFA wurde der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 07.03.2018 gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen und gegen den BF gemäß § 10 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). In Spruchpunkt II. wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Ukraine zulässig ist. Gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). In Spruchpunkt IV. wurde der Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die belangte Behörde stellte fest, dass der BF Staatsangehöriger der Ukraine und somit Fremder iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG sei. Seine Identität stehe nicht fest. Er sei im August 2003 illegal nach Österreich eingereist und habe einen Asylantrag gestellt. Während der Dauer seines Asylverfahrens sei er zum vorläufigen Aufenthalt nach dem AsylG berechtigt gewesen. Von 17.09.2012 bis 19.09.2017 habe er über den Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot Karte plus verfügt. Er sei in Österreich mehrmals rechtskräftig verurteilt worden und sei mehrmals in Justizanstalten inhaftiert gewesen. Seit dem 23.01.2020 befinde er sich nunmehr in der Justizanstalt XXXX .

Hinsichtlich der persönlichen Situation des BF in Österreich stellte das BFA fest, dass der BF im Jahr 2008 in Österreich getauft sowie gefirmt worden sei. Er sei von einer österreichischen Patin finanziell unterstützt worden. Er habe zahlreiche Deutschkurse und in XXXX eine Volksschule besucht. Mangels Vorlage von Zeugnissen oder Zertifikaten habe nicht festgestellt werden können, auf welchem Niveau der BF die deutsche Sprache beherrsche. Er habe einen Sohn, der aus einer Beziehung mit einer Österreicherin entstamme. Schon zum Zeitpunkt der Erlassung der letzten Entscheidung des Asylgerichtshofes habe er lediglich Besuchskontakt zu seinem Sohn gehabt. Dieser habe damals mit der Mutter in einem Mutter-Kind-Heim gelebt. Der BF führe in Österreich kein schützenswertes Privat- und Familienleben nach Art. 8 EMRK. Durch seine Handlungen (illegale Einreise, unrechtmäßiger Aufenthalt, Straftaten) habe er dokumentiert, dass er nicht gewillt sei, sich an die österreichischen Rechtsvorschriften zu halten.

Zur Situation im Falle der Rückkehr wurde festgestellt, dass der BF den Großteil seines Lebens im Heimatland verbracht habe und über die dortigen Sprachkenntnisse verfüge. Die gestellten Fragen über die Schul-/Berufsausbildung bzw. über die Familienangehörigen in der Heimat habe er bis dato nicht beantwortet. Laut einem Einvernahmeprotokoll vom 04.06.2009 habe er aber von 1996 bis 2000 ein Militärgymnasium in XXXX besucht und danach an der XXXX Universität studiert. Des Weiteren sei diesem Protokoll zu entnehmen, dass seine Eltern verstorben seien, er aber über Geschwister und eine Tante verfüge, weshalb festgestellt werde, dass er über familiäre Kontakte im Heimatland verfüge. Am 11.07.2019 sei bei ihm eine Epilepsie und eine Persönlichkeitsstörung festgestellt worden. Die medizinische Versorgung in der Heimat sei aber gewährleistet. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei nicht feststellbar, dass der BF im Falle eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in die Ukraine einer Gefahr iSd § 50 FPG ausgesetzt sein werde.

Zusammengefasst begründete die belangte Behörde ihre abweisende Entscheidung damit, dass ein gemäß Art. 8 EMRK schützenswertes Familien- und Privatleben im Verfahren nicht hervorgekommen sei. In Österreich würden zwar der Sohn des BF bzw. dessen Mutter leben, der BF sei aber illegal ins Bundesgebiet eingereist und sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr rechtmäßig in Österreich aufhältig. Er habe zwar zahlreiche Deutschkurse und eine Schule besucht, sei in Österreich getauft und gefirmt; sei hier aber mehrmals strafrechtlich verurteilt worden und befinde sich auch derzeit noch in Haft. Er sei kurz nach seiner Einreise ins Bundesgebiet schon das erste Mal angezeigt worden und sei trotz bereits drei begangener Straftaten seitens des Asylgerichtshofes entschieden worden, dass seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet in die Ukraine auf Dauer unzulässig sei. Seit dieser Entscheidung seien sechs weitere Verurteilungen hinzugekommen und habe er die letzten Jahre seines Aufenthaltes vorwiegend in Strafanstalten verbracht. Es sei daher deutlich erkennbar, dass er keinesfalls gewillt sei, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Auch habe der BF den Großteil der mit Schreiben vom 12.11.2019 an ihn gerichteten Fragen (zum Gesundheitszustand, der finanziellen Unterstützung durch eine Patin sowie der Familienangehörigen im Heimatland) unverständlicher Weise nicht beantwortet. Der BF habe in seiner Stellungnahme zwar behauptet mit seiner Lebensgefährtin nach muslimischen Recht verheiratet zu sein, bei einer Rückkehr in die Ukraine sei der BF allerdings nicht gezwungen, den Kontakt gänzlich abzubrechen, sondern stehe es ihm frei, den Kontakt - wie vermutlich nun auch in Haft - anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich) aufrecht zu erhalten. Insgesamt sei daher im Verfahren ein schützenswertes Privat- und Familienleben nicht hervorgekommen und würden die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG nicht erfüllt sein. Es sei daher eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Auch eine Abschiebung sei zulässig, da sich weder aus den Feststellungen zur Lage im Zielstaat, noch aus seinem Vorbringen eine Gefährdung ergebe. Der BF habe den Großteil seines bisherigen Lebens im Heimatland verbracht und am dortigen Leben teilgenommen. Es könne davon ausgegangen werden, dass er (erneut) Arbeit finde und für den notwendigen Lebensunterhalt aufkommen könne. Soweit der BF in seiner Stellungnahme vorgebracht habe, dass er in der Ukraine aufgrund seiner politischen Überzeugung einer Lebensgefahr ausgesetzt wäre, so werde darauf hingewiesen, dass bereits ein Verfahren auf internationalen Schutz geprüft und verneint worden sei. Es seien auch keine Umstände bekannt, wonach in der Ukraine eine solch extreme Gefährdungslage bestehe, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehre, einer Gefährdung ausgesetzt wäre. Es sei somit auszusprechen, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen seine Abschiebung in die Ukraine zulässig sei.

Zum Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass § 53 Abs. 3 Z 1 FPG aufgrund seiner strafrechtlichen Verurteilungen erfüllt sei. Der BF sei illegal eingereist und sei bereits kurze Zeit nach seiner Asylantragstellung angezeigt und im März 2006 erstmalig auch rechtskräftig verurteilt worden. Nach der Entscheidung des Asylgerichtshofes seien dann noch sechs weitere Verurteilungen hinzugekommen. Das Verhalten des BF zeige eindeutig, dass er nicht gewillt sei, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten und er die österreichischen Gesetze missachte. Eine Änderung seines Verhaltens sei in naher Zukunft nicht absehbar und sei daher - um ein Umdenken beim BF bewirken zu können - das Einreisverbot in der Höhe von 10 Jahren zu verhängen gewesen. Aufgrund der Schwere seines Fehlverhaltens sei unter Bedachtnahme auf sein Gesamtverhalten davon auszugehen, dass der BF eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle und das Einreiseverbot daher gerechtfertigt sei. Seine privaten und familiären Anknüpfungspunkte in Österreich seien nicht derart, dass sie einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Insgesamt sei das Einreiseverbot in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig, um die vom BF ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das ausgesprochene Einreiseverbot sei daher dringend geboten.

Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung führte die Behörde aus, dass § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG erfüllt sei. Sein Verbleib in Österreich stelle eine gegenwärtige, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar. Seine sofortige Ausreise sei daher erforderlich. Es stehe fest, dass beim BF bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtverletzung gegeben sei und sei davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten sei.

1.4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückzuverweisen; in eventu die Rückkehrentscheidung aufzuheben oder für unzulässig zu erklären; in eventu das Einreiseverbot aufzuheben bzw. die Befristung des Einreiseverbots angemessen herabzusetzen bzw. eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Zur Begründung der Beschwerde wurde ausgeführt, dass der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts bekämpft werde. Die in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Ziele würden in ihrer Gesamtheit für den BF sprechen. Der BF sei seit 2003 hauptsächlich in Österreich aufhältig, beherrsche die deutsche Sprache auf hohem Level und habe mit einer österreichischen Staatsbürgerin einen minderjährigen Sohn, zu dem der BF ein enges persönliches Verhältnis pflege (soweit dies derzeit während der Haft für den Sohn zumutbar sei). Aufgrund seiner guten Kenntnisse der deutschen Sprache und der Länger des Aufenthaltes in Österreich, sei dem BF ein normales Erwerbsleben durchaus zumutbar und in seinem Fall auch konkret vorstellbar. Aufgrund der familiären Bindung und der daraus entstehenden Unterstützung im sozialen Raum sei "eine Integration in die österreichische Gesellschaft absolut möglich" und könne in dieser Hinsicht auf eine "günstige Zukunftsprognose" abgestellt werden. Der BF bereue seine Straftaten zutiefst und wolle nach Haftentlassung sein Leben im geordneten Rahmen führen. Er verhalte sich in Haft vorbildlich. Das soziale und familiäre Leben des BF sei aufgrund der langen Aufenthaltsdauer und der familiären Anbindung in Österreich stark verwurzelt. Besonders zu berücksichtigen sei die Abwesenheit des BF vom Herkunftsland sowie sein positiv-unauffälliges Verhalten in Haft. Aufgrund der guten Deutschkenntnisse sei für ihn eine erfolgreiche Reintegration in die österreichische Gesellschaft absolut vorstellbar. Ohne die begangenen Straftaten verharmlosen zu wollen, würden die Interessen des BF an einem Verbleib in Österreich insgesamt überwiegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Feststellungen zum BF:

Der BF ist Staatsangehöriger der Ukraine und somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Der BF reiste im August 2003 illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stelle hier am 29.08.2003 einen Asylantrag, welcher hinsichtlich §§ 7 und 8 AsylG 1997 (Asyl und subsidiärer Schutz) mit Bescheid des BAA vom 20.07.2010 abgewiesen wurde. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 26.08.2010 wurde ausgesprochen, dass die Ausweisung des BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 auf Dauer unzulässig ist.

Der BF verfügte über einen von der Bezirkshauptmannschaft ausgestellten Aufenthaltstitel (Rot-Weiß-Rot-Karte plus), welcher zuletzt bis 19.09.2017 gültig war. Die rechtzeitige Einbringung einer Verlängerung wurde verabsäumt und hält sich der BF seither unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Der BF wurde in Österreich mehrmals rechtskräftig verurteilt:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 20.03.2006 wurde der BF wegen §§ 15 und 127 StGB (Vergehen des versuchten Diebstahls) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Wochen (als junger Erwachsener) verurteilt, wobei die Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 18.06.2008 wurde der BF wegen § 127 StGB (Vergehen des Diebstahls) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Wochen verurteilt, wobei die Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 18.06.2009 wurde der BF wegen §§ 15, 127, 83 Abs. 1 und 125 StGB (Vergehen des teils versuchten, teils vollendeten Diebstahls, dem Vergehen der Körperverletzung und dem Vergehen der Sachbeschädigung) zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 08.11.2011 wurde der BF wegen § 107 Abs. 1 StGB (Vergehen der gefährlichen Drohung) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 20.09.2013 wurde der BF wegen § 83 Abs. 1 StGB (Vergehen der Körperverletzung) zu einer Geldstrafe von 100 Tagsätzen zu je 4,00 ? oder 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 28.04.2015 wurde der BF XXXX zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt, wobei die Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 10.05.2016 wurde der BF wegen §§ 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 StGB (Vergehen der schweren Körperverletzung) zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 03.08.2016 wurde der BF wegen § 107 Abs. 1 StGB (Vergehen der gefährlichen Drohung) zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 10.01.2019 wurde der BF wegen § 84 Abs. 4 StGB (Verbrechen der schweren Körperverletzung) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und 6 Monaten verurteilt.

Der BF befand sich während seines Aufenthaltes in Österreich in zahlreichen Justizanstalten und zwar:

von 14.05.2016 bis 23.01.2017 in der Justizanstalt XXXX ,

von 23.01.2017 bis 17.10.2017 in der Justizanstalt XXXX ,

von 17.10.2017 bis 16.02.2018 in der Justizanstalt XXXX ,

von 20.08.2018 bis 08.07.2019 in der Justizanstalt XXXX ,

von 08.07.2019 bis 23.01.2020 in der Justizanstalt XXXX ,

seit 23.01.2020 befindet sich der BF in der Justizanstalt XXXX .

Beim BF wurden während seines Aufenthaltes in Österreich diverse psychische Probleme (multiple Persönlichkeitsstörung; emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetyp; Panikstörung, sonstige abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle; rezidivierende depressive Störung von mittelgradiger Episode; psychische und Verhaltungsstörungen (durch Sedativa, Hypnotika, Alkohol) sowie kombinierte und andere Persönlichkeitsstörungen) diagnostiziert. Weiters leidet der BF an Epilepsie. Er hat in Haft psychotherapeutische Betreuungsangebote wahrgenommen und nimmt diverse Medikamente (Antidepressiva, Stimmungsaufheller, Schlafmittel sowie Schmerzmittel) ein.

In Österreich halten sich die Lebensgefährtin des BF - mit welcher er nach islamischem Recht verheiratet ist- sowie sein elfjähriger Sohn auf, der aus einer Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin entstammt und die österreichische Staatsbürgerschat besitzt. Da der BF in Haft ist, besteht zu seinem Sohn sowie zur Lebensgefährtin nur Besuchskontakt. Auch zuvor hatte der BF lediglich Besuchskontakt zu seinem Sohn.

Der BF wurde in Österreich im Jahr 2008 getauft und gefirmt, hat hier eine Volksschule besucht und finanzielle Unterstützung von einer Patin erhalten. Er hat mehrere Deutschkurse besucht, wobei er kein aktuelles Deutschzertifikat in Vorlage gebracht hat. Der BF hat in Österreich einen russisch-österreichischen Kulturverein gegründet, war künstlerisch und schriftstellerisch aktiv/tätig, ist aber während seines Aufenthaltes in Österreich keiner regelmäßigen entgeltlichen Beschäftigung nachgegangen und war nicht selbsterhaltungsfähig. Er ist in Österreich nicht nachhaltig integriert.

Nicht festgestellt werden kann, dass der BF im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Eine medizinische Versorgung (auch für psychische Krankheiten) ist in der Ukraine gewährleistet.

Hinsichtlich der aktuellen Lage in der Ukraine wird auf die durch das BFA ins Verfahren eingeführten und von Seiten des BF nicht bestrittenen Länderfeststellungen verwiesen, denen sich das Bundesverwaltungsgericht anschließt.

Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat des BF:

Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Staatsoberhaupt ist seit 20.05.2019 Präsident Wolodymyr Selensky, Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman.

Das ukrainische Parlament (Verkhovna Rada) wird über ein Mischsystem zur Hälfte nach Verhältniswahlrecht und zur anderen Hälfte nach Mehrheitswahl in Direktwahlkreisen gewählt (AA 20.5.2019). Das gemischte Wahlsystem wird als anfällig für Manipulation und Stimmenkauf kritisiert. Auch die unterschiedlichen Auslegungen der Gerichte in Bezug auf das Wahlrecht sind Gegenstand der Kritik. Ukrainische Oligarchen üben durch ihre finanzielle Unterstützung für verschiedene politische Parteien einen bedeutenden Einfluss auf die Politik aus. Die im Oktober 2014 abgehaltenen vorgezogenen Parlamentswahlen wurden im Allgemeinen als kompetitiv und glaubwürdig erachtet, aber auf der Krim und in von Separatisten gehaltenen Teilen des Donbass war die Abstimmung erneut nicht möglich. Infolgedessen wurden nur 423 der 450 Sitze vergeben (FH 4.2.2019). Der neue Präsident, Wolodymyr Selensky, hat bei seiner Inauguration im Mai 2019 vorgezogene Parlamentswahlen bis Ende Juli 2019 ausgerufen (RFE/RL 23.5.2019).

In der Rada sind derzeit folgende Fraktionen und Gruppen vertreten:

Partei

Sitze

Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka)

135

Volksfront (Narodny Front)

81

Oppositionsblock (Oposyzijny Blok)

38

Selbsthilfe (Samopomitsch)

25

Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka)

21

Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna)

20

Gruppe Wolja Narodu

19

Gruppe Widrodshennja

24

Fraktionslose Abgeordnete

60

(AA 20.5.2019)

Nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 verfolgte die Ukraine unter ihrem Präsidenten Petro Poroschenko eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Zu den Schwerpunkten seines Regierungsprogramms gehörte die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassungs- und Justizreform. Dennoch wurden die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen nicht erfüllt. Die Parteienlandschaft der Ukraine ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ und nationalistisch über rechtsstaats- und europaorientiert bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Der Programmcharakter der Parteien ist jedoch kaum entwickelt und die Wähler orientieren sich hauptsächlich an den Führungsfiguren (AA 22.2.2019).

Der ukrainische Schauspieler, Jurist und Medienunternehmer Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj gewann am 21. April 2019 die Präsidentschaftsstichwahl der Ukraine gegen den Amtsinhaber Petro Poroschenko mit über 73% der abgegebenen Stimmen (Wahlbeteiligung: 61,4%). Poroschenko erhielt weniger als 25% der Stimmen (RFE/RL 30.4.2019). Beobachtern zufolge verlief die Wahl im Großen und Ganzen frei und fair und entsprach generell den Regeln des demokratischen Wettstreits. Kritisiert wurden unter anderem die unklare Wahlkampffinanzierung und die Medienberichterstattung in der Wahlauseinandersetzung (KP 22.4.2019). Selenskyj wurde am 20.5.2019 als Präsident angelobt. Er hat angekündigt möglichst bald parlamentarische Neuwahlen ausrufen zu lassen, da er in der Verkhovna Rada über keinen parteipolitischen Rückhalt verfügt und demnach kaum Reformen umsetzen könnte. Tatsächlich hat er umgehend per Dekret vorgezogene Parlamentswahlen bis Ende Juli 2019 ausgerufen (RFE/RL 23.5.2019).

Es ist ziemlich unklar, wofür Präsident Selenskyj politisch steht. Bekannt wurde er durch die beliebte ukrainische Fernsehserie "Diener des Volkes", in der er einen einfachen Bürger spielt, der eher zufällig Staatspräsident wird und dieses Amt mit Erfolg ausübt. Tatsächlich hat Selenskyj keine nennenswerte politische Erfahrung, ist dadurch jedoch auch unbefleckt von politischen Skandalen. Eigenen Aussagen zufolge will er den Friedensplan für den umkämpften Osten des Landes wiederbeleben und strebt wie Poroschenko einen EU-Beitritt an. Über einen Nato-Beitritt der Ukraine soll jedoch eine Volksabstimmung entscheiden (DS 21.4.2019; ZO 21.4.2019). Selenskyj hat sich vor allem den Kampf gegen die Korruption auf seine Fahnen geschrieben (UA 27.2.2019).

Kritiker sehen Selenskyj als Marionette des Oligarchen Igor Kolomojskyj, dessen weitgehende Macht unter Präsident Poroschenko stark beschnitten wurde, und auf dessen Fernsehsender 1+1 viele von Selenskyjs Sendungen ausgestrahlt werden. Diesen Vorwurf hat Selenskyj stets zurückgewiesen (UA 27.2.2019; CNN 21.4.2019; Stern 23.4.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019

-AA - Auswärtiges Amt (20.5.2019): Ukraine, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ukraine-node/ukraine/201830, Zugriff 27.5.2019

- CNN - Cable News Network (21.4.2019): Political newcomer Volodymyr Zelensky celebrates victory in Ukraine's presidential elections, https://edition.cnn.com/2019/04/21/europe/ukraine-election-results-intl/index.html, Zugriff 24.4.2019

- DS - Der Standard (21.4.2019): Politikneuling Selenski wird neuer Präsident der Ukraine, https://derstandard.at/2000101828722/Politik-Neuling-Selenski-bei-Praesidenten-Stichwahl-in-der-Ukraine-vorn, Zugriff 24.4.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

- KP - Kyiv Post (22.4.2019): Election watchdog Opora: Presidential election free and fair, https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/election-watchdog-opora-presidential-election-free-and-fair.html, Zugriff 24.4.2019

- Stern (23.4.2019): Ihor Kolomojskyj, der milliardenschwere Strippenzieher hinter der Sensation Selenskyj, https://www.stern.de/politik/ausland/ukraine--ihor-kolomojskyj--der-strippenzieher-hinter-der-sensation-selenskyj-8678850.html, Zugriff 24.4.2019

- UA - Ukraine Analysen (27.2.2019): Präsidentschaftswahlen 2019, per E-Mail

- RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (23.5.2019): Zelenskiy's Decree On Disbanding Ukrainian Parliament Enters Into Force, https://www.rferl.org/a/zelenskiy-s-decree-on-disbanding-ukrainian-parliament-enters-into-force/29958190.html, Zugriff 27.5.2019

Sicherheitslage

In den von Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk sowie auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA 22.2.2019).

Durch die Besetzung der Krim, die militärische Unterstützung von Separatisten im Osten und die Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen gegen die Ukraine, kann Russland seinen Einfluss auf den Verlauf des politischen Lebens in der Ukraine aufrechterhalten. Menschen, die in den besetzten Gebieten des Donbass leben, sind stark russischer Propaganda und anderen Formen der Kontrolle ausgesetzt (FH 4.2.2019).

Nach UN-Angaben kamen seit Beginn des bewaffneten Konflikts über 10.000 Menschen um; es wurden zahlreiche Ukrainer innerhalb des Landes binnenvertrieben oder flohen ins Ausland. Das im Februar 2015 vereinbarte Maßnahmenpaket von Minsk wird weiterhin nur schleppend umgesetzt. Die Sicherheitslage hat sich seither zwar deutlich verbessert, Waffenstillstandsverletzungen an der Kontaktlinie bleiben aber an der Tagesordnung und führen regelmäßig zu zivilen Opfern und Schäden an der dortigen zivilen Infrastruktur. Der politische Prozess im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe (OSZE, Ukraine, Russland) stockt trotz hochrangiger Unterstützung im Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland). Besonders kontrovers in der Ukraine bleibt die im Minsker Maßnahmenpaket vorgesehene Autonomie für die gegenwärtig nicht kontrollierten Gebiete, die u.a. aufgrund der Unmöglichkeit, dort Lokalwahlen nach internationalen Standards abzuhalten, noch nicht in Kraft gesetzt wurde. Dennoch hat das ukrainische Parlament zuletzt die Gültigkeit des sogenannten "Sonderstatusgesetzes" bis Ende 2019 verlängert (AA 22.2.2019).

Ende November 2018 kam es im Konflikt um drei ukrainische Militärschiffe in der Straße von Kertsch erstmals zu einem offenen militärischen Vorgehen Russlands gegen die Ukraine. Das als Reaktion auf diesen Vorfall für 30 Tage in zehn Regionen verhängte Kriegsrecht endete am 26.12.2018, ohne weitergehende Auswirkungen auf die innenpolitische Entwicklung zu entfalten. (AA 22.2.2019; vgl. FH 4.2.2019).

Der russische Präsident, Vladimir Putin, beschloss am 24.4.2019 ein Dekret, welches Bewohnern der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk den Erwerb der russischen Staatsbürgerschaft im Eilverfahren erleichtert ermöglicht. Demnach soll die Entscheidung der russischen Behörden über einen entsprechenden Antrag nicht länger als drei Monate dauern. Internationale Reaktionen kritisieren dies als kontraproduktiven bzw. provokativen Schritt. Ukrainische Vertreter sehen darin die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für den offiziellen Einsatz der russischen Streitkräfte gegen die Ukraine. Dafür gibt es einen historischen Präzedenzfall. Als im August 2008 russische Truppen in Georgien einmarschierten, begründete der damalige russische Präsident Dmitrij Medwedjew das mit seiner verfassungsmäßigen Pflicht, "das Leben und die Würde russischer Staatsbürger zu schützen, wo auch immer sie sein mögen". In den Jahren zuvor hatte Russland massenhaft Pässe an die Bewohner der beiden von Georgien abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien ausgegeben (FAZ 26.4.2019; vgl. SO 24.4.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019

- FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.4.2019): Ein Signal an Selenskyj, https://www.faz.net/aktuell/politik/putin-verteidigt-russische-staatsbuergerschaft-fuer-ukrainer-16157482.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0, Zugriff 26.4.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

- SO - Spiegel Online (24.4.2019): Putins Provokation, https://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-wladimir-putin-kuendigt-an-russische-paesse-im-besetzten-donbass-auszuteilen-a-1264280.html, Zugriff 29.3.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html, Zugriff 10.4.2019

Sicherheitsbehörden

Die Sicherheitsbehörden unterstehen generell effektiver ziviler Kontrolle. Die Sicherheitskräfte verhindern oder reagieren im Allgemeinen auf gesellschaftliche Gewalt. Zuweilen wenden sie jedoch selbst übermäßige Gewalt an, um Proteste aufzulösen, oder verabsäumen es in einzelnen Fällen, Opfer vor Belästigung oder Gewalt zu schützen (z.B. im Falle der Zerstörung eines Roma-Camps durch Nationalisten, gegen die die Polizei nicht einschritt). Der ukrainischen Regierung gelingt es meist nicht, Beamte, die Verfehlungen begangen haben, strafrechtlich zu verfolgen oder zu bestrafen (USDOS 13.3.2019).

Das sichtbarste Ergebnis der ukrainischen Polizeireform ist die Gründung der Nationalen Polizei nach europäischen Standards, mit starker Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, als von der Politik grundsätzlich unabhängiges Exekutivorgan, die im Juli 2015 in vorerst 32 Städten ihre Tätigkeit aufnahm. Mit November 2015 ersetzte die Nationale Polizei offiziell die bestehende und aufgrund von schweren Korruptionsproblemen in der Bevölkerung stark diskreditierte "Militsiya". Alle Mitglieder der Militsiya hatten grundsätzlich die Möglichkeit, in die neue Truppe aufgenommen zu werden, mussten hierfür jedoch einen "Re-Attestierungsprozess" samt umfangreichen Schulungsmaßnahmen und Integritätsprüfungen durchlaufen. Im Oktober 2016 verkündete die damalige Leiterin der Nationalen Polizei den erfolgreichen Abschluss dieses Prozesses, in dessen Zuge 26% der Polizeikommandanten im ganzen Land entlassen, 4.400 Polizisten befördert und im Gegenzug 4.400 herabgestuft wurden. Zentrale Figur der Polizeireform war die ehemalige georgische Innenministerin Khatia Dekanoidze, die jedoch am 14. November 2016 aufgrund des von ihr bemängelnden Reformfortschrittes, zurücktrat. Zu ihrem Nachfolger wurde, nach einem laut Einschätzung der EU Advisory Mission (EUAM) offenen und transparenten Verfahren, im Feber 2017 Serhii Knyazev bestellt. Das Gesetz "Über die Nationalpolizei" sieht eine Gewaltenteilung zwischen dem Innenminister und dem Leiter der Nationalen Polizei vor. Der Innenminister ist ausschließlich für die staatliche Politik im Rechtswesen zuständig, der Leiter der Nationalen Polizei konkret für die Polizei. Dieses europäische Modell soll den Einfluss des Ministers auf die operative Arbeit der Polizei verringern. Dem Innenministerium unterstehen seit der Reform auch der Staatliche Grenzdienst, der Katastrophendienst, die Nationalgarde und der Staatliche Migrationsdienst. Festzustellen ist, dass der Innenminister in der Praxis immer noch die Arbeit der Polizei beeinflusst und die Reform somit noch nicht vollständig umgesetzt ist. Das nach dem Abgang von Katia Dekanoidze befürchtete Zurückrollen diverser erzielter Reformen, ist laut Einschätzung der EUAM, jedenfalls nicht eingetreten. Das im Juni 2017 gestartete Projekt "Detektive" - Schaffung polizeilicher Ermittler/Zusammenlegung der Funktionen von Ermittlern und operativen Polizeieinsatzkräften, spielt in den Reformen ebenfalls eine wichtige Rolle. Wie in westeuropäischen Staaten bereits seit langem praktiziert, soll damit ein- und derselbe Ermittler für die Erhebung einer Straftat, die Beweisaufnahme bis zur Vorlage an die Staatsanwaltschaft zuständig sein. Bislang sind in der Ukraine, wie zu Sowjetzeiten, immer noch die operative Polizei für die Beweisaufnahme und die Ermittler für die Einreichung bei Gericht zuständig. Etwas zögerlich wurde auch die Schaffung eines "Staatlichen Ermittlungsbüros (SBI)" auf den Weg gebracht und mit November 2017 ein Direktor ernannt. Das SBI hat die Aufgabe, vorgerichtliche Erhebungen gegen hochrangige Vertreter der Staates, Richter, Polizeikräfte und Militärangehörige durchzuführen, sofern diese nicht in die Zuständigkeit des Nationalen Antikorruptions-Büros (NABU) fallen. Die Auswahl der Mitarbeiter ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Mit Unterstützung der EU Advisory Mission (EUAM) wurde 2018 auch eine "Strategie des Innenministeriums bis 2020" sowie ein Aktionsplan entwickelt.(ÖB 2.2019).

Die Nationalpolizei muss sich mit einer, das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung beeinträchtigenden Zunahme der Kriminalität infolge der schlechten Wirtschaftslage und des Konflikts im Osten, einer noch im alten Denken verhafteten Staatsanwaltschaft und der aus sozialistischen Zeiten überkommenen Rechtslage auseinandersetzen. Über Repressionen durch Dritte, für die der ukrainische Staat in dem von ihm kontrollierten Staatsgebiet mittelbar die Verantwortung trägt, indem er sie anregt, unterstützt oder hinnimmt, liegen keine Erkenntnisse vor (AA 22.2.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 18.3.2019

- ÖB - Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003113/UKRA_%C3%96B-Bericht_2018.doc, Zugriff 11.4.2019

- USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html, Zugriff 29.3.2019

Allgemeine Menschenrechtslage

Der Schutz der Menschenrechte durch die Verfassung ist gewährleistet. Die Möglichkeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), sich im Bereich Menschenrechte zu betätigen, unterliegt keinen staatlichen Restriktionen (AA 22.2.2019).

Die Verfassung sieht eine vom Parlament bestellte Ombudsperson vor, den parlamentarischen Menschenrechtsbeauftragten. Das Amt wird derzeit von Lyudmila Denisova bekleidet. Ihr Büro arbeitet bei verschiedenen Projekten zur Überwachung von Menschenrechtspraktiken in Gefängnissen und anderen staatlichen Institutionen häufig mit NGOs zusammen. Die Ombudsperson bemühte sich in der Vergangenheit speziell um Krimtataren, Binnenvertriebene, Roma, Behinderte, sexuelle Minderheiten und Gefängnisinsassen. Die Ombudsperson kann auch Ermittlungen wegen Misshandlung durch Sicherheitskräfte einleiten und ist auch bei Problemen mit der Justiz jederzeit ansprechbar (USDOS 13.3.2019).

Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist in Verfassung und Gesetzen ausdrücklich vorgesehen. Tatsächlich werden Frauen jedoch häufig schlechter bezahlt und sind in Spitzenpositionen unterrepräsentiert (AA 22.2.2019). 2018 wurden Demonstrationen von LGBTI- oder Frauenrechtsgruppen regelmäßig von rechtsgerichteten Gruppen gestört (AA 22.2.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Durch den bewaffneten Konflikt kommt es vermehrt zu häuslicher Gewalt und Gender Based Violence (GBV), von der vor allem Frauen betroffen sind. Ein neues Gesetz, das häusliche Gewalt als Straftatbestand deklariert, wurde im Dezember 2017 angenommen. Es gibt jedoch kaum ausreichend psychosoziale und medizinische (Notfall-) Einrichtungen mit geschultem Personal (ÖB 2.2019).Frauen und Mitglieder von Minderheitengruppen können am politischen Leben in der Ukraine teilnehmen. Diese Rechte werden jedoch durch Faktoren wie den Konflikt im Osten, Analphabetismus und das Fehlen von Ausweisdokumenten (häufig bei Roma) geschmälert. Das Gesetz über Kommunalwahlen schreibt eine 30%-Quote für Frauen auf Parteilisten vor, die jedoch nicht wirksam durchgesetzt wird. Die gesellschaftliche Diskriminierung von sexuellen Minderheiten beeinträchtigt ihre Fähigkeit, sich an politischen Prozessen und Wahlprozessen zu beteiligen (FH 4.2.2019).

Versammlungsfreiheit ist laut Verfassung garantiert und die Regierung respektiert dieses Recht generell, aber einfachgesetzlich haben die Behörden breite Möglichkeiten das Demonstrationsrecht einzuschränken. 2018 wurden Demonstrationen von LGBTI- oder Frauenrechtsgruppen regelmäßig von rechtsgerichteten Gruppen gestört. Die Polizei schützte zwar den 2018 Kiew Pride-Marsch mit tausenden Beamten, kleinere Veranstaltungen von Minderheiten oder oppositionellen Gruppen wurden jedoch nicht immer ausreichend geschützt (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 4.2.2019).

Zu den Pflichten des Veranstalters von friedlichen Versammlungen zählt unter anderem die Anmeldung der Veranstaltung im Vorfeld bei den örtlich zuständigen Behörden. Die Fristen, die in diesem Zusammenhang anzuwenden sind, sind jedoch nicht klar geregelt und variieren je nach vertretener Auffassung zwischen drei und zehn Tagen. Diese Unklarheit lässt den öffentlichen Behörden einen relativ großen Freiraum, Versammlungen zu untersagen. Tatsächlich wird die Abhaltung von friedlichen Versammlungen von den Behörden regelmäßig abgelehnt. Als gängige Begründungen dienen die zu späte Ankündigung der Demonstration, der Mangel an verfügbaren Polizisten zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, der gleichzeitige Besuch einer offiziellen ausländischen Delegation oder das gleichzeitige Stattfinden einer anderen Veranstaltung am gleichen Ort. Auch die Definition der "Friedlichkeit" einer Versammlung ist nicht immer unstrittig (ÖB 2.2019).

Verfassung und Gesetze sehen Vereinigungsfreiheit vor und die Regierung respektiert dieses Recht im Allgemeinen. Menschenrechtsgruppen und internationale Organisationen kritisieren jedoch ein Gesetz vom März 2017, das für zivilgesellschaftliche Organisationen und Journalisten, die sich mit Antikorruptionsangelegenheiten befassen, gewisse Offenlegungserfordernisse vorsieht. Dies wird weithin als Einschüchterungsmaßnahme gesehen. Menschenrechtsorganisationen berichten von einer wachsenden Anzahl ungeklärter Angriffe auf Mitglieder von Organisationen der Zivilgesellschaft (mehr als 50 Angriffe binnen 12 Monaten), die ihrer Ansicht nach ein Klima der Straflosigkeit geschaffen hätten, weil die Regierung diese nicht ordentlich untersucht habe. Es gibt Vorwürfe gegen die Regierung, diese würde Aktivisten als Vergeltungsmaßnahme für ihre Tätigkeit strafrechtlich verfolgen (USDOS 13.3.2019).Sowohl natürliche als auch juristische Personen können einen Verein gründen. Die Vereinsgründung kann nur aus im Gesetz eng definierten Gründen untersagt werden (ÖB 2.2019). Nach dem Ende der Ära Janukowitsch sind zahlreiche zivilgesellschaftliche Gruppen mit einer Vielzahl sozialer, politischer, kultureller und wirtschaftlicher Zielsetzungen entstanden oder wiederbelebt worden. Viele von ihnen können die Entscheidungsfindung auf verschiedenen Regierungsebenen beeinflussen. Ein klar gegen Russland gerichtetes Gesetz gegen "ausländische Agenten, die unter dem Einfluss eines Aggressorstaats agieren", wurde im September 2018 vorgelegt. Seitens der Zivilgesellschaft gibt es Bedenken, dass dieses Gesetz generell NGOs mit ausländischen Geldgebern treffen könnte. Gewalt gegen Aktivisten der Zivilgesellschaft nahm im Jahr 2018 zu. Zu den Bedrohten gehören Aktivisten, die sich gegen Korruption oder für die Rechte von LGBTI-Personen einsetzen (FH 4.2.2019).

Verfassung und Gesetze sehen Meinungsfreiheit vor, auch für Pressevertreter. Die Behörden respektieren diese Rechte jedoch nicht immer. Mit einigen Ausnahmen können Personen in Gebieten, die unter staatlicher Kontrolle stehen, die Regierung im Allgemeinen öffentlich und privat kritisieren und Angelegenheiten von öffentlichem Interesse erörtern, ohne Angst vor offiziellen Repressalien zu haben. Die Gesetze verbieten Aussagen, welche die territoriale Integrität des Landes bedrohen, Kriege fördern, Rassen- oder Religionskonflikte auslösen oder die russische Aggression gegen das Land unterstützen, und die Regierung verfolgt Personen gemäß dieser Gesetze. Die Regierung setzte Maßnahmen um Informationen, Medien oder einzelne Journalisten zu verbieten bzw. zu blockieren, wenn diese als Bedrohung für die nationale Sicherheit betrachtet werden oder Positionen geäußert haben, die nach Ansicht der Behörden die Souveränität und territoriale Integrität des Landes untergraben. Die betrifft vor allem Medien russischer Herkunft oder pro-russischer Ausrichtung. Unabhängige Medien sind aktiv und bringe eine weite Bandbreite an Meinungen zum Ausdruck. In Privatbesitz befindliche Medien - die erfolgreichsten gehören einflussreichen Oligarchen - transportieren oft die Ansichten ihrer Eigentümer, günstige Berichterstattung für ihre Verbündeten und Kritik an politischen und geschäftlichen Rivalen. Unabhängige Medien haben Schwierigkeiten zu konkurrieren. Problematische Praktiken wirken sich weiterhin auf die Medienfreiheit aus, darunter Selbstzensur, günstige Berichterstattung gegen Geld ("Jeansa") und verzerrte Berichterstattung in Medienunternehmen, deren Eigentümer enge Verbindungen zur Regierung oder zu politischen Oppositionspartnern haben. Gewalt gegen Journalisten ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beklagen mangelnde Gegenmaßnahmen der Regierung. 2018 wurden bis September Angaben zufolge 22 Angriffe und 24 Drohungen gegen Journalisten gemeldet, verglichen mit 19 Angriffen und 22 Drohungen im selben Zeitraum 2017. Besonders betroffen ist Berichterstattung, welche als nicht ausreichend patriotisch empfunden wird. Rufmordklagen gegen Journalisten werden von Personen des öffentlichen Interesses immer wieder eingesetzt oder angedroht, um die Berichterstattung zu beeinflussen. Berichten zufolge hat sich die Freiheit des Internet in der Ukraine zum zweiten Mal in Folge verschlechtert, weil die Behörden stärker gegen Meinungsbekundungen von Social Media-Nutzern vorgehen, die als kritisch gegenüber der Position der Ukraine im Donbass-Konflikt wahrgenommen werden. Einer Medienbeobachtungsgruppe zufolge haben die Behörden 2017 gegen 40 Benutzer oder Administratoren von Social-Media-Plattformen strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet, weil ihre Inhalte die verfassungsmäßige Ordnung des Landes untergraben oder die nationale Sicherheit gefährdet hätten; 37 von ihnen wurden vor Gericht gestellt. Besonders "separatistische" oder "extremistische" Aktivitäten wurden 2018 besonders geahndet; User wurden festgenommen zu Geld- oder Haftstrafen verurteilt (USDOS 13.3.2019).

Das unabhängige Institute of Mass Information registrierte von Januar bis November 2018 201 Verletzungen der Medienfreiheit. Von diesen Vorfällen betrafen 28 Gewalt sowie 27 Drohungen und Einschüchterungen. Die Gerichte und Strafverfolgungsbehörden der Ukrai

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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