TE Lvwg Erkenntnis 2020/5/22 LVwG-AV-34/001-2020

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Veröffentlicht am 22.05.2020
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Entscheidungsdatum

22.05.2020

Norm

GewO 1994 §74 Abs2
GewO 1994 §75 Abs2
GewO 1994 §81 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter Mag. Gindl über die Beschwerden

1.   des A und der B, beide in ***, ***,

2.   der C und des D, beide in ***, ***,

gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 26. November 2019, Zl. ***, betreffend Änderung der Betriebsanlage im Standort ***, ***, Grst. Nr. ***, KG ***, zu Recht:

1.   Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) keine Folge gegeben und werden diese abgewiesen.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4
Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig (§ 25a VwGG).

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Bescheid der der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg (in der Folge: belangte Behörde) vom 26. November2019, ***, wurde der E KG (in der Folge: Konsenswerberin) die gewerberechtliche Genehmigung für die Änderung der Betriebsanlage im Standort ***, ***, Grst. Nr. ***, KG ***, durch „Einbau neuer Küchengeräte und –maschinen, Einbau einer neuen Zuluftanlage für die Küche, Errichtung einer Bar, Errichtung einer Stiege im Außenbereich, Errichtung von je einem Klimasplitgerät in den beiden Gasträumen sowie Errichtung einer Werbetafel an der Außenmauer, samt der hierfür erforderlichen technischen und maschinellen Einrichtungen und Außenanlagen“, entsprechend den Projektunterlagen und der Projektbeschreibung sowie unter Vorschreibung von Auflagen, erteilt.

Gegen diesen Bescheid erhoben

1.   Herr A und B (in der Folge: die Erstbeschwerdeführer) und

2.   Frau C und Herr D (in der Folge: die Zweitbeschwerdeführer)

jeweils mit Schreiben vom 17. Dezember 2019 fristgerecht Beschwerde.

Die Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführer (in der Folge: die Beschwerdeführer) haben im wesentliche in ihren inhaltsgleichen Beschwerden vorgebracht, dass sie sich durch die Nutzung der Küchengeräte und durch Geruch hervorgerufen durch die Zubereitung der Speisen belästigt fühlen. Im Verfahren sei nicht geprüft worden, welche Auswirkungen auf den Menschen zu erwarten seien. Es liege daher ein Verfahrensfehler vor, weil schließlich nur ein human-medizinischer Amtssachverständiger die Auswirkungen der menschlichen Gesundheit beurteilen könne.

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde ergibt sich nachstehender unstrittiger entscheidungsrelevante Sachverhalt:

Für die gegenständliche Betriebsanlage im Standort im Standort ***, ***, Grst. Nr. ***, KG ***, liegt folgender gewerbebehördlicher Genehmigungskonsens vor:

-    Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 10. August 1988, ***, (Verhandlungsschrift vom 6. Juli 1988) wurde (der F Gesellschaft m.b.H.) die Errichtung und den Betrieb einer Betriebsanlage für das Gastgewerbe im Standort ***, ***, genehmigt.

-    Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 3. Februar 2006, ***, (Verhandlungsschrift vom 30. Jänner 2006) wurde (der G Gesellschaft m.b.H.) die Änderung der Betriebsanlage durch Umbau in der Küche, der WC-Anlagen sowie der Gastraumtüren, genehmigt.

-    Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 10. März 2008, ***, (Verhandlungsschrift vom 30. Jänner 2008) wurde (der H Ges. m.b.H.) die Änderung der Betriebsanlage durch Neuerrichtung einer Abluft-Lüftungsanlage, genehmigt.

-    Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 26. Mai 2011, ***, (Verhandlungsschrift vom 25. Mai 2011) wurde (Herrn I) die Änderung der Betriebsanlage durch das Projekt Einbau einer Schiebetüre zwischen Raucher und Nichtraucherbereich, sowie Einbau von Ventilatoren im Raucherbereich, genehmigt.

Mit Schreiben vom 29. Mai 2019 hat die Konsenswerberin um Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung für die verfahrensgegenständliche Änderung der Betriebsanlage, durch Einbau neuer Küchengeräte und –maschinen, Einbau einer neuen Zuluftanlage für die Küche, Errichtung einer Bar, Errichtung einer Stiege im Außenbereich, Errichtung von je einem Klimasplitgerät in den beiden Gasträumen sowie Errichtung einer Werbetafel an der Außenmauer, samt der hierfür erforderlichen technischen und maschinellen Einrichtungen und Außenanlagen, beantragt.

Auf Grund dieses Antrages wurde nach Vorbegutachtung seitens der belangten Behörde für 23. September 2019 eine Verhandlung anberaumt. Zu dieser Verhandlung wurde neben der persönlichen Ladung von bekannten Beteiligten auch durch Hausanschlag (so auch die Beschwerdeführer) bei den benachbarten Häusern geladen. In der Ladung bzw. Anberaumung der mündlichen Verhandlung wurde auf die Präklusionsfolgen (Verlust der Parteistellung bei nichtrechtzeitiger Erhebung von Einwendungen) ausdrücklich hingewiesen.

Der Aktenlage nach war die Anberaumung der Verhandlung im Internet in der Zeit vom 3. September 2019 bis 23. September 2019 kundgemacht. Ebenso erfolgte eine Kundmachung an der Amtstafel der Stadtgemeinde Korneuburg in der Zeit von 9. September 2019 bis 23. September 2019.

Mit Schreiben vom 11. September 2019 (eingebracht per E-Mail am 13. September 2019), führten die Beschwerdeführer (vertreten durch RA J) Folgendes aus:

„Mit Hausanschlag datiert vom 30.8.2019 wurden die Bewohner in Kenntnis gesetzt, dass die E KG um die Erteilung einer gewerbebehördlichen Genehmigung für die Änderung der Gastgewerbebetriebsanlage im Standort ***, ***, angesucht hat.

Zu dem genannten Projekt erheben wir Einwendungen, weil wir als unmittelbare Nachbarn dieses Betriebes durch den zu erwartenden Geruch und durch den zu erwartenden Lärm aus dem Betrieb durch die Geräte in unseren subjektiv-öffentlich-rechtlichen Nachbarrechten verletzt werden.

Wir sind Nachbarn im Sinne des § 75 GewO, weil wir durch den Betrieb der geplanten Betriebsanlage insbesondere durch Geruch und Lärm belästigt werden.

Wir beantragen die Wahrung unserer subjektiv-öffentlichen Rechten durch

1. Versagung der beantragten Betriebsanlagengenehmigung wegen nicht zu tolerierender Belästigung durch Lärm und Geruch als Nachbarn gemäß § 75 Abs. 2 GewO;

in eventu beantragen wir

2. die Vorschreibung von Auflagen zur bestmöglichen Beschränkung der Lärm- und Geruchsbelästigung auf ein zumutbares Ausmaß insbesondere durch Anbringung von geeigneten technischen Einrichtungen zur bestmöglichen Reduktion von Geruch- bzw. Lärmbelästigung und Einschränkung der Betriebszeiten.“

Der Verhandlung am 23. September 2019 wurden seitens der belangten Behörde Amtssachverständige aus den Gebieten der Bautechnik und der Maschinenbautechnik beigezogen.

In weiterer Folge hat die belangte Behörde Gutachten von Amtssachverständigen aus den Gebieten der Verkehrstechnik (Gutachten vom 24. September 2019), der Lärmtechnik (Gutachten vom 2. Oktober 2019) sowie der Luftreinhaltetechnik (Gutachten vom 28. Oktober 2019) eingeholt.

Diese Gutachten wurden den Beschwerdeführern mit Schreiben vom 3. Oktober 2019 und 5. November 2019 zur Kenntnis gebracht und jeweils die Gelegenheit geboten hierzu Stellung zu nehmen.

In weiterer Folge wurde seitens der belangten Behörde der gegenständliche angefochtene Bescheid erlassen.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat eine ergänzende Stellungnahme von Amtssachverständigen aus den Gebieten der Maschinenbautechnik und der Luftreinhaltetechnik eingeholt. Diese Stellungnahmen wurden in einem Aktenvermerk vom 28. April 2020 festgehalten und lauten wie folgt:

„Am heutigen Tag wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren eine Besprechung mit ev. Gutachtenerstattung anberaumt. Ziel dieser Besprechung ist die fachliche Abklärung, ob durch die verfahrensgegenständliche Änderung eine Erhöhung der Emissionen der Betriebsanlage (bzw. in weiterer Folge eine Erhöhung der Immissionen bei den Grundstücken der Beschwerdeführer) zu erwarten ist.

Aus dem Akt der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg ergibt sich für die gegenständliche Betriebsanlage im Standort im Standort ***, ***, Grst. Nr. ***, KG ***, folgender betriebsanlagenrechtlicher Genehmigungskonsens:

-    Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 10. August 1988, ***, (Verhandlungsschrift vom 6. Juli 1988) wurde (der F Gesellschaft m.b.H.) die Errichtung und den Betrieb einer Betriebsanlage für das Gastgewerbe im Standort ***, ***, genehmigt.

-    Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 3. Februar 2006, ***, (Verhandlungsschrift vom 30. Jänner 2006) wurde (der G Gesellschaft m.b.H.) die Änderung der Betriebsanlage durch Umbau in der Küche, der WC-Anlagen sowie der Gastraumtüren, genehmigt.

-    Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 10. März 2008, ***, (Verhandlungsschrift vom 30. Jänner 2008) wurde (der H Ges. m.b.H.) die Änderung der Betriebsanlage durch Neuerrichtung einer Abluft-Lüftungsanlage, genehmigt.

-    Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 26. Mai 2011, ***, (Verhandlungsschrift vom 25. Mai 2011) wurde (Herrn I) die Änderung der Betriebsanlage durch das Projekt Einbau einer Schiebetüre zwischen Raucher und Nichtraucherbereich, sowie Einbau von Ventilatoren im Raucherbereich, genehmigt.

Daraus ergibt sich auch, dass mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 3. Februar 2006, ***, das bestehende Chinarestaurant „K“ zu einem asiatischen Restaurant mit dem Namen „L“ umgewandelt wurde (vgl. Projekt – Baubeschreibung).

Konkret soll am heutigen Tag eine Klärung stattfinden, ob

-    durch die Nutzung der (nunmehr im gegenständlichen Änderungsantrag enthaltenen) Küchengeräte aus fachlicher Sicht eine Gefährdung oder Belästigung im Sinne des § 74 Abs. 1 GewO 1994 zu erwarten ist (insbesondere Belästigung der Beschwerdeführer); auch soll hier die Frage geklärt werden, ob es durch die Änderung zu einer Erhöhung der Gefährdung bzw. Belästigung kommen kann;

-    es durch die konkrete Änderung zu einer Erhöhung der Geruchsemissionen (durch die Zubereitung der Speisen) kommt.

Durch die verfahrensgegenständliche Änderung (Bescheid vom 26. November 2019, ***) soll die Änderung der Betriebsanlage durch „Einbau neuer Küchengeräte und –maschinen, Einbau einer neuen Zuluftanlage für die Küche, Errichtung einer Bar, Errichtung einer Stiege im Außenbereich, Errichtung von je einem Klimasplitgerät in den beiden Gasträumen sowie Errichtung einer Werbetafel an der Außenmauer, samt der hierfür erforderlichen technischen und maschinellen Einrichtungen und Außenanlagen abgeändert werden.

Durch die konkrete Änderung soll ein Austausch der Maschinen erfolgen. Konkret soll künftig folgende Maschinen und Geräte in der Betriebsanlage zum Einsatz kommen:

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

Folgende Maschinen sollen entfernt werden:

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

Zum gegenständlichen Küchenbereich (Betrieb von 1 Gas Wokherd (2 Kochstellen), 1 Gasherd (4 Brenner) sowie 1 Elektrogrill-Bratplatte) ist Folgendes festzustellen:

Die Anlagenteile Gas Wokherd (2 Kochstellen), Gasherd (4 Brenner) und Elektrogrill-Bratplatte werden nach den vorgelegten Unterlagen über eine Dunstabzugshaube mit einer bereits bestehenden Abluftanlage im Ausmaß von ca. 3.700 m³/h (Bestandsauslegung: 3.800 m³/h) abgesaugt. Die Abluftanlage soll zusätzlich mit einer Aktivkohleanlage ausgerüstet werden, welche 36 Aktivkohlepatronen je 3 kg bzw. je 5,7 l Aktivkohle umfassen wird (Verweilzeit: 0,2 sec). Die gereinigte Abluft soll via Deflektorhaube senkrecht und unbehindert über Dach abgeführt werden. Die Dunstabzugshaube verfügt über einen Fettabscheider mit Prallflächenelementen und es soll vor der Aktivkohleanlage ein Vorfilter F7 mit einer Filterfläche von mindestens 4,2 m² pro 1000 m³/h installiert werden. Für die gesamte Lüftungsanlage wird darüber hinaus ein Wartungsvertrag mit einer Fachfirma abgeschlossen werden und sollen die "Wartungsanweisungen" gemäß Technischer Grundlagen des BMDW (Gerüche, 2009) angewandt werden. Eine Kontrolle der Aktivkohleanlage ist dabei zB. in zumindest halbjährlichen Abständen, eine Wartung und Reinigung (inklusive Aktivkohletausch) in zumindest jährlichen Abständen vorgesehen.

Aus maschinenbautechnischer Sicht kann festgestellt werden, dass durch die gegenständliche Änderung keine zusätzlichen Gefahren bzw. Belästigungen von der Betriebsanlage ausgehen. Bei den gegenständlichen Maschinen handelt es sich um solche, welche dem Stand der Technik entsprechen.

Die betriebenen Gasgeräte werden nach wie vor mit Erdgas betrieben. Dadurch gelangt es jedenfalls (bei ordnungsgemäßem, nämlich projektgemäßem Betrieb) zu keiner wesentlichen Temperaturhöhung bei der Zubereitung der Speisen.

Aus luftreinhaltetechnischer Sicht kann Folgendes ausgeführt werden:

Die ausgetauschten geruchrelevanten Emittenten, ein 4–Flammen-Gasherd gegen einen neuen 4-Flammen-Gasherd, 4-flammigen-Gasgerd mit Backrohr gegen einen Wok-Gasherd) weisen fast identische Leistungsbereiche auf und lassen bei der Herstellung ähnlicher Gerichte (asiatische Speisen) und damit ähnlicher Zubereitungsarten die Schlussfolgerung auf ein vergleichbares maximal mögliches Ausmaß der emissionsrelevanten Prozesse (Koch- und Bratvorgänge) in Folge verfügbarer Gaskochstellen zu.

Darüber hinaus wird eine Aktivkohleanlage installiert, die gemäß Technischer Grundlage des BMDW (Gerüche 2009) für geruchsbelastete Küchenabluft ausgelegt ist und somit im Mittel eine ca. fünfzigprozentige Reduzierung an Geruchsemissionen erwarten lässt.

Insgesamt ist somit bei projektgemäßer Ausführung in Bezug auf den genehmigten Konsens eine Geruchsreduktion bei der emittierten Küchenabluft im Abgasstrom in die freie Atmosphäre zu erwarten. Aus luftreinhaltetechnischer Sicht ergibt sich durch die gegenständliche Änderung der Betriebsanlage keine Erhöhung der Geruchsemissionen.“

Mit Schreiben vom 29. April 2020, LVwG-AV-34/001-2020, wurde der Aktenvermerk vom 28. April 2020 den Verfahrensparteien zur Kenntnis gebracht und die Gelegenheit geboten hierzu bis 20. Mai 2020 (einlangend) Stellung zu nehmen. Hiervon machte keine Verfahrenspartei Gebrauch.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz erkennt das Verwaltungsgericht über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist - über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen und nach § 28 Abs. 2 VwGVG grundsätzlich in der Sache zu entscheiden (§ 27 VwGVG). Relevant ist dabei im Bescheidbeschwerdeverfahren – nach h. M. (in diesem Sinn auch VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076) – regelmäßig die in seinem Entscheidungszeitpunkt geltende Sach- und Rechtslage, sodass diesbezügliche Änderungen – zum Vor- und Nachteil des Beschwerdeführers (VwGH 27.3.2007, 2007/18/0059) zu berücksichtigen sind. In seinem Verfahren hat das Verwaltungsgericht – soweit sich nicht aus dem VwGVG anderes ergibt – die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1-5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

Sache des Beschwerdeverfahrens ist – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgesehenen Prüfungsumfanges – jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. VwGH vom 17.12.2014, Ra 2014/03/0049).

Die Prüfungsbefugnis der Verwaltungsgerichte ist keine unbegrenzte; der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis ist die "Sache" des bekämpften Bescheides; innerhalb des so eingeschränkten Prüfungsumfanges findet noch einmal eine weitere Beschränkung insofern statt, als Parteibeschwerden iSd Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG nur insoweit zu prüfen sind, als die Frage einer Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten Gegenstand ist (vgl. VwGH 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066).

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1.   das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2.   die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3.   die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4.   die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5.   eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

Unter einer gewerblichen Betriebsanlage im Sinne der §§ 74 f GewO 1994 ist nach der ständigen Judikatur des VwGH die Gesamtheit jener Einrichtungen zu verstehen, die dem Zweck des Betriebes eines Unternehmens gewidmet sind und in einem örtlichen Zusammenhang stehen. Nicht die einzelnen Maschinen und Geräte oder die beim Betrieb vorkommenden Tätigkeiten bilden daher den Gegenstand der behördlichen Genehmigung, sondern die gesamte gewerbliche Betriebsanlage, die eine Einheit darstellt. VwGH Slg 14.857 A (1998).

Gegenstand des gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahrens ist die gewerbliche Betriebsanlage, d.h. die Gesamtheit jener Einrichtungen, die dem Zweck des Unternehmens gewidmet sind und in örtlichem Zusammenhang stehen (vgl. dazu u.a. VwGH 30.10.1990, Zl 90/04/0143).

Gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 bedarf, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

Das gegenständliche Verfahren (Betriebsanlage-Änderungs-Genehmigungsverfahren) stellt ein antragsbedürftiges Projektgenehmigungsverfahren dar. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die „Sache“, über die in einem derartigen Genehmigungsverfahren zu entscheiden ist, durch das Genehmigungsansuchen bestimmt wird. Im gewerberechtlichen Genehmigungsverfahren sind die Einreichunterlagen zugrunde zu legen und diese auf ihre Genehmigungsfähigkeit zu prüfen. Dementsprechend umfasst die behördliche Genehmigung auch nur das in diesen Unterlagen beschriebene Projekt (vgl. z.B. VwGH vom 22.04.2014, 2012/04/0130, mwN).

Gemäß § 75 Abs. 2 GewO sind Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen, und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.

Die Beschwerdeführer sind Nachbarin im Sinn des § 75 Abs. 2 GewO.

Die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 81 GesO sind daher keine anderen als jene, an die das Gesetz im § 77 GewO die Errichtung einer Anlage knüpft (vgl. u.a. VwGH vom 15.9.1992, 92/04/0070).

Gegenstand eines Verfahrens nach dem ersten Satz des § 81 Abs. 1 GewO hat nur die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage, nicht jedoch die geänderte Betriebsanlage insgesamt zu sein (vgl. VwGH vom 10.2.1998, 97/04/0165). Nur insoweit, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist, hat nach dem zweiten Satz des § 81 Abs. 1 die Genehmigung auch die bereits genehmigte Anlage zu umfassen; erforderlich ist es dann, wenn durch diese Änderung auch das Ausmaß der von der bestehenden Anlage ausgehenden Emissionen eine Änderung erfährt. Eine Vermehrung der Gesamtemissionen der Anlage im Zuge der Änderung allein rechtfertigt noch nicht, dass die Genehmigung der Änderung auch die bereits genehmigte Anlage zu umfassen habe. Einer solchen Vermehrung ist vielmehr durch entsprechende Auflagen im Bescheid über die Genehmigung der Änderung zu begegnen. Ist hingegen die Änderung der Anlage dergestalt, dass durch sie neue oder größere Emissionen im Sinne des § 74 Abs. 2 auch durch die bestehende Anlage ausgelöst werden, so hat insoweit die Genehmigung der Änderung auch die bereits genehmigte Anlage zu umfassen
(u.a. VwGH vom 27.2.1991, 90/04/0199).

Das Verfahren nach § 81 GewO 1994 dient demnach nicht der inhaltlichen Überprüfung des nach § 77 GewO 1994 ergangenen Genehmigungsbescheides, vielmehr ist dessen Inhalt dem Verfahren nach § 81 GewO 1994 zugrunde zu legen. Die bereits genehmigte Betriebsanlage ist als Vergleichsmaßstab heranzuziehen. (VwGH vom 21.11.2018, Ra 2016/04/0102)

Gegenständlich war daher der Beurteilung ausschließlich die zusätzlichen Emissionen durch das gegenständliche Änderungsprojekt (den Änderungsantrag) bezogen auf die in der Beschwerde vorgebrachten Einwendungen (betreffend subjektiv-öffentlicher Interessen der Beschwerdeführer) der Beurteilung zu Grunde zu legen. Ein Änderungsgenehmigungsverfahren ist stets (wie jedes Genehmigungsverfahren) ein Projektgenehmigungsverfahren. Bei diesem sind entsprechend des beantragten Projektes die maximal möglichen Emissionen – zugunsten der Nachbarn (Beschwerdeführer) - der Beurteilung zu Grunde zu legen.

Auf Grund der Aktenlage konnte von einer genehmigten Betriebsanlage im gegenständlichen Standort ausgegangen werden. Der betriebsanlagenrechtliche Genehmigungskonsens stellt sich wie oben ausgeführt dar. Ebenso ergab sich unstrittig, dass durch die gegenständliche Änderung der Betriebsanlage keine zusätzlichen Geruchsemmissionen der Betriebsanlage ergeben.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere der schlüssigen und zweifelsfreien Gutachten der beigezogenen Amtssachverständigen war davon auszugehen, dass durch die gegenständliche Änderung der gegenständlichen Betriebsanlage die Nachbarn nicht unzumutbar belästigt werden und die Interessen des § 74 Abs. 2 GewO ausreichend geschützt werden. Insbesondere ergab sich auf Grund der Ausführungen des maschinenbautechnischen Amtssachverständigen zweifelsfrei, dass durch die gegenständliche Änderung keine zusätzlichen Gefahren bzw. Belästigungen von der Betriebsanlage ausgehen.

Ergänzend wird ausgeführt, dass einem, von einem tauglichen Sachverständigen erstelltes, mit den Erfahrungen des Lebens- und Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehenden Gutachten seitens der Nachbarn nur durch ein gleichwertiges Gutachten entgegengetreten werden kann. Einem schlüssigen Gutachten kann mit bloßen Behauptungen, ohne Argumenten auf gleicher fachlicher Ebene in tauglicher Art und Weise nicht entgegengetreten werden (vgl. VwGH vom 13.11.1999, 87/07/0126, 20.2.1992, 91/09/0154, 31.1.1995, 92/07/0188 u.a.).

In Anbetracht der Tatsache, dass es durch die gegenständliche Änderung zu keiner Erhöhung der Geruchsemmissionen kommt, war auch keine humanmedizinische Beurteilung im gegenständlichem Verfahren (Änderungsgenehmigungsverfahren – Vergleich mit dem rechtskräftigen Bestandskonsens) notwendig.

Die Beschwerden waren daher abzuweisen.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abzusehen, da eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht hätte erwarten lassen und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S.389, entgegenstanden. Es handelt sich im vorliegenden Beschwerdeverfahren ausschließlich um Rechtsfragen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist (vgl. VwGH vom 24. 6.2014, 2014/05/0059, 17.4.2012, 2012/05/0029 bzw. 21.12.2012, 2012/03/0038).

Zur Nichtzulassung der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG, welcher grundsätzliche Bedeutung zukommt, war gegenständlich nicht zu lösen, sodass eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Schlagworte

Gewerberecht; Betriebsanlage; Änderung; Genehmigung; Nachbar; Lärm;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.34.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.07.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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