TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/29 W235 2226917-1

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Veröffentlicht am 29.04.2020
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Entscheidungsdatum

29.04.2020

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5 Satz1
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W235 2226917-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.12.2019, Zl. 1247716309-190996973, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 21 Abs. 5 erster Satz BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 30.09.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Ein Abgleich im VIS System des Bundesministeriums für Inneres hat ergeben, dass der Beschwerdeführerin von der deutschen Vertretungsbehörde in XXXX ein Schengen-Visum für sieben Tage im Zeitraum XXXX .09.2019 bis XXXX .09.2019 erteilt worden war (vgl. AS 25f).

1.2. Am 01.10.2019 wurde die Beschwerdeführerin einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei sie zunächst angab, über keine Familienangehörigen im österreichischen Bundesgebiet oder in einem Staat der Europäischen Union zu verfügen. Sie leide an Leberkrebs und nehme das Medikament Ibuprofen. Medizinische Unterlagen habe sie nicht. Die Beschwerdeführerin sei nicht schwanger. Ihr Zielland sei Österreich gewesen, weil ihr gesagt worden sei, dass sie hier die beste medizinische Behandlung bekomme. Nach Österreich sei sie gekommen, um sich medizinisch versorgen zu lassen, da in ihrer Heimat die Behandlung nicht finanziert werde. Sonst habe sie keine weiteren Gründe für eine Asylantragstellung. Sie sei legal mit ihrem eigenen Reisepass am XXXX .09.2019 aus ihrem Wohnort ausgereist und mit einem PKW über unbekannte Länder bis Österreich gelangt. Die Beschwerdeführerin habe in keinem anderen Land um Asyl angesucht. Das Visum sei ihr organisiert worden.

Der Beschwerdeführerin wurde weiters am 01.10.2019 eine Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ausgehändigt, mit der ihr zur Kenntnis gebracht wurde, dass aufgrund von Konsultationen mit Deutschland die in § 28 Abs. 2 AsylG definierte 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen nicht mehr gilt. Diese Mitteilung wurde der Beschwerdeführerin am selben Tag übergeben und von ihr unterfertigt (vgl. AS 31).

1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 10.10.2019 ein auf Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmegesuch an Deutschland.

Mit Schreiben vom 29.10.2019 stimmte die deutsche Dublinbehörde der Aufnahme der Beschwerdeführerin gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Deutschland angenommen wird. Diese Verfahrensanordnung wurde der Beschwerdeführerin am 06.11.2019 nachweislich ausgehändigt (vgl. AS 89).

1.4. Am 27.11.2019 fand eine Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit einer Rechtsberaterin im Zulassungsverfahren sowie unter Beziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Russisch statt, im Zuge derer die Beschwerdeführerin zunächst ausführte, dass sie sich psychisch und physisch in der Lage fühle, Angaben zu ihrem Asylverfahren zu machen. Ihren Reisepass habe sie weggeworfen, da ihr gesagt worden sei, wenn sie ihn nicht wegwerfe, könne es sein, dass sie schneller abgeschoben werde. Ein Schwager von ihr lebe seit 15 Jahren in Österreich, aber sie wisse nicht wo er wohne. Er habe sie ca. sechsmal zum Arzt gebracht, aber sie sei finanziell nicht von ihm abhängig. Die Beschwerdeführerin lebe mit niemandem in einer Familien- oder familienähnlichen Lebensgemeinschaft.

Gesundheitlich gehe es ihr nicht gut und sie sei in medizinischer Behandlung. Sie habe Krebs. Dieser sei vor ca. vier Monaten in Russland festgestellt worden. Damals habe die Beschwerdeführerin Schmerzen gehabt und sei zum Arzt gegangen. Dieser habe festgestellt, dass sie Leberkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs samt Metastasen habe. In Russland sei sie nicht behandelt worden, da ihr der Arzt gesagt habe, es sei zu spät, um sie zu behandeln. Am XXXX .12.2019 habe sie den nächsten Termin im Krankenhaus und bekomme dort Spritzen. Dann habe sie am XXXX .12.2019 einen Termin. Ihr seien auch acht Zähne gezogen und am XXXX .11.2019 die Nähte im Kiefer entfernt worden. Die Beschwerdeführerin bekomme Medikamente. Zur beabsichtigten Vorgehensweise des Bundesamtes sie nach Deutschland auszuweisen, gab die Beschwerdeführerin an, sie sei in Behandlung in Österreich und wolle ihre Behandlung hier fortführen. Wenn sie wieder gesund sei, würde sie gerne freiwillig nach Russland zurückkehren. Sie sei nicht in Deutschland gewesen, sondern habe nur ein deutsches Visum gehabt. Zu den vorab übermittelten Länderfeststellungen zu Deutschland wollte die Beschwerdeführerin keine Stellungnahme abgeben.

Die während der gesamten Einvernahme anwesende Rechtsberaterin hat von der Möglichkeit, Fragen anzuregen oder eine Stellungnahme abzugeben, keinen Gebrauch gemacht.

Im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurden von der Beschwerdeführerin nachstehende Unterlagen vorgelegt:

* ärztlicher Entlassungsbrief eines Landesklinikums vom XXXX .10.2019, dem zu entnehmen ist, dass die Beschwerdeführerin von XXXX .10.2019 bis XXXX .10.2019 dort stationär aufhältig war mit der Entlassungsdiagnose Leberinfiltration durch eine neuroendokrine Neoplasie intermediärer Differenzierung und einer empfohlenen Medikation sowie der Vereinbarung eines Termins zur Wiederaufnahme wegen einer Gastro- und Koloskopie samt Endbefund;

* Aufenthaltsbestätigung eines Landesklinikums von XXXX .10.2019 bis XXXX .10.2019;

* Arztbrief einer onkologischen Ambulanz vom XXXX .11.2019 mit der Diagnose eines neuroendokrinen Tumors und dem Hinweis auf eine medikamentöse Dauertherapie mit Somatuline seit XXXX .11.2019 samt vorläufigem Kumulativ-Bericht sowie der Angabe, dass der Beschwerdeführerin am XXXX .11.2019 sieben Zähne gezogen wurden und einem Termin zur Kontrolle für den XXXX .12.2019, ferner wurde ihr subjektives Befinden mit "OK" vermerkt;

* Schreiben eines Krankenhauses vom XXXX .10.2019 betreffend die Entnahme einer Knochenmarkprobe;

* Tumorboardprotokoll vom XXXX .10.2019, dem als Primärtumor endokriner Drüsenanteil des Pankreas und neuroendokrine Neoplasie intermediärer Differenzierung sowie Metastasen in Knochen, Beckenring und Lendenwirbelsäule entnommen werden kann;

* CT vom Gehirnschädel und vom Thorax vom XXXX .10.2019 ohne Auffälligkeiten samt Endbefund

* CT vom Abdomen und vom Becken vom XXXX .10.2019 mit dem Hinweis auf Absiedlungen;

* Histologischer Befund vom XXXX .10.2019 mit dem Ergebnis geringgradig aktive bis zu mäßiggradig chronische Gastritis und darüber hinaus ohne Auffälligkeiten und

* Gynäkologisch-zytologischer Befund vom XXXX .10.2019 ohne Ergebnis

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Deutschland gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO für die Prüfung dieses Antrags zuständig ist (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde gegen die Beschwerdeführerin die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Deutschland zulässig ist.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin an einer 4,6 x 2,9 cm großen RF im Bereich des Pankreas, einer Leberinfiltration durch eine neuroendokrine Neoplasie intermediärer Differenzierung (G2) und osteolyt. SKBL Beckenring und LWS leide. Weiters seien ihr sieben Zähne gerissen worden. Es könne nicht festgestellt werden können, dass im Fall der Beschwerdeführerin sonstige schwere psychische Störungen und/oder schwere bzw. ansteckende Krankheiten bestünden. Festgestellt werde, dass ihre Einreise in das Gebiet der Europäischen Union unter Verwendung eines deutschen Visums erfolgt sei. Festgestellt werde, dass sie in Besitz eines deutschen Visums, gültig von XXXX .09.2019 bis XXXX .09.2019, gewesen sei und sich Deutschland mit Schreiben vom 29.10.2019 gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO zur Führung ihres Asylverfahrens für zuständig erklärt habe. In Österreich lebe seit 15 Jahren der Schwager der Beschwerdeführerin, von dem sie nicht finanziell abhängig sei. Es könne nicht festgestellt werden, dass eine besondere Integrationsverfestigung ihrer Person in Österreich bestehe. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in Deutschland systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei oder diese dort zu erwarten habe. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf auf den Seiten 18 bis 28 des angefochtenen Bescheides Feststellungen zum deutschen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Deutschland.

Beweiswürdigend führte das Bundesamt zunächst aus, dass aus medizinischer Sicht nichts gegen eine Rücküberstellung der Beschwerdeführerin nach Deutschland spreche. Die in den Feststellungen angeführten Krankheiten hätten sich aus der Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt am 27.11.2019 und aus den vorgelegten Befunden ergeben. Auch in Deutschland stehe Asylwerbern das Recht auf medizinische Behandlung zu. Aus den Länderfeststellungen sei eindeutig ersichtlich, dass in Deutschland Behandlungsmöglichkeiten bestünden und die auch zugänglich seien. Aufgrund der Zustimmungserklärung Deutschlands und der damit in Einklang stehenden Angaben der Beschwerdeführerin stehe fest, dass Deutschland jenes Land sei, welches für die Führung des Asylverfahrens der Beschwerdeführerin zuständig sei. Die Feststellungen zum Konsultationsverfahren sowie zum zuständigkeitsbegründenden Sachverhalt würden sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt ergeben. Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin [in Österreich] hätten sich aufgrund ihrer nicht anzuzweifelnden Angaben ergeben. Dass offensichtlich keine besondere Integrationsverfestigung ihrer Person in Österreich bestehe, ergebe sich schon aus der Kürze des bisherigen Aufenthalts. Die Feststellungen zu Deutschland würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren. Aus den Angaben der Beschwerdeführerin seien keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass sie konkret Gefahr liefe, in Deutschland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass sich Deutschland mit Schreiben vom 29.10.2019 ausdrücklich bereit erklärt habe, die Beschwerdeführerin zur Prüfung ihres Asylverfahrens zu übernehmen und könne daher nicht erkannt werden, dass ihr der Zugang zum Asylverfahren in Deutschland verweigert werde. Eine Schutzverweigerung in Deutschland könne daher auch nicht erwartet werden.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides, dass sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO erfüllt sei. Im Verfahren hätten keine Personen festgestellt werden können, mit denen ein im Sinne des Art. 8 EMRK relevantes Familienleben geführt werde. Die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet vermöge kein im Sinne des Art. 8 EMRK relevantes Recht auf Achtung des Privatlebens zu begründen. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer relevanten Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK führen werde und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesem Aspekt zulässig sei. Deutschland sei bereit, die Beschwerdeführerin einreisen zu lassen, ihren Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen und die sonstigen, Deutschland aus der Dublin III-VO treffenden Verpflichtungen der Beschwerdeführerin gegenüber zu erfüllen. Weiters sei festzuhalten, dass in Deutschland mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK im gegenständlichen Zusammenhang nicht eintreten werde. Ein im besonderen Maße substanziiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer relevanten Verletzung der Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK im Fall einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG habe daher bei Abwägung aller Umstände nicht erschüttert werden können. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, dass die gegenständliche Zurückweisungsentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden sei. Bei Vorliegen von Erkrankungen sei die maßgebliche Rechtsfrage, ob sich durch die Durchführung der Außerlandesbringung ein gesundheitlicher Leidenszustand derart verschlechtere, dass der Schutzbereich des Art. 3 EMRK betroffen sei. Unter Verweis auf die Judikatur des EGMR wurde ausgeführt, dass auch in Deutschland Asylwerbern das Recht auf medizinische Behandlung zustehe. Die Anordnung zur Außerlandesbringung habe gemäß § 61 Abs. 2 FPG zur Folge, dass die Abschiebung in den Zielstaat zulässig sei.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin im Wege ihres rechtsfreundlichen Vertreters fristgerecht am 17.12.2019 Beschwerde wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, mangelhafte bzw. unrichtige Beweiswürdigung sowie wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und stellte einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin dargelegt habe, dass sie an Krebs leide und Metastasen habe. Diese bedürften einer Dauertherapie und regelmäßiger ärztlicher Behandlung sowie Kontrolle. Die Beschwerdeführerin habe sich tatsächlich nie in Deutschland aufgehalten. Wenn die belangte Behörde feststelle, dass nicht festgestellt werden könne, dass im Fall der Beschwerdeführerin eine schwere psychische Störung und/oder schwere oder ansteckende Krankheit bestünde, werde dem entgegengehalten, dass sich die Behörde offenkundig nicht mit den Erkrankungen der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt und hierzu keine Feststellungen getroffen habe. Die Feststellung, dass Asylwerbern das Recht auf medizinische Behandlung in Deutschland zustehe, könne nicht nachvollzogen werden, da die Behörde feststelle, dass sich keine Hinweise ergeben hätten, dass die Beschwerdeführerin an sonstigen schweren körperlichen Krankheiten oder an einer schweren psychischen Störung leide. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin hätte die Behörde in Hinblick auf ihre die Angaben und aufgrund der notwendigen Dauertherapie ein medizinisches Gutachten einholen müssen, um festzustellen, ob eine Unterbrechung der Therapie dem Gesundheitszustand Beschwerdeführerin zuwiderlaufen würden. Die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens werde ausdrücklich beantragt.

Aus dem beiliegenden ärztlichen Entlassungsbrief eines Landesklinikums vom XXXX .10.2019 gehe hervor, dass bei der Entlassung eine bösartige Neubildung eines endokrinen Drüsenanteils des Pankreas bestanden habe und die dort aufgeführten Medikamente eingenommen werden müssten. Zudem seien die regelmäßige Kontrolle beim Hausarzt bzw. Internisten sowie die notwendigen Untersuchungen empfohlen worden. Diesbezüglich seien keine Beweise aufgenommen worden. Über eine notwendige bzw. allfällige Unterbrechung der Dauertherapie sei ebenfalls keine Feststellung getroffen bzw. keine Beweise aufgenommen worden. Zudem hätte die Behörde einen informierten Vertreter, welcher über die Behandlung der Beschwerdeführerin Angaben machen könne, beiziehen müssen und werde die Einvernahme eines Solchen ausdrücklich beantragt.

Der Beschwerde beigelegt der Arztbrief einer onkologischen Ambulanz vom XXXX .11.2019 sowie die erste Seite des erwähnten ärztlichen Entlassungsbriefes eines Landesklinikums vom XXXX .10.2019.

4. Ohne weiteres Vorbringen langte am 17.01.2020 beim Bundesverwaltungsgericht die erste Seite eines weiteren Arztbriefes einer onkologischen Ambulanz vom XXXX .12.2019 mit im Wesentlichen dem selben Inhalt wie jener vom XXXX .11.2019 ein. Ein Hinweis auf eine Wiederbestellung und/oder auf eine geplante Operation bzw. stationären Aufenthalt findet sich nicht. Allerdings kann dem Arztbrief entnommen werden, dass das subjektive Befinden der Beschwerdeführerin als "OK" bezeichnet wird.

5. Mit E-Mail vom 21.01.2020 gab der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bekannt, dass er vom Schwager der Beschwerdeführerin über deren bevorstehende Überstellung nach Deutschland informiert worden sei. Es werde im Hinblick auf die laufend notwendigen Behandlungen der Beschwerdeführerin, deren regelmäßige Fortdauer nach Mitteilung der behandelnden Ärzte dringend gewährleistet sein solle, angefragt, inwieweit eine medizinische Betreuung weiterhin möglich sei. Ferner könnte die Beschwerdeführerin bei ihrem Schwager in Österreich Aufenthalt nehmen. Auch habe sie am XXXX .01.2019 [wohl gemeint: 2020] einen weiteren Arzttermin "betreffend die Onkologie" und erhalte zudem monatlich nach wie vor Spritzen "betreffend ihre schwere Grunderkrankung".

6. Mit Schreiben vom 22.01.2020 teilte die Landespolizeidirektion Niederösterreich mit, dass die Beschwerdeführerin am selben Tag auf dem Luftweg nach Deutschland überstellt worden war (vgl. OZ 9).

7. Am 23.01.2020 gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bekannt, dass sämtliche bekannte medizinische Daten der Beschwerdeführerin den deutschen Behörden übergeben wurden und diese in Kenntnis des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin sind.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, wurde von der deutschen Vertretungsbehörde in XXXX ein Schengen-Visum für sieben Tage im Zeitraum XXXX .09.2019 bis XXXX .09.2019 erteilt. In Besitz dieses Visums reiste die Beschwerdeführerin in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 30.09.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Festgestellt wird sohin, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich in Besitz eines deutschen Visums war, das seit weniger als sechs Monaten abgelaufen ist.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 10.10.2019 ein auf Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmegesuch an Deutschland, welches von der deutschen Dublinbehörde am 29.10.2019 beantwortet und die ausdrückliche Zustimmung zur Aufnahme der Beschwerdeführerin gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO erteilt wurde. Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Deutschlands wieder beendet hätte, liegt nicht vor.

Konkrete, in der Person der Beschwerdeführerin gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Deutschland sprechen, liegen nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Fall einer Überstellung nach Deutschland Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Die Beschwerdeführerin leidet an einer metastatierenden Krebserkrankung - nämlich an einem neuroendoktrinen Tumor -, die die Bereiche der Leber, der Bauchspeicheldrüse, des Beckenrings und der Lendenwirbelsäule betrifft. Diese Erkrankung wurde ca. im Juli 2019 von Ärzten in der Russischen Föderation diagnostiziert. In der Folge hat die Beschwerdeführerin ihren Herkunftsstaat verlassen, um sich in Österreich (kostenlos) medizinisch behandeln zu lassen. Sie befand sich von XXXX .10.2019 bis XXXX .10.2019 und von XXXX .10.2019 bis XXXX .10.2019 in stationärer Behandlung eines Landesklinikums. Seit XXXX .11.2019 unterzieht sie sich einer medikamentösen Dauertherapie mit Somatuline. Hierbei handelt es sich um eine Lanreotid-Formulierung mit Langzeitwirkung, die in Form einer Injektion verabreicht wird. Am XXXX .11.2019 und am XXXX .12.2019 fanden jeweils ambulante Kontrolltermine statt, bei denen das subjektive Befinden der Beschwerdeführerin als "OK" bezeichnet wurde. Weiters wurde bei der Beschwerdeführerin eine geringgradig aktive bis zu mäßiggradig chronische Gastritis diagnostiziert. Darüber hinaus ließ sie sich am XXXX .11.2019 sieben Zähne ziehen. Im Gesamtzusammenhang betrachtet besteht kein konkreter Anhaltspunkt, dass die Beschwerdeführerin im Überstellungszeitpunkt am 22.01.2020 an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten hat oder akut stationär behandlungsbedürftig war. Sohin ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin weder an einer körperlichen noch an einer psychischen Krankheit leidet, die einer Überstellung nach Deutschland aus gesundheitlichen Gründen entgegengestanden ist. Festgestellt wird, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die deutschen Behörden über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin in Kenntnis gesetzt und die medizinischen Daten übermittelt hat. Sohin wird festgestellt, dass die notwendige medizinische Behandlung der Beschwerdeführerin in Deutschland gewährleistet und für die Beschwerdeführerin auch zugänglich ist. Das Medikament Somatuline ist in Deutschland erhältlich.

In Österreich lebt seit ca. 15 Jahren ein Schwager der Beschwerdeführerin. Mit diesem Schwager lebte die Beschwerdeführerin nicht im gemeinsamen Haushalt, allerdings hat er sie gelegentlich zu Arztbesuchen begleitet. Es bestehen keine wechselseitigen Abhängigkeiten finanzieller oder sonstiger Natur zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Schwager. Darüber hinaus verfügt die Beschwerdeführerin nicht über private, familiäre oder berufliche Bindungen im österreichischen Bundesgebiet.

Am 22.01.2020 wurde die Beschwerdeführerin komplikationslos auf dem Luftweg nach Deutschland überstellt.

1.2. Zum deutschen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Deutschland:

Zum deutschen Asylverfahren sowie zur Situation von Dublin-Rückkehrern in Deutschland wurden auf den Seiten 18 bis 28 im angefochtenen Bescheid Feststellungen getroffen, welche von der erkennenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes geteilt und auch für gegenständliches Erkenntnis herangezogen werden.

Ungeachtet dessen wird explizit festgestellt:

a). Dublin-Rückkehrer:

Es gibt keine Berichte, dass Dublin-Rückkehrer in Deutschland Schwierigkeiten beim Zugang zum Asylverfahren hätten (AIDA 3.2018).

In "take charge"-Fällen kann der Rückkehrer einen Erstantrag stellen. Im Falle eines "take back"-Verfahrens können Dublin-Rückkehrer, die bereits eine negative Entscheidung erhalten haben, einen Folgeantrag stellen. Bei Dublin-Rückkehrern, die bereits einen Asylantrag in Deutschland gestellt haben, der noch nicht entschieden wurde, wird das Verfahren fortgesetzt. Für Dublin-Rückkehrer gelten die gleichen Aufnahmebedingungen wie für andere Asylwerber (EASO 24.10.2017).

b). Non-Refoulement:

Wenn die drei Schutzformen - Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz - nicht greifen, kann bei Vorliegen bestimmter Gründe ein Abschiebungsverbot erteilt werden (BAMF 1.8.2016b). Wenn ein Abschiebungsverbot festgestellt wird, erhält die betroffene Person eine Aufenthaltserlaubnis von mindestens einem Jahr; eine Verlängerung ist möglich (UNHCR o.D.a).

Amnesty International sieht Asylwerber aus Serbien, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Albanien und Montenegro von einem erhöhten Refoulement-Risiko bedroht, da diese Länder als sichere Herkunftsländer eingestuft wurden (AI 31.12.2017). AI kritisiert auch die fortgesetzten Abschiebungen nach Afghanistan, trotz der sich verschlechternden Sicherheitslage vor Ort. Bis Ende des Jahres wurden 121 afghanische Staatsangehörige abgeschoben (AI 22.2.2018).

c). Versorgung:

Das Asylbewerberleistungsgesetz regelt die Leistungen, die Asylwerbern zustehen. Die Leistungen umfassen die Grundleistungen des notwendigen Bedarfs (Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege, Gebrauchs- und Verbrauchsgüter im Haushalt), Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse im Alltag (Bargeld bzw. Taschengeld), Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt. Bei besonderen Umständen können auch weitere Leistungen beantragt werden, die vom Einzelfall abhängen (AIDA 3.2018; vgl. BAMF 1.8.2016b). Die empfangenen Leistungen liegen dabei unterhalb der finanziellen Unterstützung, die deutsche Staatsangehörige beziehen. Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen werden die Grundleistungen als Sachleistungen bereit gestellt. Hiervon kann - soweit nötig - abgewichen werden, wenn Asylwerber nicht in Aufnahmeeinrichtungen, sondern in Anschlusseinrichtungen (z.B. Gemeinschaftsunterkunft oder dezentrale Unterbringung, wie Wohnung oder Wohngruppen) untergebracht sind. So können Asylwerber statt Sachleistungen Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, Wertgutscheinen oder in Geldleistungen erhalten. [...]

Nach 15 Monaten im Asylverfahren wird die Leistungshöhe auf das gleiche Niveau wie für bedürftige Deutsche umgestellt (UNHCR o.D.b; vgl. BAMF 1.8.2016b, AIDA 3.2018, AsylbLG 17.7.2017).

Asylsuchende werden schon während der Bearbeitung ihres Antrags über die Teilnahme an Integrationskursen des Bundesamtes am jeweiligen Wohnort informiert. Sie erhalten ebenfalls eine Beratung zum möglichen Arbeitsmarktzugang durch die örtliche Bundesagentur für Arbeit (BAMF 24.10.2017). Während der ersten drei Monate des Asylverfahrens gilt jedoch ein Beschäftigungsverbot für Asylwerber. Dieses Beschäftigungsverbot besteht fort, solange die betreffende Person verpflichtet ist, in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen. Für die Aufnahme einer konkreten Tätigkeit wird eine Beschäftigungserlaubnis benötigt, die bei der Ausländerbehörde beantragt werden kann. Die Ausländerbehörde muss hierfür zusätzlich die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit einholen. Die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ist während des gesamten Asylverfahrens untersagt (UNHCR o.D.b).

d). Unterbringung:

In Deutschland gibt es grundsätzlich drei verschiedene Arten der Unterbringung: Erstaufnahmezentren, Gemeinschaftsunterkünfte und dezentralisierte Unterbringung in Wohnungen. Der Betrieb dieser Einrichtungen ist Landessache. 2015 und 2016 waren Notunterkünfte in Betrieb, die bis auf wenige Ausnahmen weitgehend geschlossen wurden. Darüber hinaus wurden besondere Aufnahmeeinrichtungen (in denen Personen untergebracht werden können, deren Asylverfahren beschleunigt bearbeitet werden) und Transitzentren (in denen Asylwerber mit geringer Bleibeperspektive untergebracht werden) eingerichtet (AIDA 3.2018; vgl. BSASFI 29.6.2017).

Asylwerber werden in der Regel zunächst in einer Erstaufnahmeunterkunft untergebracht. Nach einer Gesetzesreform vom Juli 2017 wurde die maximale Aufenthaltsdauer in der Erstaufnahmeeinrichtung von sechs auf 24 Monate erhöht. Diese Regelung wurde jedoch bis Ende 2017 nur in Bayern umgesetzt. Wenn die Pflicht zum Aufenthalt im Erstaufnahmezentrum endet, kommen Asylwerber normalerweise in Gemeinschaftsunterkünften unter, wobei es sich um Unterbringungszentren im selben Bundesland handelt. Asylwerber müssen während des gesamten Asylverfahrens in der Gemeinde aufhältig sein, die von der Behörde festgelegt wurde. Die Verantwortung für diese Art der Unterbringung wurde von den Bundesländern oftmals den Gemeinden und von diesen wiederum auf NGOs oder Privatunternehmen übertragen. Manche Gemeinden bevorzugen dezentralisierte Unterbringung in Wohnungen (AIDA 3.2018; vgl. BAMF 10.2016). Von Flüchtlingsorganisationen und NGOs werden die Lebensbedingungen in den Gemeinschaftsunterkünften häufig kritisiert (AIDA 3.2018).

Deutschland verfügt mittlerweile bundesweit über 24 Ankunftszentren. Dort werden viele, bis dahin auf mehrere Stationen verteilte Schritte im Asylverfahren, gebündelt. Nach Möglichkeit findet das gesamte Asylverfahren unter dem Dach des Ankunftszentrums statt - von der ärztlichen Untersuchung, über die Aufnahme der persönlichen Daten und der Identitätsprüfung, der Antragstellung und Anhörung bis hin zur Entscheidung über den Asylantrag. Bei Menschen mit sehr guter Bleibeperspektive sowie Antragstellenden aus sicheren Herkunftsländern mit eher geringen Bleibeaussichten kann in der Regel vor Ort innerhalb von 48 Stunden angehört und über den Asylantrag entschieden werden (BAMF o.D.a).

e). Medizinische Versorgung:

Asylwerber sind grundsätzlich nicht gesetzlich krankenversichert, sondern haben im Krankheitsfall Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. In Abhängigkeit von Aufenthaltsdauer und -status definiert das Gesetz unterschiedliche Leistungsniveaus (GKV o.D.).

Die Gesetze sehen medizinische Versorgung für Asylwerber in Fällen akuter Erkrankung oder Schmerzen vor, welche Behandlung (auch Zahnbehandlung), Medikation etc. umfasst. Sonstige, darüber hinausgehende Leistungen liegen im Ermessen der Sozialbehörden und können gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich sind. Schwangere und Wöchnerinnen sind eigens im Gesetz erwähnt. Unabdingbare medizinische Behandlung steht auch Personen zu, die - aus welchen Gründen auch immer - kein Recht auf Sozialunterstützung mehr haben. Deutsche Gerichte haben sich in verschiedenen Fällen der Sichtweise angeschlossen, dass von diesen Bestimmungen auch chronische Erkrankungen abgedeckt werden, da auch diese Schmerzen verursachen können. Berichten zufolge werden jedoch notwendige, aber kostspielige diagnostische Maßnahmen oder Therapien von den lokalen Behörden nicht immer bewilligt (AIDA 3.2018; vgl. DIM 3.2018, GKV o.D.).

Je nach Bundesland erhalten Asylwerber eine Gesundheitskarte oder Krankenscheine vom Sozialamt; darüber können die Bundesländer autonom entscheiden (BMG 2.2016; vgl. BMdl 29.9.2015). Krankenscheine bekommen Asylwerber beim medizinischen Personal der Erstaufnahmeeinrichtung oder später auf dem zuständigen Sozialamt. Bei letzteren wird von Problemen aufgrund von Inkompetenz des Personals berichtet (AIDA 3.2018). Die elektronische Gesundheitskarte ersetzt den Behandlungsschein und damit können Asylwerber den Arzt direkt aufsuchen, ohne vorher eine Bescheinigung von den staatlichen Stellen (z.B. Sozialamt) einzuholen (BMG 6.2016).

Die medizinische Versorgung von Asylwerbern ist zwischen den verschiedenen Kommunen und Bundesländern unterschiedlich organisiert. Während in manchen Ländern fast alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für Antragsteller zur Verfügung stehen, muss in anderen Ländern vor vielen Untersuchungen beim Amt um Kostenübernahme angefragt werden. In dringenden Notfällen dürfen Ärzte immer behandeln, unabhängig von den Papieren. Meistens aber müssen Asylsuchende ins zuständige Sozialamt, bevor sie einen Arzt aufsuchen dürfen. Dort erhalten sie einen Behandlungsschein, mit dessen Hilfe Ärzte ihre Kosten abrechnen können. Hinzu kommt, dass der Behandlungsschein in manchen Kommunen nur für den Hausarzt gültig ist. Wollen die Betroffenen zum Facharzt, müssen sie vor jeder Überweisung die Zustimmung des Amts einholen. In manchen Ländern erhalten Asylwerber eine elektronische Gesundheitskarte einer Krankenkasse, mit der sie direkt zum Arzt gehen können. Die Krankenkasse organisiert nur die medizinische Versorgung der Antragsteller, die Kosten tragen trotzdem die Behörden. Wenn Asylwerber länger als 15 Monate in Deutschland sind, können sie sich eine gesetzliche Krankenversicherung aussuchen, die Behörden bezahlen die Beiträge. Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. freiwillige Zusatzleistungen der Krankenkassen) werden sie dann behandelt wie alle gesetzlich Versicherten. Erst wenn die Antragsteller eine Arbeit finden und selbst einzahlen, klinkt sich der Staat aus ihrer medizinischen Versorgung aus (SO 22.3.2016; vgl. BMG 6.2016, AIDA 3.2018).

Es wurde jedoch kritisiert, dass auch Asylwerber, die eine Gesundheitskarte besitzen, immer noch nur Zugang zu einer Notfallbehandlung hätten. Einige Gemeinden und private Gruppen sorgten für eine zusätzliche Gesundheitsversorgung (USDOS 20.4.2018).

Festgestellt wird sohin, dass sich aus diesen Länderinformationen keine ausreichend begründeten Hinweise darauf ergeben, dass das deutsche Asylwesen grobe systemische Mängel aufweist. Daher ist aus Sicht der zuständigen Einzelrichterin, insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die generelle Versorgungs- bzw. Unterbringungslage und die Sicherheitslage von Asylwerbern in Deutschland den Feststellungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid zu folgen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin, zu ihrer Staatsangehörigkeit sowie Volksgruppenzugehörigkeit, zu ihrer Einreise nach Österreich und zur Stellung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie aus dem Akteninhalt.

Dass der Beschwerdeführerin von der deutschen Vertretungsbehörde in XXXX ein Schengen-Visum für sieben Tage im Zeitraum XXXX .09.2019 bis XXXX .09.2019 erteilt wurde, diese sohin zum Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich in Besitz eines deutschen Visums war, das seit weniger als sechs Monaten abgelaufen ist, ergibt sich ebenso aus dem unbedenklichen Akteninhalt, insbesondere aus der VIS-Abfrage (vgl. AS 25f), und wurde darüber hinaus von der Beschwerdeführerin bestätigt. In der Erstbefragung gab sie an, dass sie in keinem anderen Land um Asyl angesucht habe und ihr das Visum organisiert worden sei (vgl. AS 25, AS 28). Vor dem Bundesamt brachte sie diesbezüglich vor, dass sie nicht in Deutschland gewesen sei, aber ein deutsches Visums gehabt habe (vgl. AS 99). Auch wurde die Erteilung des Visums für die Beschwerdeführerin durch die deutsche Dublinbehörde bestätigt, die ihre Zustimmung zur Aufnahme der Beschwerdeführerin auf Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO stützt.

Die Feststellungen zum Aufnahmegesuch und zur ausdrücklichen Zustimmung zur Aufnahme der Beschwerdeführerin durch Deutschland ergeben sich darüber hinaus aus den jeweiligen Schreiben bzw. aus der diesbezüglichen Korrespondenz der Dublinbehörden. Darauf, dass die Zuständigkeit Deutschlands beendet worden wäre, finden sich im gesamten Verfahren keine Hinweise, wobei ein derartiges Vorbringen weder vor dem Bundesamt noch in der Beschwerde erstattet wurde.

Eine die Beschwerdeführerin konkret treffende Bedrohungssituation in Deutschland wurde nicht ausreichend substanziiert vorgebracht (vgl. hierzu die weiteren Ausführungen unter Punkt II. 3.2.4.2. des gegenständlichen Erkenntnisses).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin, insbesondere zu ihrer Krebserkrankung, zu ihrer medikamentösen Dauertherapie mit Somatuline, zur diagnostizierten Gastritis und zu ihrer Zahnbehandlung, ergeben sich aus den im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen (vgl. hierzu ärztlicher Entlassungsbrief eines Landesklinikums vom XXXX .10.2019, Tumorboardprotokoll vom XXXX .10.2019, histologischer Befund vom XXXX .10.2019, Arztbrief einer onkologischen Ambulanz vom XXXX .11.2019 sowie die im Beschwerdeverfahren vorgelegte erste Seite eines Arztbriefes einer onkologischen Ambulanz vom XXXX .12.2019). Dass die Erkrankung ca. im Juli 2019 in der Russischen Föderation diagnostiziert wurde und die Beschwerdeführerin daraufhin ihren Herkunftsstaat verlassen hat, um sich in Österreich medizinisch behandeln zu lassen, gründet auf ihren eigenen Angaben im Verfahren. So gab sie in ihrer Erstbefragung zu ihrem Fluchtgrund an, dass sie nach Österreich gekommen sei, um sich medizinisch versorgen zu lassen, da in ihrer Heimat die Behandlung nicht finanziert werde (vgl. AS 27). In der Einvernahme vor dem Bundesamt brachte die Beschwerdeführerin vor, dass vor ca. vier Monaten in der Russischen Föderation bei ihr Krebs festgestellt worden sei und sie ihre Behandlung in Österreich fortführen wolle. Wenn sie wieder gesund sei, würde sie gerne freiwillig nach Russland zurückkehren (vgl. AS 95, AS 99). Die Feststellungen zu den stationären Aufenthalten der Beschwerdeführerin basieren auf dem ärztlichen Entlassungsbrief eines Landesklinikums vom XXXX .10.2019 und auf der vorgelegten Aufenthaltsbestätigung. Dass bei ambulanten Kontrollterminen das subjektive Befinden der Beschwerdeführerin als "OK" bezeichnet wurde, gründet auf den Arztbriefen einer onkologischen Ambulanz vom XXXX .11.2019 und vom XXXX .12.2019. Zum Beschwerdevorbringen, die Behörde habe sich offenbar nicht mit den Erkrankungen der Beschwerdeführerin auseinandergesetzt und hierzu keine Feststellungen getroffen, ist auf Seite 16 des angefochtenen Bescheides zu verweisen, in dem das Bundesamt unter der Überschrift "Ihr physischer und psychischer Zustand stellt sich folgendermaßen dar:" sehr wohl Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin getroffen hat, die - wie der Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid entnommen werden kann - sowohl auf den Angaben der Beschwerdeführerin als auch auf den vorgelegten Befunden gründen. Dass das Bundesamt ferner festgestellt hat, dass sonstige (im Sinne von weiteren, darüber hinausgehende) schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten nicht bestünden, ist in diesem Zusammenhang nicht zu beanstanden. Wenn die Beschwerde weiters ausführt, die Feststellung, dass Asylwerbern das Recht auf medizinische Behandlung in Deutschland zustehe, könne vor dem Hintergrund der Feststellung, dass sich keine Hinweise ergeben hätten, dass die Beschwerdeführerin an sonstigen schweren körperlichen Krankheiten oder an einer schweren psychischen Störung leide, nicht nachvollzogen werden, ist sie zum einen darauf zu verweisen, dass die objektive Feststellung, Asylwerbern stehe in Deutschland das Recht auf medizinische Behandlung zu, unabhängig von allfälligen Erkrankungen zu sehen ist und zum andern ist auch in diesem Zusammenhang auszuführen, dass sich die beanstandete Feststellung auf sonstige - im Sinne von weiteren, über die ohnehin auf Seite 16 des angefochtenen Bescheides festgestellten Erkrankungen hinausgehende - psychische Störungen und/oder schwere Krankheiten bezieht. Die Feststellung, dass kein konkreter Anhaltspunkt besteht, dass die Beschwerdeführerin im Überstellungszeitpunkt an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten hat oder akut stationär behandlungsbedürftig war, ergibt sich ebenso aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen, insbesondere aus dem jüngsten Arztbrief vom XXXX .12.2019, dem keine Hinweise auf eine Wiederbestellung bzw. auf geplante Operationen oder auf einen geplanten stationären Aufenthalt zu entnehmen sind. Dass das Bundesamt die deutschen Behörden über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin informiert und die medizinischen Daten übermittelt hat, gründet auf der diesbezüglichen Mitteilung des Bundesamtes vom 23.01.2020. Letztlich basieren die Feststellungen zum Medikament Somatuline auf einer einfachen Internetrecherche des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl. diesbezüglich beispielsweise https://medikamio.com/de-at/medikamente/somatuline-autogel-120-mg-injektionsloesung-in-einer-fertigspritze/pil sowie https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2005/daz-28-2005/uid-14270, Zugriff am 23.04.2020).

Die Feststellungen zum seit 15 Jahren in Österreich aufhältigen Schwager der Beschwerdeführerin gründet auf ihren eigenen Angaben in ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Diesbezüglich befragt gab sie an, ein Schwager von ihr lebe seit 15 Jahren in Österreich, aber sie wisse nicht, wo er wohne. Er habe sie ca. sechsmal zum Arzt gebracht, aber sie sei von ihm finanziell nicht abhängig. Darüber hinaus lebe sie mit niemandem in einer Familien- oder familienähnlichen Lebensgemeinschaft (vgl. AS 97). Darüber hinaus gründet die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Schwager nicht im gemeinsamen Haushalt lebte, auf einem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 15.04.2020. Hinweise auf das Vorliegen wechselseitiger Abhängigkeiten sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Weitere Bindungen der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet wurden nicht vorgebracht und sind auch aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich.

Die Feststellung zur komplikationslosen Überstellung der Beschwerdeführerin nach Deutschland am 22.01.2020 gründet sich auf den diesbezüglichen Bericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom selben Tag.

2.2. Die Feststellungen zum deutschen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern beruhen auf den im angefochtenen Bescheid angeführten Quellen. Bei diesen vom Bundesamt herangezogenen Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild zum Asylverfahren in Deutschland ergeben. Nach Ansicht der erkennenden Einzelrichterin handelt es sich bei den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln. Des Weiteren ist darauf zu verweisen, dass die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl herangezogenen Quellen nach wie vor aktuell bzw. mit späteren Quellen inhaltlich deckungsgleich bzw. zum Teil sogar nahezu wortident sind.

Die Gesamtsituation des Asylwesens in Deutschland ergibt sich sohin aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substanziell widersprechen, hat die Beschwerdeführerin nicht dargelegt. In der Einvernahme vor dem Bundesamt wollte sie zu den vorab übermittelten Länderfeststellungen zu Deutschland keine Stellungnahme abgeben. Auch die in der Einvernahme anwesende Rechtsberaterin machte von der Möglichkeit zur Stellungnahme keinen Gebrauch (vgl. AS 99). Ein substanziiertes Bestreiten der Länderfeststellungen ist dem Vorbringen sohin nicht zu entnehmen. Auch im Beschwerdeverfahren wurde weder den Länderfeststellungen entgegengetreten noch wurde ein Vorbringen zum deutschen Asylsystem erstattet, insbesondere wurden keine alternativen Berichte bzw. Quellen in das Verfahren eingeführt. Ebenso wenig wurde die grundsätzliche Gewährung der medizinischen Versorgung für Asylwerber in Deutschland sowie deren Verfügbarkeit und Zugänglichkeit für die Beschwerdeführerin in Frage gestellt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

3.2. Zu A)

3.2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

Nach Abs. 2 leg. cit. ist gemäß Abs. 1 auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

Sofern gemäß Abs. 3 leg. cit. nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG.

Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben, wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind.

Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird (§ 61 Abs. 4 FPG).

3.2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Erweist es sich als unmöglich einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systematische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) [...]

Art. 12 Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaates im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund derer er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund derer er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.

Art. 17 Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde. Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen. Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen. Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen. Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

Art. 18 Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab. Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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