TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/8 W235 2225789-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.05.2020
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Entscheidungsdatum

08.05.2020

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5 Satz1
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch

W235 2225790-1/7E

W235 2225789-1/6E

W235 2225791-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1. XXXX , geb. XXXX , 2. mj. XXXX , geb. XXXX und 3. mj. XXXX , geb. XXXX , 2. und 3. gesetzlich vertreten durch: XXXX , alle StA. Nigeria, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.11.2019, Zl. 1249812010-191069078 (ad 1.), Zl. 1249811601-191069094 (ad 2.) sowie Zl. 1249811710-191069108 (ad 3.) zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 21 Abs. 5 erster Satz BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide rechtmäßig war.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen. Alle drei Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige von Nigeria und stellte die Erstbeschwerdeführerin nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 19.10.2019 für sich und als gesetzliche Vertreterin auch für die minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

1.2. Am Tag der Antragstellung wurde die Erstbeschwerdeführerin einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei sie zunächst angab, dass sie an keinen Krankheiten leide, nicht schwanger sei und abgesehen von ihren beiden minderjährigen mitgereisten Kindern keine Familienangehörigen in Österreich oder in einem anderen Staat der Europäischen Union habe. Sie habe Nigeria im März 2015 verlassen und sei über den Niger sowie Libyen nach Italien gelangt, wo sie sich von XXXX .05.2015 bis XXXX .10.2019 aufgehalten habe. In Italien habe sie um Asyl angesucht, habe jedoch das Land verlassen müssen. Ihr Verfahren in Italien sei noch aufrecht. Die Erstbeschwerdeführerin habe in Italien für eine "Madame" illegal als Prostituierte gearbeitet. Sie sei dazu gezwungen worden und habe dies auch bei der Polizei angezeigt. Als sie die Anzeige gemacht habe, habe sie diese "Madame" mit dem Umbringen bedroht. Nach der Anzeige habe die Erstbeschwerdeführerin in Italien um Asyl angesucht. Sie habe in Italien einen Aufenthaltstitel erhalten, der von XXXX .02.2018 bis Feber 2020 gültig sei. Nach Österreich habe sie gewollt, damit diese "Madame" sie nicht mehr finde und sei schlepperunterstützt mit einem Auto nach Österreich gebracht worden. Diese "Madame" habe auch Familienangehörige in Nigeria und hätten die Familienmitglieder der Erstbeschwerdeführerin wegen dieser "Madame" bereits umziehen müssen.

Eine Eurodac-Abfrage ergab, dass die Erstbeschwerdeführerin am XXXX .04.2016 in Italien einen Asylantrag stellte (vgl. AS 52 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).

Der Erstbeschwerdeführerin wurde weiters am 21.10.2019 eine Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ausgehändigt, mit der ihr zur Kenntnis gebracht wurde, dass aufgrund von Konsultationen mit Italien die in § 28 Abs. 2 AsylG definierte 20-Tages-Frist für Verfahrenszulassungen nicht mehr gilt. Diese Verfahrensanordnung wurde der Erstbeschwerdeführerin am selben Tag übergeben und von ihr unterfertigt (vgl. AS 92 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).

1.3. Betreffend alle drei Beschwerdeführerinnen richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 24.10.2019 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Italien.

Mit Schreiben vom 31.10.2019 stimmte die italienische Dublinbehörde der Aufnahme aller drei Beschwerdeführerinnen gemäß § 12 Abs. 1 Dublin III-VO ausdrücklich zu (vgl. AS 113 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG wurde der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, die Anträge aller drei Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Italien angenommen wird. Diese Verfahrensanordnung wurde der Erstbeschwerdeführerin am 31.10.2019 übergeben.

1.4. Am 07.11.2019 wurde die Erstbeschwerdeführerin nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit einer Rechtsberaterin im Zulassungsverfahren vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen, wobei sie eingangs angab, dass sie sich psychisch und physisch in der Lage fühle, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Sie leide an Asthma, die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin seien gesund. Abgesehen von ihren Kindern habe sie keine Familienmitglieder in Österreich. Auch sonst habe die Erstbeschwerdeführerin keinen Bezug zu Österreich.

Zur beabsichtigten Vorgehensweise des Bundesamtes, ihre sofort durchsetzbare Ausweisung nach Italien zu veranlassen, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie nicht nach Italien zurückkehren könne. Die Frau, die sie nach Italien geschleppt habe, habe sie in Italien bedroht und habe die Erstbeschwerdeführerin daher flüchten müssen. Sie habe auch die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin bedroht. Aus Angst seien sie geflohen. Auch habe die Erstbeschwerdeführerin vermehrt Asthmaanfälle bekommen. Sonst habe sie keine Probleme in Italien gehabt. Insgesamt sei sie über vier Jahre in Italien gewesen. Die Weiterreise aus Italien nach Österreich habe sie mit Ersparnissen finanziert. Die Zweitbeschwerdeführerin und die Drittbeschwerdeführerin hätten keine Probleme in Italien gehabt.

Die in der Einvernahme anwesende Rechtsberaterin hatte weder Fragen noch ein Vorbringen.

2. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträge aller drei Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin III-VO für die Prüfung dieser Anträge zuständig ist (Spruchpunkte I.). Unter den jeweiligen Spruchpunkten II. der angefochtenen Bescheide wurde gegen die Beschwerdeführerinnen die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Italien zulässig ist.

Begründend wurde betreffend alle drei Beschwerdeführerinnen im Wesentlichen ausgeführt, dass diese Staatsangehörige von Nigeria seien und an keinen schweren, lebensbedrohenden Krankheiten leiden würden. Es seien aufgrund der erkennungsdienstlichen Behandlung der Erstbeschwerdeführerin Konsultationen gemäß der Dublin III-VO mit Italien durchgeführt worden. Mit Schreiben vom 31.10.2019 sei die Zustimmung durch Italien gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin III-VO erfolgt. Die Beschwerdeführerinnen seien gemeinsam in Österreich eingereist und hätten darüber hinaus keine Angehörigen oder sonstige Verwandte im Bundesgebiet. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Überstellung der Beschwerdeführerinnen nach Italien eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten würde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf in den angefochtenen Bescheiden unter Anführung von Quellen aktuelle Feststellungen zum italienischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Italien.

Beweiswürdigend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass den Angaben der Erstbeschwerdeführerin betreffend die Staatsangehörigkeit Glauben geschenkt werde. Dass die Beschwerdeführerinnen an schweren, lebensbedrohenden Krankheiten leiden würden, sei weder behauptet worden noch sei dies aus der Aktenlage ersichtlich. Die Feststellungen zum Konsultationsverfahren und zum zuständigkeitsbegründenden Sachverhalt würden sich aus den unbedenklichen Akteninhalten ergeben. Den Angaben der Erstbeschwerdeführerin habe nicht entnommen werden können, dass sie tatsächlich Gefahr liefe, in Italien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden. Daher werde festgestellt, dass die Beschwerdeführerinnen bei einer Überstellung nach Italien keiner dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt seien. Die Feststellungen zu den privaten bzw. familiären Anknüpfungspunkten hätten sich aus der Aktenlage in Verbindung mit den widerspruchsfreien Angaben der Erstbeschwerdeführerin ergeben. Die Feststellungen zu Italien würden auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl basieren.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu den jeweiligen Spruchpunkten I. der angefochtenen Bescheide, dass sich aus dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin und aus dem amtswegigen Ermittlungsverfahren ergebe, dass Art. 12 Abs. 1 Dublin III-VO formell erfüllt sei. Die drei Beschwerdeführerinnen seien gemeinsam illegal aus Italien nach Österreich eingereist. Die Verfahren aller Familienangehörigen würden in gleicher Weise entschieden. Weitere familiäre Anknüpfungspunkte seien aus der Aktenlage nicht ersichtlich. Ferner sei anzunehmen, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet zu kurz sei, als dass ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens anzunehmen wäre. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung nicht zu einer Verletzung der Dublin III-VO sowie von Art. 8 EMRK bzw. Art. 7 GRC führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesem Aspekt zulässig sei. Italien sei bereit, die Beschwerdeführerinnen einreisen zu lassen und ihre Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen bzw. die sonstigen, Italien treffenden Verpflichtungen den Beschwerdeführerinnen gegenüber zu erfüllen. Zu den jeweiligen Spruchpunkten II. der angefochtenen Bescheide wurde ausgeführt, dass die gegenständlichen Zurückweisungsentscheidungen gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung zu verbinden seien. Eine Anordnung zur Außerlandesbringung habe gemäß § 61 Abs. 2 FPG zur Folge, dass die Abschiebung in den Zielstaat zulässig sei.

3. Am 22.11.2019 erhob die Erstbeschwerdeführerin für sich und als gesetzliche Vertreterin für die minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen im Wege ihrer nunmehr ausgewiesenen Vertretung fristgerecht Beschwerde gegen die oben angeführten Bescheide wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und stellte Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Begründend wurde im Wesentlichen nach Wiederholung des Verfahrensganges und des wesentlichen Vorbringens der Erstbeschwerdeführerin ausgeführt, dass das von der Erstbeschwerdeführerin beschriebene Vorgehen bekannt sei. Die sogenannten "Madames", die diesen Menschenhandel betreiben würden, seien einerseits in Nigeria und andererseits in Italien. Den Frauen werde Arbeit in einem europäischen Land versprochen, aber werde ihnen nicht gesagt, dass es sich um Prostitution handle. Es werde darauf aufmerksam gemacht, dass es sich um einen stark vernetzten Menschenhändlerring handle. Selbst eine Anzeige bei den Sicherheitsbehörden würde nicht helfen. Die Erstbeschwerdeführerin habe sich an die Polizei gewandt, habe dort jedoch keine weitere Unterstützung erhalten.

Ferner habe es das Bundesamt unterlassen, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Erstbeschwerdeführerin und ihre Kinder in Italien mit der notwendigen Unterstützung, insbesondere in Hinblick auf eine adäquate Unterkunft, seitens der italienischen Behörden rechnen könnten. Es bestünden Zweifel dahingehend, dass Schwangere und Familien mit Kleinstkindern in Italien eine gesicherte Unterkunft erhalten würden. Das italienische Asylsystem weise aus Sicht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe gravierende Mängel auf und rate diese daher von Überstellungen nach Italien ab. Zudem sei anzuführen, dass sich das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin mit den Schilderungen vieler anderer Asylwerber decke. Bekanntlich werde gegenüber Flüchtlingen von den italienischen Behörden eine grundsätzliche Gleichgültigkeit an den Tag gelegt. Die aktuellen politischen Geschehnisse und die Kapazitätsprobleme hätten die Situation in Italien massiv verschärft. Asylwerber, die gemäß der Dublin III-VO nach Italien überstellt würden, bekämen wegen der nachgewiesenen Kapazitätsprobleme keine Unterkunft und Verpflegung, hätten keinen tatsächlichen Zugang zum Arbeitsmarkt und der Zugang zur Gesundheitsversorgung erweise sich als sehr schwierig. Zudem werde die Möglichkeit der Asylantragstellung massiv erschwert und würden Flüchtlinge aufgefordert, das Land zu verlassen. Diese Angaben würden auch im aktuellen Länderinformationsblatt bestätigt. Auch leide die Erstbeschwerdeführerin an Asthma. Es komme auf die wahren Verhältnisse in Italien an, die von der Behörde nicht berücksichtigt worden seien. Durch die Vornahme der Außerlandesbringung nach Italien würden die Beschwerdeführerinnen in ihren Rechten gemäß Art. 2 und Art. 3 EMRK verletzt.

4. Mit Bericht vom 10.01.2020 gab die Landespolizeidirektion Niederösterreich bekannt, dass die Beschwerdeführerinnen am selben Tag auf dem Luftweg komplikationslos nach Italien überstellt wurden (vgl. OZ 6 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Beschwerdeführerinnen:

Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweit- und der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin. Alle drei Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige von Nigeria. Die Erstbeschwerdeführerin verließ Nigeria im März 2015 und gelangte über den Niger und Libyen nach Italien, wo sie am XXXX .04.2016 einen Asylantrag stellte. In der Folge erhielt sie einen italienischen Aufenthaltstitel mit einer Gültigkeit von Feber 2018 bis Feber 2020. Nach einem etwas über vier Jahre dauernden Aufenthalt in Italien, begab sich die Erstbeschwerdeführerin mit ihren beiden 2017 und 2019 in Italien geborenen Töchtern (= Zweit- und Drittbeschwerdeführerin) nach Österreich, wo sie am 19.10.2019 für sich und als gesetzliche Vertreterin auch für die minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellte. Festgestellt wird sohin, dass die Erstbeschwerdeführerin im Zeitpunkt der Antragstellung in Österreich in Besitz eines gültigen italienischen Aufenthaltstitel war.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 24.10.2019 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Italien. Die italienischen Dublinbehörde beantwortete das Wiederaufnahmegesuch am 31.10.2019 und erteilte die ausdrückliche Zustimmung zur Aufnahme aller drei Beschwerdeführerinnen gemäß Art. 12 Abs. 1 Dublin III-VO. Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Italiens wieder beendet hätte, liegt nicht vor.

Konkrete, in den Personen der Beschwerdeführerinnen gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Italien sprechen, liegen nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerinnen im Fall einer Überstellung nach Italien Gefahr liefen, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerinnen weder an einer körperlichen noch an einer psychischen Krankheit leiden, die einer Überstellung nach Italien aus gesundheitlichen Gründen entgegensteht bzw. entgegengestanden ist.

Es bestehen keine besonders ausgeprägten privaten, familiäre oder berufliche Bindungen der Beschwerdeführerinnen im österreichischen Bundesgebiet.

Festgestellt wird, dass alle drei Beschwerdeführerinnen gemeinsam am 10.01.2020 komplikationslos nach Italien überstellt wurden.

1.2. Zum italienischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern in Italien:

Zum italienischen Asylverfahren sowie zur Situation von Dublin-Rückkehrern in Italien wurden in den angefochtenen Bescheiden umfangreiche Feststellungen getroffen, welche von der erkennenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes geteilt und auch für gegenständliches Erkenntnis herangezogen werden.

Ungeachtet dessen wird explizit festgestellt:

a). Allgemeines:

In Italien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Im Oktober 2018 gab es mit Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 (auch als "Salvini-Dekret" bzw. "Salvini-Gesetz" bekannt) einige legislative Änderungen (AIDA 4.2019).

[...]

Mit Stand 27. September 2019 waren in Italien 49.014 Personen in einem Asylverfahren, davon haben 26.240 Personen ihren Asylantrag im Jahr 2019 gestellt (Mdl 27.9.2019).

Im Jahr 2019 haben die italienischen Asylbehörden bis zum 7. Juni 42.916 Asylentscheidungen getroffen, davon erhielten 4.605 Personen Flüchtlingsstatus, 2.790 subsidiären Schutz, 672 humanitären Schutz, 2.340 waren unauffindbar und 32.304 wurden negativ entschieden (Mdl 7.6.2019).

Mit Anfang Oktober 2019 waren in Italien 50.298 Asylanträge anhängig (SN 2.10.2019).

Die Asylverfahren nehmen, inklusive Beschwerdephase, bis zu zwei Jahre in Anspruch (USDOS 13.3.2019).

b). Dublin-Rückkehrer:

Wenn Italien einer Überstellung ausdrücklich zustimmt, wird der Flughafen angegeben, welcher der für das konkrete Asylverfahren zuständigen Quästur am nächsten liegt. Wenn Italien durch Fristablauf zustimmt, landen Rückkehrer üblicherweise auf den Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Quästur für ihr Asylverfahren zuständig ist. Mit dieser ist dann ein Termin zu vereinbaren. Die Quästuren sind oft weit von den Ankunftsflughäfen entfernt und die Asylwerber müssen auf eigene Faust und oft auch auf eigene Kosten innerhalb weniger Tage dorthin reisen, was bisweilen problematisch sein kann (AIDA 4.2019).

Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab.

1. Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, kann er dies tun, so wie jede andere Person auch. Der Rückkehrer könnte aber auch als illegaler Migrant betrachtet und mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung konfrontiert werden. Derartige Fälle wurden 2018 vom Flughafen Mailand Malpensa berichtet (AIDA 4.2019).

2. Wenn das Verfahren eines Antragstellers suspendiert wurde, weil er sich dem Verfahren vor dem Interview entzogen hat, kann der Rückkehrer binnen 12 Monaten ab Suspendierung einen neuen Interviewtermin beantragen. Sind mehr als 12 Monate vergangen und das Verfahren wurde beendet, kann nur ein Folgeantrag gestellt werden, für den seit Oktober 2018 verschärfte Regelungen gelten (AIDA 4.2019).

3. Wurde das Verfahren des Antragstellers in der Zwischenzeit negativ entschieden und ihm dies zur Kenntnis gebracht, ohne dass er Beschwerde eingelegt hätte, ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich. Wenn dem Antragsteller die negative Entscheidung nicht zur Kenntnis gebracht werden konnte, gilt diese seit Oktober 2018 nach 20 Tagen als zugestellt und ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich (AIDA 4.2019).

Mit Gesetz 132/2018 wurde der humanitäre Schutzstatus stark überarbeitet und der Zugang zu dieser Schutzform eingeschränkt. Abgelaufene (alte) Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen werden nicht erneuert (VB 22.2.2019) und können auch nicht mehr verlängert werden. Sie können jedoch bei rechtzeitiger Antragstellung und Erfüllung der Voraussetzungen in einen anderen Titel umgewandelt werden (Aufenthaltstitel für Arbeit, Familienzusammenführung etc. oder in einen humanitären Titel neuer Rechtslage) (VB 25.2.2019). Ansonsten läuft der Titel ab und der Aufenthalt in Italien ist nicht mehr rechtmäßig (VB 22.2.2019). Wenn Dublin-Rückkehrer im Besitz eines humanitären Aufenthalts waren, der nicht fristgerecht in einen der neuen Aufenthaltstitel umgewandelt wurde, sind sie zum Aufenthalt in Italien nicht mehr berechtigt und damit von der Versorgung ausgeschlossen (SFH 8.5.2019).

c). Versorgung:

Mit der Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 auch als "Salvini-Dekret" bzw. "Salvini-Gesetz" bekannt) gibt es auch weitgehende Änderungen im Unterbringungssystem. Das bisherige System (CARA als Erstaufnahme, SPRAR als kommunal organisierte Unterbringung und Integration für Asylwerber und Schutzberechtigte, CAS als Notmaßnahme für Bootsflüchtlinge) wird völlig neu organisiert und nur noch zwischen einer Erstaufnahme und einer sekundären Versorgungsschiene unterschieden (VB 19.2.2019; vgl. AIDA 4.2019).

Erstaufnahmeeinrichtungen ("prima accoglienza") werden CAS und CARA ersetzen. Zielgruppe dieser Einrichtungen sind Asylwerber (auch in einem Beschwerdeverfahren oder in Dublin-out-Verfahren bis zur Überstellung), ausdrücklich auch Dublin-Rückkehrer (VB 19.2.2019) und Vulnerable (mit Ausnahme von UMA) (SFH 8.5.2019). Fremde, die in Italien bereits einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, werden in jener Region untergebracht, in welcher der Antrag ursprünglich eingebracht wurde. In allen anderen Fällen ist jene Region zuständig, in der sich der Flughafen befindet, an dem der Fremde ankommt. Für diese Erstaufnahmeeinrichtungen wurden seitens des italienischen Innenministeriums neue Ausschreibungsspezifikationen ausgearbeitet, die bereits durch den italienischen Rechnungshof genehmigt und an die Präfekturen übermittelt wurden. Die Ausschreibung und staatliche Verwaltung/Kontrolle der Einrichtungen obliegt nach wie vor den Präfekturen. Seitens des italienischen Innenministers wurde betont, dass die Einhaltung sämtlicher europarechtlicher Bestimmungen (hier insbesondere die Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU) unter Wahrung der menschlichen Würde jedenfalls sichergestellt ist. Herkunft, religiöse Überzeugung, Gesundheitszustand, Vulnerabilität sowie die Familieneinheit finden Berücksichtigung. Bei den Kernleistungen (Sozialbetreuung, Information, soziokulturelle Mediation, sanitäre Einrichtungen sowie Startpaket, Taschengeld und Telefonkarte) soll es zu keiner Kürzung oder Streichung kommen. Integrationsmaßnahmen werden im neuen System nur noch Schutzberechtigten zukommen. Bei den Ausschreibungsspezifikationen wird zwischen kollektiven und individuellen (z.B. Selbstversorger) Unterbringungsplätzen unterschieden. Die Versorgung sieht unter anderem folgende Leistungen vor:

- Unterbringung, Verpflegung

- Sozialbetreuung, Information, linguistisch-kulturelle Mediation

- notwendige Transporte

- medizinische Betreuung: Erstuntersuchung, ärztliche Betreuung in den Zentren zusätzlich zum allgemeinen Zugang zum nationalen Gesundheitsdienst

- Hygieneprodukte

- Wäschedienst oder Waschprodukte

- Erstpaket (Kleidung, Bettzeug, Telefonkarte)

- Taschengeld (? 2,50/Tag/Person bis zu ? 7,50/Tag für eine Kernfamilie)

- Schulbedarf

- usw.

Nach Auskunft des italienischen Innenministeriums sind Plätze für Familien sowie allein reisende Frauen (mit Kindern) vorgesehen. In den Spezifikationen sind Personalschlüssel, Reinigungsintervalle, Melde- und Aufzeichnungsverpflichtungen des Betreibers in Bezug auf Leistungen an die Bewohner, An-/Abwesenheiten etc. festgelegt. Die Präfekturen sind zu regelmäßigen, unangekündigten Kontrollen berechtigt und verpflichtet (VB 19.2.2019).

Ende 2018 wurden amtliche Ausschreibungsvorgaben für die Unterbringungseinrichtungen veröffentlicht, die die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen sollen. Die Vorgaben garantieren persönliche Hygiene, Taschengeld (Euro 2,50/Tag in der Erstaufnahme) und Euro 5,- für Telefonwertkarten, jedoch keine Integrationsmaßnahmen mehr (Italienisch-Kurse, Orientierungskurse, Berufsausbildungen oder Freizeitaktivitäten). Ebenso eingespart wird psychologische Betreuung, welche nur noch in Hotspots und Schubhaftzentren verfügbar ist. Rechtsberatung und kulturelle Mediation werden reduziert (AIDA 4.2019; vgl. SFH 8.5.2019).

Die sekundären Aufnahmeeinrichtungen (früher SPRAR) heißen ab sofort SIPROIMI ("Sistema di protezione per titolari di protezione internazionale e per minori stranieri non accompagnati" - Schutzsystem für international Schutzberechtigte und unbegleitete minderjährige Fremde). Asylwerber, mit Ausnahme unbegleiteter Minderjähriger, haben dort keinen Zugang mehr (AIDA 4.2019). SIPROIMI stehen nur noch Personen mit internationalem Schutz, unbegleiteten Minderjährigen sowie Personen zur Verfügung, die nach der neuen Rechtslage einen Aufenthaltstitel wegen besonders berücksichtigungswürdiger Umstände haben ("neue" humanitäre Titel). In diesen Einrichtungen werden zusätzlich zu den oben beschrieben Leistungen auch Maßnahmen mit dem Ziel einer umfassenden Integration (Gesellschaft, Arbeitsmarkt, Sprache, etc.) geboten (VB 19.2.2019).

Nur diejenigen asylsuchenden Personen und Inhaber eines humanitären Status, denen vor dem 4. Oktober 2018 ein Platz in einem SPRAR-Zentrum zugesagt wurde, werden noch in einem SPRAR-Zentrum untergebracht (SFH 8.5.2019). Personen mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich mit Stichtag 05.10.2018 noch in einem SPRAR/SIPROIMI befanden, können dort für den vorgesehenen Zeitraum bzw. bis zum Ende des Projektzeitraumes weiterhin bleiben. Jene Fremde mit humanitärem Schutz nach alter Rechtslage, die sich noch in einer Erstaufnahmeeinrichtung befinden, verbleiben dort so lange, bis ihnen von der Quästur der Aufenthaltstitel ("permesso di soggiorno") übergeben wurde und werden danach aus dem Aufnahmesystem entlassen (VB 19.2.2019).

In den letzten Jahren war das italienische Aufnahmesystem angesichts der zahlreichen Anlandungen von Migranten von Überforderung und dem Versuch geprägt, möglichst viele Unterbringungsplätze in möglichst kurzer Zeit zu schaffen. Dabei entstanden verschiedene Arten von Unterbringungszentren auf Projektbasis in Gemeinden, Regionen und zentraler Ebene mit nur grob festgelegten Zielgruppen. Mit der Neustrukturierung wurde ein differenziertes Aufnahmesystem geschaffen, das auch der Kritik des italienischen Rechnungshofes Rechnung trägt, der die undifferenzierte Unterbringung bzw. Erbringung insbesondere von kostspieligen Integrationsmaßnahmen an Migranten ohne dauerhaften Aufenthaltstitel bemängel hat. So werden Asylwerber zukünftig in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Personen mit Schutzstatus bzw. einer der neuen Formen des humanitären Schutzes sowie allein reisende Minderjährige erhalten Zugang zu den sekundären Aufnahmeeinrichtungen, in denen zusätzlich integrative Leistungen angeboten werden (VB 19.2.2019).

Ende 2018 wurden amtliche Ausschreibungsvorgaben für Unterbringungseinrichtungen veröffentlicht, die die Standards für die Unterbringung im gesamten Land vereinheitlichen sollen. Durch die neuen Vergabekriterien wurde auch auf den Vorwurf reagiert, dass die Aufnahmeeinrichtungen außerhalb des SPRAR keine einheitlichen Standards sicherstellen. Durch die Staffelung der Strukturen nach Unterbringungsplätzen mit entsprechend angepasstem Personalstand und Serviceleistungen kann seitens der Präfekturen im Rahmen der Vergabeverfahren auf den Bedarf und die Gegebenheiten vor Ort im jeweiligen Fall eingegangen werden, wodurch sich die Kosten von ? 35/Person/Tag auf ? 19-26/Person/Tag senken sollen. Die Vorgaben garantieren persönliche Hygiene, Taschengeld (Euro 2,50/Tag in der Erstaufnahme) und Euro 5,- für Telefonwertkarten, jedoch keine Integrationsmaßnahmen mehr (VB 19.2.2019; vgl. AIDA 4.2019). Dass eine solche Restrukturierung ohne Einbußen bei der Qualität oder dem Leistungsangebot (so der Vorwurf bzw. die Befürchtung der Kritiker) machbar ist, erscheint angesichts der vorliegenden Unterlagen aus Sicht des VB nachvollziehbar (VB 19.2.2019). Kritiker meinen hingegen, die neuen Vorgaben würden zu einem Abbau von Personal in den Unterbringungseinrichtungen und zur Reduzierung der gebotenen Leistungen führen. Kleinere Zentren würden unwirtschaftlich und zur Schließung gezwungen, stattdessen würden größere kostensenkende Kollektivzentren geschaffen (SFH 8.5.2019).

Asylwerber dürfen zwei Monate nach Antragstellung legal arbeiten (AIDA 4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). In der Praxis haben Asylwerber jedoch Schwierigkeiten beim Zugang zum Arbeitsmarkt, etwa durch Verzögerungen bei der Registrierung ihrer Asylanträge (die damit einhergehende Aufenthaltserlaubnis ist für den Zugang zum Arbeitsmarkt wichtig), oder durch die anhaltende Wirtschaftskrise, die Sprachbarriere oder die geografische Abgelegenheit der Unterbringungszentren usw. (AIDA 4.2019).

Es gibt Berichte über Diskriminierung und Ausbeutung von Migranten durch Arbeitgeber. Die hohe Arbeitslosigkeit schmälert die Chancen von Migranten auf legale Anstellung (USDOS 13.3.2019).

d). Unterbringung:

Grundsätzlich sind Fremde zur Unterbringung in Italien berechtigt, sobald sie den Willen erkennbar machen, um Asyl ansuchen zu wollen. Das Unterbringungsrecht gilt bis zur erstinstanzlichen Entscheidung bzw. dem Ende der Rechtsmittelfrist. Bei Rechtsmitteln mit automatisch aufschiebender Wirkung besteht dieses Recht auch bis zur Entscheidung des Gerichts. Bei Rechtsmitteln ohne automatische aufschiebende Wirkung kann diese vom Gericht zuerkannt werden und in einem solchen Fall besteht auch das Unterbringungsrecht weiter. Seit Ende 2018 haben einige Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung mehr. Gemäß der Praxis in den Vorjahren erfolgt der tatsächliche Zugang zur Unterbringung erst mit der formellen Registrierung des Antrags (verbalizzazione), die bis zu einige Monate nach der Antragstellung stattfinden kann, abhängig von Region und Antragszahlen. In dieser Zeit müssen Betroffene alternative Unterbringungsmöglichkeiten finden, was problematisch sein kann. Zum Ausmaß dieses Phänomens gibt es allerdings keine statistischen Zahlen. Betroffene Asylwerber ohne ausreichende Geldmittel sind daher auf Freunde oder Notunterkünfte angewiesen oder es droht ihnen Obdachlosigkeit. In ganz Italien gibt es auch informelle Siedlungen oder besetzte Häuser, in denen Fremde leben, unter ihnen Asylwerber und Schutzberechtigte (AIDA 4.2019).

[...]

Mit der Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 auch als "Salvini-Dekret" bzw. "Salvini-Gesetz" bekannt) wird festgelegt, dass die Erstaufnahmeeinrichtungen ("prima accoglienza"), welche CAS und CARA ersetzen sollen, ausdrücklich auch die reguläre Unterbringungsmöglichkeit für Dublin-Rückkehrer sind (VB 19.2.2019), da für Asylwerber kein Zugang zu den Zentren der zweiten Stufe (SIPROIMI-Zentren) vorgesehen ist (AIDA 4.2019).

Im Sinne des Tarakhel-Urteils stellte Italien im Februar 2015 in einem Rundbrief eine Liste von Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind, welche als Dublin-Rückkehrer nach Italien kommen. Im Sinne der neuen Rechtslage im Land hat Italien am 8. Jänner 2019 einen neuen Rundbrief versendet und auf die geänderten Gegebenheiten reagiert. Es wird darin bestätigt, dass in Übereinstimmung mit dem neuen Gesetz 132/2018, gemäß der Dublin-VO rücküberstellte Antragsteller nicht in SIPROIMI, sondern im Rahmen der Erstaufnahme (s.o.) untergebracht werden. Italien garantiert, dass diese Zentren dafür geeignet sein werden, um alle Arten von Betroffenen zu betreuen und die Einhaltung ihrer Grundrechte zu gewährleisten, vor allem die Familieneinheit und den Schutz Minderjähriger (Mdl 8.1.2019; vgl. AIDA 4.2019).

Genauer sollen Dublin-Rückkehrer, die bereits einen Asylantrag in Italien gestellt hatten, bevor sie das Land verließen, vom Flughafen in die Provinz der Antragstellung überstellt werden. Dublin-Rückkehrer, die noch keinen Asylantrag in Italien gestellt haben, sind in der Provinz des Ankunftsflughafens unterzubringen. Die Familieneinheit sollte dabei immer gewahrt bleiben (AIDA 4.2019).

Bezüglich des Verlustes des Rechtes auf Unterbringung gelten noch immer die Regeln aus dem Dekret 142/2015: Verlässt eine Person unerlaubt eine staatliche Unterbringung, so wird von einer freiwilligen Abreise ausgegangen und sie verliert das Recht auf Unterbringung. Dies gilt auch nach einer Dublin-Rückkehr (SFH 8.5.2019). Die Präfektur kann eine neuerliche Unterbringung verweigern (AIDA 4.2019). Solche Personen sind gegebenenfalls auf private oder karitative Unterbringungsmöglichkeiten bzw. Obdachlosenunterkünfte angewiesen. Hat der Rückkehrer vor der Weiterreise kein Asylgesuch in Italien gestellt und tut dies erst nach der Rückkehr, besteht das Recht auf Unterbringung ohne Einschränkung. Da sich die formelle Einbringung des Antrags aber oftmals über Wochen verzögern kann, kann bis zur Unterbringung eine entsprechende Lücke entstehen (SFH 8.5.2019; vgl. AIDA 4.2019).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seinen Entscheidungen neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Italien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage unter Berücksichtigung der Neuerungen durch das "Salvini-Dekret" bzw. das "Salvini-Gesetz" und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen - darunter konkret auch in Bezug auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO - samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen.

Festgestellt wird sohin, dass sich aus diesen Länderinformationen keine ausreichend begründeten Hinweise darauf ergeben, dass das italienische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweist. Daher ist aus Sicht der zuständigen Einzelrichterin, insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die generelle Versorgungs- und Unterbringungslage und die Sicherheitslage von Asylwerbern in Italien den Feststellungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid zu folgen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu den Beschwerdeführerinnen, zu ihrer familiären Beziehung zueinander, zu ihrer Staatsangehörigkeit, zur Ausreise der Erstbeschwerdeführerin aus Nigeria, zu ihrem weiteren Reiseweg, zur Dauer ihres Aufenthalts in Italien und zur Einreise nach Österreich aller drei Beschwerdeführerinnen sowie zur Stellung der gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin im bisherigen Verfahren sowie aus dem Akteninhalt.

Dass die Erstbeschwerdeführerin in Besitz eines von Feber 2018 bis Feber 2020 gültigen italienischen Aufenthaltstitel ist und sohin im Zeitpunkt der Antragstellungen in Österreich in Besitz eines gültigen italienischen Aufenthaltstitel war, ergibt sich zum einen aus dem Umstand, dass die italienische Dublinbehörde ihre ausdrückliche Zustimmung zur Aufnahme der drei Beschwerdeführerinnen auf Abs. 1 des Art. 12 Dublin III-VO stützte. Zum anderen brachte die Erstbeschwerdeführerin in ihrer Erstbefragung selbst vor, dass sie in Italien einen Aufenthaltstitel erhalten habe, der von XXXX .02.2018 bis Feber 2020 gültig sei (vgl. AS 13 im Akt der Erstbeschwerdeführerin). Das ebenso in der Erstbefragung getätigte Vorbringen, sie habe Italien verlassen müssen und ihr Asylverfahren sei noch offen, ist vor diesem Hintergrund nicht glaubhaft. Die Feststellung zur Antragstellung in Italien am XXXX .04.2016 gründet auf dem unbedenklichen Eurodac-Treffer und wurde darüber hinaus von der Erstbeschwerdeführerin ebenfalls angegeben. Dass die beiden minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen 2017 und 2019 in Italien geboren wurden, ergibt sich aus deren Geburtsdaten in Zusammenschau mit dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin, sie habe sich von XXXX .05.2015 bis XXXX .10.2019 in Italien aufgehalten (vgl. AS 13 im Akt der Erstbeschwerdeführerin).

Die Feststellungen zum Wiederaufnahmegesuch der österreichischen Dublinbehörde und zur ausdrücklichen Zustimmung zur Aufnahme aller drei Beschwerdeführerinnen durch Italien ergibt sich aus den jeweiligen Schreiben bzw. aus der diesbezüglichen Korrespondenz der Dublinbehörden. Darauf, dass die Zuständigkeit Italiens beendet worden wäre, finden sich im gesamten Verfahren keine Hinweise, wobei ein derartiges Vorbringen weder vor dem Bundesamt noch in der Beschwerde erstattet wurde.

Eine die Beschwerdeführerinnen, insbesondere die Erstbeschwerdeführerin, konkret treffende Bedrohungssituation in Italien wurde nicht ausreichend substanziiert bzw. glaubhaft vorgebracht. Die Erstbeschwerdeführerin gab an, dass sie in Italien illegal als Prostituierte für eine "Madame" habe arbeiten müssen. Diese "Madame" habe sie dazu gezwungen. Als sie dies bei der Polizei angezeigt habe, habe sie diese "Madame" mit dem Umbringen bedroht. Nach der Anzeige habe die Erstbeschwerdeführerin in Italien um Asyl angesucht (vgl. AS 13 im Akt der Erstbeschwerdeführerin). Da die Asylantragstellung der Erstbeschwerdeführerin in Italien gemäß dem unbedenklichen Eurodac-Treffer am XXXX .04.2016 erfolgt ist, sie jedoch erst dreieinhalb Jahre später - nämlich am XXXX .10.2019 - aus Italien ausgereist ist und sich ihrem eigenen Vorbringen zufolge in diesem Zeitraum in Italien aufgehalten hat, kann selbst bei Wahrunterstellung dieses Vorbringens von einer aktuellen und tatsächlichen konkreten Bedrohung nicht gesprochen werden. Darüber hinaus ist auf einen Widerspruch im Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin in ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt zu verweisen: Zunächst brachte sie vor, dass die Frau, die sie nach Italien geschleppt habe, auch die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin bedroht habe (vgl. AS 139 im Akt der Erstbeschwerdeführerin), um unmittelbar darauf anzugeben, dass die Zweitbeschwerdeführerin und die Drittbeschwerdeführerin in Italien keine Probleme gehabt hätten (vgl. AS 141 im Akt der Erstbeschwerdeführerin). Zum weiteren Vorbringen, diese "Madame" habe Familienangehörige in Nigeria und hätten die Familienmitglieder der Erstbeschwerdeführerin wegen dieser "Madame" bereits umziehen müssen sowie zu den Ausführungen in der Beschwerde, es handle sich um einen "stark vernetzten Menschenhändlerring" ist darauf zu verweisen, dass in einem solchen Fall - wäre die Erstbeschwerdeführerin tatsächlich in die Fänge eines Menschenhändlerringes geraten - es nicht wahrscheinlich ist, dass ihr mit zwei kleinen Kindern problemlos die Weiterreise nach Österreich gelungen wäre und sie genügend Geld sparen hätte können, um diese Weiterreise zu finanzieren (vgl. AS 141 im Akt der Erstbeschwerdeführerin). Letztlich ist noch zum Beschwerdevorbringen, die Erstbeschwerdeführerin habe sich an die Polizei gewandt, habe dort jedoch keine weitere Unterstützung erhalten, anzuführen, dass die Erstbeschwerdeführerin selbst eine solche Aussage nicht getätigt hat. An dieser Stelle ist darauf zu verweisen, dass sich die Erstbeschwerdeführerin in Italien bei Vorliegen einer tatsächlichen Bedrohung jederzeit an die italienischen Behörden bzw. an die italienische Polizei wenden kann, die dazu willens und in der Lage sind, ihr Schutz vor Verfolgung zu bieten.

Die Feststellung zum Nichtvorliegen schwerwiegender gesundheitlicher Beeinträchtigungen, die einer Überstellung der Beschwerdeführerinnen nach Italien entgegenstehen könnten bzw. entgegengestanden sind, gründet auf den eigenen Angaben der Erstbeschwerdeführerin. Sie gab zwar in der Einvernahme vor dem Bundesamt an, dass sie an Asthma leide bzw. vermehrt Asthmaanfälle bekommen habe, hat diesbezüglich jedoch weder ärztliche Hilfe in Österreich in Anspruch genommen noch medizinische Unterlagen vorgelegt, die eine Behandlungsbedürfigkeit indizieren. Da nach den Angaben der Erstbeschwerdeführerin die Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin gesund sind, war sohin die diesbezügliche Feststellung zu treffen.

Ebenso ergibt sich die Feststellung zum Nichtvorhandensein besonders ausgeprägter privater, familiärer oder beruflicher Bindungen der Beschwerdeführerinnen in Österreich aus den eigenen Angaben der Erstbeschwerdeführerin im Verfahren. Gegenteiliges ist auch dem sonstigen Akteninhalt nicht zu entnehmen. Sowohl in der Erstbefragung als auch in der Einvernahme vor dem Bundesamt gab sie dezidiert an, abgesehen von ihren mitgereisten minderjährigen Kindern keine Familienangehörigen in Österreich und auch sonst keinen Bezug zu Österreich zu haben.

Letztlich ergibt sich die Feststellung zur komplikationslosen gemeinsamen Überstellung aller drei Beschwerdeführerinnen nach Italien aus dem diesbezüglichen Bericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 10.01.2020.

2.2. Die Feststellungen zum italienischen Asylverfahren einschließlich der Situation von Dublin-Rückkehrern beruhen auf den in den angefochtenen Bescheiden angeführten Quellen. Bei diesen vom Bundesamt herangezogenen Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild zum Asylverfahren in Italien ergeben. Nach Ansicht der erkennenden Einzelrichterin handelt es sich bei den Länderfeststellungen in den angefochtenen Bescheiden um ausreichend ausgewogenes und (jedenfalls zum Zeitpunkt der Überstellung der Beschwerdeführerinnen nach Italien) aktuelles Material. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln.

Die Gesamtsituation des Asylwesens in Italien ergibt sich sohin aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen in den angefochtenen Bescheiden, die auf alle entscheidungswesentliche Fragen eingehen und insbesondere auch die geänderte Rechtslage nach dem "Salvini-Dekret" bzw. "Salvini-Gesetz" berücksichtigen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substanziell widersprechen, hat die Erstbeschwerdeführerin nicht dargelegt. Auch die während der Einvernahme anwesende Rechtsberaterin hatte weder Fragen noch ein Vorbringen (vgl. AS 141 im Akt der Erstbeschwerdeführerin). Ebenso wenig wurde in den schriftlichen Beschwerdeausführungen den Länderfeststellungen des Bundesamtes substanziiert entgegengetreten, sondern - im Gegenteil - wurden diese für die eigene Argumentation (betreffend Unterbringung) herangezogen. Ferner wurden auch keine alternativen Berichte in das Verfahren eingeführt - wenn sich die Beschwerde auf die Sicht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe bezieht, ist darauf zu verweisen, dass diese Quelle vom Bundesamt ebenfalls herangezogen wurde (SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (08.05.2019): Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien) -, sodass auszuführen ist, dass die Länderfeststellungen in den Bescheiden durchaus ein differenziertes Bild zeichnen und ebenso auf die Situation von Dublin-Rückkehrern Bezug nehmen. Mangels konkretem Vorbringen sind die Beschwerdeausführungen daher nicht geeignet, die durch tatsächlich aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen in den angefochtenen Bescheiden zu entkräften.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl. I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt.

3.2. Zu A)

3.2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

Nach Abs. 2 leg. cit. ist gemäß Abs. 1 auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

Sofern gemäß Abs. 3 leg. cit. nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG.

Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben, wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind.

Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird (§ 61 Abs. 4 FPG).

3.2.2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:

Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Erweist es sich als unmöglich einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systematische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann. Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) [...]

Art. 12 Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaates im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund derer er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund derer er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.

Art. 17 Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde. Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen. Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen. Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen. Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

Art. 18 Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab. Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird. In den in den Anwendu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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