Entscheidungsdatum
13.05.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
W171 2230819-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX über die weitere Anhaltung von XXXX , alias XXXX , alias XXXX , XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , StA. Marokko, in Schubhaft zu Recht:
A)
Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der BF stellte am 23.08.2016 in Österreich seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge auch BFA, oder aber Behörde genannt) vom 04.10.2016 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung nach Marokko gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gleichzeitig wurde einer Beschwerde gem. § 18 Absatz 1 Ziffer 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV).
Der BF tauchte in die Anonymität ab und gab der Behörde keine Meldeadresse bekannt. Er entzog sich dem Verfahren. Der Bescheid erwuchs mit 19.10.2016 in Rechtskraft.
Am 12.10.2016 trat Deutschland an Österreich zur zuständigen Rückübernahme heran.
Mit Antwortschreiben vom 14.10.2016 wurde einer Überstellung von Deutschland nach Österreich zugestimmt.
Am 13.04.2017 traten die niederländischen Behörden an Österreich heran mit der Information, dass sich der BF zurzeit in den Niederlanden befinden würde.
Mit Antwortschreiben vom 20.04.2017 wurde einer Überstellung des BF von den Niederlanden nach Österreich zugestimmt.
Am 21.06.2017 trat Luxemburg an Österreich heran mit der Information dass sich der BF nunmehr in Luxemburg befinden würde.
Mit Antwortschreiben vom 26.06.2017 wurde einer Überstellung des BF von Luxemburg nach Österreich zugestimmt.
Jegliche Überstellung der Person des BF musste von den Mitgliedsstaaten storniert bzw. ausgesetzt werden, da sich der BF den Überstellungsverfahren immer wieder entzog und in die Anonymität untergetaucht war.
Am 27.03.2018 traten die französischen Behörden an Österreich heran mit der Information, dass sich der BF nun in Frankreich befinden würden.
Mit Antwortschreiben vom 29.03.2018 wurde einer Überstellung nach Österreich zugestimmt.
Die für den 18.04.2018 geplante Überstellung musste jedoch storniert werden.
Am 03.05.2018 konnte der BF schließlich erfolgreich von Frankreich nach Österreich überstellt werden.
Am 03.05.2018 stellte der BF in Österreich erneut einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Mai und Juni 2018 wurde der BF bei der Begehung mehrerer Strafdelikte auf frischer Tat ertappt und zur Anzeige gebracht.
Der Antrag auf internationalen Schutz vom 03.05.2018 wurde aufgrund entschiedener Sache (§68 Abs. 1 AVG) am 09.07.2018 vollinhaltlich zurückgewiesen.
Am 13.07.2018 wurde per FAX fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 03.05.2018 eingebracht.
Am 25.07.2018 erkannte das BVwG zu Recht, dass die Beschwerde gegen den Bescheid vom 09.07.2018 als unbegründet abgewiesen werde.
Im August 2018 wurde der BF bei der Begehung einer Sachbeschädigung auf frischer Tat betreten.
Am 11.09.2018 traten die Schweizer Behörden an Österreich heran mit der Information, dass sich der BF zu dieser Zeit in der Schweiz befinden würde, Österreich jedoch zuständig sei.
Mit Antwortschreiben vom 12.09.2018 wurde einer Überstellung des BF von der Schweiz nach Österreich zugestimmt.
Am 24.10.2018 wurde er von der Schweiz nach Österreich überstellt.
Am 24.10.2018 entzogen sich der BF jedoch bereits am Flughafen den Behörden durch Flucht.
Am 28.10.2018 stellten er einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, wurde festgenommen und infolge von einem Behördenvertreter des BFA niederschriftlich einvernommen.
Mit Mandatsbescheid des BFA vom 30.10.2018 wurde über Sie die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über Ihren Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.
Am 08.11.2018 wurde der BF abermals niederschriftlich einvernommen und im Anschluss daran wurde mit mündlich verkündetem Bescheid der faktische Abschiebeschutz gem. § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben. Die Verwaltungsakten wurden unverzüglich von Amts wegen dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung übermittelt.
Das Bundesverwaltungsgericht stellte mit Beschluss vom 15.11.2018 fest, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig war.
Am 06.03.2019 wurde der BF aus der Schubhaft entlassen, da die Erteilung eines Ersatzreisedokumentes nicht absehbar war.
Am 30.07.2019 stellten er wiederum einen Asylantrag in Frankreich. Mit Schreiben vom 06.08.2019 wurde einer Überstellung des BF nach Österreich zugestimmt.
Es erfolgte vorerst keine Dublin-Überstellung aus Frankreich.
Mit Bescheid des BFA vom 06.08.2019 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 28.10.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.
Da der BF unbekannten Aufenthaltes war, wurde der Bescheid vom 06.08.2019 im Akt hinterlegt und mit 27.08.2019 rechtskräftig.
Am 04.11.2019 wurde er von der belgischen Polizei festgenommen. Belgien trat infolge an die österreichischen Behörden heran. Mit Antwortschreiben vom 15.11.2019 wurde einer Überstellung des BF von Belgien nach Österreich zugestimmt.
Am 12.12.2019 hätte die Dublin-Überstellung von Belgien nach Österreich stattfinden sollen. Diese Überstellung fand nicht statt.
Schließlich wurden der BF am 17.01.2020 erfolgreich von Belgien nach Österreich überstellt. Am Flughafen XXXX wurden er umgehend festgenommen und stellte er am 17.01.2020 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag).
Der BF wurde in ein Polizeianhaltezentrum verbracht.
Mit verfahrensgegenständlichem Mandatsbescheid des BFA vom 18.01.2020 wurde über den BF die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.
Mit Bescheid des BFA vom 30.01.2020 wurde der Folgeantrag des BF vom 17.01.2020 gem. § 68 Abs. 1. AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und gleichzeitig festgestellt, dass die Abschiebung der Person den BF nach Marokko zulässig sei. Der Bescheid erwuchs am 15.02.2020 in Rechtskraft. Die laufende Schubhaft galt fortan als zur Sicherung der Abschiebung verhängt (§ 76 Abs. 5 FPG).
1.10. Mit Aktenvorlage vom 08.05.2020 legte das BFA den gegenständlichen Asyl- und Schubhaftakt gem. § 22a Abs. 4 BFA-VG mit der Bitte um gerichtliche Prüfung und Genehmigung der Fortsetzung der laufenden Schubhaft vor. Informativ wurde mitgeteilt, dass das BFA laufend die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der Marokkanischen Botschaft in Erinnerung rufe und weiterhin die Voraussetzungen für die Fortführung der Schubhaft vorlägen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Allgemein:
1.1. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 18.01.2020 in Schubhaft. Die gesetzliche Entscheidungsfrist (§ 22a Abs. 4 BFA-VG, 4 Monate und ein Tag) zur Verlängerung der Haft läuft am 19.05.2020 ab.
1.2. Der der laufenden Haft ursprünglich zugrundeliegende Schubhaftbescheid ist durch den BF selbst nicht in Beschwerde gezogen worden. Eine Änderung der Umstände für die seinerzeitige Verhängung der Schubhaft hat sich im Verfahren nicht ergeben. Das Gericht geht weiterhin vom Vorliegen des Sicherungsbedarfs aus.
1.3. Ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer liegt aktuell nicht vor, die Ausstellung wurde bereits beantragt.
1.4. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weiterführung der Schubhaft sind zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nach wie vorgegeben.
Gesundheitszustand:
2.1. Der BF leidet an keinen wesentlichen gesundheitlichen Beschwerden und ist haftfähig.
Effektuierbarkeit der Außerlandesbringung (Prognose):
3.1. Mit einer Ausstellung eines Heimreisezertifikates ist im Laufe des Sommers 2020 zu rechnen. Eine Identifizierung des BF als Marokkaner ist sehr wahrscheinlich.
3.2. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates wurde seitens der Behörde am 17.02.2020, 20.02.2020, 12.03.2020 und am 15.04.2020 zuletzt urgiert.
3.3. Nach Erlangung eines Heimreisezertifikates scheint eine zeitnahe Außerlandesbringung des BF innerhalb der gesetzlichen Höchstfristen für Aufrechterhaltung von Schubhaften zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung durchaus als möglich.
Sozialer/familiärer Aspekt:
4.1. Der BF verfügt über keinerlei nachgewiesene berufliche, familiäre oder sonstige soziale Kontakte in Österreich, hat keinen Wohnsitz und ist in keiner Weise selbsterhaltungsfähig.
Öffentliches Interesse:
5.1. Der BF hat in der Vergangenheit wiederholt seine Ausreiseverpflichtung missachtet, sohin mehrmals gegen verwaltungsrechtliche Verbote verstoßen und sich illegal in Österreich aufgehalten. Er hat sich mehrmals unrechtmäßig in andere Mitgliedsstaaten (Deutschland 2016, Niederlande 2017, Luxemburg 2017, Frankreich 2018, Schweiz 2018, Frankreich 2019 und Belgien 2020) abgesetzt und so fremdenrechtliche Maßnahmen in Österreich erfolgreich verhindert. Er war für die Behörden lange Zeit nicht greifbar und hat im Bundesgebiet mehrfach strafgesetzwidrige Handlungen gesetzt, die polizeilichen Anzeigen nach sich gezogen haben. Er verfügte im Inland über keinen Wohnsitz, keinerlei soziale/familiäre Verankerung, kein Einkommen und konnte bisher nicht abgeschoben werden.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1.: Die Angaben über den Verfahrensgang und die hiezu ergangenen Feststellungen beziehen sich auf die Angaben im vorliegenden Akt, insbesondere auf die Begleitinformation der behördlichen Aktenvorlage. Unter Heranziehung der Bestimmungen zur Fristenberechnung gemäß § 32 AVG ergibt sich, dass der Ablauf der Frist gem. § 22a Abs. 4 BFA-VG auf den 19.05.2020 fällt.
Zu. 1.2.: Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass der seinerzeitige Schubhaftbescheid nicht in Beschwerde gezogen wurde. Ebenso konnte aufgrund der Aktenlage festgestellt werden, dass sich die wesentlichen Umstände im Rahmen der Schubhaft seit der seinerzeitigen Verhängung nicht verändert haben. Die formalen Voraussetzungen für die laufende Schubhaft sind daher unverändert gegeben.
Zu 1.3.: Das laufende Antragsverfahren lässt sich aus den Informationen im Akt ersehen. Daraus ergibt sich ebenfalls, dass zur Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung ein Heimreisezertifikat für den BF noch nicht vorliegt.
Zu 1.4.: Aus einer Überprüfung der formalen Grundlagen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung, welche seinerzeit die rechtliche Grundlage für die Erlassung des Schubhaftbescheides darstellte, nach wie vor Gültigkeit hat.
Zu 2.1.: Aus dem Akt ergibt sich, dass der BF bisher lediglich schmerzstillende Medikamente für seine Hand benötigte und auch erhalten hat. Indizien für eine Haftunfähigkeit liegen jedoch nicht vor. Das Gericht geht daher in weiterer Folge davon aus, dass keine Haftunfähigkeit vorliegt.
Zu 3.1.: Der BF wurde bisher noch nicht identifiziert. Das Gericht geht jedoch davon aus, dass auch seitens der marokkanischen Botschaft in naher Zukunft eine Entscheidung über die Ausstellung eines Heimreisezertifikates getroffen wird. Derartige Überprüfungen dauern nach den glaubwürdigen und sich mit dem Amtswissen deckenden behördlichen Angaben in der Regel insgesamt etwa vier bis sechs Monate.
Zu 3.2.: Die angegebenen bisherigen Urgenzen ergeben sich aus der glaubwürdigen Information im Vorlageschreiben des BFA vom 08.05.2020. Im Verfahren sind keinerlei Hinweise dafür aufgetreten, dass es im vorliegenden Fall zu einer durch die Behörde zu vertretenden Verzögerung bei der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF gekommen ist.
Zu 3.3.: Wie bereits unter Punkt "Zu 3.1." erörtert ist mit einer Ausstellung eines Heimreisezertifikates bis zum Sommer 2020 zu rechnen. Nach den Angaben der Behörde im Rahmen der Aktenvorlage ist die Organisation und Buchung eines Rückkehrfluges kurzfristig möglich. Auf die derzeit bestehende Problematik hinsichtlich der CoViD-19 Pandemie wird an späterer Stelle eingegangen.
Zu 4.1.: Die Feststellungen zu 4.1. ergeben sich im Wesentlichen aus den bisher unwidersprochen gebliebenen Angaben in den bisherigen Verfahren. Es war daher diesbezüglich seitens des Gerichts im Rahmen einer Gesamtbetrachtung weiterhin angezeigt, von bestehender Fluchtgefahr auszugehen.
Zu 5.1.: Die Sammelfeststellung zu 5.1. ergibt sich aus dem gesamten Akteninhalt. Die der Schubhaft zugrundeliegende Rückkehrentscheidung ist seit 30.01.2020 durchsetzbar. Der BF hat gegen fremdenrechtliche Bestimmungen verstoßen und hat er sich in der Vergangenheit auch nicht auf andere Weise gekümmert einen Aufenthaltstitel für Österreich zu erlangen, sondern ist in Europa herumgereist und hat in anderen europäischen Staaten weitere Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Er ist mehrfach untergetaucht und betrieb ein europaweites Versteckspiel mit sämtlichen zuständigen Behörden. Im Sinne der Bestrebung der Republik Österreich ein geordnetes Fremden- und Asylwesen zu führen, kommt daher dem öffentlichen Interesse im konkreten Fall ein höherer Stellenwert, als den persönlichen Interessen des BF zu, zumal es sich beim BF um einen sogenannten "Asylshopper" handelt. Diesbezüglich besteht demnach auch ein erhöhtes intereuropäisches Interesse zur baldigen erfolgreichen Rückführung des BF in seinen Heimatstaat, welches ebenso zugrunde zu legen war. Das öffentliche Interesse an einer gesicherten Außerlandesbringung des BF ist unverändert hoch und die Fortsetzung der Schubhaft daher auch weiterhin verhältnismäßig.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt A.:
3.1.1. Gesetzliche Grundlagen:
Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.
Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG iVm. § 80 FPG lautet:
§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.
3.1.2. Zur Judikatur:
Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe." (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008)
Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).
3.1.3. Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung über die gesetzlich vorgesehene Viermonatsfrist (und in weiterer Folge über die gesetzlich vorgesehene 4 Wochenfrist) hinaus, weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.
Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse zeigt sich, dass keinerlei derartige Faktoren vorliegen. Darüber hinaus hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass der BF auch weiterhin nicht selbsterhaltungsfähig ist. Im Zuge der durchzuführenden Abwägung bleibt daher festzuhalten, dass berücksichtigungswürdige soziale Bindungen in Österreich bisher gar nicht entstanden sind und Selbsterhaltungsfähigkeit nicht gegeben war.
Das Verfahren hat in keiner Weise ergeben, dass der BF aufgrund seiner gesundheitlichen Situation durch die Inhaftierung einer unzumutbaren (unverhältnismäßigen) Belastung ausgesetzt wäre, zumal er auch diesbezüglich bei Bedarf einer medizinischen Kontrolle unterzogen würde.
Der BF war bisher nicht bereit bei der Erlangung eines Heimreisezertifikates wesentlich mitzuwirken um so einer Verlängerung der Schubhaft entgegenzuwirken. Er hat es sich daher selbst zuzuschreiben, dass er nun auf die Ausstellung eines Heimreisezertifikates warten muss und weitere Erkundigungen seitens der Behörden in Marokko erfolgen müssen. Aufgrund der dem Gericht vorliegenden Information des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl lässt sich aus derzeitiger Sicht erkennen, dass dennoch eine zügige Außerlandesbringung nach Erlangung eines Heimreisezertifikates als wahrscheinlich anzusehen ist. Das Gericht geht daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung davon aus, dass eine Außerlandesbringung des BF nach heutigem Wissensstand durchaus möglich, und auch bis zum Sommer 2020 realistisch ist. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ist jedenfalls gewährleistet, dass eine allfällige weitere wesentliche Verlängerung der Schubhaft einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen sein wird (gerichtliche Haftverlängerungsprüfungen). Dabei wird abermals eine Prognoseentscheidung hinsichtlich einer zeitnahen Effektuierung der Außerlandesbringung des BF durchzuführen sein.
Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin rechtmäßig ist. Die Kriterien der Fluchtgefahr wurden bereits erörtert und hat sich seit der Verhängung der Schubhaft diesbezüglich nichts verändert. Wie die gerichtliche Prüfung gezeigt hat, ist auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit weiter erfüllt. Dies auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Behörde auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, da das BFA die Ausstellung eines Heimreisezertifikates laufend urgiert und mit der marokkanischen Botschaft stets in Kontakt war. Die bisherige Dauer der Schubhaft ist insbesondere dem Verhalten des BF zuzurechnen, da er widersprüchliche Angaben zu seiner Identität gemacht hat und so die österreichischen, aber auch ausländische Behörden mehrmals erfolgreich getäuscht hat.
Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 Z. 2 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten erscheint die Aufrechterhaltung der seit 18.01.2020 bestehenden Anhaltung des BF in Schubhaft insbesondere speziell im Hinblick auf seine bisherige Verhaltensweise (Asylshopping) auch unter Berücksichtigung seiner Anhaltung in Schubhaft von 30.10.2018 bis 06.03.2019 jedenfalls weiterhin als verhältnismäßig.
3.1.4. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens - insbesondere der Tatsache, dass er widersprüchliche Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit gemacht hat, er in mehreren europäischen Staaten Asylanträge gestellt hatte und immer wieder für die Behörden nicht greifbar gewesen ist, bzw. nach einer Flugüberstellung vor den österreichischen Behörden geflohen ist, kann ein gelinderes Mittel zur Sicherung der Abschiebung des BF nicht als zielführend eingestuft werden.
Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.
3.1.5. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine "ultima ratio" dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Abschiebung des BF zu gewährleisten und sein bisheriges rechtswidriges Verhalten zu beenden.
Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.
3.1.6. Das Gericht kann nicht ausschließen, dass es aufgrund der derzeitigen Pandemie (CoViD-19) in den kommenden Wochen weiterhin zu Verzögerungen oder Annullierungen von Flügen im internationalen Flugverkehr kommen könnte. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht jedoch aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand - kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt - mit wenigen Monaten einzustufen. Eine Abschiebung etwa im Sommer 2020 ist jedenfalls realistisch. Aus derzeitiger Sicht ist auch damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit CoViD-19 zumindest noch vor dem Sommer weitgehend gelockert und Abschiebungen wieder durchführbar werden.
Ebenso verhält es sich mit den konsularischen Nachforschungen. Es liegen dem Gericht keine Berichte vor, die den Schluss zulassen, dass es seitens der Botschaften, oder der Behörden in den Herkunftsstaaten zur gänzlichen Arbeitseinstellung gekommen ist, oder diese in naher Zukunft zu erwarten wäre. Das Gericht geht daher diesbezüglich davon aus, dass diese auch im vorliegenden Fall ihre Tätigkeit weiterhin aufrechterhalten wird, um die Rechtsstaatlichkeit auf dem bestehenden Niveau halten zu können. Eine Verzögerung der Abschiebung unmittelbar aufgrund dieser Umstände ist zum Entscheidungszeitpunkt nicht ersichtlich. Eine Abschiebung des BF innerhalb der gesetzlichen Höchstfrist ist daher weiterhin möglich.
4. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.
Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung auch die Voraussetzungen für eine nunmehr über die Viermonatsfrist hinausgehende Schubhaft weiter vorliegen.
Zu Spruchpunkt B. - Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie zu Spruchpunkt A. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.
Schlagworte
Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Identität öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Überprüfung Untertauchen VerhältnismäßigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W171.2230819.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020